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Städtebombardements Zweiter Weltkrieg

2.12.1942: Frankfurt am Main: Angriff mit Masterbomber

Der erste Luftangriff mit einem Masterbomber (2.12.1942) - Fehlmarkierung von Neu-Isenburg - Ausfall der Funkanlage im Masterbomber - Zoowärter Schuhmann - Bombardement mit Feuerstürmen (4.10.1943) - die Altstadt wird zur Trümmerwüste (22.3.1944)

Frankfurt am Main, Sachsenhausen,
              Elisabethenstrasse um 1900
Frankfurt am Main, Sachsenhausen, Elisabethenstrasse um 1900

aus: David J. Irving [u.a.]: Und Deutschlands Städte starben nicht. Ein Dokumentarbericht (Karweina 1964)

präsentiert und mit Ergänzungen versehen von Michael Palomino (2008)

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Das alte Frankfurt am Main
Frankfurt am Main, Sachsenhausen,
                        Elisabethenstrasse um 1900
vergrössernFrankfurt am Main, Sachsenhausen, Elisabethenstrasse um 1900
Frankfurt am Main,
                      Hauszeile am Römerberg, 1920 ca.
Frankfurt am Main, Hauszeile am Römerberg, 1920 ca.
Frankfurt am Main, Fünffingerplätzchen 1930
                        ca.
vergrössernFrankfurt am Main, Fünffingerplätzchen 1930 ca.

Frankfurt am Main ab 1933 unter NS-Terror
Hissung der
                      Hakenkreuzfahne am Römerberg im März 1933, und die
                      Menschenmenge macht den strammen Hitlergruss
Hissung der Hakenkreuzfahne am Römerberg im März 1933, und die Menschenmenge macht den strammen Hitlergruss
Frankfurt unter
                      Hakenkreuzfahnen
Frankfurt unter Hakenkreuzfahnen

Frankfurt wurde nach der Eingemeindung von Hoechst 1928 die flächenmässig grösste Stadt Deutschlands. Frankfurt war schon damals eine Metropole der Giftchemie und der Versicherungen. Nach der Wirtschaftskrise wurde die NSDAP die stärkste politische Partei, 1933 mit 47,9 % [1]. Im Mai 1933 fand in Frankfurt wie in anderen grossen deutschen Städten eine Bücherverbrennung statt [2]. Im September 1933 machte Hitler in Frankfurt den Spatenstich zum seit langem geplanten Autobahnbau zwischen Hamburg und Basel. Trotz grossen Anstrengungen der Nazi-Partei kam der Aufschwung in Frankfurt nach 1933 kaum vom Fleck. 1935 wurde Frankfurt zur "Stadt des deutschen Handwerks" auserkoren. 1938 wurde die Synagoge zerstört [1].
[1] http://www.stadtgeschichte-ffm.de/service/chronik/chronik_5_2_e.html
[2] http://www.hebig.org/blogs/archives/main/cat_quotes.php

Bisherige Angriffe 1941
-- bis 13. September 1941 einzelne Bombenabwürfe
-- am 13. September der erste grössere Luftangriff zusammenhängender englischer Bomberverbände mit 60 Flugzeugen in sechs Wellen mit dem Abwurf von 75 Sprengbomben und etwa 650 Brandbomben über dem gesamten Stadtgebiet. Erstmals sitzen Frankfurter mehrere Stunden in Luftschutzkellern. Bilanz: 8 Tote, 17 Verletzte, etwa 200 Obdachlose
-- zwischen Mai und Oktober sind es 15 Luftangriffe bei insgesamt 30 Toten.
(http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil0/teil0.html)

Bisherige Angriffe 1942
-- englischer Tagesangriff am 25. Juli 1942 mit Bomben auf die Gleise der Hafenbahn und am Nizza
-- englischer Tagesangriff am 1. August 1942 mit vier Bomben auf die Zeil und einige Nachbarstrasse, bei 4 Toten und 31 Verletzten. Nach einer Entwarnung fielen die Bomben überraschend.
(http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil0/teil0.html)

[2. Dezember 1942: Weisse Leuchtbomben - und im Fall einer Korrektur grüne Leuchtbomben - Sprechfunkanlagen und der Masterbomber]

Am Nachmittag des 2. Dezember 1942 werden die Staffelkapitäne Daniels und Hurry von Bennetts blonder Sekretärin, von allen "Sonnenschein" genannt, in das Büro des Pfadfinderchefs geführt. Pat Daniels zählt zu den berühmtesten Piloten des Bomberkommandos. Er hat schon über 70 Einsätze geflogen und ist damit ein ganz alter Hase... obwohl er erst einundzwanzig ist.

Bennett bietet den jungen Offizieren Zigaretten an. "Heute Nacht fliegen wir nach Frankfurt am Main, Gentlemen", sagt er. "Eine Stadt, bei der das Glück dem Bomberkommando bisher wenig hold war. Nicht wahr, Staffelkapitän Daniels?"

Pat Daniels nickt verlegen und fährt sich mit der Hand durch den schwarzen Haarschopf.

"Ich weiss, dass Frankfurt oft unter einem Dunstschleier verborgen liegt", fährt Bennett fort. "Aber beim Angriff am 8. September war herrlich-klare Sicht. Der Fehlschlag ist eindeutig darauf zurückzuführen, dass unsere Markierungsbomben zwanzig Kilometer neben der Stadt runterkamen."

"Die Markierungsbomben sind miserabel. Sie trudeln zu sehr aus der Richtung", sagt Staffelkapitän Hurry entschuldigend. (S.53)

[Im August und September 1942 wurden mehrere Städte in Hessen Opfer von Städtebombardements.
(http://lernen.bildung.hessen.de/hessen/gedenktage/zeige_monat?monat=4&ist_ueberregional=0 (2008)]

"Stimmt", gibt Bennett zurück. "Aber zwanzig Kilometer daneben... das ist selbst bei so miserablen Bomben ein miserabler Wurf."

Bennett beugt sich vor. "Ich habe mir lange überlegt, wie wir solche Pannen verhindern können. Jetzt weiss ich es. Gentlemen, heute Vormittag sind in ihren Maschinen starke Sprechfunkanlagen eingebaut worden, die mit ihren Kehlkopfmikrophonen verbunden sind."

Er wendet sich an Pat Daniels: "Sie werden als erster über Frankfurt eintreffen, die Angriffs-Bedingungen studieren und die Pfadfindermaschinen durch Funk genau einweisen. Sie stellen fest, ob die "Beleuchter" die weissen Leuchtbomben über dem richtigen Gebiet abwerfen, und geben den Markierern Anweisungen, wo sie ihre rote Zielmarkierung zu setzen haben. Wenn Sie feststellen, dass die rote Zielmarkierung falsch liegt, dann markieren Sie selbst noch einmal mit den grünen Leuchtbomben, die Sie an Bord haben."

"Und wenn ich nun ebenfalls falsch markiere?" fragt Pat Daniels.

"Dann gibt Ihnen der zweite Teil Ihrer Aufgabe Gelegenheit, das zu korrigieren", erklärt Bennett. "Nach der Zielmarkierung steigen Sie nämlich auf die grösstmögliche Höhe, beobachten von dort den Verlauf des Angriffs und geben den anfliegenden Besatzungen darüber eine Art Radioreportage. So erfahren die Jungs schon vorher ganz genau, wie es über dem Ziel aussieht, welche Leuchtbomben richtig liegen, wo Lücken im Flakgürtel sind, ob sie mit Nachtjägern zu rechnen haben, und welche Windverhältnisse herrschen. Das wird ihrer Kampfmoral Auftrieb geben."

Bennett hat sich in Begeisterung geredet. Auch die beiden Staffelkapitäne erkennen die grossen Möglichkeiten, die dieses Verfahren der Bomberlenkung bietet. Aber begeistert sind sie nicht. "Wie lange sollen wir denn da oben über Frankfurt herumkreuzen?" erkundigt sich Pat Daniels.

"Sie haben genug Sprit in den Tanks, um eine Stunde über dem Ziel zu kreisen..."

"Nicht gerade ein Picknick", brummt Staffelkapitän Hurry. Rings um eine Grossstadt wie Frankfurt liegen drei- bis vierhundert Flakgeschütze und zahllose Scheinwerfer. Normalerweise hält sich ein Bomber nur fünf Minuten in ihrer Reichweite auf. Und schon diese fünf Minuten erscheinen den Besatzungen wie eine Ewigkeit.

"Warum werden zwei Mann für diesen Job benötigt, Sir?" fragt Pat Daniels. "Soll einer von uns beiden die Maschine fliegen und der andere die Rederei übernehmen? Oder wie haben Sie sich das gedacht?"

Der Pfadfinderchef schüttelt den Kopf. "Sie allein sind der Masterbomber, (S.54)

Daniels", sagt er. "Sie fliegen Ihre Maschine wie immer selbst und geben auch die Anweisungen an die Bomber. Staffelkapitän Hurry ist Ihr Stellvertreter. Er folgt Ihnen in seiner eigenen Maschine."

Pat Daniels begreift immer noch nicht. "Aber warum denn zwei Masterbomber?"

Bennett hüstelt. "Für den Fall, dass einer von Ihnen... ausfällt."

Einen Augenblick lang ist es totenstill. Dann sagt Daniels mit grimmigem Lachen: "Das nenne ich weise Voraussicht!"

Wenn jemand eine Stunde lang im Bereich der deutschen Flak und Nachtjäger kreisen muss, sorgt man wirklich besser von Anfang an für Ersatz...

Das dreidimensionale Angriffschema mit eines
                Luftangriffs mit Masterbomber über Frankfurt am Main
vergrössernDas dreidimensionale Angriffschema mit eines Luftangriffs mit Masterbomber über Frankfurt am Main
(aus: Irving [u.a.]: Deutschlands Städte (Karweina 1964), S. 57)

[2. Dezember 1942: Die Flugroute mit Täuschungen]

Auf den Flugplätzen im Süden und Osten Englands liegt Schnee, als die Bomber am späten Abend des 2. Dezember 1942 nach Frankfurt starten. Der Kurs führt über die Themsemündung direkt auf Cayeux an der französischen Küste zu, biegt dort über Arras nach Mons in Belgien, knickt erneut ab und geht über Eifel und Hunsrück nach Oppenheim am Rhein. Von dort sollen die Maschinen scharf nach Nordosten überraschend auf Frankfurt zufliegen.

Die Funker sind bei der Einweisung darauf hingewiesen worden, dass sie auf der Höhe von Bad Kreuznach eine bestimmte Kurzwellenfrequenz genau abhören sollen. Das ist die Frequenz des Masterbombers. Aber darüber sind die Besatzungen nicht aufgeklärt worden, um sie nicht unnötig nervös zu machen, wenn die beiden Masterbomber abgeschossen werden sollten ...

Zwei Stunden lang donnern die Viermotorigen durch den eisigen Dezemberhimmel. Von der französischen Küste an greifen die deutschen Nachtjäger an, holen immer wieder einen Bomber herunter, der wie eine brennende Fackel zu Boden trudelt oder in der Luft zerspringt.

Der Navigator in einer Halifax der 35. Pfadfinderstaffel schiebt dem Funker, Sergeant Darling, plötzlich einen Zettel zu. "Kreuznach", steht darauf. Sonst nichts.

Darling schaltet seinen Empfänger auf die vorgeschriebene Kurzwellenfrequenz und schliesst mit einem Griff die Kopfhörer der Besatzung an den Empfänger an.

Und plötzlich ist eine Stimme da. Eine Stimme, die jeder im Bomberkommando kennt. Die Stimme von Staffelkapitän Pat Daniels.

"Schwalbe ruft Beleuchter, Schwalbe ruft Beleuchter! Wir warten auf euch! Wir warten auf euch. Hier spricht Pat Daniels." (S.55)

Die Männer in den Maschinen schreien begeistert auf. Das ist etwas, was sie nicht erwartet haben. Einer der erfahrensten Piloten des Bomberkommandos leitet diesen Angriff. Nicht von zu Hause am Schreibtisch, sondern aus einer Maschine mitten im Flakfeuer von Frankfurt, durch das auch sie hindurch müssen.

Jetzt fühlen sich die Männer in den eisigkalten Bombern nicht mehr allein. Da ist diese Stimme aus der Nacht, die sie begleitet, die ihnen Ratschläge gibt, die ihnen Mut macht.

"Schwalbe an alle, Schwalbe an alle!" hören sie. "Keine Sorgen vor der Flak, Jungs. Ihr Feuer liegt viel zu tief..."

[Der Flug im Masterbomber - der Masterbomber kreist über Frankfurt - bläuliche Scheinwerfer]

Pat Daniels zieht mit seiner Lancaster 40 Kilometer vor den ersten Pfadfindern allein durch den feindlichen Himmel. Vor dem Piloten liegt der beste Navigator des Bomberkommandos als Bombenschütze in der Plexiglaswanne des Bugs. Staffelkapitän Anderson ist der Chefnavigator des Pfadfinderkorps. Heute fliegt er als Bombenschütze des ersten Masterbombers der Geschichte.

"Ich kann den Main deutlich erkennen", meldet er dem Piloten. "Unter uns liegt eine Stadt. Nach der Grösse muss es Frankfurt sein. Genaueres kann ich erst sagen, wenn die Leuchtbomben gefallen sind."

"Die Beleuchter müssen jeden Augenblick eintreffen", antwortet Pat Daniels.

Er zieht die Maschine in viertausend Meter Höhe in eine weite Kurve. Ein paar Flakgeschütze haben das Feuer auf den einsamen Bomber eröffnet, der seit fünf Minuten über der Stadt kreist. Von Scheinwerfern ist nicht viel zu merken.

Nur manchmal blitzt ein Lichtkegel mit stark bläulichem Schein auf und erlöscht nach wenigen Sekunden wieder. Meist ist er bedenklich nah an der kreisenden Lancaster. Die Scheinwerfer mit bläulichem Licht sind direkt mit den Funkmessgeräten gekoppelt und daher am gefährlichsten.

"Achtung, Sir!" meldet der Funker. Ein Knacken in der Leitung, und dann hört Daniels eine dünne Stimme: "Star ruft Schwalbe, Star ruft Schwalbe! Wie empfangen Sie mich?"

Das ist die Stimme von Staffelkapitän Hurry, dem stellvertretenden Masterbomber.

"Hier Schwalbe, hier Schwalbe", ruft Pat Daniels zurück. "Ich empfange Sie gut und klar."

"Hals- und Beinbruch, Schwalbe!" meldet sich Hurry noch einmal. "Ich bleibe auf Sicht mit Ihnen..."

Nacht vom 2. zum 3. Dezember 1942, Frankfurt: Zwei Masterbomber hatten die Aufgabe, während der ganzen Operation in 9000 Meter Höhe über der Kaiserstadt zu kreisen und von dort den Angriff per Funk zu dirigieren. Die erste Pfadfindergruppe, die Beleuchter, warfen aus 6000 Meter Höhe Leuchtbomben ab. Ihnen folgte in 4000 Meter Höhe eine zweite Pfadfindergruppe, die Markierer, und warfen rote Markierungsbomben ab. In das so abgesteckte Zielgebiet sollten die in 6000 Meter Höhe folgenden Bomberverbände ihre Luftminen, Spreng- und Brandbomben werfen und dadurch einen Feuersturm entfachen. (S.56)

Pat Daniels gibt keine Antwort mehr. Seine Rolle als "Radiosprecher" behagt ihm nicht. Er weiss nur zu gut, wie leicht es ist, einen Kurzwellensender anzupeilen. Und wenn die Deutschen erst erkannt haben, dass ein Leitflugzeug den gesamten Angriff dirigiert, konzentrieren sie ihre Nachtjäger auf diese Maschine.

[Leuchtbomben an Fallschirmen - Bodendunst verhindert die Sicht - die Flak - die Fehlmarkierung von Neu-Isenburg]

Karte mit Frankfurt am Main,
              Neu-Isenburg, Offenbach und dem Rhein-Main-Flughafen
Karte mit Frankfurt am Main, Neu-Isenburg, Offenbach und dem Rhein-Main-Flughafen

Jetzt zündet eine ganze Reihe von grellweissen Leuchtbomben direkt vor ihnen und pendelt an den Fallschirmen langsam nach unten. Die "Beleuchter"-Maschinen sind eingetroffen und haben ihre Arbeit aufgenommen.

"Verdammt, Bodendunst!" ruft Staffelkapitän Anderson, der Navigator. Nur hauchdünn ist der Schleier aus Staub- und Rauchteilchen, der dicht über dem Boden des Maintals hängt. Aber er reflektiert das Licht der Leuchtbomben wie ein matter Spiegel und deckt die Konturen des Bodens zu.

Daniels schaltet sein Mikrophon ein. "Schwalbe ruft Beleuchter. Schön langsam mit den Kerzen, Jungs. Nicht so viele auf einmal."

Er zieht seinen Bomber in eine andere Linkskurve und kann dabei einen Blick nach unten werfen. Unter dem glitzernden Dunstschleier glaubt er hohe Schornsteine erkennen zu können. Eine ganze Reihe.

"Das ist Höchst!" ruft er.

"Es kann auch Hanau sein", gibt der Navigator aus der Bugkanzel zurück. Die Landschaft unter dem Dunstschleier ist erwacht. Dutzende von Scheinwerfern tasten den Himmel ab, Hunderte von Geschützrohren spucken Feuer.

Pat Daniels weiss, dass gleich die Markierer eintreffen. Die zweite Gruppe der Pfadfinder, die das Ziel mit roten Leuchtbomben abzustecken hat. Unter dem Schleier der Dunstschicht glaubt der Masterbomber jetzt einen Fluss zu erkennen.

"Das ist der Main!" ruft der Navigator im gleichen Augenblick. Er hat eine perspektivische Stadtkarte vor sich. "Vor uns ist die Schleife von Offenbach. Die Leuchtbomben liegen viel zu weit südlich des Zielpunktes!"

Auch Staffelkapitän Daniels wirft einen Blick auf die Zielkarte, die auf seinem Schoss liegt. Bei der hellen Scheinwerferbeleuchtung kann er sie genau erkennen. Die Leuchtbomben scheinen über Neu-Isenburg zu hängen [5 km südlich von Frankfurt]. Neue Leuchtbomben anzufordern ist sinnlos. Denn je mehr Licht auf den Dunstschleier fällt, um so weniger ist vom Boden zu sehen... und um so stärker werden die "Markierer" geblendet, deren Arbeit nach den "Beleuchtern" beginnt.

[Die Korrektur der Markierung - immer noch 3 km zu weit südlich wegen täuschender Wolkenbank]

"Schwalbe ruft Markierer", sagt Pat Daniels. Niemand merkt seiner (S.58)

Stimme an, dass in diesem Augenblick eine schwere Flakgranate so nah explodiert, dass der Bomber wie ein Blatt geschüttelt wird. "Schwalbe ruft Markierer! Die Beleuchter sind zu weit nach Süden abgekommen. Markiert sofort fünf Kilometer weiter nördlich."

Daniels muss jetzt einen weiten Bogen fliegen, um wieder in eine Position zu kommen, die ihm den Überblick ermöglichst, Das dauert zwei Minuten. Und dann sieht er die roten Leuchtbomben der Markierer ... ebenfalls viel zu weit südlich. Trotz der bitteren Kälte bricht Pat Daniels der Schweiss aus. Er ist Masterbomber. Er trägt die Verantwortung...

Sein Bombenschütze weiss genau, wie der Pilot sich fühlt. "Wir müssen jetzt selbst eingreifen, damit der Verband nicht die Wälder im Süden von Frankfurt bombardiert!" ruft er. "Gehen Sie so tief wie möglich runter, Pat, damit ich meine grünen Markierungsbomben beim Zielpunkt abwerfen kann."

Pat Daniels öffnet die Bombenklappen und drückt die Lancaster steil nach unten. Der Bombenschütze in seiner gläsernen Bodenwanne gibt die Kursanweisung. Aber auf einmal sieht er die Stadt vor sich nicht mehr. Denn plötzlich hängt die Maschine in gleissendem, blendendem Scheinwerferlicht. Nur mit grösster Mühe erkennt er ein paar rote Lichtpunkte unter sich. Die falschen Markierungsbomben. Die Maschine schaukelt wild im Hagel der ringsum explodierenden Flakgranaten.

Der Bombenschütze schirmt mit den Händen seine Blendbrille nach den Seiten ab, starrt angestrengt nach unten. Da huscht ein schimmerndes Band vorbei. Der Main. Direkt nördlich des Mains liegt der Zielpunkt. Der Bombenschütze drückt auf den Knopf. "Bomben sind raus!" meldet er. Auf diesen Ruf hat Pat Daniels gewartet. Er ist ein Meisterpilot, hat mehr Erfahrung im Umfang mit deutschen Scheinwerfern als irgend jemand sonst. Mit ein paar gewagten Schwüngen entreisst er seine Lancaster den Lichtbündeln. Und da hört er im Kopfhörer die Stimme des stellvertretenden Masterbombers Hurry, der irgendwo hinter ihm fliegt. "Star ruft Schwalbe! Ihre grünen Markierungsbomben sind ebenfalls zu weit südlich gefallen. Der Zielpunkt liegt wenigstens drei Kilometer weiter nördlich. Haben Sie mich verstanden, Schwalbe?"

"Habe Sie verstanden, Star", ruft Pat Daniels ärgerlich. Es knackt in der Leitung. Dann meldet sich Staffelkapitän Anderson, der Bombenschütze. "Ich habe eine Wolkenbank für den Main gehalten", sagt er verlegen.

[Diese Begründung scheint sehr komisch, denn der Main glitzert, und die Wolkenbank müsste eine schlauchartige, Wolkenbank gewesen sein, praktisch unmöglich].

"Nicht zu ändern", gibt der Masterbomber zurück, schiebt die Gashebel bis zum Anschlag durch und zieht die Maschine steil nach oben. (S.59)

Von Südwesten aus Richtung Oppenheim, nähert sich jetzt der grosse Bomberstrom. Die Pfadfinderspitze hat bereits zum Rückflug abgedreht. Nur Masterbomber Pat Daniels und sein Stellverttreter Hurry bleiben zurück. Noch eine Stunde müssen sie in dem wütenden Flakfeuer über Frankfurt kreisen.

[Der Bomberstrom - die Anweisung - der Sender des Masterbombers versagt - der Bomberangriff verzettelt sich]

Schwalbe ruft alle!" tönt die ruhige Stimme des Staffelkapitäns Daniels durch den Äther, während er seinen Bomber auf 9000 Meter Höhe schraubt. "Die roten Zielmarkierer liegen nicht korrekt. Beachtet sie nicht! Der Zielpunkt liegt drei Kilometer nördlich der grünen Markierer. Dreht also nicht zu früh ab. Keine Angst vor der Flak, die Brüder ballern nur Sperrfeuer. Einfach durch mit Vollgas..."

Staffelkapitän Daniels verniedlicht bewusst, um den Besatzungen mehr Mut zu machen. Er weiss, wie leicht es den Bombenschützen in den Fingern juckt, zu früh auf den Knopf zu drücken, um endlich aus dem Trommelfeuer der Flak herauszukommen.

Die ersten Bomberwellen hören die Stimme des Masterbombers noch ganz klar. Sie fühlen sich unter seiner Aufsicht, schlagen sich durch die Sperrfeuerwand hindurch werfen ihre Bomben nördlich der grünen Markierung. Aber dann versagt plötzlich der Sender des Masterbombers. Die Piloten und Bombenschützen der Maschinen, die jetzt anfliegen, hören nur noch ein unverständliches Gemurmel. Sie richten sich beim Abwurf ihrer Bomben daher nach den falsch plazierten Markierungsfeuern. Der erste Masterbomber-Angriff verzettelt sich, weil der Masterbomber nicht mehr zu verstehen ist...

Aber in der kurzen Zeit, in der Pat Daniels den Angriff vor dem Ausfall seines Senders tatsächlich leiten konnte, hat sich bereits gezeigt, dass der Masterbomber als "Dirigent des Angriffs" eine der wichtigsten Rollen bei jener Tragödie übernehmen wird, die mit der Bombardierung der deutschen Städte enden soll.

[Ob deutsche Bomberverbände auch mit einem Masterbomber operieren, wird nicht erwähnt].


[Die Frankfurter Zoowärter sieht den Angriff in der Ferne - Entwarnungssirene - Zoowärter Albin Schuhmann und Elefantenkuh Ipani]

[Es ist nicht sicher, ob der Zoowärter Albin oder Armin Schuhmann heisst. Beide Vornamen kommen vor].

Zoowärter Albin (oder Armin?) Schuhmann mit
                        seinen Elefanten, darunter Ipani, 1941 ca. vergrössernZoowärter Albin (oder Armin?) Schuhmann mit seinen Elefanten, darunter Ipani, 1941 ca.

Er kämpfte um das Leben seiner Tiere... Als dieses Bild aufgenommen wurde, wusste Albin Schuhmann, der Oberwärter im Elefantenhaus des Frankfurter Zoos, noch nicht, welches Schicksal sein Liebling, die "Afrikanerin"Ipani (rechts), erleiden sollte. In jenen Nächten, in denen die berühmte Frankfurter Altstadt dahinsank, starben auch die Tiere im Zoo.

Stadtplan von Frankfurt am Main mit der
                      Innenstadt, dem Zoo, der von der Innenstadt nicht
                      weit entfernt ist, und Sachsenhausen
Stadtplan von Frankfurt am Main mit der Innenstadt, dem Zoo, der von der Innenstadt
nicht weit entfernt ist, und Sachsenhausen

Albin Schuhmann und die anderen Männer des Bereitschaftsdienstes im Frankfurter Zoo beobachten den Angriff aus den Anlagen zwischen den Tierhäusern. Sie sehen, wie die Flak aus allen Rohren schiesst, sie hören das Brummen zahlreicher Maschinen. Aber die Bomben fallen nicht auf Frankfurt, sondern irgendwo südlich der Stadt.

Die Männer rätseln daran herum, was die Engländer dort wohl treffen wollen. Niemand von ihnen kommt auf den Gedanken, dass dieser Angriff (S.60)

Frankfurt gelten soll. Niemand hier unten am Boden macht sich ja eine Vorstellung von den grossen technischen Schwierigkeiten eines Nachtangriffs.

Langsam verstummt das Flakfeuer. Die Scheinwerfer geistern noch einmal über den Himmel. Dann heulen die Sirenen auf und geben einen langen Dauerton. Entwarnung.

Albin Schuhmann, der Oberwärter des Elefantenhauses, geht zu seinen Tieren. Vorschriftsmässig angekettet stehen die vier Elefantenkühe in ihren Stallungen. Trompetend begrüssen sie ihren Wärter. Schuhmann löst zuerst die siebzehnjährige Afrikanerin Ipani von den Ketten.

Ipani ist der Stolz des Frankfurter Zoos und Albin Schuhmanns besonderer Liebling. Die grosse Elefantenkuh folgt ihrem Wächter wie ein Hund. Jeder Frankfurter kennt Ipani. Denn Schuhmann geht mit ihr nicht nur bei den Fastnachtszügen mit, sondern lässt sich auch sonst manchmal von ihr bei einem Bummel durch die Stadt begleiten. Sogar, wenn er sich mal ein Viertel Wein genehmigt.

Jedes der Tiere bekommt einen freundschaftlichen Klaps. Albin Schuhmann schüttelt ihnen als Entschädigung für die nächtliche Störung noch etwas Futter auf, dann geht er die zweihundert Meter hinüber zu seiner Wohnung in der Waldschmidtstrasse und legt sich ins Bett.

Es ist wieder einmal alles gutgegangen. Weder Albin Schuhmann noch sonst jemand in Frankfurt ahnt, dass in dieser Nacht die gesamte Altstadt rings um das Goethehaus ausradiert werden sollte, dass nur ein technisches Versehen den Masterbomber daran gehindert hat, trotz aller Fehlmarkierungen den Angriff auf die mittelalterlichen Häuser rings um den Römer zu lenken. (S.61)

<Auch unseren Rechercheuren ist es trotz sorgfältiger und langer Bemühungen nicht gelungen, unter diesem Datum irgendwelche Schäden im Stadtgebiet festzustellen. Dagegen stellten sie später fest, dass das benachbarte Darmstadt in dieser Nacht bombardiert worden war. "Der schwerste Angriff des Jahres 1942", schreibt der Polizeipräsident (Brief des Darmstädter Polizeipräsidenten an die amerikanische Militärregierung vom 26. März 1946).> (S.389)

1942 starben sechs Menschen in der Stadt durch Bomben, davon 4 Tote am 1. August 1942.
(http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil0/teil0.html)


1943: Die Frankfurter legen sich ihre Träume und Argumente zurecht
Da bis Oktober 1943 kein vernichtender Luftangriff gegen Frankfurt erfolgt, glauben viele Frankfurter an die Illusion, dass Frankfurt verschont bleiben würde, weil die Alliierten Frankfurt wohl zu ihrem Hauptquartier machen würden. Scheinangriffe und Fehlalarme treiben die die Menschen in Frankfurt aber das ganze Jahr über in die Bunker.
(http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil0/teil0.html)


[4. Oktober 1943: Bombenangriff auf Frankfurt mit Masterbomber - die Zoowärter im Bunker - Brandbomben mit Benzol-Kautschuk-Lösung - verletzte Tiere]

Genau zehn Monate werden Frankfurt geschenkt. Dann, am 4. Oktober 1943, erlebt die Stadt ihren zweiten Masterbomber-Angriff. Und diesmal kommt ihr keine technische Panne zu Hilfe.

Kurz nach neuen Uhr abends wird Vollalarm gegeben. Oberwärter Schuhmann stürzt aus seinem Haus hinüber in den Zoo. Er muss seine Frau und die beiden Kinder allein lassen, um den hilflosen Tieren nahe zu sein.

Die vier Elefanten stehen in wütender Kampfstellung im Gehege, die wuchtigen Vorderbeine gespreizt, die Hinterbeine geduckt, Kopf und Rüssel angriffsbereit zum Himmel gerichtet. Dort oben ist der Feind...

[Die Tiere hören durch tiefe Schallwellen, die für Menschen nicht hörbar sind, die Gefahr herankommen. Dies ist bei bei Erdbeben so, bei Tsunamis so, und auch bei Bombenangriffen so].

Niemand ausser Albin Schuhmann kann sich den Tieren in der gereizten (S.61)

Stimmung des Alarms nähern. Ihrem Wärter aber folgen sie auch jetzt noch aufs Wort. Gehorsam lassen sie sich in die Stallungen treiben und die Ketten um die Füsse legen. Schuhmann hört ihr aufgeregtes Schnaufen.

Auch die Elefanten haben Angst. Angst vor dem unberechenbaren Tod, der aus dem nächtlichen Himmel zuschlägt. Angst wie Hunderttausende von Menschen, die in ihre Keller laufen.

Schuhmann kontrolliert rasch noch einmal die Heizung des Elefantenhauses. Schon ist das Brummen der Bomber ganz deutlich zu hören. Und da heult ein Hagel von Brandbomben in den Zoo.

Das also ist er... der Grossangriff, mit dem Albin Schuhmann schon lange gerechnet hat, und von dem er doch gehofft hat, dass er nicht stattfinden würde. Der Oberwärter stürzt aus seinem Elefantenhaus nach draussen, läuft durch die Anlagen zwischen den Tierhäusern. Alle paar Schritte muss er sich hinwerfen, weil sich die Nacht in ein tosendes Inferno verwandelt hat.

Im Pfeifen und Krepieren der Bomben hört er ringsum noch das angstvolle Heulen der Raubkatzen, das wütende Trompeten seiner Elefanten, das hysterische Schnattern der Papageien und das Weinen der Affen.

Schuhmann hastet am Seelöwengehege vorbei zum Bunker am Nordrand des Zoos. Er denkt nicht nur an seine Familie. Er denkt auch voller Schrecken an das Schicksal der Tiere in diesem Grossangriff. Denn der Frankfurter Zoo liegt nicht am Rande der Stadt, sondern mitten im Zielgebiet des Vernichtungsangriffs, mitten im Gewirr der Wohnviertel im Osten der Stadt ...

[Es fragt sich, wieso man die Tiere nicht ausserhalb der Stadt verbracht und in der Stadt Frankfurt belassen hat. Wahrscheinlich mussten die Tiere des Zoos aus Propagandagründen in der Stadt bleiben, um der Bevölkerung "Normalität" vorzuspielen...]

Der Oberwärter hat jetzt die Bunkertreppe erreicht. Die letzten Stufen wird er hinuntergeschleudert. Ganz nahe, in der benachbarten Thüringer Strasse, ist eine schwere Minenbombe explodiert. Mit verbissenen Gesichtern sitzen die Tierwärter in ihrem kleinen Bunker, der unter der Wucht der Explosionen hin und her schwankt.

Wenn eine Feuerpause eintritt, laufen sie nach oben. Sie sehen den glutroten Flammenschein ringsum, sehen, dass auch der Zoo an zahlreichen Stellen brennt.... und werden von den nächsten Bombenteppichen wieder nach unten getrieben.

Da endlich ebbt die Wucht des Angriffs ab. Zwar fallen in der Ferne noch vereinzelt Bomben. Aber jetzt lassen die Wärter sich nicht länger zurückhalten. In den Zoo sind ausser Sprengbomben auch viele Flüssigkeitsbrandbomben gefallen.

Während Schuhmann und seine Arbeitskameraden durch den Tierpark zu ihren Gehegen laufen, tropft die brennende Benzol-Kautschuk-Lösung von (S.62)

Bäumen und Dächern auf sie herab. Das Schreien, Heulen und Wimmern der verwundeten Tiere ist erschütternd und angsteinflössend.

Plötzlich bleibt Armin Schuhmann erleichtert stehen. Er sieht, dass das Elefantenhaus noch steht.

[Das offene Nashornhaus - Nashorn Faru]

Die Erleichterung des Oberwärters hält nicht lange an. Denn von hier aus kann er zur Waldschmidtstrasse hinüberblicken. Und dort, wo seine Frau und die beiden Kinder während des Angriffs im Keller sassen, ist der Himmel blutrot. Schuhmann will zum Ausgang laufen. Da sieht er, dass eine Seitenwand des Nashornhauses aufgerissen ist. Im Flammenschein erkennt er das Nashorn Faru, das hinter dem grossen Loch in den Trümmern steht.

Nashörner gehören zu den gefährlichsten Tieren eines Zoos. Nicht umsonst fürchten erfahrene Grosswildjäger angeschossene Nashörner mehr als Tiger. Wenn sie gereizt sind, dann sind diese urwelthaften Tiere wütende Bestien, dann stürmen sie mit unglaublicher Geschwindigkeit vorwärts, den Kopf zum Rammstoss gesenkt. Und sie trampeln alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt.

Nur zwei Schritte braucht das Nashorn Faru zu tun, und es ist frei. Noch ein paar Dutzend Schritte weiter, und es kann durch eine der zahlreichen Mauerlücken in die brennende Stadt stürmen, zu sinnloser Wut angestachelt durch das Prasseln der Flammen...

Langsam geht der Elefantenwärter auf die Lücke im Nashornhaus zu. Freundlich spricht er auf das Tier ein, das mit bebenden Flanken dasteht und ihn aus blutunterlaufenen Augen anstiert.

Jetzt tauchen einige Männer auf. Es sind Kollegen von Schuhmann, die in der Nähe wohnen und sich sofort nach dem Angriff auf den Weg zu ihren Tieren gemacht haben. auch sie wissen, wie gefährlich Faru in dieser Situation sein kann. Ohne dass Schuhmann ein Wort zu sagen braucht, suchen sie Holz und Balken zusammen und richten ein provisorisches Gitter vor dem Loch auf.

Der Elefantenwärter steht noch immer neben dem klotzigen Tier, krault seine Ohren, reicht ihm Möhren, die seine Kollegen ihm zuwerfen... und er denkt dabei voller Sorge und Angst an seine Familie, die nur zweihundert Meter entfernt wohnt. Dort, wo die Flammen hochschlagen. Aber er kann jetzt nicht nach Hause laufen, kann nicht die Tiere verlassen, die in schönen Tagen sein Stolz waren und die jetzt in bösen Stunden seine Liebe mehr brauchen als jemals zuvor.

Dem Elefantenwärter scheint es eine Ewigkeit zu dauern, bis das Behelfsgatter (S.63)

vor dem Nashornhaus angebracht ist, bis er sich mit einem Klaps von dem jetzt völlig beruhigten Tier verabschieden kann.

[Wärter Schuhmann muss die Elefanten von den Ketten nehmen - die traumatisierten Tiere lassen sich führen]

Jetzt muss er zu seinen Elefanten. Ihr Trompeten hat ihm die ganze Zeit in den Ohren geklungen. Niemand im Zoo kann Schuhmann diese Arbeit abnehmen. Niemand ausser ihm kann es wagen, nach einem Angriff in die Elefantenstallungen zu gehen und die Fesseln zu lösen. Denn die sonst so liebenswerten Dickhäuter würden jeden Fremden sofort zertrampeln.

[In Notsituationen kommt es vor, dass Elefanten eine solche Kraft entwickeln, das sie sogar die Ketten sprengen und weglaufen, so geschehen beim Tsunami in Indonesien 2005 / 2006].

Einen Augenblick wird es still im Elefantenhaus, als sich die Gestalt des Oberwärters gegen den Flammenschein abhebt. Aber dann setzt das Trompeten der Tiere wieder ein, lauter als zuvor... und mit einem anderen Klang. Voller Freude und Erleichterung begrüssen die Elefanten "ihren" Menschen.

Schuhmann stehen Tränen in den Augen, als er seinen Tieren die Ketten löst. Immer wieder muss er sich ihrer zärtlichen Rüsselgriffe erwehren. Sein Liebling, die Elefantenkuh Ipani, hat sich einen Stosszahn abgebrochen, als sie während des Angriffs voller Angst und Wut mit dem Kopf gegen die Wand gerannt war, um aus ihrem Gefängnis herauszukommen und davonstürmen zu können.

[Der Vorgang ist nur dann möglich, wenn der Elefant vorher die Kette gesprengt hat].

Auch Venida hat starke Fleischwunden am Bein, weil sie die armdicke Kette gesprengt hat. Aber ernsthafter Schaden ist im Elefantenhaus nicht eingetreten.

Schuhmann wird schon nach wenigen Minuten zu einem anderen Haus gerufen, wo seine Erfahrung weiterhelfen kann.

Die Wucht des Angriffes hat den Charakter der meisten Tiere seltsam verwandelt. Die grossen Raubkatzen, Tiger und Löwen, sitzen völlig verschüchtert in den Ecken ihrer Gatter und lassen sich wie Haustiere von den Wärtern kraulen, wollen sie nicht weglassen, so sehr sehnen sie sich nach Tröstung.

[Die Szene, Tiger und Löwen zu kraulen, erscheint sehr gewagt und würde heute nicht mehr vorkommen].

Der wilde Zebrahengst des Tiergartens, sonst nur von einem Dutzend erfahrener Männer zu bändigen, lässt sich wie ein Droschkenpferd um den Hals fassen und in einen Notstall führen. Selbst der Riesenkommodo, eine Urzeitechse aus dem zerstörten Aquarium, scheint froh zu sein, dass ihn die Menschen finden, und schmiegt sich an den Angestellten, der ihn auf dem Arm in eine neue Unterkunft trägt. Die Furcht vor dem Tod verwischt auch bei der Kreatur alle Instinktbarrieren, verwischt den Unterschied zwischen Freund und Feind, lässt nur noch Platz für die Sehnsucht nach Gemeinsamkeit...

[Genau dasselbe passiert nach den Luftangriffen auch in der Bevölkerung: Die Not der Situation lässt alle von der  NSDAP abhängig werden, die Suppe und Decken verteilt. Nur durch Stadtflucht können die Menschen ihren Verstand halbwegs noch retten...]


[Ein intaktes Haus - Feuerstürme in Frankfurt]

Endlich, nach langen Stunden, kann Albin Schuhmann aus dem Zoo zu seiner Wohnung hinüberlaufen. Mit tiefer Erleichterung und Dankbarkeit (S.64)

sieht er, dass sein Haus noch steht... und schämt sich im gleichen Augenblick dieser Erleichterung, da das Nachbarhaus nur noch ein qualmender Trümmerhaufen ist. Seine Tiere hat der Oberwärter retten können. Für seinen Nachbarn und Freund Jeskarik und dessen sechs Kinder aber kommt jede Rettung zu spät ...

Bei der Entwarnung kurz vor Mitternacht dehnen sich im Süden und Osten der Stadt riesige Feuermeere aus und färben den Himmel blutrot. Eine Zone der Vernichtung breitet sich östlich der Friedberger Anlage und Obermainanlage über den Ostbahnhof bis in die Gegend nördlich des Ostparks aus.

Ein weiterer Zerstörungsgürtel zieht sich an der Hanauer Landstrasse entlang und auf dem südlichen Mainufer über das östliche Sachsenhausen rings um die Brauereien. Der Luftschutzkeller des Kinderheims, das sich in dem enteigneten jüdischen Krankenhaus an der Gagernstrasse befindet, hat einen Volltreffer erhalten. 90 Kinder, 14 Schwestern und eine Ärztin liegen unter den Trümmern begraben.

Das ist Frankfurt nach dem 4. Oktober 1943...

[Das Flächenbombardement von Frankfurt vom 4. Oktober 1943: 529 Tote und ausgebrochene Tiere - wöchentliche Bombardements]

Nach dem Heulen der Sirenen am Morgen fielen etwa 150 Bomben auf die Römerstadt, Bonames und die Kopferwerke Heddernheim mit beträchtlichen Gebäudeschäden. Während des Tages werden die gröbsten Schäden beseitigt. Um 21 Uhr heulen erneut die Sirenen. Es folgt der erste Grossangriff (zweistündiges Flächenbombardement) mit schätzungsweise 400-500 Flugzeugen mit rund 250.000 Brandbomben mit Schwerpunkt der Zerstörungen in den östlichen Stadtteilen: Die Zone der Verwüstung umfasste die Friedberger Anlage, Obermainanlage, Tiergarten (Zoo), Ostpark, Ostbahnhof, Hanauer Landstrasse, östliches Sachsenhausen und Oberrad, sowie die Altstadt inklusive Römer, Liebfrauenkirche bis zur Kleinmarkthalle, sowie die Stadt- und Universitätsbibliothek. Eine Bombe hatte zudem direkt in den Schutzkeller des ehemaligen israelitischen Krankenhauses, jetzt Kinderkrankenhaus, getroffen und 90 Kinder und das Personal getötet. Frankfurt beklagte 529 Tote. Im ausgebrannten Zoo waren viele Tiere ausgebrochen und wurden von Soldaten erschossen.

Die Luftangriffe auf Frankfurt erfolgten nun fast wöchentlich, und fast 200.000 Menschen drängten sich in die Luftschutzbunker bei bis zu über 6-fache Überbelegung, so die Geheimberichte.

Die Stadt wurde vom Magistrat umorganisiert: Schulen und Turnsäle wurden zu Verpflegungsstellen, Gaststätten gaben Kaffee und heisse Bouillon aus, Fluchtwege wurden hergestellt, indem Durchbrüche bei Gartenmauern und Zäunen geschaffen wurden, Wegweiser "Fluchtweg" in Richtung Parks und freie Plätze an öffentlichen Kreuzungen angebracht, Löschwasserbecken in den alten Wallanlagen errichtet, um die Löschteiche in der Innenstadt jeweils nachfüllen zu können. Ebenso wurden nun letzte Kulturgüter aufs Land in Sicherheit gebracht, wo dies noch nicht geschehen war, z.T. war es aber auch bereits zu spät. Fassadenschmuck wie Holzschnitzereien oder Sgraffitos gingen meist verloren.

[26.11.1943: Zweiter Grossangriff auf Frankfurt am Main
mit 300-350 Flugzeugen
(http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil0/teil0.html)

[Dezember 1943: Bombardierung der Wasserversorgung der Stadt

Ab Dezember 1943 bombardierte die feindliche Luftwaffe bei Großangriffen systematisch die Wasserwerke sowie die Hauptwasseradern der Stadt mit ihren weitverzweigten unterirdischen Rohrnetzen, deren genaue Lage sie vermutlich alten Frankfurter Stadtplänen entnommen hatte. Die neuen Löschwasserbecken in den alten Wallanlagen wurden nun bitter gebraucht.
(http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil0/teil0.html)

20.12.1943 1943: Dritter Grossangriff auf Frankfurt am Main
mit 300-350 Flugzeugen

Die Grossangriffe vom 26.11 und 20.12.1943 forderten 260 Tote, fast 27.000 Obdachlose. Getrofffen wurden sämtliche Stadtteile, v.a. aber die Innenstadt, mit Beschädigungen am Goethehaus, an der Südseite des Rathauses, an den Bahnhöfen, Strassenbahn und Versorgungsanlagen für Wasser, Gas und Strom, Stadtbibliothek, Haus Gontard, Historisches Museum, und die nördliche Eingangshalle des Domes.
(http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil0/teil0.html)

Frankfurt wurde zur "Frontstadt" erklärt und der Durchhaltewille beschworen. Gegenteilige Meinungen wurden von der Nazi-Justiz als "Feind-Begünstigung", "Wehrkraftzersetzung" oder "Hochverrat" geahndet, mit Standgerichten zur Abschreckung mitten in der Stadt. Das Wort "Katastrophe" wurde von der NS-Propaganda am 30. Dezember 1943 verboten und durch das Wort "Soforthilfe" ersetzt...
(http://www.aufbau-ffm.de/serie/Teil0/teil0.html)


[ab 4. Oktober 1943: Die Flucht von der Stadt aufs Land]

In den nächsten Tagen ist die Halle des Frankfurter Hauptbahnhofs ständig überfüllt von Menschen, die ihre Kinder und die Reste ihrer Habe in Sicherheit bringen wollen. Viele Frankfurter verlassen am Abend die Stadt, um in den Ortschaften der Umgebung oder in den Wäldern zu übernachten. Denn sie befürchten einen neuen Angriff. Auch Albin Schuhmann bringt in diesen Tagen seine beiden Kinder in Sicherheit. Sie sollen den feurigen Untergang ihrer Heimatstadt nicht weiter miterleben.

[Die Flucht geschieht u.a. wegen Wasserknappheit, Seuchengefahr, und wegen der Gefahr des Erfrierens im Winter. Es ist gleichzeitig absolut unverständlich, wieso die Tiere des Frankfurter Zoos nicht aus der Stadt gebracht werden].


[22. März 1944: Ein weiterer Grossangriff auf Frankfurt am Main - verletzte Zootiere - die Altstadt wird zur Trümmerwüste]

Fünf Monate später ist er mit seiner Frau gerade zu Besuch bei den Kindern, da rötet sich am Abend der Himmel in Richtung Frankfurt. Aus über 100 Kilometer Entfernung ist die Flammenglocke über der Mainstadt am 22. März 1944 deutlich zu erkennen. Noch in der Nacht macht Schuhmann sich auf den Weg nach Frankfurt. Der Gedanke an seine Tiere lässt ihm keine Ruhe, treibt ihn zurück.

Der Grossangriff vom 22. März 1944 hat die gesamte Altstadt in Trümmer gelegt. Durch eine rauchende Schuttwüste hastet der Oberwärter vom Ostbahnhof zum Zoo. Er nimmt sich nicht einmal Zeit, nach seiner Wohnung zu sehen. Nur an seine Tiere denkt er.

Aber diesmal gibt es keine Rettung für den Zoo. Sein Liebling Ipani ist von einer Stabbrandbombe getroffen worden und muss getötet werden. Die (S.65)

brüllenden Raubkatzen, soweit sie nicht verbrannt sind, die Menschenaffen, die Hirsche und seltenen Rinder, das Nashorn, die Bären... alle bekommen sie den Gnadenschuss, der sie von ihren Leiden erlöst.

In der Nacht, in der das alte Frankfurt untergeht, in der das Goethehaus verbrennt und der Römer, in welcher der Dom als eine Klagefackel zum Himmel lodert... in dieser Nacht sterben nicht nur zahllose Menschen, sondern auch die Tiere des Zoos. (S.66)

[In den Innenstädten sind keine Industrien - der Düsenjäger bleibt am Boden - Hitlers Strategiemöglichkeiten
Die Bombardierung von Innenstädten hat militärisch keinen Sinn, weil sich die Industrie nicht in den Innenstädten befindet. Die NS-Rüstung wird ausserdem unterirdisch weitergetrieben. Der deutsche Düsenjäger, über den Hitler schon 1939 verfügte, bleibt bis Ende 1944 am Boden, und dann fehlt der Treibstoff. Diese Handlungsweise, die Städte einäschern zu lassen und Verweigerung der Luftverteidigung ist nur dann erklärbar, wenn man annimmt, dass Hitler einen Vorwand für die weitere Bombardierung Englands brauchte, oder dass Hitler nach einem Endsieg alle Städte nach seinem Geschmack neu aufbauen lassen wollte, oder beides. Gleichzeitig wurden alle jüdischen Immobilien in den Städten zerstört, die man nach Kriegsende hätte zurückgeben können...]

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Quellen von Irving und seinen deutschen Journalistenkollegen über Frankfurt am Main

zum ersten Masterbomber-Angriff, der misslang:
-- Air Dates, 2. Dezember 1942 ("Bomberkommando griff Frankfurt an"
-- W. Anderson, Chefnavigator der Pfadfinder: "Pfadfinder"
-- Luftfahrtministerium: Air Ministry Bulletin 8652, 3. Dezember 1942 (S.388)

-- Interviews mit dem ersten Masterbomber, Staffelkapitän S.P. Daniels)
-- Interview mit Luftmarschall Bennet, der Pfadfinderchef
-- Interview mit Sergeant R.F. MacDonald, einer der wenigen überlebenden Pfadfinder-Piloten dieser Zeit.

-- "Interrogation Reports" vom 2. Dezember 1942 der 218. Staffel und der 3. Bomberflotte mit der Angabe, statt der Stimme des Masterbombers nur ein "unzusammenhängendes Gemurmel" gehört zu haben.

-- Frankfurter Stadtkanzlei: "Alle Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges", 8. August 1947. Der misslungene erste Masterbomber-Angriff vom 2. Dezember 1942 ist nicht erwähnt

-- <Auch unseren Rechercheuren ist es trotz sorgfältiger und langer Bemühungen nicht gelungen, unter diesem Datum irgendwelche Schäden im Stadtgebiet festzustellen. Dagegen stellten sie später fest, dass das benachbarte Darmstadt in dieser Nacht bombardiert worden war. "Der schwerste Angriff des Jahres 1942", schreibt der Polizeipräsident (Brief des Darmstädter Polizeipräsidenten an die amerikanische Militärregierung vom 26. März 1946).>

Grossangriffe auf Frankfurt 1943 und 1944: Amtliche Unterlagen und Erlebnisberichte im Frankfurter Stadtarchiv. (S.389)


Fotoquellen


-- Frankfurt Sachsenhausen Elisabethenstrasse 1900 ca.:
http://altfrankfurt.com/Stadtteil/Sachsenhausen/Elisabethenstrasse/
-- Römerberg 1920ca.: http://altfrankfurt.com/Roemerberg/
-- Fünffingerplätzchen: http://www.stadtbild-deutschland.de/rubriken/rekonstruktion/1/index.html

-- Hissung der Hakenkreuzfahne am Römerberg: http://www.stadtgeschichte-ffm.de/service/chronik/chronik_5_2_e.html

-- Frankfurt mit Hakenkreuzfahnen: http://www.cavallerotti.de/html/projekt_set/projekte/jude/jude_programm.html;
http://www.frankfurt.de/sixcms/media.php/674/thumbnails/Hakenkreuz.jpg

-- Angriffschema mit Masterbomber: Irving [u.a.]: Deutschlands Städte (Karweina 1964)
-- Karte mit Frankfurt, Neu-Isenburg und Offenbach:
http://www.welt-atlas.de/datenbank/karte.php%3Fkartenid%3D1-71&h=875&w=1000&sz=257&hl
-- Zoowärter Schuhmann mit Elefanten: Irving [u.a.]: Deutschlands Städte (Karweina 1964)


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