Kontakt / contact    Hauptseite / page
                  principale / pagina principal / home     zurück

Städtebombardements Zweiter Weltkrieg

5. September 1943 ca.: Hannover. Die Stimmung vor der grossen Vernichtung

Fronturlauber Morhoff berichtet von grauer Hoffnungslosigkeit vor der erwarteten Städtevernichtung - ein britisches Flugblatt - Alarm und bombenlose Nacht "Bolona"

Hauptbahnhof von
                      Hannover 1910 mit Ernst-August-Platz
Hauptbahnhof von Hannover 1910 mit Ernst-August-Platz
Die Polizeidirektion
                      in Hannover 1930
Die Polizeidirektion in Hannover 1930
Café Kroepcke 1930
                      ca.
Café Kroepcke 1930 ca.

präsentiert und mit Ergänzungen versehen von Michael Palomino (2008)

Teilen:

Facebook







aus: David J. Irving: Und Deutschlands Städte starben nicht. Ein Dokumentarbericht (Karweina 1964)

[Fronturlauber Hans Morhoff sieht Hannover seit zwei Jahren wieder - die "graue Hoffnungslosigkeit"]

Der Fronturlauber Hans Morhoff aus Hannover hat in seinem Tagebuch die seltsam zwielichtige und gespannte Stimmung wiedergegeben, in der die Menschen seiner Heimatstadt in diesen Tagen vor der grossen Vernichtung lebten. Er kam im September 1943 nach Hannover.

<Jetzt bin ich zum ersten Male seit über zwei Jahren wieder in Hannover>, schreibt er, <aber ich habe das Gefühl, in meiner Heimatstadt fremd geworden zu sein. Hannover hat im Juli einen schweren Luftangriff der Amerikaner über sich ergehen lassen müssen. Das Opernhaus in der Georgstrasse ist in Trümmer gesunken. Die Marktkirche, das alte Wahrzeichen der Stadt und das Leineschloss sind schwer beschädigt. Ebenso das Café Kröpcke.

Man kann die Schäden jedoch gerechterweise im Vergleich zu schwer mitgenommenen Städten wie Köln oder Hamburg nur als geringfügig bezeichnen. Und es sind auch nicht die Bombenschäden, die mir das Gefühl geben, in der Stadt fremd geworden zu sein.

Die Menschen haben sich verändert...

Eine graue Hoffnungslosigkeit steht in den Gesichtern der Männer und Frauen, mit denen ich spreche. In Restaurants und Geschäften beobachte ich, dass Unterhaltungen nur noch in gedämpftem Ton geführt werden. Die Angst hat die Hannoveraner an der Kehle.

Angst um die Wohnungen, Angst um das nackte Leben und das der Kinder...

[Von August 1941 zu September 1943 haben sich die Menschen in ganz Deutschland verändert. Die Veränderung ist also eine gesamtdeutsche Befindlichkeit durch die Niederlage von Stalingrad und durch die sinnlosen Städtezerstörungen generell. In den noch nicht zerstörten Städten herrscht zudem die negative Erwartung: "Und wann sind wir dran?" Die West-Alliierten wollen, dass die Niederlage langsam kommt, obwohl sie Hitler eigentlich schon von Anfang an das Antiklopfmittel hätten abdrehen könnten und alle Motoren dann mit Kohle oder Holzgas laufen müssten, was jegliche Kriegsführung - vom Anschluss Österreichs bis zu Barbarossa - absolut verunmöglicht hätte. Eigenartigerweise erwähnt auch Stalin das Antiklopfmittel nicht].
(Schlussfolgerung Palomino)


[Ein Flugblatt warnt vor der Städtevernichtung]

Vor ein paar Nächten sind Flugblätter über der Stadt abgeworfen worden. Ich bekomme von einem guten guten Bekannten eines in die Hand gedrückt. Das Flugblatt zeigt eine Luftaufnahme des völlig zerstörten Hamburg. Und der Text lautet:

"Die Nächte werden länger. Die Stärke der RAF wächst von Tag zu Tag.

Die Luftwaffe ist hilflos.

Die deutschen Städte sind wehrlos.

Jeder Industriestadt droht das Schicksal Hamburgs.

Jede Nacht rückt der Zeiger der Vernichtung weiter.

Der Krieg ist verloren. Hitler kann ihn nur noch verlängern. Er kämpft, um Zeit zu gewinnen.

Zeit zur Vernichtung Deutschlands." (S.176)

[Das Flugblatt ist hinsichtlich der Kriegsverlängerung eine absolute Lüge, denn die "amerikanische" Industrie beliefert weiter wissentlich die Wehrmacht mit entscheidend und verlängert so wissentlich den Krieg, mit Bewilligung der "amerikanischen" Regierung Roosevelt und seinem Kabinett, nicht nur mit Antiklopfmittel...].


[Morhoff: Gauleiter Hartmann Lauterbacher hat seine Familie auf dem Land]

In Hannover residiert seit einiger Zeit der neue Herr Niedersachsens, der Gauleiter Hartmann Lauterbacher.

Ein schneidiger junger Mann, wie mir meine Freunde erzählen. Früher war er ein hohes Tier in der Hitlerjugend. Jetzt bringt er die Hannoveraner und die Niedersachsen auf nationalsozialistischen Vordermann.

Wie er dabei vorgeht, erfahre ich von Rolf. Ein entfernter Verwandter von ihm, ein Schwerkriegsbeschädigter, war so unvorsichtig, beim Friseur zu erzählen: "Lauterbacher hat sich auf dem Land ein Haus gemietet, wo er seine Familie nachts in Sicherheit bringt."

Ein "Volksgenosse" erstattete Anzeige. Der Schwerkriegsbeschädigte wurde zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt. Dabei soll die Sache wortwörtlich wahr sein.

Alle Hannoveraner wissen, dass sich der Gauleiter bei Luftangriffen in seinem bombensicheren Befehlsstand aufhält. Da kann er Frau und Kinder natürlich leicht zum fanatischen Durchhalten aufrufen.

[Morhoff über Luftalarm 1943 und 1940: Bier in "Friedensqualität"]

Gestern abend war ich mit Freunden bei Uschi in der Podbielskistrasse, nahe der Höferstasse. Gegen Mitternacht gellten die Sirenen. Uschi gab die Parole aus: "Alles zum Hochbunker in der Bothfelder Strasse."

Draussen eine sternklare Herbstnacht. Menschen, die, wie von einem Magneten angezogen, in ein und dieselbe Richtung eilen. Gebeugte Frauen mit Koffern in der Hand. Aus dem Schlaf geholte Kinder mit weit aufgerissenen Augen. Ein gespenstischer Zug durch die Nacht.

Uschi hat mich bei der Hand gefasst. Sie scheint den Weg im Schlaf zu kennen. Sekundenlang Licht aus abgedunkelten Taschenlampen auf dem Pflaster. Und sofort die wütenden Rufe von allen Seiten: "Licht aus! Licht aus!"

Ich denke daran, wie anders es beim letzten Alarm zuging, den ich in Hannover erlebt habe. Im Sommer 1940, als unser Weizen noch in Blüte stand. Damals sass ich spät am Abend in einer kleinen Wirtschaft nahe beim Kröpcke. Es gab Bier in Friedensqualität und Käseschnitten ohne Marken. Bei Fliegeralarm rannten wir alle auf die Strasse. Hunderte von Passanten benahmen sich wie Zuschauer beim Schützenfest. Die langen Greifarme der Scheinwerfer hatten einen einsamen Tommy gepackt. Auf ihn ballerte die Flak. Weiter geschah nichts.

Das war vor drei Jahren...

[Dafür geschahen die Angriffe auf London und die Baedeker-Angriffe, die den Engländern unvergesslich bleiben].

[Der Bunker 1943: Parteileute haben einen Teil des Bunkers für Wertsachen der Partei abgesperrt - die "Bolona" nach der Entwarnung]

Vor dem Bunkereingang an der Bothfelder Strasse herrscht starkes Gedränge. Mit heiserer Stimme ruft ein Parteimann: "Nach oben in die Räume durchgehen..." (S.177)

Wir werden weitergeschoben, eine Treppe hinauf. Dann ein grosser Raum. Dicht bei dicht Gesichter, kalkweiss im Licht nackter Glühbirnen.

Neben mir schimpft eine alte Frau: "Diese Narren in den braunen Uniformen haben alle Räume im Parterre für ihre Möbel und Wertsachen frei gehalten. Die letzte Fussbank haben sie in Sicherheit gebracht. Darum müssen wir uns hier wie die Heringe zusammenquetschen."

Trotzdem... die Menschen scheinen sich hier geborgen zu fühlen. Hinter diesen feuchten, dicken Mauern ist man in Sicherheit.

Über Lautsprecher werden ständig beruhigende Durchsagen in allen Räumen des Bunkers verbreitet. Bis zur Entwarnung. Auf Hannover ist keine Bombe gefallen.

Draussen in der Bothfelder Strasse wieder der Zug der Erwachsenen und Kinder. Ich höre einige Flüche über den "sinnlosen" Alarm. Aber eine geheime Freude schwingt unüberhörbar in diesen Flüchen mit. Die Freude darüber, dass heute nacht keine Wohnhäuser zerstört worden sind. Wenigstens nicht in Hannover.

Bei Uschi feiern wir mit Rotwein noch lange die "Bolona", neues Schlagwort für bombenlose Nacht.

Ich höre seltsame Meinungen über den englischen Luftkrieg gegen Hannover, der bis zu diesem Abend fast "rücksichtsvoll" zu nennen ist.

"Die Engländer haben uns bisher nur deshalb ein paarmal angegriffen, damit Speer nicht auf den Gedanken kommt, neue Rüstungsbetriebe nach hier zu verlegen", sagen die Neunmalklugen. "Mehr werden sie Hannover nicht antun. Immerhin war der englische König lange genug zugleich König von Hannover."

Ich fürchte, dass dies Tatsache den Engländern völlig schnuppe ist.

Sie war es.>


[Fachwerkhäuser in Hannover
In Hannover standen noch viele Fachwerkhäuser wie an der Calenbergerstrasse aus dem 16. bis 18. Jh. Teilweise überlebten die Fachwerkhäuser den Weltkrieg.
(http://www.anthes.org/hannover/vergleich/calenberg/neustaedterkirche/index.htm)

Calenbergerstrasse in Hannover um
              1900
Calenbergerstrasse in Hannover um 1900

Calenbergerstrasse in Hannover 1930
Calenbergerstrasse in Hannover 1930

Teilen:

Facebook







Fotoquellen

-- Calenbergerstrasse 1900 und 1930: http://www.anthes.org/hannover/vergleich/calenberg/neustaedterkirche/index.htm
-- Polizeidirektion 1930: http://www.polizei.niedersachsen.de/dst/pdhan/wirueberuns/gesch.html
-- Café Kröpcke 1930 ca.: http://www.leinekunst.de/kroepcke.html
-- Hauptbahnhof 1910: http://www.altmarkschiene.de/Hauptbahnen/Lehrter_Bahn/index.html


^