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Städtebombardements Zweiter Weltkrieg
7.10.1944-30.3.1945: Antwerpen V1- und V2-Terror
Der NS-Raketenterror der Westfront über Antwerpen gegen den alliierten Nachschubhafen - "Wunderwaffen"-Einsatz in Begleitung zur Ardennenoffensive - Schutzring "Antwerp X" - Propaganda und Zensur. Chronologie
Die Schutthalde in Antwerpen an der Bontemantelstraat, verursacht durch den V2-Raketeneinschlag vom 28.10.1944 [web6]
präsentiert von Michael Palomino (2008 / 2015)
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aus Webseiten
Karte: V2-Abschussrampen und Ziele der V2 in Belgien: Antwerpen, Diest, Hasselt, Tournai, Mons und Lüttich werden mit V2 beschossen von den Abschussrampen in Holland (Staveren, Dalfsen, Hellendoorn) und Deutschland aus (Burgsteinfurt, Hachenburg und Merzig). [web3]
Die Schutthalde in Antwerpen an der Bontemantelstraat, verursacht durch den V2-Raketeneinschlag vom 28.10.1944 [web6]
Karte mit den V2-Raketeneinschlägen auf Antwerpen und Umgebung 7.10.1944-27.3.1945 [gemäss web4]
4.9.1944
Antwerpen wird britisch besetzt - alliierte Nachschubbasis
Antwerpen wurde am 4. September 1944 britisch besetzt. Nun sollte auch die Besetzung der Hafenanlagen folgen, die noch in NS-Hand waren. Die NS-Führung wusste dies und plante Gegenmassnahmen [web1].
ab Anfang Oktober 1944
V1 und V2 gegen London und Antwerpen - die Propagandawirkung - Positionen der Abschussrampen
Als Reaktion auf die Einrichtung von Antwerpen als Nachschubbasis gab Hitler an SS-General Hans Kammler den Befehl heraus, die V1 und V2 exklusiv nur gegen London und Antwerpen abfeuern zu lassen. Für Antwerpen galt der Codename "Anton". Der Bevölkerung von Antwerpen wurde bald klar, dass die Nazi-Zeit für sie noch nicht ganz vorüber war. Die deutschen "Wunderwaffen" sollten nun die historisch Hafenstadt bombardieren, 175 Tage lang [web1].
Dabei erreichten nur ca. 30 % der gegen Antwerpen abgeschossenen V2-Raketen die Stadt. Die anderen 70 % kamen irgendwo rund um Antwerpen herunter, oft aber auch sehr weit entfernt. Faktoren waren vor allem der Treibstoffmangel und der dürftige Entwicklungsstand der Rakete [web1].
Die Raketenoffensive gegen Antwerpen wird bei den Historikern bis heute [2008] in ihrer Wirkung unterschätzt, denn diese Raketenoffensive wurde für die Alliierten ein grosses Hindernis. Der Hafen blieb zwar offen, aber die deutsche Propaganda gab vor, dass der Hafen von Antwerpen damit zerstört werden könnte, und dass der Vormarsch der Alliierten verhindert werden könnte. So wurde die deutsche Bevölkerung in einen falschen Glauben versetzt und unterstützte das Hitler-Regime zum grossen Teil weiterhin bis zuletzt. Diese Propagandawirkung war fatal [web1].
[Diese Propagandawirkung durch die V1 und V2 wurde auch ins Ausland weitergegeben, wo Nazi-Kreise ebenfalls auf den Endsieg Hitlers hofften: in der Schweiz, in Italien, in Ungarn etc. (Schlussfolgerung Palomino)].
[Hitler litt an starkem Parkinson [web2], und eigentlich war der Hitler-Trottel gar nicht mehr urteilsfähig, aber die noch dümmeren NS-Offiziere waren nicht fähig, Hitler abzusetzen. So führte eine Dummheit eine weitere Dummheit in die Grube...
(Schlussfolgerung Palomino)].
Die V2 kam zuerst. Sie legte nach ihrem erdbebenartigen Aufschlag und der nachziehenden Rauch- und Staubwolke ganze Strassenzüge in Schutt und Asche. Metallteile flogen - je nach Aufprall - 100e Meter weit herum, und in der weiteren Umgebung gingen alle Fensterscheiben zu Bruch, wurden Dächer abgedeckt und fiel der Verputz herunter. Der Anflug konnte kaum beobachtet werden, weil die V2 viel zu schnell war. Die Menschen in Antwerpen mussten mehr und mehr in Ruinen leben, und der Winter 1944/1945 war einer der kälteren Sorte [web1].
Von der V2 blieb nach einem Aufschlag jeweils nur die lange Brennkammer übrig, die in der ganzen Stadt gefunden wurde und in den Vororten normalerweise im Boden vergraben wurde. Die 600 kg schwere Brennkammer fiel nach dem Einschlag manchmal auf Menschen und tötete so viele Leute. Die V2-Treffer ereigneten sich normalerweise immer am Tag, nur selten in der Nacht. Der Einschlag glich einem stäkstmöglichen Donnerschlag [web1].
Bis zum 25. Oktober 1944 flog keine V1 gegen Antwerpen, sondern es flogen wegen schlechten Wetters und starken Winden nur V2-Raketen.
Positionen von V2-Abschussrampen
Die V2-Abschussbatterien gegen Antwerpen waren an mehreren Orten aufgestellt. Folgende V2-Batterien feuerten auf Antwerpen:
-- die erste und die dritte Batterie der Art. Abt. 485 und die neu aktivierte Batterie SS 500 aus einer Position nahe Burgsteinfurt [heute Steinfurt bei Münster, an der deutschen Grenze zu Holland]
-- die zweite und dritte Batterie der Art. Abt. 836 aus einer Position bei Merzig [Saarland, nordwestlich von Saarbrücken]
-- die erste Batterie griff Antwerpen auch von einer Position bei Hermeskeil an [an der Grenze von Saarland und Rheinland-Pfalz] [web1].
7.10.1944
V2-Treffer auf Brasschaat bei Antwerpen: keine Toten
Am 7. Oktober 1944 traf eine V2 den Vorort Brasschaat ca. 8 km nordöstlich von Antwerpen entfernt, ohne Tote. Die Zeitungen meldeten eine Explosion, nichts über die V2, sondern empfahlen, bei Sichtung einer deutschen Bombe in Deckung zu gehen, obwohl die V1 gar nicht flog, und obwohl man gegen die V2 nichts machen konnte [web1].
13.10.1944, morgens
V2-Treffer auf Antwerpen an der Ecke Schildersstraat / Karel Rogierstraat: 32 Tote
Am Freitag, 13. Oktober 1944 am Morgen zerstörte ein V2-Treffer in Antwerpen mehrere Gebäude an der Ecke Schildersstraat / Karel Rogierstraat. Die Rakete wurde vom Bataillon 836 aus Merzig abgefeuert. Berichte besagten, dass unter den Tonnen von Schutt viele Menschen begraben wurden. Ungefähr 100 Bauten wurden beschädigt, 43 Häuser total zerstört. Beschädigt wurde auch das Königliche Kunstmuseum. Die anwesende Bevölkerung begutachtete die Schäden. Dies waren die ersten V2-Todesopfer von Antwerpen. Die Bevölkerung hatte 32 Tote und 45 Verletzte zu beklagen. Die Zeitungen meldeten eine Explosion, nichts über die V2, sondern empfahlen, bei Sichtung einer deutschen Bombe in Deckung zu gehen, obwohl die V1 gar nicht flog, und obwohl man gegen die V2 nichts machen konnte [web1].
Nachmittag
V2-Treffer auf Antwerpen
Die anwesende Bevölkerung begutachtete die Schäden. Die Ängste in der Bevölkerung stiegen an, aber Panik gab es noch nicht. Die Zeitungen meldeten eine Explosion, nichts über die V2, sondern empfahlen, bei Sichtung einer deutschen Bombe in Deckung zu gehen, obwohl die V1 gar nicht flog, und obwohl man gegen die V2 nichts machen konnte [web1].
Das englische Geschwader in Deurne - nicht weit von Antwerpen entfernt - bekommen die V2-Treffer auf Antwerpen zum Teil mit [web1].
15.-19.10.1944
Mehrere V2-Treffer auf Antwerpen
[web1]
19.10.1944
V2-Treffer auf Antwerpen an der Kroonstraat in Antwerpen-Borgerhout: 44 Tote
Beim V2-Treffer am 19. Oktober 1944 in Antwerpen-Borgerhout an der Kroonstraat wurden 44 Menschen getötet und 98 verwundet. Dreistöckige Häuser wurden weggesprengt und es blieb nur noch eine Mauer. 25 Häuser wurden zerstört. Die Zeitungen meldeten eine Explosion, nichts über die V2, sondern empfahlen, bei Sichtung einer deutschen Bombe in Deckung zu gehen, obwohl die V1 gar nicht flog, und obwohl man gegen die V2 nichts machen konnte [web1].
25.10.1944
V2-Treffer auf den Flugplatz von Antwerpen-Deurne: 5 Tote
Beim V2-Treffer auf ein freies, erdenes Feld gleich am Flugplatz von Antwerpen-Deurne wurden 5 Menschen getötet und ein Dutzend weitere verletzt. Die Leute wurden herumgewirbelt, und es entstand an Flugzeugen hoher Sachschaden. Der Krater im Feld rauchte. Wenn die Rakete auf die Landebahn aufgeschlagen wäre, hätte es noch mehr Opfer gegeben. Die Zeitungen meldeten eine Explosion, nichts über die V2, sondern empfahlen, bei Sichtung einer deutschen Bombe in Deckung zu gehen, obwohl die V1 gar nicht flog, und obwohl man gegen die V2 nichts machen konnte [web1].
ab 25.10.1944
V1-Treffer auf Antwerpen
Die V1-Flugbomben machten der Bevölkerung mehr Angst als die V2, denn die V2 kam so schnell, dass man nichts mehr tun konnte, während die V1 der Bevölkerung grosse Angst einjagte, weil sie noch während des Anflugs sichtbar war und lebensrettende Massnahmen ergriffen werden konnten [web1].
28.10.1944
V2-Treffer auf Antwerpen an der Bontemantelstraat: viele Tote
Beim V2-Treffer auf Antwerpen an der Bontemantelstraat wurde ein regelrechtes Massaker angerichtet. Die Bontemantelstraat gehörte zu den am dichtesten bewohnten Teilen von Antwerpen. Die Zeitungen meldeten eine Explosion, aber nichts über die V2, sondern empfahlen, bei Sichtung einer deutschen Bombe in Deckung zu gehen, obwohl die V1 gar nicht flog, und obwohl man gegen die V2 nichts machen konnte [web1].
Die Schutthalde in Antwerpen an der Bontemantelstraat, verursacht durch den V2-Raketeneinschlag vom 28.10.1944 [web6]
1.11.1944
Alliierte Besetzung der Hafenanlagen von Antwerpen
Die Besetzung der Hafenanlagen von Antwerpen von Süd-Beveland und auf der Halbinsel Walcheren erfolgte durch kanadische und britische Truppen. Nun musste das Gebiet noch zwei Wochen lang von den Minen geräumt werden, die die zurückweisenden NS-Truppen hinterlassen hatten [web1]. Fortan wurden 80 % des westalliierten Nachschubs über Antwerpen abgewickelt [web11].
Die Positionen der V2-Abschussrampen im November 1944
-- alle drei Abschussbatterien der Art. Abt. 485 schossen eine Zeit lang von der Region Burgsteinfurt aus gegen den Hafen Antwerpen
-- die Batterie SS 500 wechselte von Burgsteinfurt an eine neue Position in Holland nähe Hellendoorn [zwischen Amsterdam und Enschede]
-- die drei Batterien der Art. Abt. 836 schossen bis Dezember alle drei von Hermeskeil aus, dann wurden sie an den Rhein an die Front beim Westerwald verschoben [web1].
ab 10.11.1944 ca.
Aufstellen eines Flak-Verteidigungsrings gegen die V1: "Flugbombenkommando Antwerpen X"
Am 10. November 1944 wurde in Antwerpen [web1] unter dem amerikanischen Brigadegeneral Clare Hibbs Armstrong [web11] ein "Flugbombenkommando Antwerpen X" eingerichtet [web1]. Armstrong hatte zuvor den Luftschutz der AAA ("Anti Aircraft Artillery") um Paris befehligt. Die Luftverteidigungsoperation um Antwerpen war ebenfalls streng geheim, um die Gefahren während der alliierten Landung zu vertuschen [web11]. Amerikanische, britische und polnische Einheiten von ungefähr 22.000 Mann sollten - in drei Artilleriebrigaden aufgeteilt - in einem Ring rund um Antwerpen einen Schutzwall gegen die Flugbomben bilden [web1]. Das polnische Regiment der Polnischen Freiheitsarmee war innerhalb der britischen Einheiten organisiert [web11]. Feldmarschall Montgomery hatte verlangt, dass das Antwerpen-X-Kommando ("Antwerp X Command") 50 % aller V1 herunterholen sollte [web1]. Der ehrgeizige Brigadegeneral Armstrong jedoch strebte eine viel höhere Abschussrate an [web11].
In drei verschiedenen Verteidigungsringen rund um Antwerpen wurden 100e Geschütze aufgestellt. Antwerpen X ("Antwerp X") verbrauchte in den nächsten 6 Monaten fast eine Million Stück Munition bei über 50 % Abschussquote [web1]. Gemäss Zeitzeugen wurden auf allen nur möglichen freien Flächen Luftabwehreinheiten installiert, mit Flugabwehrkanonen (40 und 90 mm sowie Maschinengewehre), mit Radar-Einheiten, Waffenstäben und Suchscheinwerfern. Beim Herannahen einer V1 wurde aus allen Rohren in die Luft geschossen, um mit einem "Eisernen Vorhang" die V1 herunterzuholen [web11].
Das Kommando hatte in Aktion schlussendlich 32 Tote und 298 Verwundete zu beklagen [web1].
Trotzdem erreichten viele V1 ihr Ziel. Nach dem Abstellen des Motors stürzte die V1 in einer bogenförmigen Linie ab und die 1000 kg Sprengstoff explodierten dann am Boden. Die Bewohner mussten sich daran gewöhnen, nach dem Abstellen des V1-Motors innerhalb von 15 bis 20 Sekunden Schutz zu suchen und die Explosion abzuwarten. So konnten viele Leute ihr Leben retten [web1].
16.11.1944
V1-Treffer an der Durletstraat auf das Buben-Waisenhaus: 36 Tote
Beim V1-Treffer auf Antwerpen an der Durletstraat auf ein Buben-Waisenhaus wurden 36 Kinder getötet und weitere 125 verwundet. Noch am Tag danach war das Rote Kreuz daran, die Leichen wegzutragen [web1].
Die alliierten Medien duften bis April 1945 nichts über die Raketeneinschläge von Antwerpen berichten, um den deutschen Nazi-Generälen und Raketenkommandos nicht Informationen zu liefern, wo die Raketen eingeschlagen waren, sonst hätte die deutsche Seite ihre Zielgenauigkeit noch verbessern können. Also blieb die Bevölkerung weiter ohne offizielle Information über das, was mit ihrer Stadt vor sich ging [web1].
[Ergänzung: Es ist anzunehmen, dass die Spionage präzise Informationen über die Einschläge weitergegeben hat. Die alliierte Zensur wollte scheinbar in der Endphase des Krieges keine negativen Meldungen mehr verbreiten, um die Heimatfront im letzten Kriegswinter bei Laune zu halten.
(Schlussfolgerung Palomino)].
17.11.1944, morgens
V2-Treffer auf das St.Joanna-Institut an der Ferdinand Coosemansstraat: 32 Tote
Beim V2-Treffer auf das St.-Joanna-Institut an der Ferdinand Coosemansstraat starben 32 Nonnen unter den massiven Trümmern. Die alliierten Medien duften bis April 1945 nichts über die Raketeneinschläge von Antwerpen berichten [web1].
27.11.1944, 12:10
V2-Treffer auf die Kreuzung Teniers Plaats beim Hauptbahnhof: 126 Tote
Beim V2-Treffer auf den Teniers Plaats beim Hauptbahnhof um 12:10 mittags wurde die Kreuzung zur Hauptverkehrszeit getroffen. An dieser Kreuzung kamen oft alliierte Convoys vorbei, wie auch um diese Zeit. Die Rakete traf auf einen Gegenstand über dem Boden auf und explodierte über dem Boden, so dass kein Krater entstand. Gleichzeitig war die zerstörerische Wirkung furchtbar. Menschen wurden zerfetzt, Autos explodierten oder gerieten in Brand, deren Insassen wurden verbrannt, die Glasscheiben der Trams barsten und verletzten die Passagiere. Fussgänger und Polizisten wurden bis zu 60 m weit weggeschleudert, brennend tot oder lebendig. Der Körper eines verbrannten Verkehrspolizisten wurde auf dem Dach eines Hotels 60 m weiter weg aufgefunden. Der zweite Verkehrspolizist war in Stücke zerrissen. Gleichzeitig wurde eine Hauptwasserleitung getroffen, so dass die Kreuzung bald unter Wasser stand und die Körperteile der Toten im Wasser schwammen. Das rote Wasser floss in die Gulis. Es waren 126 Tote zu beklagen, darunter 26 amerikanische und britische Soldaten, und weitere 309 Personen waren verletzt. Die Überlebenden vergassen nie den Anblick von Leichen und Blut auf dieser Kreuzung, der durch die deutsche V2 verursacht worden war. Die Verletzten kamen nach der Behandlung bei der Rot-Kreuz-Station nach Hause und die Angehörigen wurden durch die halb verbluteten und blutenden Menschen, die noch Glassplitter in den Haaren hatten, erschreckt [web1].
Die alliierten Medien duften bis April 1945 nichts über die Raketeneinschläge von Antwerpen berichten [web1].
28.11.1944
Eröffnung des Hafens von Antwerpen für die Alliierten
Nach der Eröffnung des Hafens von Antwerpen begann sofort der Nachschub, der von 9000 belgischen Zivilisten abgewickelt wurde. Allein für die Sicherung des Hafens hatte man seit dem 4.9.1944 fast drei Monate gebraucht. Die Hafenanlagen waren überraschenderweise intakt, anders als in Brest oder in Cherbourg, wo die Hafenanlagen zerstört waren. [web1]
Dezember 1944
Flugbombenkommando Antwerpen-X: 52 % Abschussquote gegen die V1
[web1]. Die Abschussquote konnte bald auf 60 % gesteigert werden [web11].
16.12.1944: 15:20
V2-Treffer in das Kino Rex in Antwerpen: 567 Tote
Es war der erste Tag der Ardennenoffensive. An diesem Nachmittag des 16. Dezembers 1944 war das Kino Rex in Antwerpen an der Keyserlei-Allee mit fast 1200 Plätzen proppenvoll. Während des Films "The Plainsman" mit Gary Cooper und Jean Arthur traf eine V2-Rakete genau auf das Kino. Es blitzte plötzlich im dunklen Raum. Dann explodierte die V2 auf halber Höhe, und dann krachten die Balkone und die Decke herab, bei einer gleichzeitigen ohrenbetäubenden Explosion. Es war ein Massaker mit 567 Toten (davon 296 Soldaten aus den USA, Grossbritannien und Kanada), 291 Verletzten (davon 194 Soldaten) und 11 zerstörten Gebäuden.
Gemäss James Mathieson vom britischen Geheimdienst traf die V2 genau an der Stelle des Films, als "Gary Cooper einen Indianer gefangengenommen hatte, der ihn davon informierte, dass General Custer und seine Truppen ausgerottet worden seien." Mathieson war im obersten Balkon und wurde nur von der Decke begraben. Er wurde von ein paar Ziegelsteinen getroffen und bewusstlos in ein Spital eingeliefert. Die Menschen im Parterre hatten keine Chance zu überleben [web1].
Die Rettungsteams brauchten 6 Tage, um alle Toten zu bergen, und die alliierten Behörden brauchten über eine Woche, um den bis zu 5 m hohen Schutt wegzuräumen. Amerikanische und britische Teams beteiligten sich mit Kranen und Lastwagen. Die Spitäler und Gesundheitsdienste waren überfüllt. Später wurden viele Leichen am Zoo der Stadt zur Identifizierung ausgestellt. Es war die höchste Todesrate einer Rakete in Europa [web1].
Die Angabe, der Film sei "Buffalo Bill" gewesen, ist falsch. Antwerpen erhält den Ruf als terrorisierte Stadt des schnellen Todes ("The City of Sudden Death"). Die Spannung und die Angst in der Stadt stiegen an, Panik blieb aber aus. Die alliierten Medien duften bis April 1945 nichts über die Raketeneinschläge von Antwerpen berichten [web1].
Vom 10. bis zum 16. Dezember wurden durch die V-Waffen ungefähr 761 Zivilisten getötet [web1].
ab 16.12.1944
Schliessung von Theatern und Kinos - Versammlungsbeschränkung - Flucht aus Antwerpen
Nach dem Schock des V2-Treffers im Kino Rex wurden alle Theater und Kinos geschlossen, und es wurde befohlen, dass sich nicht mehr als 50 Leute zusammen an einem Ort aufhalten durften. Diejenigen Bewohner, die es sich leisten konnten, verliessen die Stadt und suchten sicherere Orte auf. Antwerpen wurde so zu einer düsteren und halbverlassenen Stadt. Die Bewohner, die blieben, fühlten sich nun wie belagert [web1].
Die Ardennenoffensive - Belgier werden hoffnungslos
In den Wochen der Ardennenoffensive erschwerten die V-Waffen den Nachschub an die überdehnten, alliierten Linien. Hitler hoffte, Antwerpen zurückzuerobern zu können und die amerikanischen und britischen Kräften teilen zu können [web1].
Das Raketenmassaker in Antwerpen zusammen mit der Ardennenoffensive liess die Bewohner von Antwerpen zur Einsicht gelangen, dass der Krieg noch lange nicht vorüberwar, und dass noch mehr Zivilisten und Soldaten sterben mussten, bis Nazi-Deutschland besiegt sein würde. Die Bevölkerung wurde mutlos und musste sich bewusst werden, was Hitler noch alles für Waffen zur Verfügung hatte. Der verstärkte V-Waffen-Beschuss hätte kaum zu einem schlimmeren Zeitpunkt kommen können, denn die Kombination von zerstörten Häusern und dem schweren Winterwetter provozierten eine grosse Angst in der Hafenstadt [web1].
17.12.1944
V2-Treffer auf den britischen Geheimdienst von Antwerpen
Beim V2-Treffer auf den britischen Geheimdienst von Antwerpen starb die gesamte Geheimdienstgruppe um James Mathieson. Mathieson, der seit dem Vortag seit dem V2-Treffer auf das Kino Rex im Spital war, war nun der einzige Überlebende der Geheimdienstgruppe. Die alliierten Medien duften bis April 1945 nichts über die Raketeneinschläge von Antwerpen berichten [web1].
23.12.1944 ca., 14:30
V2-Treffer auf einen Friedhof von Antwerpen
Während eines Begräbnisses von Opfern des Kino Rex vom 16.12.1944 auf einem Friedhof von Antwerpen schlägt um 14:30 am anderen Ende des Friedhofs eine weitere V2-Rakete in eine Häuserreihe ein. Die Zeit bleibt den Anwesenden unvergesslich. Die alliierten Medien duften bis April 1945 nichts über die Raketeneinschläge von Antwerpen berichten [web1].
Unauslöschliche Erlebnisse der Bewohner von Antwerpen
-- z.B. V2-Explosionen neben Pferdewagen und zerfetzte Pferde, die tagelang auf der Strasse lagen
-- V1-Flugbomben flogen über Beerdigungszeremonien hinweg, wo Opfer der V-Waffen beerdigt wurden
-- Bewohner der zwei nördlichen Vororte Antwerpens konnten an klaren Tagen die V2-Starts von Hoek van Holland oder Den Haag gegen London beobachten, etwas mehr als 50 Meilen von den Vororten Antwerpens entfernt [web1].
Ende 1944
Bilanzen für die Region Antwerpen (Antwerpen Stadt und Hafengebiet, linkes Ufer und 8 Vororte mit 500.000 Bewohnern)
-- V-Waffen-Treffer: 590
-- zerstörte Wohnhäuser: 884
-- unbewohnbare, beschädigte Wohnhäuser: 1200
-- schwerbeschädigte Gebäude: 6000
-- beschädigte Gebäude: 23.000
-- Todesopfer: 1736
-- Verletzte: 4500 [web1].
Es wurde die gesamte Region getroffen. Es gab keinen Ort, wo es keine Schutthalden gab [web1].
1.1.1945
V1-Treffer auf Antwerpen
[web1]
Januar 1945
Flugbombenkommando Antwerpen-X: Abschussquote 64 %
[web1] Mit der Einführung neuer Technologie konnte die Abschussquote laufend gesteigert werden. Zuerst war da das Waffenführungsradar ("gun-laying radar") SCR-548, das automatisch dem Geschoss folgte. Zweitens war da das automatische Zündersystem ("radio proximity fuze"), das automatisch das Geschoss ab einer gewissen Distanz zum Explodieren brachte. So erhöhte sich laufend die Abschussquote, je mehr die Soldaten mit der neuen Technik umgehen lernten [web11].
2.1.1945
20 V1-Treffer auf Antwerpen
[web1]
Harter Winter und harte allgemeine Bedingungen in Antwerpen - kaum militärischer Effekt der V-Waffen - Hafen Ghent
Der Winter war hart, und der viele Schnee behinderte die Hilfskräfte enorm. Die Gemeindebehörden bemühten sich, die ausgebombten Menschen in anderen Quartieren unterzubringen, aber die Behörden waren damit fast überfordert. Mit Hilfe der Alliierten, darunter auch Ärzte, Krankenschwestern und Soldaten, konnte man die Versorgung der vielen Verletzten bewältigen. Die Rettungskräfte waren oft mit über 50 Leichen pro Tag konfrontiert, und ausserdem bestand immer die Gefahr, dass Wände oder ganze Gebäude einstürzen würden und sie begraben würden [web1].
[Im Dritten Reich wurde die Rettungsarbeit wegen der grossen Gefahren an Zwangsarbeiter übertragen].
Die V-Waffen trafen den Hafen aber kaum. Fortlaufend wurden die Schiffe entladen und die Waren weitertransportiert. Ein Schiff sank durch einen V2-Treffer und 16 weitere Schiffe wurden zu einem gewissen Grad beschädigt, die Kruisschans-Schleuse wurde beschädigt, mehrere Rangierbahnhöfe wurden getroffen, und zweimal wurde die Hoboken-Ölstation getroffen [web1], so das Feuer einen Monat lang brannte [web11]. Insgesamt war das Bombardement keine schwere Behinderung der Hafenaktivitäten. Die Reparaturen waren immer schnell erledigt. Die Zivilisten, die am Hafen arbeiteten, bekamen von den Alliierten einen Extra-Bonus im Gehalt, das so genannte Bibbergeld, eine literarische Beschreibung dafür, dass die Arbeit im Hafen unter V-Waffen-Beschuss mehr Stress provozierte und zum "Bibbern" verleitete. Der Hafen von Antwerpen konnte durch den V-Waffen-Beschuss bis März 1945 aber nie seine volle Kapazität entwickeln. Die Alliierten wichen zum Teil auf den Hafen von Ghent aus [web1].
Januar-Februar 1944
Viele V1-Treffer auf Antwerpen - die V1 wird zu einer grossen Plage
[web1]
Ende Januar / Anfang Februar
Höchste Konzentration von V-Angriffen
[web1]. Die höchste Zahl V2-Treffer auf Antwerpen ist 26 pro Tag [web11].
Februar 1945
Flugbombenkommando Antwerpen-X: Abschussquote für die V1: 72 %
[web1]
Hitler verliert die Ardennenoffensive - der V-Beschuss auf Antwerpen geht weiter
[web1]
März 1945
Nachlassen der V-Angriffe
[web1]
Die Abschussrampen mussten immer mehr nach Mitteldeutschland verlegt werden, so dass Antwerpen ausser Reichweite geriet und der Beschuss mit V-Waffen nachliess. Ausserdem konnten auch immer mehr V1-Flugbomben abgeschossen werden [web1].
Gleichzeitig erreichten die Abschussquoten im Frühling 1945 nun 98 % [web11].
27.3.1945
Der letzte V2-Treffer: in Antwerpen-Mortsel: 27 Tote
Beim V2-Treffer in Antwerpen-Mortsel sind 27 Tote und 62 Verletzte zu beklagen. Es war der letzte V2-Beschuss von Antwerpen [web1].
Durch den Vormarsch der Westalliierten müssen gerät Antwerpen für die V2 ausser Reichweite [web1].
30.3.1945
Der letzte V1-Treffer: in das Boerentoren-Hochhaus
Beim V1-Treffer in das Boerentoren-Hochhaus traf die V1-Flugbombe das Hochhaus zwischen dem 4. und 5. Stockwerk, explodierte aber nicht. Die Beobachter auf dem Dach spürten nicht einmal den Einschlag [web1].
Durch den Vormarsch der Westalliierten müssen gerät Antwerpen für die V1 ausser Reichweite [web1].
März 1945
TIME magazine über Antwerpen: "City of Sudden Death"
Die amerikanische Presse, die die Aktivitäten am Hafen von Antwerpen und in Antwerpen mitverfolgte, sprach während der letzten V2-Einschläge mit vielen US-Soldaten im Hafenbereich. Auch die Soldaten mussten den Terror der letzten 4 bis 5 Monate ertragen [web1].
April 1945
Berichterstattung über den V1- und V2-Beschuss auf Antwerpen
Erst ab April 1945 durften die alliierten Medien über die Raketeneinschläge auf Antwerpen berichten. Erst jetzt wurde die alliierte Zensur aufgehoben [web1].
Insgesamt konnten über 70 % der V1 und V2, die den Raum Antwerpen erreichten, durch die Flak-Einheit "Antwerp X" abgeschossen werden. Ohne die Abwehreinheit wäre der Nachschub über Antwerpen zum Erliegen gekommen und das Dritte Reich hätte Zeit zur weiteren Massenproduktion der V2-Rakete bekommen [web11].
[Ergänzung: Wenn der Krieg länger gedauert hätte, wäre über Deutschland auch die Atombombe zum Einsatz gekommen].
Juli 1945
V-Waffen auf dem Groenplaats (Grünplatz) zur Schau gestellt
Die V-Waffen wurden innerhalb der alliierten Kriegsmaterialausstellung der Westalliierten auf dem Groenplaats für jedermann zugänglich ausgestellt [web1].
Bilanzen
[Die Bilanzen sind z.T. völlig unterschiedlich].
V1
-- abgeschossene V1-Flugbomben gegen Antwerpen und Umgebung: über 4000 [web1], oder gemäss des Jubiläumsbuchs "Antwerpen 50 Jaar Bevrijd" ["Antwerpen 50 Jahre befreit"] 12.000 [web12], oder gemäss alliierten Aufzeichnungen 2448 [web11]
-- V1-Treffer auf militärische Ziele: gemäss alliierten Aufzeichnungen 211 [web11]
-- V1-Treffer im Stadtzentrum: 106 [web1]
V2
-- abgeschossene V2-Raketen gegen Antwerpen und Umgebung: 1700 [web1], oder 1341 [web11]
-- nur ca. 30 % der gegen Antwerpen abgeschossenen V2 trafen die Stadt [web1], bzw. nur "wenige" erreichten ihr Ziel [web11]
-- V2-Treffer im Stadtzentrum: 107 [web1]
-- Antwerpen erhielt in 6 Monaten über 1600 V2-Treffer, mehr als London [web1]
-- Antwerpen und die Vororte erhielten pro Tag durchschnittlich 3 V2-Treffer [web1].
Todesopfer und Verletzte
-- Tote und Verletzte durch die V1 und die V2: über 30.000 [web1]
-- Tote in der Provinz Antwerpen durch V1 und V2: 3700 [web1] oder über 7000 [web11]
-- Tote in der Provinz Antwerpen durch die V2: 2910 [web4]
-- Verletzte in der Provinz Antwerpen durch V1 und V2: ca. 6000 [web1]
[Hier stimmen die Zahlen innerhalb der Quelle [web1] nicht überein, und die verschiedenen Quellen haben grosse Differenzen (Schlussfolgerung Palomino)].
Durchschnittliche V1-Treffer auf Antwerpen pro Tag 1944 / 1945:
V1-Treffer pro Tag im Dezember 1944: 4
V1-Treffer pro Tag im Januar 1945: 4
V1-Treffer pro Tag im Februar 1945: 12
Die höchste Rate wurde Ende Januar / Anfang Februar erreicht. Im März 1945 ging die Rate stark zurück [web1].
V2-Einschläge auf Antwerpen und Umgebung 7.10.1944-27.3.1945
Wohnungsschäden Einwohner Gemeinde Einschläge zerstört nicht
wiederherstellbarschwer
beschädigtleicht
beschädigtTote Vermisste Verletzte Antwerpen 459xxx 698xx 1553xxxxxx 5596xxx 20.689xxx 1969 32 3557xx Berchem 36xxx 108xx 598xxxxxx 1737xxx 3792xxx 99 1 120xx Borgerhout 36xxx 185xx 618xxxxxx 1106xxx 2908xxx 284 3 570xx Deurne 68xxx 248xx 945xxxxxx 2225xxx 6751xxx 213 13 423xx Ekeren 60xxx 25xx 89xxxxxx 47xxx 2779xxx 24 - 57xx Hoboken 39xxx 71xx 249xxxxxx 953xxx 1329xxx 46 - 137xx Merksem 53xxx 147xx 421xxxxxx 1074xxx 3468xxx 122 1 81xx Mortsel 41xxx 39xx 138xxxxxx 637xxx 2875xxx 83 - 110xx Wilrijk 65xxx 146xx 133xxxxxx 939xxx 1528xxx 70 - 72xx Total 857 1662 4744 14.314 46.119 2910 50 5127 Quelle: Stadtarchiv Antwerpen>
aus: http://www.peterhall.de/srbm/v2/structure/unit20.html (2008) [web4]
Karte mit den V2-Raketeneinschlägen auf Antwerpen und Umgebung 7.10.1944-27.3.1945 [gemäss web4]
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Quellen
[web1] http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp.html
[web2] Dr. A. Lieberman: Parkinson Disease: Adolf Hitler, the Fuhrer, Nazi Germany; 31.8.2006;
http://www.parkinsonresearchfoundation.org/index.php?option=com_content&task=view&id=357&Itemid=104;
http://www.hist-chron.com/eu/3R/Hitler-m-parkinson-verdacht.html
[web3] http://www.peterhall.de/srbm/v2/structure/unit21.html
[web4] http://www.peterhall.de/srbm/v2/structure/unit20.html
[web5] http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp.html; http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp-docks-2.jpg
[web6] http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp.html; http://www.v2rocket.com/start/chapters/bontemantelstraat.jpg
[web7] http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp.html;
http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp-damage-002.jpg
[web8] http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp.html;
http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp-mus-fine-arts.jpg
[web9] http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp.html; http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp_salvage.jpg
[web10] http://www.v2rocket.com/start/chapters/antwerp.html;
http://www.v2rocket.com/start/chapters/groenplaats_v2_1945_002.jpg
[web11] http://www.skylighters.org/buzzbombs/index2.html
[web12] Antwerpen 50 Jaar Bevrijd [web1995]; In: http://www.skylighters.org/buzzbombs/index2.html
[web13] http://www.skylighters.org/buzzbombs/index2.html
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