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Namibia und die deutsche Kolonialherrschaft. Meldungen
Meldungen
präsentiert von Michael Palomino
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30.9.2011: Deutschland gibt 20 "Forschungsschädel" an Namibia zurück
aus: n-tv online: Klinische Vergangenheitsbewältigung: 20 Schädel für Namibia; 30.9.2011;
http://www.n-tv.de/politik/20-Schaedel-fuer-Namibia-article4426591.html
<Überlebende Herero nach der Flucht durch die Wüste. - Am Donnerstag fand in der Berliner Matthäuskirche ein Gedenkgottesdienst statt. Hier waren erstmals zwei der Totenschädel öffentlich zu sehen. - Die Chiefs Alfons Maharero (l.), Kuaima Riruako und dessen Ehefrau beim Gedenkgottesdienst in der Matthäuskirche. - Von deutscher Seite kamen zur Diskussion im Haus der Kulturen nur die Bundestagsabgeordneten Movassat (Linke), Ströbele (Grüne) und Raabe (SPD) (von rechts).von Hubertus Volmer
Vor mehr als 100 Jahren ermordeten die Deutschen in Namibia Zehntausende Hereros und andere Ureinwohner. Für rassistische Forschungen nahmen sie Schädel der Opfer mit nach Deutschland. 20 davon werden jetzt nach Namibia zurückgebracht. Die Bundesregierung hält sich so fern wie möglich.
Politiker, Bischöfe, Journalisten und Vertreter der namibischen Völker Nama und Herero sind nach Deutschland gereist, um 20 Totenschädel von Afrikanern entgegenzunehmen, die vor über 100 Jahren im Völkermord in der früheren Kolonie Südwestafrika von den deutschen Kolonialbesatzern getötet wurden. Die Delegation besteht aus 73 Personen, zu ihrer Verabschiedung fand in der vergangenen Woche ein ökumenischer Gottesdienst statt, an dem 2000 Menschen teilnahmen.
Entsprechend groß waren die Hoffnungen der Namibier: "Wir erwarten von der deutschen Regierung, dass sie den Ovaherero, Ovambanderu und den Nama widerfahren lässt, was sie nach dem Zweiten Weltkrieg an den Juden geleistet hat", sagte der Herero-Häuptling Alfons Maharero. Er ist ein direkter Nachfahre des Herero-Führers Samuel Maharero, der den Herero-Aufstand im Januar 1904 gegen die deutschen Kolonialherren anführte.
Der Aufstand, bei dem 123 Deutsche getötet wurden, wurde blutig niedergeschlagen. Nach der Schlacht am Waterberg im August 1904 flohen die Herero in Richtung Botswana, wurden aber von deutschen Truppen verfolgt. Auf der Flucht kamen Zehntausende Herero ums Leben; von ursprünglich etwa 80.000 erreichten lediglich rund 15.000 das Nachbarland.
"Mit und ohne Gewehr"
Im Oktober 1904 gab der deutsche Kommandeur in Namibia, General Lothar von Trotha, den Befehl, alle Hereros zu töten. "Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen", schrieb er in einem "Aufruf an das Volk der Herero".
Der Vernichtungskrieg gegen die namibischen Ureinwohner gilt als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts. Auch die UNO stuft den Vernichtungskrieg der Deutschen als Völkermord ein.
Jahrzehntelang lagerten die 20 Schädel, die an Namibia zurückgegeben werden, unbeachtet im Medizinhistorischen Institut der Berliner Charité - was auch daran lag, dass Namibia nach einem langen Bürgerkrieg erst 1990 die Unabhängigkeit erhielt. "2005 gab es erste Berichte über die Schädel. 2008 erhielten wir ein offizielles Rückgabeersuchen der namibischen Regierung", sagt Claudia Peter, Sprecherin der Charité. Neben den 20 Schädeln gebe es noch "einige wenige" weitere in Berlin, und auch an der Universität Freiburg.
Vier Frauen, fünfzehn Männer, ein Kind
Bei den Toten handelt es sich um neun Herero und elf Nama, vier Frauen, fünfzehn Männer und einen Jungen. Ihre Namen und ihre Todesart lassen sich nicht mehr klären. Insgesamt brachten deutsche Anthropologen 1900 Schädel von Menschen aus Afrika und anderen Erdteilen nach Deutschland, um an ihnen zu forschen.
Die Schädel, die aus Südwestafrika nach Deutschland gebracht wurden, stammen vornehmlich von Menschen, die in Gefangenenlagern etwa an Mangelernährung starben. "Einer der verstörendsten Aspekte dieser Geschichte ist der klare Hinweis darauf, dass die namibischen Schädel nicht nur für perverse wissenschaftliche Untersuchungen mitgenommen wurden, sondern auch als Trophäen", sagt der ehemalige namibische Botschafter Peter Katjavivi.
"Vorfahren und Helden"
Die namibische Delegation sieht die Rückkehr der Gebeine nach Namibia als Teil eines Heilungsprozesses. "Wir bringen endlich unsere Vorfahren und Helden nach Hause zurück, und wir werden traditionelle Riten zelebrieren, sobald wir auf deutschem Boden ankommen und sobald wir die Schädel erhalten", sagte Kuiama Riruako, ein anderer Herero-Häuptling, vor dem Abflug aus Namibia.
Zwischen den Volksgruppen in Namibia - zu denen auch eine deutschsprachige Minderheit gehört - gibt es Streit über die Größe und die Zusammensetzung der Delegation. So schreibt die namibische "Allgemeine Zeitung" in einem Kommentar verächtlich vom "chronischen Hang zum Kolonialmartyrium" und der "Genozid-Lobby" in Namibia.
Deutschland bleibt Zaungast
Dennoch ist klar, dass die Übergabe der Schädel in Namibia ein großes Thema ist. Nicht jedoch in Deutschland. Als die Delegation am vergangenen Montag in Berlin ankam, erschien nicht ein einziger Vertreter der Bundesregierung, um sie zu begrüßen. Übergeben werden die Gebeine der Afrikaner nicht durch Vertreter des deutschen Staates, sondern von der Charité, wo die Schädel bislang lagern. Außen-Staatsministerin Cornelia Pieper nimmt lediglich als Gast teil.
Das Auswärtige Amt bestreitet, dass dies für die Namibier ein Affront sein könnte: Die Gebeine würden "in einer der historischen und kulturellen Bedeutung entsprechenden Zeremonie von Vertretern der Charité an die namibische Regierung übergeben". An einer Diskussionsveranstaltung im Berliner Haus der Kulturen der Welt mit Vertretern der Delegation nahmen Politiker von SPD, Linken und Grünen teil. Die eingeladenen Politiker von Union und FDP kamen nicht - von Vertretern der Bundesregierung ganz zu schweigen.
"Wir kommen mit unserem Kulturminister, und eine Vizeministerin nimmt uns in Empfang? Für mich ist das eine Respektlosigkeit der deutschen Regierung an einem symbolisch so wichtigen Tag", zitierte die "taz" Delegationsmitglied Barbara Kahatjipara.
Es geht um Geld
Beim Gottesdienst in Namibia vor einer Woche habe das Gefühl vorgeherrscht, dass die Rückkehr der Schädel der erste Schritt zur Wiedergutmachung für den Völkermord zwischen 1904 und 1908 sei, schrieb die Zeitung "The Namibian". Genau daran scheitert die Kommunikation zwischen Namibia und Deutschland seit Jahren. Für Namibia ist Deutschland der ehemalige Kolonialherr, gegen den man Ansprüche hat. Die Bundesrepublik betont zwar die besondere Verantwortung Deutschlands, die aus der "gemeinsamen Geschichte der Kolonialzeit" erwachse. Entschädigungszahlungen für den Völkermord will sie jedoch nicht leisten.
Über Jahre vermieden deutsche Politiker bei Besuchen in Namibia, sich unzweideutig zu entschuldigen, da sie fürchteten, so eine Basis für Entschädigungen zu legen. Erst Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die im August 2004 an den zentralen Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Beginns des Kolonialkrieges teilnahm, wagte es, das Wort "Entschuldigung" auszusprechen, vermied jedoch den Begriff "Völkermord". Eine offizielle Entschuldigung Deutschlands war auch dieser Auftritt nicht.
In Namibia ist für den 5. Oktober eine staatliche Trauerfeier geplant. An diesen Feierlichkeiten werde ein Botschaftsvertreter auf Einladung der namibischen Regierung teilnehmen, erklärte eine Sprecherin der deutschen Vertretung in Windhoek auf Anfrage von n-tv.de.
mit AFP>
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6.10.2011: Schädel-Rückgabe in Namibia - aber vielleicht muss da auch noch Beutekunst zurückgegeben werden
aus: n-tv online: Schädel-Gedenkfeiern in Namibia: Der Botschafter verneigt sich; 6.10.2011;
http://www.n-tv.de/politik/Der-Botschafter-verneigt-sich-article4467186.html
Kiste mit Herero-Schädeln [1]
<Eine Kiste mit Hereroschädeln wurde kürzlich von den Truppen in Deutsch-Süd-W.Afrika verpackt und an das Balkologische (?) Institut zu Berlin gesandt, wo sie zu wissenschaftlichen Messungen verwandt werden sollen. Die Schädel, die von Hererofrauen mittels Glasscherben vom Fleisch befreit und versandfähig gemacht wurden, stammen von gehängten oder gefallenen Hereros.>
Die Namibia-Delegation in der Charité in Berlin, 2011 [2]
Ankunft der Schädel in Windhook [3]
<von Hubertus Volmer
Die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Deutschland und seiner einstigen Kolonie Namibia dauern an. Das liegt am diplomatischen Versagen der Bundesregierung, vor allem von Staatssekretärin Pieper. Dahinter steht möglicherweise die Angst, nicht nur Schädel zurückgeben zu müssen, sondern auch Beutekunst.
Die 20 Schädel, die Anfang der Woche aus Deutschland nach Namibia zurückgebracht worden waren, sind am Mittwoch offiziell von der Regierung des Landes in Empfang genommen worden. An der Trauerfeier nahmen Präsident Hifikepunye Pohamba und der deutsche Botschafter Egon Kochanke teil.
Die Schädel waren Anfang des 20. Jahrhunderts als Trophäen und zu Forschungszwecken einer rassistisch orientierten Anthropologie nach Deutschland gebracht worden. Bei den Toten, deren sterbliche Überreste bereits in der vergangenen Woche in der Berliner Klinik Charité an eine namibische Delegation übergeben wurden, handelt es sich um 9 Herero und 11 Nama, beides Völker, die mehrheitlich in Namibia leben.
Die 20 Afrikaner wurden vermutlich bei der Niederschlagung des Aufstands der Herero und Nama getötet. Einige Historiker klassifizieren den Feldzug der deutschen Kolonialherren zwischen 1904 und 1908 als Vernichtungskrieg. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass von den ursprünglich 80.000 Herero nur 15.000 überlebten, bei den Nama starben 10.000.
"Wiedergutmachung für Völkermord"
Nach Angaben der Zeitung "The Namibian" nahmen rund 2000 Vertreter von Herero-Clans und Nama an der Trauerfeier auf dem "Heldenacker" nahe der namibischen Hauptstadt Windhuk teil. Herero-Führer Alfons Maharero sagte, die Rückkehr der Schädel sei "ein starker Beweis, dass Namibia Grund für die Forderung nach einer Wiedergutmachung für den von Deutschland während der Kolonialherrschaft begangenen Völkermord hat". Das ist der zentrale Konflikt: Die Bundesregierung lehnt Zahlungen an die Herero und Nama kategorisch ab, als Völkermord hat sie die Taten der kaiserlichen Truppen nicht anerkannt.
Alfons Maharero ist ein Nachkomme von Samuel Maharero, der den Herero-Aufstand im Januar 1904 anführte. In seiner Rede beklagte er, der unfreundliche Empfang der namibischen Delegation in Berlin sei erniedrigend gewesen. Nama-Häuptling David Fredericks warf der Bundesregierung vor, ihre historische Verantwortung zu leugnen. "Sie sehen uns immer noch als einen untermenschlichen Gegenstand an."
Streit auch innerhalb Namibias
Dass das Thema auch innerhalb Namibias nicht unumstritten ist, demonstrierte die Rede von Präsident Pohamba. Er verurteilte die "furchtbaren Grausamkeiten", welche die kaiserlichen Truppen verübt hatten. Die Forderung nach einer Entschädigung erhob Pohamba jedoch nicht. Zudem lehnt die Befreiungsbewegung SWAPO, die seit der späten Unabhängigkeit des Landes regiert, Zahlungen an einzelne Volksgruppen im Land ab.
Zaungäste der Schädel-Debatte sind die rund 20.000 deutschstämmigen Namibier. Viele von ihnen sind empört über den Aufwand, der für 20 Schädel betrieben wurde, einige bestreiten, dass so viele Herero von den kaiserlichen Truppen in den Tod getrieben wurden. "Aufgebauscht und fabriziert" seien die Geschichten über die versuchte Ausrottung der Herero, sagt etwa der 79 Jahre alte Farmer Heiner Schneider-Waterberg.
"Gestatten Sie mir, an der Trauer teilzunehmen"
Mit Blick auf die Forderung nach einer offiziellen Entschuldigung Deutschlands erinnerte Botschafter Kochanke daran, dass die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sich 2004 entschuldigt habe. Dies sei von der namibischen Seite auch akzeptiert worden. "Sie reichte ihre Hand und sie wurde genommen", sagte Kochanke. Allerdings hatte die rot-grüne Bundesregierung Wieczorek-Zeuls Entschuldigung später relativiert.
Nach Angaben der namibischen "Allgemeinen Zeitung" sagte Kochanke: "Gestatten Sie mir, an der Trauer zu diesem tragischen Geschehen teilzuhaben. Ich verneige mich und drücke mein tiefes Bedauern aus." Verhandlungen mit Vertretern der Herero und Nama lehnte der Botschafter ab: "Meine Regierung unterhält keine Sonderbeziehungen zu individuellen ethnischen Gruppen."
"Historische und moralische Verantwortung"
Wie immer bei namibisch-deutschen Treffen war der Auftritt des Botschafters ein diplomatischer Balanceakt. Da die Bundesregierung sich beharrlich weigert, den Völkermord als solchen anzuerkennen, sind solche Veranstaltungen für die deutschen Vertreter häufig ein Reden um den heißen Brei.
Das klingt dann so: "Die Bundesregierung hat sich wiederholt zu der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Namibia bekannt", beantwortete eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes die Frage von n-tv.de, warum Deutschland die Gräueltaten, die Deutsche vor über 100 Jahren in Namibia verübten, nicht als Völkermord anerkennt. "Die Bundesregierung kommt dieser Verantwortung insbesondere durch eine verstärkte bilaterale Zusammenarbeit - auch auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit - nach." Das stimmt: Kein afrikanisches Land erhält pro Kopf mehr deutsche Entwicklungshilfe als Namibia.
Dem Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele reicht das nicht. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung den Völkermord nicht als solchen anerkennt", sagt er n-tv.de. Ströbele setzt sich seit 2004 für die Forderungen der Nama und Herero ein. "Selbst wenn es das Risiko einer juristischen Klage geben sollte, muss Deutschland den Völkermord so nennen, denn nur dann kann Deutschland offiziell bei den Herero und Nama offiziell um Entschuldigung bitten."
Pieper-Rede "einfach nur peinlich"
Wer diplomatisch balanciert, kann auch abstürzen. Die Übergabe der Schädel wurde nicht etwa von der Bundesregierung organisiert, sondern von der Charité. Außen-Staatssekretärin Cornelia Pieper (FDP) trat lediglich als Gast auf. In ihrer Rede bat sie "im Namen der Bundesregierung die besonders betroffenen Völker der Herero, Nama und Damara um Versöhnung". Im Publikum rieb man sich die Augen: Die Gäste hatten gehofft, dass Pieper um Entschuldigung bitten würden. Nun bat sie um "Versöhnung".
Piepers Rede am vergangenen Freitag wurde von Zwischenrufen begleitet, danach wurde sie ausgebuht. Teilnehmer sagen, dass die Buhrufe von Angehörigen deutscher Nichtregierungsorganisationen kamen, während sich, wie die "Allgemeine Zeitung" schrieb, "die namibische Delegation trotz tiefgreifender Differenzen mit der Bundesregierung und nicht erfüllter Erwartungen die Woche über und bei der Zeremonie stets maßvoll verhalten hat". Nach der Rede verließ Pieper die Veranstaltung, ohne sich von den Namibiern zu verabschieden. Der Sprecherin des Auswärtigen Amtes zufolge musste die Staatsministerin "die Veranstaltung aufgrund unaufschiebbarer Termine verlassen".
Der Linken-Abgeordnete Niema Movassat, der an der Feierstunde teilgenommen hat, glaubt das nicht. "In jedem Fall", so sagt er, "war es eine Respektlosigkeit der namibischen Delegation gegenüber." Schon die Rede sei "einfach nur peinlich" gewesen, so Movassat. "Kein Wort der Entschuldigung darin."
Angst vor der Rückgabe von Beutekunst
Ganz offensichtlich fürchtet die Bundesregierung, mit einer offiziellen Entschuldigung die Grundlage für einklagbare Reparationsforderungen zu schaffen. Möglicherweise steht jedoch eine weitere Angst dahinter, sagt Nicolai Röschert, Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von AfricAvenir - die Angst vor der Rückerstattung von geraubten Kulturgütern. "Menschliche Überreste werden jetzt offenbar zurückgegeben, aber mit Kunst- und Kulturgegenständen soll dies keinesfalls passieren." Tatsächlich forderte Präsident Pohamba, weitere Objekte namibischen Ursprungs in Deutschland zu identifizieren, die heimgeholt werden sollen. Ins Detail ging er nicht.
Die Schädel aus der Charité waren übrigens erst vor drei Jahren wiederentdeckt worden. Wie viele insgesamt in den Untiefen deutscher Forschungsinstitute lagern, ist unbekannt. Allein eine Expedition des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg brachte 1908 mehr als 1000 Schädel aus Afrika nach Deutschland.
Der namibische Jugendminister Kazenambo Kazenambo sagte bei der Trauerfeier, 18 der Schädel stammten aus dem deutschen Konzentrationslager auf der Halbinsel Shark Island. Dort waren während des Krieges Nama-Gefangene interniert. Kazenambo, der wie Maharero nach Berlin gereist war, sagte, man prüfe, wie viele namibische Schädel noch in Deutschland seien. Hier immerhin gab es einen Konsens: Botschafter Kochanke unterstrich, dass die Bundesregierung ihren Dialog mit der namibischen Seite über die Rückführung von Schädeln fortsetzen werde.
mit dpa>
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20.11.2013: Deutsche Regierung verleugnet den Völkermord in Namibia - nur die Zahlen sind erlaubt
aus: n-tv online: Das Wort "Völkermord" bleibt tabuBundesregierung auf Distanz zu Schädeln; 20.11.2013;
http://www.n-tv.de/politik/Bundesregierung-auf-Distanz-zu-Schaedeln-article11760211.html
Zehntausende Menschen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Deutschen im heutigen Namibia getötet. Dieser Genozid gehört in Deutschland nicht zur Erinnerungskultur. Die Bundesregierung tut alles dafür, dass dies auch so bleibt.
Die Nachfahren der vor über 100 Jahren von kaiserlich-deutschen Truppen getöteten Namibier warten weiterhin vergeblich auf eine Entschuldigung des deutschen Staates. Auch die Rückgabe von namibischen Schädeln, die infolge des Völkermords an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 nach Deutschland kamen, will die Bundesregierung nicht selbst organisieren.
Wie aus der Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorgeht, will die Bundesregierung möglichst vermeiden, mit menschlichen Gebeinen aus der Kolonialzeit in Verbindung gebracht zu werden. Eine entsprechende Sammlung, die bis 2011 im Besitz des Berliner Universitätsklinikums Charité war, ging damals an das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin - an einen Museumsverbund also, der als Tochter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) zu 75 Prozent dem Bund und zu 25 Prozent den Bundesländern gehört.
Die Bundesregierung strebt an, diese Sammlung "an eine Einrichtung außerhalb der SPK" zu geben, wie es in der Antwort heißt. Zwar sei die Abgabe an eine "private Institution" sei nicht vorgesehen. Der Linken-Abgeordnete Niema Movassat geht allerdings davon aus, "dass die Bundesregierung mit allen Mitteln vermeiden will, legal selber die Eigentümerin von Sammlungen menschlicher Gebeine zu sein, um auch nicht Ansprechpartner für Rückgabeforderungen zu sein und um die Gebeine nicht selbst an die Herkunftsländer übergeben zu müssen".
Historiker stuft Krieg als "Genozid" ein
Der Krieg der deutschen Truppen gegen die Herero und Nama im heutigen Namibia war ein Vernichtungsfeldzug, bei dem 50 bis 70 Prozent der bis zu 100.000 Herero und bis zu 50 Prozent der rund 20.000 Nama ums Leben kamen. Einige von ihnen wurden getötet, andere in die Wüste getrieben, um dort zu verhungern und zu verdursten. Tausende starben auch in Konzentrationslagern, die die Deutschen in ihrer Kolonie einrichteten. Der Historiker Jürgen Zimmerer nennt diesen Krieg einen Völkermord. "Ein Genozid ist nicht nur das Ermorden von Menschen, sondern das gezielte Zerstören von Gemeinschaften und Gesellschaften", sagte er 2012 im Interview mit n-tv.de. "Das war hier zweifellos gegeben."
Das Thema spielt in der namibischen Öffentlichkeit eine ungleich wichtigere Rolle als in Deutschland. Als die Charité vor zwei Jahren die ersten 20 Schädel übergab, reiste eine große Delegation aus dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika nach Berlin. Obwohl auch ein Minister der Delegation angehörte, wurde die Gruppe von keinem deutschen Regierungsvertreter offiziell begrüßt. Die Ausrichtung der Übergabezeremonie wurde vollständig der Charité überlassen, Außenstaatsministerin Cornelia Pieper sprach dabei nur als "Gast".
Seit Jahren verweigert Deutschland den Herero und Nama jedes Wort der Entschuldigung. In ihrer Rede in der Charité sprach Pieper von "Bedauern", "Scham" und "Hochachtung", doch die von den Namibiern erhofften Wörter "Entschuldigung", "Völkermord" und auch "Entschädigung" fielen nicht. Stattdessen formulierte Pieper, sie bitte im Namen der Bundesregierung um "Versöhnung". Für die namibische Delegation war dies ein Affront.
Gebeine mit "ethisch problematischem Kontext"
Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linksfraktion zeigt, dass die Bundesregierung an ihrer unnachgiebigen Haltung festhält: Staatliche Stellen sollen möglichst nichts mit menschlichen Gebeinen aus der Kolonialzeit zu tun haben, die "einem ethisch problematischen Kontext unterliegen". Das ist wohl auch der Grund, warum Gebeine aus Namibia und Australien nicht an das Museum für Vor- und Frühgeschichte gegangen sind, sondern nur solche menschliche Überreste, für die es bislang keine Restitutionsansprüche gibt.
"Die Gebeine aus Namibia oder Australien will die SPK nicht übernehmen, weil hier schon Rückgabeforderungen vorliegen", sagt Movassat. Die übrigen Gebeine, die sich bereits im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befänden, wolle die Stiftung "möglichst schnell an eine andere Institution abgeben, um zu vermeiden, dass Rückgabeforderungen direkt an sie gestellt werden".
Darüber hinaus bezweifelt Movassat, dass es in den Beständen der SPK - wie von der Bundesregierung behauptet - keine "ethisch problematischen" Gebeine gibt. So müssten sich in dieser Sammlung beispielsweise Schädel aus Tansania, der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika, befinden, die "eindeutig aus Gewaltzusammenhängen" stammten. "Es liegen hierzu nur noch keine Rückgabeforderungen vor", so Movassat.
Quelle: n-tv.de>
Fotoquellen^
[1] Kiste mit Herero-Schädeln: http://www.n-tv.de/politik/Der-Botschafter-verneigt-sich-article4467186.html
[2] Namibia-Delegation in der Charité in Berlin 2011: http://www.n-tv.de/politik/Der-Botschafter-verneigt-sich-article4467186.html
[3] Ankunft der Herero-Schädel in Windhook: http://www.n-tv.de/politik/Der-Botschafter-verneigt-sich-article4467186.html