Von Daniel Kestenholz ; Die
Welt. 27.3.2000; http://www.welt.de/daten/2000/03/28/0328au159190.htx
(Juni
2005).
<Bangkok - Gegen Japan, das Gräueltaten
während des Zweiten Weltkriegs noch heute leugnet oder
zumindest beschönigt, rollt eine Prozesslawine an:
Tausende von Filipinos werden eine Gemeinschaftsklage
gegen Zweigstellen von japanischen Konzernen wie
Mitsubishi,
Hitachi, Toyota und
Nissan einreichen. Die
Unternehmen, so
Anwalt Rod Domingo, sollen
Millionen von Filipinos zu Zwangsarbeit in Minen und
Plantagen missbraucht haben. Japanische Firmen hätten
"während des Krieges Profite gemacht mit Elend, das sie um
der Rendite willen noch verlängerten."
Domingo forderte Opfer und deren Erben auf, sich
mit Kriegsgeschädigten zu vereinen, die in den USA bereits
ähnliche Klagen gegen Japan eingereicht haben. Weitere
Entschädigungsforderungen
könnten folgen, zumal der Massenprozess auch die so
genannten "Trostfrauen" wieder in Erinnerung ruft, die als
Prostituierte in japanischen Kasernen dienten.
Japans Schulbücher behaupten, das Schicksal der "comfort
women" von den
Philippinen, aus Korea, China,
Indonesien, Taiwan und den
Niederlanden sei
nicht japanischen Soldaten anzulasten. Überdies seien die
Kriegsentschädigungsprobleme des Zweiten Weltkriegs durch
Staatsverträge gelöst.
Die Behauptung, dass Japans offizielle
Geschichtsschreibung inakzeptabel sei, führte 1965 zu
einem ersten Rechtsstreit mit einer Anklage gegen den
Staat. 32 Jahre später wurde dem Kläger, einem Historiker,
teilweise stattgegeben. Das Urteil anerkannte das
Massaker
in Nanking und schaurige
Versuche an lebenden
Kriegsgefangenen. Ein japanisches Gericht
verurteilte den Staat 1998 überdies zu einer Zahlung von
6900 Dollar an drei Klägerparteien von Trostfrauen.
Vor einem Jahr billigte Japans Regierung erste
Schritte zu einer freien Geschichtsschreibung. Dennoch
spiegeln die Schulbücher noch ein halbes Jahrhundert nach
Kriegsende eine Wunschwelt vor. Asiens
Horrorstätten
Ping Fan oder
Changchun bleiben unbekannt,
verglichen mit Auschwitz oder Dachau. Nippons
Entsprechungen von Nazi-Wissenschaftlern wie Josef Mengele
- etwa
General Shiro Ishii -
testeten
biologische Waffen an Menschen. Nach Ansicht von
Historikern hätten die japanischen Horrortaten jene der
Deutschen nicht selten übertroffen. "Stellt euch Hunderte
von Mengeles vor", sagt Rabbi Abraham Cooper vom
Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles.
Im von
General Ishii erstellten Ping Fan
züchtete die berüchtigte "
Einheit 731" Seuchen zur
Kriegsführung. Changchun war ein weiteres
Testgelände
für Bakterienversuche an Pflanzen, Tieren und Menschen.
Die Sowjets hatten bereits 1949 zwölf Japaner für
biologische Kriegsverbrechen verurteilt. Die detaillierte
Urteilsschrift wurde im Westen jedoch kaum beachtet,
sondern als kommunistische Propaganda gebrandmarkt.
Westliche Gelehrte und Journalisten entdeckten
Japans
"Bakterienkrieg" erst in den achtziger Jahren.
Das US-Justizministerium fordert von Japan
seither erfolglos, Angaben zu verdächtigten
Kriegsverbrechern herauszugeben, um Einreisesperren zu
erwirken, wie sie bereits 60 000 Deutsche und andere
Europäer betreffen. Chinesen reichten 1997 eine
Entschädigungsforderung zu Japans biologischen
Kriegsverbrechen ein. Frühere Mitglieder der
Einheit
731 waren geständig. In China werden laut Forschern
weiterhin Orte zu "
Asiens Holocaust" gefunden, wo
sich
Milzbrand, Fleckfieber, Pest und andere
Seuchen ausgebreitet hätten und womöglich Hunderttausende
von Menschen vernichteten.>