aus: Kurt Sontheimer:
Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik
1919-1933. Die politischen Ideen des deutschen
Nationalismus zwischen 1918 und 1933. Nymphenburger
Verlagshandlung, München 1962.
Kommentar
Die Chronologie zeigt das Zusammenwirken der Faktoren,
wieso die Weimarer Republik in Deutschland 1919-1933 keine
Überlebenschance hatte. Die Ereignisse sind ein Beispiel,
was nicht geschehen darf, wenn Demokratie und Wohlstand
erhalten werden sollen.
Michael Palomino, 1999 / 2005
Literatur
Literatur über die destruktive KP:
-- Ossip K. Flechtheim: "Die kommunistische Partei
Deutschlands in der Weimarer Republik". Offenbach 1948
-- Ruth Fischer: "Stalin und der deutsche Kommunismus".
Frankfurt 1950
-- O.E. Schüddekopf: "Linke Leute von rechts".
Literatur über die jungen Nationalisten als zerstörerische
Kraft gegen die Weimarer Republik:
-- G.O. Stoffregen (Hg): Aufstand. Berlin 1931
-- M.H. Boehm: Die neue Front. Berlin 1922
-- von Fr. Langenfass: Zeitwende. 1931
-- Wilhelm von Kries: Artikel "Politik ohne Adel"; In:
Deutsche Rundschau. April 1932 (S.32).
Chronologie
ab 1900 ca.
|
Charles Darwin,
Portrait |
Die
Welle von Gründungen von antidemokratischen Verbänden in
Europa und in Deutschland
[Der in allen Universitäten gelehrte Rassismus-Darwinismus
lässt die Gründung von antidemokratischen Verbänden
aufkommen, denn Demokratie widerspricht dem
Rassismus-Darwinismus der Gleichberechtigung, sondern will
ein "Recht des Stärkeren" etablieren].
Solche antidemokratischen Verbände [aufgrund der "Lehre
des Rassismus und Darwinismus"] werden auch in Deutschland
gegründet:
Antidemokratische
Verbände in Deutschland |
Alldeutscher
Verband |
Bund für Nationalwirtschaft und
Werksgemeinschaft |
Flottenverein |
Deutscher Wehrverein |
Deutsche
Adelsgenossenschaft |
Deutscher Ostmarkverein |
Jungdeutschlandbund
|
(S.29)
|
Später ab 1920 werden diese Vereine u.a. Träger des alten
Nationalismus (S.29).
1917
Die eingeleitete
Parlamentarisierung des Deutschen Reiches
Die Parlamentarisierung des Deutschen Reichs ist mehr der
Einwirkung der Obersten Heeresleitung OHL zu verdanken als
einem Verlangen des Reichstags selbst (S.23), [ist also
eher gegen den Kaiser gerichtet, als eine Handlung für die
Bevölkerung und für die Demokratie].
[Ergänzung:
Die OHL und Financiers der
"USA" finanzieren Lenins Kommunismus - Ressentiments
gegen den "Frieden von Versailles"
Die Oberste Heeresleitung OHL fördert zusammen mit
Financiers aus den "USA" die kommunistische Revolution von
Lenin und Trotzki 1917. Die OHL spekuliert,
wenn sich Russland in der Revolution befindet, könne
Russland schnell besetzt werden. Der Kriegseintritt der
"USA" 1917 und der kommunistische Munitionsarbeiterstreik
in Deutschland 1918 gegen jeden Krieg zwingen aber die
deutsch-rassistischen Imperialisten unter Ludendorff und
Hindenburg zum Waffenstillstand.
So kann der Kommunismus (trotz aller kriegerischen
Anstrengungen bis 1920) in Russland überleben und weitet
sich über ganz Europa aus. Der Kommunismus ist dabei von
"amerikanischen" Financiers der Freimaurerei finanziert.
Der "Frieden von Versailles" hält sich seinseits nicht an
die Vorgaben des Waffenstillstandes, und die "USA", die
eine wesentliche Rolle in der politischen Stützung der
Weimarer Republik spielen sollten, ratifizieren den
Vertrag von Versailles gar nicht. Auch deswegen ist die
neue "Weimarer Republik" - die dadurch ganz Frankreich
ausgeliefert ist - unbeliebt und wird von vielen Seiten
her sabotiert].
1918
Die deutsche Revolution
passiert aus der Angst vor dem Kommunismus und nicht aus
Lust auf Demokratie
Das Entscheidende dabei ist: Nicht die Geburt der
parlamentarischen Demokratie, sondern das Verhindern der
Räterepublik (S.23), die "Weimarer Koalition" (S.24), ist
der Anstoss, die Demokratie zu gründen (S.23). Die
Sozialdemokraten, die "Mehrheitssozialisten", spannen mit
monarchietragenden Kräften zusammen und bannen die Gefahr
einer gesamtdeutschen kommunistischen Räterepublik. Erst
dann kann die Verfassung ausgearbeitet werden.
Dabei kommt es zur Zusammenarbeit mit der Obersten
Heeresleitung OHL gegen die kommunistischen
Revolutionstrupps, so dass am Ende nur ein
"Status-quo-Friede" zustande kommt (S.23). Zur Wahrung der
Sicherheit bilden sich Selbstschutzverbände gegen die
Auflösung des deutschen Staates, die aber nicht
oppositionell orientiert sind (S.26). Eigentlich ist aber
die geistige Basis und Bildung zur Gründung einer
Demokratie nicht vorhanden (S.27).
Wahldemonstration von
Mehrheitssozialisten 1918 / 1919 vor dem
Berliner Reichstagsgebäude, das Wahlrecht am
19.1.1919 zu nutzen
|
Erstmals Frauen an einer Wahl in Deutschland,
19.1.1919
|
November 1918-1933
Weimarer
Republik
Die neuen Gruppierungen der Gesellschaft in der Weimarer
Republik
Bildung neuer
deutsch-nationaler Vereine, die den
alten Kaiser-"Nationalismus" vertreten |
Deutscher Offiziersbund |
Preussenbund |
Nationalverband deutscher
Offiziere |
Deutschbanner
Schwarz-weiss-rot |
Reichsbund ehemaliger
Kadetten |
Rhenania |
Olympia |
(S.29) |
Bildung neuer
deutsch-nationaler Vereine, die einen
neuen revanchistisch- imperialistischen
"Nationalismus" vertreten |
Stahlhelmxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx |
Jungdeutscher Orden |
Wehrwolf |
Deutschorden |
Bund Wiking |
Reichsverband der
Baltikumkämpfer |
Bund Oberland |
(S.29) |
Jugendbünde, die den neuen
revanchistisch-imperialistischen
"Nationalismus" vertreten |
Freischar Schill |
die Geusen |
Eidgenossen |
die Artamanen |
Deutsche Falkenschaft |
Adler |
Deutsche Jungmannschaft |
Falkenxxxxxxxxxxxxxxxxxxx |
Deutsches Jungvolk |
(S.29) |
"Völkische Bünde", die
einen darwinistischen Rassismus |
Tannenbergbund von Ludendorff |
Treubund für aufsteigendes
Leben |
Deutschbund |
die Junggermanen |
Deutsch-völkischer Schutz-
und Trutzbund |
Bund nordischer Jugend |
Ostara-Kreis |
All-Arierbund (S.29)xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx |
Bünde mit "völkischen
Tendenzen" |
Verein für das Deutschtums im
Ausland (VDA) |
Hochschulring Deutscher Artxxxxxxxxxxxxxxxxx |
Deutscher Schutzbund |
(S.29) |
|
Die
neuen Machthaber der "Weimarer Republik"
Die neuen Machthaber haben sich mit Hilfe der Obersten
Heeresleitung OHL an die Macht gehoben. Dabei hat die OHL
nur als "Trittbrett" gedient. Die "Nothelfer" der OHL
werden von den Regierenden nach Regierungsantritt nur noch
als "Bluthunde" und "Mordbuben" bezeichnet. Auf der
anderen Seite sollen Defaitisten und Deserteure die
"Retter" der Demokratie sein (S.25). [obwohl die
Demokratie doch noch gar nicht richtig "angekommen" ist].
November 1918-1920
Rechte Gruppen unterstützen
vorerst die Weimarer Republik
-- viele rechte Gruppen stellen sich vorerst positiv zur
neuen Regierung
-- E. Troeltsch spricht vom "Traumland der
Waffenstillstandszeit" -- alle hoffen auf Besserung der
inneren Zustände (S.25). Es herrscht allgemein eine
Hoffnung auf die "Neugeburt des deutschen Volkes und
Staates" (S.31).
Mai 1919
Der "Friede von Versailles"
torpediert die junge Demokratie in Deutschland
Zeitungsartikel "Der Gewaltfrieden von Versailles",
9.5.1919
[Das
Diktat von Versailles beinhaltet nicht nur den Verlust
aller Kolonien für Deutschland, sondern auch das
Anschlussverbot für Deutschösterreich an Deutschland. Die
deutschösterreichische Bevölkerung wurde seit dem
Aufkommen des Nationalismus ab 1850 ca. der Anschluss
schon vom Kaiser aus verboten. Frankreich will aber als
Siegermacht die Abläufe in Europa bestimmen und setzt das
Anschlussverbot mittels Erpressung mit
Lebensmittellieferungen durch. Das Versailler Diktat gibt
den rechten wie den linken antidemokratischen Kräften
starke propagandistische Argumente gegen die Demokratie].
Karte Gebietsverluste Deutschlands 1919 auf dem
europäischen Kontinent. Dazu kommt der Verlust aller
Kolonien.
-- die
Annahme des Vertrages von Versailles macht in der jungen
Weimarer Republik viele Perspektiven zunichte (S.25)
-- Versailles ist eine grosse Ursache für den Hass auf die
neue Demokratie, v.a. in der Obersten Heeresleitung (OHL)
-- Weimar soll den Abbau der Armee in Kauf nehmen und der
Status quo ist so durch Enttäuschung aufgehoben, es
herrschen in der OHL Hass und Erbitterung (S.23) gegen die
Feindmächte -- der neue Staat wird von den einstigen
Monarchie-Anhängern nicht mehr gestützt
-- es bilden sich Heimwehren, Soldatenorganisationen,
Freikorps, die nach eigenem Gutdünken agieren
-- viele Gruppen fühlen sich durch die Weimarer Koalition
nicht repräsentiert und verweigern die Unterstützung des
Staates
-- die Revolution wird zur "verwerflichen Tat", die echte
demokratische Volksbewegung findet nicht statt
-- in dieser Situation fehlt demokratische Tradition und
parlamentarische Übung
-- das Bürgertum verrät die Demokratie total und schiebt
die Kriegsniederlage und ihre Folgen von Versailles den
neuen, demokratischen Machthabern in die Schuhe
-- die Dolchstosslegende vom Munitionsarbeiterstreik der
Kommunisten 1918 wird für viele Bürgerliche zum
Lebensinhalt gegen die Demokratie (S.24). Die
Selbstschutzverbände wenden sich ab Versailles gegen den
Staat, weil die Ehre und die Idee des Staates preisgegeben
seien. Nur die Republikaner halten mit Schaffensfreude an
der Weimarer Republik fest (S.26).
Freikorps, Heimwehren und
Selbstschutz kämpfen in kleinen Einheiten gegen
kommunistische Einheiten
|
Plakat
"Schützt die Heimat" mit Eintritt in
Freikorps 1919
|
Auf eigenes Gutdünken hin kämpfen die
Freikorps gegen kommunistische bewaffnete Einheiten, ohne
Anordnungen der Regierung [und z.T. als Selbstschutz gegen
polnische Aggressionen im Osten Deutschlands]. Die
Freikorps leisten damit einen achtbaren Beitrag zur
"Rettung" der Republik vor dem Kommunismus. Ebenso agieren
Heimwehren und Selbstschutzverbände (S.33).
Die Freikorps, Heimwehren und Selbstschutzverbände werden
von der Republik zur Sicherheit im Staat gebraucht, werden
aber politisch nie berücksichtigt. Die Menschen greifen
zur Selbsthilfe, um den Staat zu erhalten, weil der Staat
- die "Weimarer Republik" - selbst geistig nicht fähig
ist, den Selbstschutz zu organisieren (S.33).
Wahlen 1920
Plakat der Zentrumspartei "Gegen die rote Flut" für die Wahl
von 1920
1920-1933
Die Entwicklung gegen die
Demokratie aus Frust und Trotz
Die Revolution erfüllt die Erwartungen nicht, denn die
Angehörigen vergleichen die Geschehnisse immer mit der
grenzenlosen patriotischen Begeisterung bei Kriegsausbruch
1914. Eine gemeinsame Aufgabe für eine geeinte Nation
existiert nicht mehr. Alle Wünsche an das
Gemeinschaftsgefühl werden enttäuscht [aus Unkenntnis um
die Pluralität in der Gesellschaft und aus Naivität mit
Glauben an die Parteienpropaganda] (S.31).
Die Entwicklung eines Staatsbewusstseins in der Demokratie
wird so blockiert. Gleichzeitig fehlt es an wirtschaftlicher
Wohlfahrt,
und es fehlt die Verantwortung des Bürgers selbst (S.12).
Sontheimer:
"Der Weimarer Republik fehlte ein Staatsbewusstsein, das
sich an die demokratische Republik gebunden fühlte und mit
ihr in Einklang wusste." (S.12-13)
"Das notwendige Minimum an staatstragender Gewinnung auf
Seiten der Bevölkerung war nicht gewährleistet." (S.18)
Die Weimarer Republik ist gemäss Soltheimer "eine Aporie
[Situation der Ratlosigkeit], eine Demokratie quasi aus
Verlegenheit", eine "improvisierte Demokratie", so Theodor
Eschenburg (S.23).
Auch die freie Intelligenz der Weimarer Republik bekämpft
z.T. die Demokratie (S.13).
Folge: Die Demokratie wird
verhöhnt
-- das Verhöhnen der Demokratie ist möglich, es ist
erlaubt, die Demokratie als "undeutsch" zu bezeichnen
-- die Schmähung der Staatssymbole und die Verleumdung von
demokratischen Politikern ist möglich, und die Verleumder
finden z.T. sogar "verständnisvolle" Richter (S.12).
Folge: Antidemokratisches
Denken etabliert sich
Das antidemokratische Denken ist ein massgeblicher Faktor
im Zersetzungsprozess der Weimarer Republik:
-- das antidemokratische Denken versagt der demokratischen
Republik die Unterstützung
-- es wird Raum frei für andere Ideologien
-- das antidemokratische Denken macht weite Kreise für die
nationalsozialistische Revolution geistig und seelisch
empfänglich
-- es herrscht ein Bündel von Antithesen zur bestehenden
liberalen Demokratie der Weimarer Verfassung
-- die antidemokratischen Ideologien können zum
Kampfmittel gegen die Demokratie werden (S.13), mit
Ausnützung der Auffälligkeiten der Weimarer Republik
(S.16). Mit dem antidemokratischen Denken werden
zahlreiche politische Gruppen und Parteien von
Propagandisten ideologisiert, die gezielt auf die
Zerstörung der Demokratie hinarbeiten (S.16).
Kommunismus in der Weimarer
Republik (Kommunistische Partei Deutschlands KPD)
-- der Kommunismus kämpft mit Ideen gegen die Demokratie
von Links
-- Werke von Ossip, K.Flechtheim, Ruth Fischer, Lionel
Kochau, Siegmund Neumann (S.14)
-- Ziel ist der Umsturz hin zur Diktatur des Proletariats
(S.28).
Die Hetze und Taktik der Kommunistischen Partei KP:
-- die bürgerliche Klassenherrschaft unterdrücke das
Proletariat
-- die KP arbeitet gelegentlich mit den
Nationalsozialisten zusammen, um die Republik zu schwächen
-- die KP pflegt eine totale Feindschaft zur SPD, seit
Revolutionszeiten, und eine Koalition mit der SPD zur
Verhinderung des Nationalsozialismus kommt nicht in Frage
(S.29).
Die rechte Opposition in der
Weimarer Republik gegen die Demokratie: Die
"Deutschnationalen"
Die rechten Parteien publizieren Schriften im Sinn eines
"jungen" oder "neuen Nationalismus" mit dem Traum von der
"Konservativen Revolution". Diese Gruppe entwickelt
stärkste geistige Dynamik mit Ideen des "neuen
Nationalismus" [Kolonien, Expansionsgelüste etc.], mit der
Gruppe der "Völkischen" und der "Deutschnationalen"
(S.15), gruppiert in "Deutschnationale" oder
"Nationalsozialisten" etc. (S.27)
Die Äusserungen der rechten Propagandisten klingen oft
romantisch und irrational. Soltheimer: "Sie sind
Betrachtungen Unpolitischer, die vielfach ihren
Ästhetizismus für politische Klugheit halten." (S.20) Der
Nationalsozialismus wird den "Völkischen" zugerechnet,
zwischen altem und neuem Nationalismus, mit den Parteien
"Deutschvölkische Freiheitspartei" und NSDAP (S.38).
Der alte, kaisertreue
Nationalismus (S.28) Wilhelminischer Prägung (S.30)
-- ist die Fortsetzung alter,
konservativ-nationalstaatlicher "Traditionen" [mit
Dreiklassenwahlrecht etc.] (S.28)
-- ist gegen den demokratischen Staatsaufbau
-- ist gegen die "Erfüllungspolitik" von Versailles. Die
kaisertreuen Gruppen bestehen aus Reaktionären, v.a. aus
Anhängern "gestürzter Schichten", mit Revanchismus, mit
Leuten, die meinen, ihre "nationale" oder "vaterländische
Gesinnung" sei mehr wert als der Parteienstaat etc.
(S.30). Repräsentative Parteien sind die Deutsch-nationale
Volkspartei (S.37) und die Deutsche Volkspartei (S.38).
Der neue Nationalismus mit
Imperialismus ohne Kaiser (S.28)
Ziel der neu-nationalistischen Gruppen ist es, den
Liberalismus "auszurotten", egal wie (S.32).
[Das war zu der Zeit in Deutschland wie wahrscheinlich
auch in anderen Ländern die "übliche" Wortwahl, den Gegner
mit Worten zu bekämpfen...]
Die "neuen Nationalisten" bezeichnen die Vertreter des
alten Nationalismus oft als Patrioten oder Leute, "denen
der Kalk aus der Hose fiel", als Spiessbürger mit dem
Geist des krassen Materialismus. Die Anhänger des neuen
Nationalismus haben ihre "Feuertaufe" im Krieg empfangen
und lehnen den Wilhelminismus vehement ab. Sie prophezeien
eine "Zeitenwende". Die Leute empfinden sich vorwiegend
als sittlich-geistige Bewegung mit "Bekehrung zu neuem
[rassistisch-darwinistischem] Menschentum" mit der
Behauptung, der deutsche "Mensch" sei in "Unordnung"
geraten.
Der neue Nationalismus hat vorerst keine
Massenorganisation, ist aber gemäss Soltheimer
"Ideenspender für das Gras der nationalistischen Bewegung
einschliesslich des Nationalsozialismus" (S.31).
Repräsentanten des neuen Nationalismus sind ab 1930 in den
nationalsozialistischen Bewegungen und bei den
Volkskonservativen vertreten. Meist lehnen die neuen
Nationalisten aber Parteien ab (!) (S.38).
Nationalsozialismus
Die extremen Nationalsozialisten wenden sich gegen die
neue Republik, lehnen auch die Restauration des
Kaiserhauses ab und sind im politischen Denken eher
spartanisch ausgerichtet. Dafür pflegt der
Nationalsozialismus kleinbürgerliche Ressentiments, mit
primitiver Deutschtümelei, mit vulgärem
Antisemitismus, mit neuem Nationalismus und mit der
"völkischen" [rassistisch-darwinistische] Ideologie
(S.38).
Einige Intellektuelle geben sich den neu-nationalen Ideen
hin. Diese Zeitschriften-"Literatur" wird zur geistigen
Basis des Nationalsozialismus:
-- Spann: Wahrer Staat, gegr. 1921
-- Moeller: Drittes Reich, gegr. 1923
-- Schmitt: Schriften gegen den Parlamentarismus, ab 1923
-- Spengler: Neubau des Deutschen Reichs, gegr. 1924
-- Krannhals: Organisches Weltbild, gegr. 1925
-- Edg. Jung: Herrschaft der Minderwertigen, gegr. 1927
-- Schmitt: Begriff des Politischen, gegr. 1928 (S.36).
Geistige Zentren der konservativen Bewegung sind:
-- Hochschulring Deutscher Art
-- Deutscher Schutzbund
-- Juliklub (S.36)
-- z.T. kommt es auch gegenseitig zu Beschimpfungen und
Spaltungen (S.37).
Die Freikorps, Heimwehren und
Selbstschutzverbände gegen Weimar und gegen Angriffe von
aussen
Die Einheiten werden zur Ordnung im Staat gebraucht, aber
bekommen politisch nie eine Stimme. So wird nicht nur der
Kommunismus zum Feind der Freikorps, sondern auch die
Republik selbst. Die Freikorps haben die Republik
"gerettet" [durch Abwehr polnischer Angriffe], dann werden
ihre Einheiten aber aufgelöst und sogar als
"staatszerstörende Kräfte" taxiert. Sie bilden sich zu
paramilitärischen Ordensverbänden um. Damit werden sie zu
besonders aktiven Trägern der antidemokratischen Bewegung.
Die Weimarer Republik wird für sie nur ein Ersatzstaat,
ein Übergangsstaat (S.33) Ziel der Wehreinheiten wird die
konservative "Erneuerung" (S.34). Die Freikorps-Gruppen,
deren Nachfolgegruppen und die Parlamentarier können sich
nicht auf den Begriff "Staat" einigen... (S.33)
Andere demokratie-feindliche
Gruppen können sich weder rechts noch links zuordnen
Die Liberalen zweifeln am eigenen Programm, koalieren mit
dem "Jungdeutschen Orden" und bekommen immer weniger
Stimmen (S.27). Auch das Zentrum und die Sozialisten
können sich mit der Weimarer Republik nicht
identifizieren, die Sozis fühlen sich um die Revolution
betrogen (S.28). Für die anti-demokratischen Gruppen
erscheint die Weimarer Republik als ein Provisorium.
Eigentlich will niemand die Republik (S.28). Allgemein
werden die demokratiefeindlichen Bewegungen aber erst ab
Ende der 1920-er Jahre zum mächtigen politischen Faktor
[der Börsencrash von 1929 bringt das "Fass zum
Überlaufen"] (S.26). ab 1921
Es gibt keine Mehrheit der
wirklich demokratisch gesinnten Parteien
Um Mehrheiten zu schaffen, wird die Rechte beteiligt, die
aber eigentlich das parlamentarische System immer ablehnt
(S.27).
1922
[Ergänzung: Mussolinis "Marsch auf Rom"
etabliert eine erste Diktatur in Europa und wird Vorbild
gegen die Demokratie].
Mussolini-Karikatur mit Romulus und Remus 1922. Um das
Denkmal stehen Soldaten mit "römischem Gruss".
1923
[Ergänzung:
Frankreich
besetzt das Ruhrgebiet
Die französisch-belgische Besetzung des Ruhrgebiets wird
von der deutschen Politik mit einem nationalen Streik
beantwortet, mit einer ersten Hyperinflation als Folge.
Der Mittelstand verliert erstmals das gesamte Vermögen. So
liefert der französische Einmarsch ins Ruhrgebiet allen
Feinden der Demokratie neue Argumente gegen das
demokratische Frankreich].
Ruhrgebietsbesetzung, Patrouille in Düsseldorf
1923 |
Arbeitslose Berlin 1923, darunter
auch ehemalige Soldaten des Ersten Weltkriegs,
die sich dadurch besonders entehrt fühlen.
|
Oktober 1923
[Hitlers
geplanter Marsch auf München und Berlin schlägt fehl
Hitler
will Mussolini als Vorbild nehmen und versucht die rechte
Revolution mit einem NS-Marsch auf München und dann nach
Berlin, wird aber schon in München inhaftiert und die
NSDAP wird aufgelöst].
Plakat der Regierung Hitler, Ludendorff, Lossof
und Seisser, das die alte Regierung für abgesetzt
erklärt.
|
Stosstrup "Hitler München" auf Lkw im November
1923 |
ab 1923
Die Arbeit gegen die
Demokratie fasziniert ganze Gruppen
Weltanschauungen gegen die Demokratie können sich über die
Massen ausbreiten. Sontheimer: "War etwa in den Massen der
Wunsch vorherrschend, sich der eigenen Verantwortung zu
entledigen und wieder gehorchen zu dürfen, so war die
theoretische Entsprechung dieses Wunsches die Idee des
Führertums." (S.17)
|
Hitlers
"Mein Kampf", Buchdeckel von Band 1,
publiziert 1925
|
Die Radikalität der antidemokratischen
Gruppen
Mit der Zeit überwiegt bei den Antidemokraten die
Machtgeilheit. Es wird ihnen egal, welche Mittel gegen die
Demokratie verwendet werden und mit welchen Mitteln ihre
"Wahrheit" verbreitet wird (S.18). Die Praxis der Gewalt,
die nicht geahndet wird, entzieht der demokratischen
Republik geistig den Boden, löscht das Staatsbewusstsein
aus und zerstört das junge, neue Staatsbewusstsein (S.19).
Versäumnisse der Demokraten
Auch die Demokraten begehen Versäumnisse, und die
Rechtsprechung der deutschen Staatsrechtswissenschaft
schützt die Demokratie nur ungenügend (S.19)
1925
[Ergänzung: Neugründung der
NSDAP und Extremisierung durch Leitlinie "Mein Kampf"]
Das Buch "Mein Kampf" ist ein rassistisches Buch unter
vielen der damaligen Zeit. Die "völkische"
[rassistisch-darwinistische] Ideologie erhält nun
absolutes Format und bekämpft kompromisslos die Republik
(S.38). [Ab 1927 ab der Publikation des zweiten Teils von
"Mein Kampf" weiss die ganze Welt, dass Hitler einen
"Germanenzug" gegen Russland plant, und ab 1945 will es
niemand gewusst haben...]
ab 1928
[Wachsende Arbeitslosigkeit]
- Aufstieg der Zeitschrift TAT unter Hans Zehrer
Die TAT ist eines der rechtslastigen, antidemokratischen
Blätter (S.36).
ab 1929
[Börsencrash in New York,
Arbeitslosigkeit und Inflation] - die Rechten und Linken
machen viele Vorwürfe, bieten aber kaum Programm - noch
mehr Argumente gegen die Demokratie
Zeitungsartikel
des "London Herald" mit Schlagzeile des
Börsencrash 1929 in New York "Black
Thursday" ("schwarzer Donnerstag")
|
|
Der Hauptvorwurf der Rechten und Linken
ist, der neue Staat habe gegenüber dem
Kaiser-Wilhelminismus nichts Neues gebracht. Die
Demokratiegegner fordern eine geistige und soziale
"Erneuerung". Zu einem einheitlichen vorgehen kommt es
aber nie, sondern die Jungkonservativen kritisieren
Patrioten und Liberale, die "Jungdeutschen" bekämpfen die
"Spinne" Hugenberg und die liberalen Institutionen
etc. (S.39). Es gibt keine geschlossene Opposition gegen
den Weimarer Staat, aber die vielen antidemokratischen
Gruppen verhindern in grossen Kreisen die Bindung an den
Staat. Gleichzeitig beklagen die Oppositionellen z.T. ihre
Uneinheitlichkeit (S.40).
[Ab dem Börsencrash und seinen Auswirkungen mit der
Passivität der Millionäre und Milliardäre der Welt ist das
Schicksal der Demokratie in Europa besiegelt. Der
Börsencrash nimmt nun endgültig den Massen die Existenz,
treibt Massen in die Arbeitslosigkeit, und diese Massen
suchen Halt in extremen rechten Parteien, so dass das
Bündnis mit der NSDAP am Ende fast 50 % gewinnt].
Die Arbeitslosen werden
politisiert
Arbeitslose beim Stempeln, 1929 ca.
Ideologische Strömungen der Intellektuellen paaren sich
nun mit Wünschen der Masse der arbeitslosen Arbeiter. In
der Folge kommt es zur oppositionellen Massenbewegung
gegen die Zustände in der Weimarer Republik mit
Demonstrationen und Märschen. Das antidemokratische Denken
ist der "Kitt" der politischen Opposition gegen die
Republik (S.18). [Die Oberschicht und die Gesetzgebungen
kennen noch keine Menschenrechte, keine
Umschulungsprogramme, keine Regulierung im
Wirtschaftswesen. Es herrscht der nackte, finanzielle
Darwinismus].
Die demokratiefeindlichen Bewegungen werden zu einer
mächtigen Geistesbewegung, die politische Grösse hat
(S.26). Dazu gesellen sich die Verlierer der Inflation und
der Wirtschaftskrise: der Mittelstand. Und auch grosse
Teile der gehobenen Schichten schliessen sich gegen die
Demokratie zusammen (S.27).
[Die "Demokratie" ist Sündenbock für alles, und aus dem
Gefühl der Inflationsverluste, Gebietsverluste und
Vorschriften von 1919 - z.B. eine nie gelöste
Reparationenfrage - potenziert sich der Frust]. Die
Liberalen erreichen aufgrund ihrer Programm- und
Glaubwürdigkeitsschwäche mit zweifelhaften Bündnissen fast
den Nullpunkt (S.27).
Die NSDAP wird Sammelbecken
zur Sehnsuchtserfüllung auf Wohlstand
-- die NSDAP wird die einzige Massenpartei der Opposition
-- sie erfüllt die Sehnsucht nach Ablösung der Republik
durch einen autoritären Staat
-- Details wie Rassismus und rassistische Gesetze werden
angesichts der Hoffnungslosigkeit der Massen immer mehr
egal (S.40)
-- Hitler wird zur zentralen Figur gegen die Demokratie
-- die Unterscheidung zwischen altem und neuem
Nationalismus ist bei der NSDAP verwischt, die
Deutschnationalen geben ihre Restaurationsziele der
Wiedereinsetzung des Kaiserhauses auf und wenden
sich den Parolen des Nationalsozialismus zu, so dass es in
den Denkweisen kaum noch Unterschiede gibt (S.41).
Papens Allianz
Deutsch-Nationale - Jungkonservative
Berliner Jungkonservative propagieren den "neuen Staat",
den das Papen-Regime aus der Taufe heben will.
Dabei wird Papen von den Deutsch-Nationalen getragen und
vollbringt die Allianz zwischen den alten und den neuen
Nationalen (S.41).
1930-1933 / letzte Jahre der Weimarer Republik
Zusätzliche Opposition gegen
die Demokratie durch die Ideen der "Jungnationalen
Rechten"
Die Jungnationalen Rechten beherrschen zum Teil die Szene
(S.15) mit Vorstellungen einer "autoritären Demokratie"
gegen die liberal-demokratische Verfassung (S.16). [Viele
europäische Staaten sind zu diesem Zeitpunkt bereits zu
Diktaturen geworden].
1931
Gründung des Börsenblatts des
deutschen Buchhandels: Rechtes Übergewicht im deutschen
Blätterwald
Das Börsenblatt stellt ein deutliches Übergewicht an
rechtspolitischen Publikationen mit antidemokratischer
Tendenz gegenüber demokratischen oder marxistischen
Veröffentlichungen fest (S.35).
Sprunghaft ansteigende
Wahlerfolge der "völkischen" Rassismus-NSDAP in der
Wirtschaftskrise
Da die Oberschichten auf ihren grossen Vermögen sitzen
bleiben und die Wirtschaft die zweite Inflation innerhalb
10 Jahren zulässt bekommt die NSDAP nun starken Zulauf.
Auch Junge Nationalisten wählen nun NSDAP und steigen auf.
Im Kern bleibt der Nationalsozialismus aber "völkisch"
[rassistisch-darwinistisch, wie in "Mein Kampf"
beschrieben, und alle haben es gewusst... (S.38).
[Viele Leute in Deutschland sehen im Lagerkampf zwischen
NSDAP und Kommunisten (KPD) die NSDAP als Garant für einen
funktionierenden Staat. Die Meldungen aus Russland über
die kommunistischen Zustände im sozialen und geistigen
Bereich mit Zerstörung von Kirchen, Mord an Geistlichen
und Zerstörung familiärer Strukturen und Gulag in Sibirien
etc. sind ein solcher Horror, dass schon allein dadurch
die Menschen zur NSDAP getrieben werden. Auch wegen der
dauernden Inflation wird die NSDAP zur Fluchtburg für
viele, die Ihr Geld in der Inflation "verloren" haben...]
gleichzeitig:
-- Aufkommen von Nationalbolschewisten
-- viele sagen voraus, Links und Rechts würden sich zu
einer gemeinsamen Staatsordnung verschmelzen (S.39).
Mai 1933
Machtübernahme Hitlers
zusammen mit der Harzburger Front
Die neuen Ideen nach 1918 gewinnen die Oberhand und
bestimmen das Geschehen der politischen Rechten. Gemäss
Sontheimer handelt es sich dabei um eine "faszinierende
Mischung von Revolutionär-Zukünftigem und
Revolutionär-Rückschlägigem [...], die das eigentliche
Verhängnis der ganzen Bevölkerung ist." (S.41)
[Der Rassismus-Darwinismus unter Hitler ist für die
Oberschicht in Deutschland kaum relevant, solange Deutsche
in der Rangliste "zuoberst" gewertet werden. Viele
Industrielle meinen, Hitler sei nur eine "Übergangslösung"
und er werde sich nicht lange halten können. Die
Bevölkerung misst Hitler allgemein an der Reduzierung der
Arbeitslosigkeit und ist zufrieden mit Arbeit und Brot,
z.B. durch den Autobahnbau. Hitler verspricht jedem
Deutschen ein "Volksauto", wie es in den "USA" mit dem
Auto "Ford T" der Fall ist. Die Profilierung des
Hitler-Regimes durch die Olympiade 1936 und der
Österreich-Anschluss 1938 lassen die deutsche Bevölkerung
in einen Taumel der Euphorie verfallen, so dass Opposition
immer unmöglicher wird. Und die Deutschen hoffen immer
noch auf ein Auto, das sie im Voraus bereits zum Teil
bezahlt haben...
(In: Eitner: Hitlers Deutsche)
1939-1945
Die
psychische Kompensation im angekündigten Krieg - die
Diktaturen funktionieren
Hitler hatte allen Deutschen ein "Volksauto" versprochen.
Kurz vor der Ausgabe des "Volkswagens" macht Hitler aber
ab 1939 Krieg und benutzt die Hoffnungen der Bevölkerung
für seine "Blitzsiege". Hitler führt seine Kriege mit
wesentlicher Hilfe von aussen, mit dem Ziel des
"Germanenzugs", der schon in Mein Kampf (Zweiter Band
1927) angekündigt worden war. Jeder im Inland wie im
Ausland hat's gewusst. "Amerikanische" Financiers
finanzierten das Dritte Reich und den Kommunismus
gleichzeitig, und am Ende stehen Europa als Trümmerhaufen
und die "USA" mit der Schweiz als grosse Weltmacht da].
ab 1945
Rechtsradikale
heute
Alle rechtsradikalen Ideologien sind der Abklatsch von
antidemokratischen Ideen der Weimarer Zeit [und die
Neo-Faschisten merken es nicht, weil sie keine Bücher
lesen...] (S.11).