Fälscher Guttenberg
Ein Verteidigungsminister
Als Student fälschte er seine Doktorarbeit - dann fälschte er als Doktor auch noch seinen Lebenslauf - und dann fälschte er auch noch Aufsätze im Bundesministerium
Guttenberg, der coole Baron, Stern vom 24.7.2009 [1]. Hochmut kommt vor dem Fall. Guttenberg hat das Sprichwort "Kleider machen Leute" wörtlich genommen bzw. meinte, mit einem Adelstitel "Freiherr" sei er "frei" von der Logik der Wissenschaftlichkeit...
Guttenbergs falsche Doktorarbeit [2] mit 271 gefälschten Seiten (fast 70% der Doktorarbeit). Inzwischen wird die Doktorarbeit nicht mehr verkauft.
Herr Guttenberg sollte einfach eine richtige Doktorarbeit schreiben, und so wird er sich selbst rehabilitieren.
Nachrichten
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21.2.2011: <"Guttenplag" - Plagiate auf 271 Seiten>
aus: Basler Zeitung online; 21.2.2011;
http://bazonline.ch/digital/internet/Guttenplag--Plagiate-auf-271-Seiten/story/14696983
Die Internetseite «Guttenplag-Wiki» legte am Montag einen Zwischenbericht vor, wonach auf 271 Seiten oder fast 70 Prozent der Dissertation mögliche Plagiate zu finden sind.
Eine Auswertung der bereits analysierten Fragmente zeigt den Angaben zufolge, dass 1.115 Zeilen oder 27 Seiten reiner Text «Komplettplagiate aus anderen Quellen» seien. Weitere 1.437 Zeilen oder 35 Seiten reiner Text könnten «verschleierte Plagiate» sein, die nach Angaben der Autoren «keinesfalls durch vergessene Anführungszeichen entstanden» seien.
Auch bei «Foreign Policy» abgekupfert
Hinzu kämen 410 Zeilen sogenannter Übersetzungsplagiate. Insbesondere soll es sich dabei um einen Abschnitt über mehr als sechs Seiten (362-363, 363-364 und weitere) handeln, «der Satz für Satz aus einem Artikel in 'Foreign Policy' übersetzt wurde».
Auf der Internet-Website «Guttenplag-Wiki» sammeln Kritiker Plagiats-Funde und diskutieren ihre Stichhaltigkeit.
(dapd)>
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21.2.2011: <Guttenberg hat auch seinen Lebenslauf geschönt> - Bildung ist im deutschen Adel "weniger wichtig"
aus: Basler Zeitung online; 21.2.2011;
http://bazonline.ch/ausland/europa/Guttenberg-hat-auch-seinen-Lebenslauf-geschoent/story/23284420
<Von David Nauer, Berlin.
Karl-Theodor zu Guttenbergs Lebenslauf verspricht mit «Freier Journalist bei der Welt» ein wenig zu viel: Der 39-jährige Verteidigungsminister war Praktikant bei der «Welt» und schrieb acht kleinere Beiträge.
Karl-Theodor zu Guttenberg ist wegen Plagiatsvorwürfen bei Passagen seiner Doktorarbeit unter Druck geraten; jetzt soll er auch noch bei seinem Werdegang geblufft haben: Auf seiner Website berichtet der Baron von «beruflichen Stationen in Frankfurt und New York». Auch will er als «Freier Journalist bei der Tageszeitung ‹Die Welt›» tätig gewesen sein.
Das sind zumindest Übertreibungen, wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» aufdeckte. Bei den Berufserfahrungen in den USA und Frankfurt handelt es sich um mehrwöchige Studentenpraktika, die Guttenberg in jungen Jahren bei Anwaltskanzleien absolvierte. Auch bei der «Welt» kann nicht von einer regulären Mitarbeit die Rede sein. Guttenberg war im Sommer 2001 als Praktikant auf der Redaktion; insgesamt schrieb er in dieser Zeit acht kleinere Beiträge – nur vier davon alleine.
Bildung im Adel weniger wichtig
Die Abfassung einer Doktorarbeit passt in dieses Bild. Guttenberg, der aus einem reichen bayrischen Adelsgeschlecht stammt, hat als Jurist das sogenannte Erste Staatsexamen abgeschlossen. In Deutschland gilt er damit nur als «halber Jurist», hat etwa keine Berechtigung, als Richter zu arbeiten. Ein Makel, der sich mit dem aufwendigen Zweiten Staatsexamen beheben liesse – oder für das Renommee mit einem Doktortitel.
Die «FAZ am Sonntag» bemerkt dazu, dass Bildung für den Adel nie eine herausragende Rolle gespielt habe. Wichtiger seien Werte wie Haltung, Einsatz, Auftreten und Manieren. Gleichwohl wollte Guttenberg offenbar in der bürgerlichen Leistungsgesellschaft nicht abfallen – und frisierte sich seinen Lebenslauf entsprechend.
Gab es einen Ghostwriter?
Auch unabhängig davon sind die Angriffe auf Deutschlands beliebtesten Politiker schärfer geworden. Auf zwei Dritteln der Seiten von Guttenbergs Doktorarbeit soll abgeschrieben worden sein, meldete am Sonntag die Website «GuttenPlag Wiki». Der «Spiegel» enthüllte zudem, dass der Politiker einen Text fast vollständig übernahm, den in seinem Auftrag der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags verfasst hatte. Die Opposition reagierte prompt scharf: «Es entsteht der Eindruck, dass Teile der Doktorarbeit von Ghostwritern geschrieben wurden», schimpfte Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.
Sollte sich diese Ghostwriter-These bestätigen, dürfte es eng werden für den Minister. Die Wortführer in Medien und Politik würden ihm eine so dreiste Schummelei kaum durchgehen lassen. Die Bevölkerung scheint nachsichtiger zu sein: Nur 28 Prozent der Deutschen halten den Politiker für einen Schwindler, wie eine Umfrage des Springer-Konzerns ergab. 57 Prozent finden die Plagiatsvorwürfe nicht gravierend. (Tages-Anzeiger)>
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22.2.2011: <Plagiatsaffäre: Guttenberg soll Doktortitel zu früh geführt haben>
aus: Welt online; 22.2.2011; http://www.welt.de/politik/deutschland/article12620127/Guttenberg-soll-Doktortitel-zu-frueh-gefuehrt-haben.html<Verteidigungsminister Guttenberg weiter unter Druck: Ihm droht eine Strafanzeige, weil er sich früher als befugt "Dr." genannt haben soll.
Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) muss sich nicht nur den Vorwurf gefallen lassen, Teile seiner Dissertation abgeschrieben zu haben. Nun steht er einem Bericht der „Berliner Zeitung“ zufolge auch unter Verdacht, seinen Doktortitel geführt zu haben, bevor er dazu befugt war.
Der Berliner Chemiker und ehemalige Bundeswehroffizier Markus Kühbacher kündigte eine Strafanzeige gegen ihn wegen Titelmissbrauchs an.
Nach Kühbachers Angaben trat der Politiker im Bundestag bereits ab Mai 2007 als Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg auf, obwohl die Doktorarbeit vom Verlag Duncker und Humblot erst Anfang 2009 gedruckt worden sei.
„Und auch das wahrscheinlich von ihm persönlich verfasste Vorwort zu seiner Dissertation hat Guttenberg erst 2008 geschrieben, aber zu dem Zeitpunkt führte er schon seinen Doktortitel“, sagte Kühbacher.Wie das Blatt weiter meldet, wird die Urkunde über die bestandene Doktorprüfung, deren Aushändigung zum Führen des Titels berechtigt, gemäß Promotionsordnung aber erst nach Abgabe von Pflichtexemplaren der Dissertation ausgestellt.
Unterdessen hat der Verlag, der die von Guttenberg verfasste Promotionsschrift vertreibt, angekündigt, sie solle künftig nicht mehr ausgeliefert und auch nicht neu aufgelegt werden. Der Geschäftsleiter des Berliner Wissenschaftsverlags Duncker & Humblot, Florian Simon, sagte: "In der vorliegenden Form bleibt die Dissertation dauerhaft aus unserem Angebot gestrichen“.
Ob der Verlag Schadenersatzansprüche gegen den Minister geltend machen will, ließ Simon offen. „Vor einer Entscheidung der Universität Bayreuth stellt sich die Frage rechtlicher Schritte für uns nicht“, sagte er der dem Tagesspiegel. Guttenberg soll Texte mehrerer Autoren für seine Promotion verwendet haben, ohne dies ausreichend gekennzeichnet zu haben. Nachdem er die Plagiatsvorwürfe zunächst als „abstrus“ zurückgewiesen hatte, räumte er später „gravierende Fehler“ ein und bat die Universität Bayreuth um die Rücknahme seines Titels. Am Mittwoch soll sich Guttenberg im Bundestag zu den Vorwürfen äußern.>
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22.2.2011: Guttenberg behauptet, er habe den "Überblick über Quellen teilweise verloren"
Nun, wenn jemand den Überblick über seine Quellen verliert, dann sollte er doch eher Taxifahrer werden. Dann mit Quellen umzugehen lernen Studenten doch in den ersten beiden Semestern schon. Fälscher Guttenberg will das scheinbar NICHT gelernt haben.
aus: Spiegel online: Guttenberg-Brief an Uni Bayreuth: "Überblick über Quellen teilweise verloren"; 22.2.2011;
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/0,1518,747141,00.html
<DPA
Guttenberg: "Zu keinem Zeitpunkt vorsätzlich oder absichtlich getäuscht"Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Universität Bayreuth gebeten, seinen Doktorgrad wieder einzuziehen. SPIEGEL ONLINE dokumentiert den Wortlaut des Briefes. Darin schreibt der Verteidigungsminister, nicht mit Absicht geschummelt zu haben.
"Mit diesem Schreiben möchte ich Sie bitten, die Verleihung meines Doktorgrades zurückzunehmen.
In den letzten Tagen habe ich meine Dissertation nochmals selbst gründlich geprüft. Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass mir bei der Erarbeitung gravierende handwerkliche Fehler unterlaufen sind, die ordnungsgemäßem wissenschaftlichen Arbeiten widersprechen. Die Arbeit besitzt nach meiner Überzeugung dennoch ihren eigenen wissenschaftlichen Wert.
Eine Ursache für mein Fehlverhalten ist darin zu sehen, dass ich über einen zu langen Zeitraum, über sieben Jahre hinweg, mit zahlreichen Unterbrechungen an der Arbeit geschrieben und offensichtlich den Überblick über die Verwendung von Quellen teilweise verloren habe. Eine abschließende Stellungnahme kann ich im Moment leider noch nicht abgeben. Aber festhalten will ich doch, dass ich zu keinem Zeitpunkt vorsätzlich oder absichtlich getäuscht habe.
Dieser Schritt ist für mich besonders schmerzhaft, aber er ist eine Konsequenz aus meinen Fehlern. Er ist auch notwendig, um bereits eingetretenen Schaden für den hervorragenden Ruf der Universität Bayreuth, für meinen überaus honorigen Doktorvater und meinen so geschätzten Zweitkorrektor zu begrenzen. Zum anderen verlangt mein Amtsverständnis, dass ich mich mit ungeteilter Aufmerksamkeit den großen Herausforderungen meines Ministeriums annehme.
Aus den genannten Gründen bitte ich die Promotionskommission der Universität Bayreuth, meiner Bitte um Rücknahme der Verleihung meines Doktorgrades zu entsprechen und danke Ihnen sehr für Ihre Bemühungen."
otr/dapd>
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25.2.2011: Auch ein Aufsatz über die Beziehungen Türkei-EU soll fremde Texte enthalten - ohne Fussnoten
aus: Spiegel online: Copy-and-Paste-Minister: Zweite Guttenberg-Arbeit unter Verdacht; 25.2.2011;
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,747423,00.htmlVon Armin Himmelrath
<DPA
Den Doktortitel ist er los, aber die Plagiatejäger lassen nicht locker: Auch in einem 2004 veröffentlichten Aufsatz zur Beziehung zwischen der Türkei und der EU soll Karl-Theodor zu Guttenberg Fremdpassagen übernommen haben, ohne die Urheber zu nennen. Sein Büro wiegelt ab.
Guttenberg, die Zweite: Internetaktivisten, die auf der Plattform GuttenPlag in den vergangenen Tagen schon die Doktorarbeit des Verteidigungsministers seziert und zahlreiche Ungereimtheiten aufgedeckt hatten, nehmen sich jetzt eine zweite Veröffentlichung vor. 2004 hatte der damalige Bundestagsabgeordnete Guttenberg für die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung eine schmale 29-Seiten-Analyse zu den "Beziehungen zwischen der Türkei und der EU" verfasst. Die Veröffentlichung ist in einer Reihe mit politischen Analysen der Stiftung erschienen und steht unter der Signatur 00/ML 9384 G985 auch in der Universitätsbibliothek Bayreuth.
Auch in diesem Bändchen finden sich Passagen, die mit minimalen Änderungen aus anderen Quellen übernommen wurden, etwa mehrere Absätze aus einem Strategiepapier der Europäischen Kommission. Guttenberg benutzt hier immer wieder eingestreute Anführungszeichen und kurze Zitate von Textfragmenten. So entsteht der Eindruck, er fasse in seinem Text eine längere Argumentation der Kommission zusammen, in Wahrheit jedoch hat er nur die Verben in den Konjunktiv umgewandelt, ansonsten aber nahezu wortgleich abgeschrieben.
Neben der EU-Kommission nutzt Guttenberg dabei auch Ideen aus einem Diskussionspapier dreier Unionsbundestagsabgeordneter als Quelle - wiederum, ohne wörtliche Übernahmen zu kennzeichnen.
Frappierende Ähnlichkeit
So heißt es bei Guttenberg etwa auf Seite 14 zu politischen und administrativen Veränderungen in der Türkei:
- "Um die Umsetzung der Reformen zu intensivieren, müssten alle beteiligten Einrichtungen und Personen 'den Geist der Reformen akzeptieren'. Die Verantwortung für die Durchsetzung der reformierten Gesetze in Zusammenhang mit den Grundfreiheiten und der Bestimmungen über Wiederaufnahmeverfahren, für die Einhaltung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und für die Maßnahmen zur Bekämpfung der Folter liege im Wesentlichen bei den Richtern und Staatsanwälten."
Beim Blick ins Strategiepapier der EU-Kommission "Die Erweiterung fortsetzen" vom 5.11.2003 wird klar, dass es sich hier um die Vorlage handelt:
- "Um die Umsetzung der Reformen zu intensivieren, müssen alle beteiligten Einrichtungen und Personen den Geist der Reformen akzeptieren. Die Verantwortung für die Durchsetzung der reformierten Gesetze in Zusammenhang mit den Grundfreiheiten und der Bestimmungen über Wiederaufnahmeverfahren, für die Einhaltung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und für die Maßnahmen zur Bekämpfung der Folter liegt im Wesentlichen bei den Richtern und Staatsanwälten."
Weitere Passagen in der Broschüre wurden nach dem selben Muster übernommen. Ein GuttenPlag-Rechercheur berichtet von einer Übereinstimmungsquote von 47 Prozent zwischen der Hanns-Seidel-Studie und anderen Quellen im Internet. Und eine 19-seitige Analyse mit dem Software-Tool "PlagScan", die SPIEGEL ONLINE vorliegt, zählt 416 plagiatsverdächtige Fundstellen in Guttenbergs Aufsatz auf - darunter allerdings auch etliche, bei denen sich die Übereinstimmung nur auf kurze Halbsätze und Formulierungen bezieht.
Keine wissenschaftliche Arbeit
Auch handelt es sich bei der Türkei-Analyse nicht um eine wissenschaftliche Arbeit, sondern "um einen redaktionellen Text", heißt es in Guttenbergs Abgeordnetenbüro auf Nachfrage. In einer Stellungnahme gegenüber SPIEGEL ONLINE erklärte ein Sprecher: "Bei redaktionellen Texten werden Fußnoten lediglich dann gesetzt, wenn es redaktionelle Zusätze oder ähnliches gibt. So ist es hier geschehen." Im Übrigen seien alle Quellen im angehängten Literaturverzeichnis angegeben.
Außerdem, so die Erklärung weiter, könne es sich nicht um ein Plagiat handeln, denn bei den auffälligen Textstellen gehe es "um Fundstellen aus frei verfügbaren Texten der Europäischen Kommission bzw. des Rates. Es sind vorwiegend Zwischenberichte oder Mitteilungen der Europäischen Kommission bzw. Beschlüsse des Rates. Es ist davon auszugehen, dass diese als amtliche Werke (...) nicht dem Urheberschutz unterliegen. Von einem Plagiat kann daher auch aus diesem Grund keine Rede sein."
Juristisch vielleicht nicht - ein Geschmäckle hat der Vorgang dennoch.>
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26.2.2011: Guttenberg hat vorsätzlich gefälscht
aus: Spiegel online: Abgeschrieben: Top-Juristen unterstellen Guttenberg Vorsatz; 26.2.2011;
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,747864,00.html
<dapdVerteidigungsminister Guttenberg: "Gravierende handwerkliche Fehler" eingeräumt
Er selbst spricht von "gravierenden handwerklichen Fehlern", doch das nehmen ihm renommierte Rechtsexperten nicht ab. Im SPIEGEL werfen Spitzenjuristen Verteidigungsminister Guttenberg vor, bei seiner Doktorarbeit Passagen vorsätzlich kopiert zu haben.
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Hamburg/Berlin - Es sind harte Vorwürfe: Mehrere namhafte Juristen sehen die Beweise als erdrückend an, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei der Erstellung seiner Doktorarbeit aus nicht kenntlich gemachten fremden Texten mit Vorsatz gehandelt hat. "Ich würde einem Kandidaten nicht glauben, der in so einem Fall behauptet, dass es bloße Fahrlässigkeit war", sagte der Kölner Strafrechtsprofessor Thomas Weigend dem SPIEGEL.
Der auf Streitereien um Examensarbeiten spezialisierte Rechtsanwalt Michael Hofferbert urteilte: "Kein Richter wird einem Kandidaten glauben, der über hundert Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt und hinterher behauptet, er habe dies versehentlich getan." Der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer sagte: Selbst wenn der faktische Beweis nicht vorliege, seien "Juristen gut darin geübt, den Vorsatz aus den äußeren Umständen einer Tat zu schließen".Guttenberg hat sich bisher stets gegen den Vorwurf des Vorsatzes verwahrt und lediglich "gravierende handwerkliche Fehler" eingeräumt. Er betont stets, nicht wissentlich getäuscht zu haben, sondern bei der Vielzahl der Quellen etwas den Überblick verloren zu haben.
Selbst Vertraute melden indes vorsichtige Zweifel an dieser Erklärung an. Der frühere Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) sagte im Interview mit SPIEGEL ONLINE: "Diese Erklärung ist für mich schwer nachvollziehbar." Und schon gibt es einen neuen Verdachtsfall: Auch in einem 2004 veröffentlichten Aufsatz zur Beziehung zwischen der Türkei und der EU soll Guttenberg Fremdpassagen übernommen haben, ohne die Urheber zu nennen. Sein Büro weist die Vorwürfe zurück.
Das Image nimmt Schaden
Seit Tagen mehren sich die kritischen Stimmen aus der Wissenschaft an Guttenbergs Verhalten. Die Universität Bayreuth hatte ihm am Mittwoch seinen Doktortitel aberkannt. Auf bis zu 270 Seiten sollen fremde Quellen nicht als solche oder nur unzureichend gekennzeichnet worden sein. Das bislang makellose Image des Verteidigungsministers leidet zusehends unter der Affäre. Der 39-Jährige bleibt im jüngsten ZDF-"Politbarometer" zwar beliebtester Politiker in Deutschland. Nachdem er seinen Doktortitel verloren hat, führt er aber nur noch mit hauchdünnem Vorsprung vor Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Die Opposition verlangt weiter den Rücktritt des CSU-Politikers. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sagte der "Südwest Presse": "Er wird als Minister nicht zu halten sein." Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Merkel Verantwortungslosigkeit vor, weil sie Guttenberg im Amt lässt. "Ein erfolgreicher Hochstapler hat keine Nachsicht verdient", sagte er der "Passauer Neuen Presse".
Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften, Jörg Hacker, wirft Guttenberg in der Plagiatsaffäre eine schlechte Vorbildrolle vor. "Unredliches Vorgehen bei der Abfassung wissenschaftlicher Arbeiten stellt eine Handlung dar, die den Respekt vor der Wissenschaft und ihren elementaren Prinzipien vermissen lässt", sagte der Biologe der Nachrichtenagentur dpa.Der Deutsche Hochschulverband zeigt sich entsetzt über die verharmlosenden Kommentare vieler Spitzenpolitiker zur Doktorarbeit des Verteidigungsministers. "Die Marginalisierung schwersten wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch höchste Repräsentanten unseres Staates ist empörend", erklärte Verbandspräsident Bernhard Kempen am Freitag. Dies sei respektlos. "Wissenschaft ist kein Sandkasten, sondern ein elementar wichtiger Teil unserer Gesellschaft."
Formelle Ermittlungen gibt es in der Sache noch nicht. Zunächst werde die Überprüfung der Vorwürfe durch die Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft der Universität Bayreuth abgewartet, erklärte Oberstaatsanwalt Reiner Laib. "Wenn das Ergebnis vorliegt, wird die Staatsanwaltschaft Hof prüfen, ob sich hieraus Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten ergeben", betonte Laib. Es wurde Strafanzeige wegen möglicher Verstöße gegen das Urheberrecht erstattet.>
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26.2.2011: <Copy-and-Paste-Affäre: Spitzenforscher stellen Guttenberg an den Pranger>
aus: Spiegel online; 26.2.2011; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,747880,00.html
<Wut, Empörung, Fassungslosigkeit: In der Plagiatsaffäre um Verteidigungsminister Guttenberg melden sich immer mehr Wissenschaftler zu Wort - und rügen das Verhalten des CSU-Politikers. Für die akademische Welt sei er erledigt, sagt ein Spitzenforscher im SPIEGEL.
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Hamburg - Der Ärger unter Wissenschaftlern wächst: Ernst-Ludwig Winnacker, Spitzenrepräsentant der deutschen Forschung und früherer Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), warnt davor, die Plagiatsaffäre um die Dissertation von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu verharmlosen. Man dürfe nicht mit zweierlei Maß messen, sagte Winnacker dem SPIEGEL.
Eine Verkäuferin, die einen Bienenstich-Kuchen mitgehen lassen, werde entlassen, im Fall Guttenberg aber werde mit der individuellen Leistung und Ausstrahlung abgewogen. "Ich bin überrascht, dass eine solche Abwägung bei einer Kardinaltugend wie der Ehrlichkeit in einem so eindeutigen Fall stattfindet", sagte Winnacker. "Das ist für mich nicht verständlich."In der Wissenschaft ist Guttenbergs Schicksal Winnacker zufolge besiegelt: "Wir Forscher können niemanden einsperren, das kann nur ein Richter", sagte er, "aber die Strafe der Wissenschaft ist, dass man für immer am Pranger steht." Die Konsequenzen in der akademischen Welt wären eindeutig: "Leute, die so etwas machen, sind in der Wissenschaft erledigt."
Zu Rücktrittsforderungen wolle er sich nicht äußern, sagte Winnacker, aber der Minister solle persönlich überlegen, "ob er sich noch vor seine Soldaten oder vor die Studenten der Bundeswehrhochschulen stellen und von Tugenden sprechen kann". Der Biochemiker und Genforscher Winnacker war von 1998 bis Ende 2006 DFG-Präsident, dann leitete er den Europäischen Forschungsrat ERC. Seit 2009 ist er Generalsekretär der International Human Frontier Science Organization.
"Wir sind einem Betrüger aufgesessen"
Auch der Nachfolger des Doktorvaters von Guttenberg übt scharfe Kritik: "Der Minister leidet unter Realitätsverlust", sagte der Bayreuther Staatsrechtsprofessor Oliver Lepsius der "Süddeutschen Zeitung". "Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat." Der Verteidigungsminister habe "planmäßig und systematisch" wissenschaftliche Quellen zum Plagiat zusammengetragen und behaupte nicht zu wissen, was er tue. "Hier liegt die politische Dimension des Skandals." Lepsius ist Nachfolger von Guttenbergs inzwischen emeritiertem Doktorvater Peter Häberle.
Seit Tagen mehren sich die kritischen Stimmen aus der Wissenschaft an Guttenbergs Verhalten. Die Universität Bayreuth hatte ihm am Mittwoch seinen Doktortitel aberkannt. Auf bis zu 270 Seiten sollen fremde Quellen nicht als solche oder nur unzureichend gekennzeichnet worden sein. Das bislang makellose Image des Verteidigungsministers leidet zusehends unter der Affäre. Der 39-Jährige bleibt im jüngsten ZDF-"Politbarometer" zwar beliebtester Politiker in Deutschland. Nachdem er seinen Doktortitel verloren hat, führt er aber nur noch mit hauchdünnem Vorsprung vor Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
Entsetzen über Verharmlosung
Der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften, Jörg Hacker, wirft Guttenberg vor, ein schlechtes Vorbild zu sein. "Unredliches Vorgehen bei der Abfassung wissenschaftlicher Arbeiten stellt eine Handlung dar, die den Respekt vor der Wissenschaft und ihren elementaren Prinzipien vermissen lässt", sagte der Biologe.
Der Deutsche Hochschulverband zeigt sich entsetzt über die verharmlosenden Kommentare vieler Spitzenpolitiker zur Doktorarbeit des Verteidigungsministers. "Die Marginalisierung schwersten wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch höchste Repräsentanten unseres Staates ist empörend", erklärte Verbandspräsident Bernhard Kempen am Freitag. Dies sei respektlos. "Wissenschaft ist kein Sandkasten, sondern ein elementar wichtiger Teil unserer Gesellschaft."
Top-Juristen sehen Beweise für Vorsatz
Guttenberg hat sich bisher gegen den Vorwurf des Vorsatzes verwahrt und lediglich "gravierende handwerkliche Fehler" eingeräumt. Er betont stets, nicht wissentlich getäuscht zu haben, sondern bei der Vielzahl der Quellen etwas den Überblick verloren zu haben.
Mehrere namhafte Juristen sehen die Beweise allerdings als erdrückend an, dass der Verteidigungsminister mit Vorsatz gehandelt hat. "Ich würde einem Kandidaten nicht glauben, der in so einem Fall behauptet, dass es bloße Fahrlässigkeit war", sagte der Kölner Strafrechtsprofessor Thomas Weigend dem SPIEGEL.Der auf Streitereien um Examensarbeiten spezialisierte Rechtsanwalt Michael Hofferbert urteilte: "Kein Richter wird einem Kandidaten glauben, der über hundert Seiten seiner Doktorarbeit abschreibt und hinterher behauptet, er habe dies versehentlich getan." Der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer sagte: Selbst wenn der faktische Beweis nicht vorliege, seien "Juristen gut darin geübt, den Vorsatz aus den äußeren Umständen einer Tat zu schließen".
Selbst Vertraute melden indes vorsichtige Zweifel an dieser Erklärung an. Der frühere Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) sagte im Interview mit SPIEGEL ONLINE: "Diese Erklärung ist für mich schwer nachvollziehbar." Und schon gibt es einen neuen Verdachtsfall: Auch in einem 2004 veröffentlichten Aufsatz zur Beziehung zwischen der Türkei und der EU soll Guttenberg Fremdpassagen übernommen haben, ohne die Urheber zu nennen. Sein Büro weist die Vorwürfe zurück.
cte/dpa>
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26.2.2011: "Freiherr" zu Guttenberg hat jegliche bürgerlichen Anstandsregeln verletzt
aus: Welt online: Guttenbergs Bruch mit bürgerlichen Anstandsregeln; 26.2.2011;
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article12649211/Guttenbergs-Bruch-mit-buergerlichen-Anstandsregeln.html
<Die Causa Guttenberg wird so heftig diskutiert, weil es um Ehre und die Gunst des Volkes geht. Die verbreitete Eliten-Skepsis hilft dem Minister.
Eine der gebräuchlichsten Floskeln zur Causa Guttenberg lautet: Haben wir denn keine anderen Probleme? Alle Umstehenden nicken einsichtig. Um gleich darauf über nichts anderes zu reden. Mag sich die Weltordnung auf der anderen Seite des Mittelmeers neu zeigen, mag der Euro schwanken – über Karl-Theodor zu Guttenberg wird im Fernsehen, im Internet, in Kneipen und Vorstandsrunden verbissen weiterdiskutiert. Es geht eben nicht nur um eine Kopier-Affäre, sondern um viel Grundsätzliches. Wie bei der hochkomplexen Handlung von "Inception“, einem der Oscar-Favoriten, dreht sich die Diskussion auf vielen Ebenen, in unterschiedlichen, oft widersprüchlichen Realitäten.
Am Dissertations-Desaster entlang werden große Fragen und Werte unserer Zeit geprüft: Ehre, Gewissen und Verantwortung, Schuld, Sühne, Verzeihen, und mithin die Frage, auf welche Normen sich eine Gesellschaft noch verständigen kann: Was ist Jugendsünde, was Betrug? Wie ernst nehmen wir die Wissenschaft und ihr Regelwerk, wie ernst nimmt sie sich selbst? Welche demokratische Relevanz messen wir Spontan-Umfragen, Spontan-Studien, Spontan-Pressekonferenzen bei? Welche Eitelkeit, welche Titel-Hörigkeit herrscht in Deutschland? Was sagt das beredte Schweigen beider Bundeswehr-Universitäten? Wie viel Ernst, wie viel Sissi birgt die Geschichte?
Und dann die Machtfragen: Hat die Kanzlerin sich an den Verteidigungsminister verkauft oder er sich an sie? Wie loyal kann Seehofer plötzlich sein, selbst Söder? Wann kommt der Tag der Rückzahlung? Wie sehr leidet die tapfere Ehefrau, was bebt zwischen Bayreuth und Kulmbach, wie mag es im Innersten der rufbewussten Adelsfamilie donnern? Und, am spannendsten: Wieso profitiert ausgerechnet derjenige, der im Zentrum all dieser Debatten keine ganz so gute Figur machte, wieso profitiert dieser Mann ganz offenbar jedes Mal, wenn nur sein Name fällt oder sein Bild zu sehen ist? Sicher ist: Westerwelle, Ödzemir, Gabriel, Lötzsch hätten das nicht überlebt.
Der Adlige bedient eine diffuse Sehnsucht nach dem Gestern
Eines ist mittlerweile klar: Die Zahl der Guttenberg-Feinde ist in den vergangenen zwei Wochen kaum gewachsen; das zustimmende Tosen seiner Fans dafür umso gewaltiger. Daraus wiederum erwächst die nächste große Frage: Wie kann ein Mann, der den Nachweis seiner Großartigkeit als Typ, nicht aber als Handlungspolitiker erbracht hat, derart populär, gleichsam heiligenartig verehrt werden? Was bedeutet dieser in der bundesrepublikanischen Geschichte einzigartige Aufstieg und Nicht-Fall für Mehrheitsbildung und politisches Personal der Zukunft? Ist zu Guttenberg ein bizarrer Einzelfall, Vorbote ganz neuer demokratischer Prozesse oder Beleg für regressive vordemokratische Tendenzen?
Der Adelige, der sich in die Niederungen des Politischen begab, bedient zweifellos eine diffuse Sehnsucht nach dem Gestern. Vor ein, zwei Generationen war der Sciene-Fiction-Roman groß in Mode. Heute boomt die Nostalgie, ob Jugend-Klamotte aus den Achtzigern, Furtwängler-Flucht oder Apfelsorten von Oma. Damals gab es zwar mehr Elend, aber auch Aussicht auf eine bessere Zukunft. Und heute? Nichts als Unsicherheit bei Job, Rente, Kindern, Lebensversicherung. Überall Skepsis, Angst, Depression. Karl-Theodor zu Guttenberg dagegen verspricht ein märchenhaftes Früher, das Zutrauen schafft, Übersichtlichkeit und seelische Entlastung.
Endlich kann bei der Union auch mal einer Pop
Zudem illustriert „KTG“ einen schleichenden Wandel des Konservativen: Wie das Grüne so ist auch die Popkultur mit der üblichen Verspätung angekommen. Bis heute leiden CDU/CSU an Gerhard Schröder, Joschka Fischer und deren Inszenierungsstärke. Endlich ist auch bei der Union mal einer, der Pop kann, nicht nur Laptop und Lederhose, sondern auch Bayreuth und AC/DC, Opel und Charity. Und der eben nicht so gleitglatt ist wie die frühgealterten Herren von der Jungen Union, sondern Draufgänger, Schlitzohr, Blitzentscheider und, na gut, eben auch ein Abschreiber.
Gerade dieser Bruch mit den Anstandsregeln des Großbürgerlichen hebt zu Guttenberg aus der Menge der Überangepassten, die spätestens ab der 3. Klasse Unternehmensberater werden wollen. Franz-Josef Strauß oder Schröder/Fischer profitierten von der Vorliebe des Volkes für Regelbrüche, solange es die richtigen waren. Auch damals quietschte die jeweilige Gegenseite vor Wut und oftmals zu Recht ob der Kühnheit, Gerissenheit auch noch öffentlich lächelnd auszuleben.
Paradox, aber wahr: Je wüster die Angriffe werden, ob Steineschmeißer, Ehebrecher oder Korruption, desto größer erscheint diese Sorte Politiker. Denn zugleich solidarisieren sich die Anhänger, getrieben von der kollektiven Angst: „Die anderen wollen unseren Mann kaputt machen.“ Kein Thema kann Menschen so emotionalisieren wie das gute alte „die oder wir“.
Von einer Kopisten-Affäre zur nationalen Machtprobe
Auch das neue große Berlin spielt da übrigens eine Rolle. Das Wort „Hauptstadt-Journalisten“ klingt bei zu Guttenberg wie „Geier-Bande“ oder „Intriganten-Schweine“. Mit dieser Sicht weiß er sich im Bunde mit fast 79 Millionen Deutschen, die nicht in der Hauptstadt wohnen, zwar gern mal vorbeischauen, aber ansonsten eine klare Vorstellung vom hiesigen Betrieb haben: champagner-getriebene Hinterlist und überall Kungelei. Sich als Ober-Elitärer die verbreitete Eliten-Skepsis zunutze zu machen, das schafft keiner so wie der Freiherr.
Argumente, Fakten, selbst Gesetzesverstöße verlieren in dieser Gemengelage auf wundersame Art an Kraft. Und sogar die Medien. Bei aller Macht von „Bild“ – aber zu Guttenberg hätte womöglich gar ohne die Schützenhilfe der großen Zeitung überlebt. Denn der Pro-KTG-Kurs motivierte andere Blätter und Sender wiederum, den Minister unbedingt entzaubern zu wollen.
Es gehört übrigens zu den Geheimnissen der Medienwelt, warum ausgerechnet die Internet-Enthüller von Wikiplag.de dabei in den Rang quasi-amtlicher Ermittler gehoben wurden. Bei allem Respekt vor digitalen Zufallsgemeinschaften; aber viel zu wenig wurde geprüft, ob die Hilfssheriffs eher von wissenschaftlicher Objektivität, Jagdfieber oder Zerstörungslust getrieben waren. Bis zur „Aktuellen Stunde“ am Mittwoch war der Fall von einer Kopisten-Affäre zur nationalen Machtprobe geworden: in der Politik, in den Medien, im Volk.
Machtverlust klassischer Medien
Und wie 2010 die Schlacht um Sarrazin illustriert auch die Guttenberg-Mania, dass postmoderne Demokratien ihren Begriff von Öffentlichkeit justieren müssen. „Bild, BamS und Glotze“ mochten zu Schröders Zeiten die Kraft zum Agenda-Setting und Karriere-Ending haben. Nicht zuletzt die Sturheit des Duisburger Oberbürgermeisters Sauerland, der sich wochenlangen Rücktrittsforderungen widersetzte, illustriert jedoch, dass die klassischen Medien zwar Stimmungen verstärken mögen, aber nicht mehr das Monopol des Richtens haben.
Wikiplag.de hatte allemal mehr Macht als jeder noch so schlaue Leitartikel. Und die Flut von Leserbriefen und Mails pro Guttenberg wiederum mehr Kraft als Schlagzeilen.
Wie schon bei Sarrazin waren Emotionalität und Irrationalität die Kennzeichen einer neuartigen Debattenwucht, die dringend nach fundierter wissenschaftlicher Analyse ruft. Weil so vieles neu und anders ist, macht Abschreiben übrigens keinen Sinn.>
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Berlin 26.2.2011: Demonstration gegen den Fälscher-Minister Guttenberg
aus: Spiegel online: Demo gegen Verteidigungsminister: Mit dem Schuh gegen Guttenberg; 26.2.2011;
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,747945,00.html
<Demo gegen Guttenberg in Berlin: "Abtreten, Herr Minister".
In Berlin haben mehrere hundert Menschen wegen der Plagiatsaffäre gegen Karl-Theodor zu Guttenberg protestiert. Mit Lügennasen verkleidet und Schuhen in der Hand zogen sie vor das Verteidigungsministerium und forderten den Rücktritt des Ministers.
Aus Datenschutzgründen wird Ihre IP-Adresse nur dann gespeichert, wenn Sie angemeldeter und eingeloggter Facebook-Nutzer sind. Wenn Sie mehr zum Thema Datenschutz wissen wollen, klicken Sie auf das i.Berlin - Es ist eine skurrile Szene: Rund 400 Demonstranten kommen auf Berlins Potsdamer Platz zusammen - als Erkennungszeichen halten sie einen alten Schuh in die Luft, ein orientalisches Zeichen der Verachtung. Viele von ihnen tragen selbstgebastelte Lügennasen aus Gips, auf ihren Plakaten steht "Betrug ist keine Fußnote" und "Keine Macht dem Diebstahl".
Im Hintergrund schallen Techno-Beats aus einem Lautsprecher auf Rollen. Die "Hedonistische Internationale", eine Art Spaß-Aktionsbündnis, hat sich entschlossen, die Demo mit Musik zu unterstützen.Es hat etwas von Karneval, diese Szene mit den Lügennasen, den Schuhen und der Techno-Musik. Aber den Demonstranten am Potsdamer Platz ist nicht nach Spaß zumute. Sie sind empört, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg immer noch im Amt ist, dass seine Beliebtheitswerte immer noch so hoch sind - und jede Kritik anscheinend an ihm abperlt.
Mitten in der Menge steht Michael Hoather, 45, und ruft aufgeregt in sein Megaphon. "Wir wollen nicht von Betrügern regiert werden, Guttenberg muss weg!"
"Vor allem ärgert mich, dass wir als Steuerzahler einem gut bezahlten Bundestagsabgeordneten die Doktorarbeit finanziert haben", sagt Hoather. Guttenberg habe damals schon ein großzügiges Gehalt ausgezahlt bekommen. Dass er dann noch den Wissenschaftlichen Dienst für seine Zwecke verwendet habe, findet Hoather unverzeihlich.
Dann setzt sich der Pulk am Potsdamer Platz in Bewegung. "Hopp-Hopp, Doktorspiele stopp", ruft die Gruppe und hält ihre Schuhe im Rhythmus des Chors gen Himmel. Einige von ihnen tragen Schilder mit der Aufschrift "Berlus-Gutti" und warnen vor "italienischen Verhältnissen". "Politiker mit Medien auf ihrer Seite können sich anscheinend alles erlauben", sagt ein Mann in Anspielung auf den italienischen Ministerpräsidenten Berlusconi, der in Italien großen Einfluss auf die Medien ausübt. Warum die "Bild"-Zeitung sich so vehement hinter Guttenberg stellt, könne er nicht verstehen.Angemeldet hatte die Demonstration der Berliner Hans Hübner, 42. Die Idee dazu kam ihm am Frühstückstisch. Da es bislang noch keine Demonstration gegen Guttenberg gegeben habe, entschied er sich der Sache anzunehmen. "Es ist für die Gesellschaft fatal, wenn nur noch nach Opportunismus entschieden wird", sagt Hübner im Hinblick die Kanzlerin, die sich hinter Guttenberg gestellt hat. Dabei sei es ihm egal, ob der Fall justiziabel sei, es sei jedoch ein fatales Signal, wenn jemand betrügt und damit durchkommt. "Ich stelle die charakterliche Eignung des Ministers in Frage, wie soll jemand, der lügt und betrügt, die Verantwortung für Menschenleben übernehmen?", sagt Hübner.
Eine Stunde später kommt der Zug am Verteidigungsministerium an. Am Zaun des Geländes führen die Guttenberg-Gegner ihre mitgebrachten Schuhe ihrer letzten Bestimmung zu, stecken sie auf dessen Spitzen. Auf einer Länge von 20 Metern dekorieren sie den Ministeriumszaun und hinterlassen so ihre Botschaft: "Abtreten, Herr Minister.">
Details zur Demonstration
aus: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article12649211/Guttenbergs-Bruch-mit-buergerlichen-Anstandsregeln.html
<In Berlin gehen Hunderte Menschen gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf die Straße – darunter dieser Mann mit einem Schild, auf dem "citation needed" (Zitat benötigt) steht. Die Demonstranten fordern den Rücktritt des Ministers nach dem Skandal um Plagiate in seiner Doktorarbeit. Diese Teilnehmer haben ein besonders polemisches Plakat dabei [mit der Aufschrift: "Doktortitel am Hindukusch verteidigen"]. Ein weiterer Teilnehmer der Demonstration findet Guttenbergs Verhalten nur noch "abstrus". Die Gegner des Verteidigungsministers hängen Schuhe auf den Zaun am Verteidigungsministerium. Auch ihre zentrale Botschaft hinterlassen sie dort [Plakat mit der Aufschrift: "Jede Demokratie hat jemanden, der so dreist lügt."] : Guttenberg muss als Bundesminister zurücktreten [und die Schuhe am Zaun sind wohl als Symbol gedacht für einen Tritt in den Arsch].>
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28.2.2011: Doktorvater Peter Häberle distanziert sich von Fälscher Guttenberg - Staatsanwalt Hof prüft Vorwürfe - der Zukunftsrat appelliert an Rücktritt - Merkel will "Missachtung der Wissenschaft" verniedlichen - Merkel verhöhnt alle Doktoranden
aus: n-tv online: Politik: Merkel und Minister unter Druck: Guttenbergs Doktorvater empört; 28.2.2011;
<Das letzte Wort in der Plagiatsaffäre um Verteidigungsminister Guttenberg ist noch lange nicht gesprochen. Auch wenn der angeschlagene Minister und Kanzlerin Merkel den "Vorfall" am liebsten vergessen würden, rührt sich immer mehr Widerstand gegen den CSU-Politiker. Eine Initiative von Wissenschaftlern ist erschüttert über den Umgang mit den Vorwürfen, und auch Guttenbergs Doktorvater distanziert sich von seinem ehemaligen Schützling.
http://www.n-tv.de/politik/Guttenbergs-Doktorvater-empoert-article2725796.html
Noch lange ist die Plagiats-Affäre für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nicht ausgestanden – auch wenn er das gerne hätte. Auch Kanzlerin Merkel gerät angesichts ihres Umgangs mit dem Kabinettsmitglied zunehmend unter Druck.
Nach tagelangem Schweigen ist nun auch Guttenbergs Doktorvater, der Bayreuther Jura-Professor Peter Häberle, auf Distanz zu seinem ehemaligen Studenten gegangen. Der inzwischen emeritierte Peter Häberle erklärte nach Angaben der Zeitung "Die Welt", die Umstände der von ihm betreuten Promotion Guttenbergs seien geeignet, "den Ruf der Universität Bayreuth in der öffentlichen Diskussion in Misskredit zu bringen". Die Mängel in der Dissertation seien "schwerwiegend und nicht akzeptabel". "Sie widersprechen dem, was ich als gute wissenschaftliche Praxis seit Jahrzehnten vorzuleben und auch gegenüber meinen Doktoranden zu vermitteln bemüht war".
Am Tag nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte der 76-jährige Häberle dem Bericht zufolge noch gesagt: "Die Arbeit ist kein Plagiat." Nun spricht er laut "Welt" von einer "ersten spontanen und letztlich zu vorschnellen Reaktion".
Bei der Berliner Staatsanwaltschaft gingen inzwischen acht Anzeigen wegen möglicher Untreue und Verletzungen des Urheberrechts gegen Guttenberg ein. Auch die Staatsanwaltschaft Hof prüft Vorwürfe.
Zukunftsrat appelliert an Guttenberg
Inzwischen hat sich auch der "Frankfurter Zukunftsrat" für einen Rücktritt des Verteidigungsministers ausgesprochen. Nach der Affäre müsse Guttenberg sich fragen, ob er den Bürgern Werte noch glaubwürdig vermitteln könne, sagte der Vorsitzende des Rates, Manfred Pohl, der "Frankfurter Rundschau". Problematisch sei auch "die Verquickung von Universitätssponsoring und gleichzeitiger Inanspruchnahme wissenschaftlicher Vergünstigungen".
Der Zukunftsrat versteht sich als eine Art Thinktank zu gesellschaftlichen Grundsatzfragen. Zu den Mitgliedern zählen die früheren Spitzenpolitiker Friedrich Merz (CDU), Wolfgang Clement (früher SPD) sowie die Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro.
Rückhalt für Guttenberg zerfällt langsam
Während der Rückhalt für den angeschlagenen Minister auch in den eigenen Reihen immer mehr bröckelt, hält Bundeskanzlerin Merkel weiter zu ihm. "Der Bundesverteidigungsminister genießt das Vertrauen und die Unterstützung der Bundeskanzlerin. Daran hat sich nichts geändert in den letzten Tagen.", ließ sie ihren Sprecher Steffen Seibert ausrichten.
Sie signalisierte auch Verständnis für die Kritik an dem Verteidigungsminister. Sie könne durchaus verstehen, dass die Plagiatsaffäre um Guttenbergs Doktorarbeit für Erregung, Empörung und verletzte Gefühle gesorgt habe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Sie teile aber nicht die Schlussfolgerung, dass es sich dabei um eine Missachtung der Wissenschaft gehandelt habe. Die Bundeskanzlerin habe großen Respekt vor den Wissenschaftlern und ihren Leistungen.
Auf den Vorwurf, Guttenberg habe bewusst bei der Anfertigung seiner Doktorarbeit betrogen, sagte Seibert: "Die Frage des Betrugs ist eine Frage des Vorsatzes. Diesen Vorsatz hat der Bundesverteidigungsminister verneint. Die Kanzlerin glaubt ihm."
Tausende Wissenschaftler sind empört
Eine von Doktoranden gestartete Initiative hatte zuvor einen gegen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gerichteten offenen Brief mit rund 23.000 Unterschriften im Bundeskanzleramt in Berlin abgegeben. Wie Hannes Klöpper, einer der Initiatoren, sagte, umfassten die in der Poststelle des Kanzleramts abgegebenen ausgedruckten Listen der Internet-Initiative 577 Seiten. In der kurzen Zeit nach der Abgabe sei die Zahl der Unterstützer bereits weiter auf über 30.000 gestiegen, etwa die Hälfte seien Promovierte und Doktoranden. Klöpper sagte, die Initiative werde noch weiter gehen und ihre Listen erneut im Kanzleramt abgeben.
Vor dem Verteidigungsministerium in Berlin demonstrieren zahlreiche Menschen für den Rücktritt Guttenbergs.
In dem an Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichteten Brief heißt es, die Unterzeichner verfolgten "mit großer Erschütterung und noch größerem Unverständnis" die Debatte um Guttenberg. "Wir haben den Eindruck, dass Sie mit aller Macht versuchen, einen Minister zu halten, der trotz massiver Gegenbeweise immer noch die Behauptung aufrecht erhält, er habe in seiner Doktorarbeit nicht bewusst getäuscht."Dass Merkel zur Entlastung Guttenbergs gesagt hat, sie habe ihn als Verteidigungsminister und nicht als wissenschaftlichen Assistenten eingestellt, sei "eine Verhöhnung aller wissenschaftlichen Hilfskräfte sowie aller Doktorandinnen und Doktoranden, die auf ehrliche Art und Weise versuchen, ihren Teil zum wissenschaftlichen Fortschritt beizutragen", heißt es in dem Brief weiter.
Schavan schämt sich
Bundesforschungsministerin Annette Schavan von der CDU äußerte Verständnis für den Unmut, den die Plagiats-Affäre unter Wissenschaftlern ausgelöst hat. Sie sagte der "Süddeutschen Zeitung", dass sie den Entzug des Doktortitels durch die Universität Bayreuth für richtig und den ganzen Vorgang nicht für eine Lappalie halte. "Raubkopien sind kein Kavaliersdelikt. Und der Schutz geistigen Eigentums ist ein hohes Gut", sagte die Ministerin.
"Ich schäme mich nicht nur heimlich": Forschungsministerin Annette Schavan.
Schavan räumte ein, dass sie sich als Wissenschaftlerin, die vor 30 Jahren selbst promoviert habe, "nicht nur heimlich schäme" für das, was da passiert sei. Zugleich aber betonte sie, dass für Guttenberg das Gleiche wie für jeden Menschen gelte und er deshalb eine zweite Chance verdient habe.Wehrreform in Gefahr?
"Ich habe mir nicht vorstellen können, dass der Umbau der Bundeswehr unter so unsicheren Aussichten angefasst wird", sagte der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Er empfinde diese Situation als "außerordentlich belastend". "Wir haben hier eine sehr hartnäckige Diskussion um den Mann an der Spitze, und das wird der Sache nicht gerecht."
"Der Minister steht in einer Bewährungsprobe, aber auch seine Reformansätze müssen sich bewähren", sagte Kirsch. "Diese Reform hängt mit dem Namen Guttenberg eng zusammen." Der Verbandschef sagte, "dass in den Streitkräften eine hohe Verunsicherung da ist, was die Frage angeht, wie geht es mit uns weiter". Die Position der Bundeswehr sei "außerordentlich schwierig, weil sich die gesamte Diskussion um die Bundeswehr auf den Verteidigungsminister konzentriert".
Kirsch fügte hinzu, das Bundeskanzleramt vermisse in den vom Verteidigungsminister vorgelegten Eckpunkten zu Recht eine sicherheitspolitische Herleitung der Reform. Auch die Diskussion um den Finanzbedarf der Bundeswehr sei von Seiten des Ministers "dumm gelaufen", sagte Kirsch. Es sei dringend erforderlich, dass der Verteidigungsminister zur Sacharbeit übergehe. "Der angekratzte Minister muss sich um die Menschen in der Streitkräften kümmern, weil die sonst nicht mitgehen", forderte Kirsch.
Zu möglichen Rücktrittsforderungen gegen Guttenberg sagte Kirsch in der ARD, den Soldaten im Einsatz gehe die Rücktritts-Debatte über den Minister "hinten quer vorbei", bei den Bundeswehr-Angehörigen in Deutschland sehe es anders aus. So verwiesen Studenten an Bundeswehr-Hochschulen darauf, dass ihnen in einem vergleichbaren Fall ein Disziplinarverfahren drohe. Wenn es bei den jetzt bekannt gewordenen Vorwürfen bleibe, sei Guttenberg jedoch weiter tragbar.
Zwei Wochen bis zum Rücktritt?
Guttenbergs Doktorvater spricht von einer Gefahr für den Ruf der Universität Bayreuth.
Auch sonst ist die Plagiatsaffäre für Guttenberg keineswegs ausgestanden. Der forschungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Martin Neumann, gab Guttenberg noch "eine, maximal zwei Wochen Zeit", um die Plagiats- und Täuschungsvorwürfe gegen ihn auszuräumen. "Wenn er die Umstände seiner Promotion weiter so im Unklaren lässt, halte ich ihn als Minister und obersten Dienstherren von zwei Bundeswehruniversitäten nicht mehr für tragbar", sagte er der "Financial Times Deutschland". Er äußerte "große Zweifel an Guttenbergs Erklärung, er habe lediglich den Überblick über seine Quellen verloren".Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der sich ebenfalls bereits kritisch geäußert hatte, soll die Affäre und ihre Begleitumstände als "Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie" bezeichnet haben. Entsprechend habe er sich am Freitag vor Abgeordneten der SPD-Arbeitsgruppe Demokratie geäußert, berichtet die "Mitteldeutsche Zeitung".
fma/AFP/dpa>-----
Uni Bayreuth 28.2.2011: Guttenberg brauchte eine "Ausnahmeregelung", um überhaupt eine Doktorarbeit "schreiben" zu dürfen
aus: Spiegel online: Guttenbergs Promotion: Ausnahmeregelung machte den Doktor erst möglich; 28.2.2011;
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,748189,00.html
<dapdGuttenberg: Gefördert von Parteifreunden?
Nur hervorragende Juristen sollen an der Uni Bayreuth promovieren: Wer sein Studium nicht mit "voll befriedigend" abschließt, braucht eine Ausnahmegenehmigung. Die habe Karl-Theodor zu Guttenberg von einem CSU-nahen Professor bekommen, berichtet der "Tagesspiegel".
Die Promotionsordnung der rechtswissenschaftlichen Fakultät lädt nicht gerade ein zum Lesen. Aber sie ist klar in ihren Aussagen: "Für die Promotion im Fach Rechtswissenschaft ist (...) erforderlich, dass der Bewerber das Referendarexamen oder das Assessorexamen (...) mindestens mit 'voll befriedigend' (...) bestanden hat."
Es ist wie immer in der Juristerei: Mehr als in jedem anderen Fach bestimmen die Noten das weitere Schicksal. Sie weisen den jungen Juristen einen Platz in einem Kastensystem zu, aus dem es kaum mehr ein Entrinnen gibt. "Vollbefriedigend" oder besser bedeutet Karriere, alles darunter Kampf.Normalerweise.
Doch es gibt Ausnahmeregelungen für Absolventen, die nicht ganz so gut abschneiden. Und in den Genuss einer solchen Ausnahme kam offenbar der mittlerweile entdoktorte Karl-Theodor zu Guttenberg.
Er habe die "voll befriedigend"-Voraussetzung für die Promotion nicht erfüllt, berichtet der "Tagesspiegel". Demnach hat der CSU-Mann sein Examen nur mit "befriedigend" bestanden. Guttenberg wirbt zwar in seinem Online-Lebenslauf mit seinem "Prädikatsexamen", es handelt sich aber dem Bericht nach nur um ein "kleines Prädikat".
Guttenberg brauchte für seine Promotion also eine Ausnahmegenehmigung vom Dekan. Solche Regelungen sind an sich nichts Ungewöhnliches und auch nicht anrüchig. Auch die Promotionsordnung an der Uni Bayreuth erlaubt sie.
Doch zumindest in Sachen politische Hygiene sieht es auch an dieser Front nach "Tagesspiegel"-Informationen nicht sonderlich gut aus für Guttenberg. Denn die maßgeblichen Professoren, die ihn ausnahmsweise zuließen, stehen der CSU nahe, heißt es in dem Bericht.
Wie nah stehen die beteiligten Professoren der CSU?
Der Dekan hieß bei Guttenbergs Promotionszulassung Karl-Georg Loritz. Dem Bericht nach war Loritz in den siebziger Jahren Vorsitzender der Jungen Union in der CSU-Vorstandschaft der bayerischen Kreisstadt Schwandorf; erst Ende Januar war er Hauptredner beim Neujahrsempfang der Schwandorfer CSU.
Neben Loritz mussten noch zwei weitere Professoren die ausnahmsweise zulässige Promotion Guttenbergs befürworten, so sieht es die Promotionsordnung vor. Dies waren nach "Tagesspiegel"-Informationen der Erstgutachter der Dissertation Peter Häberle sowie der Zweitgutachter Rudolf Streinz.
Zweitgutachter Streinz ist der Partei von Guttenberg ebenfalls sehr verbunden. Für die CSU saß er im Stadtrat in Landshut. Jetzt ist er Vertrauensdozent für die Stipendiaten der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.Im Detail schreibt die Promotionsordnung für eine Ausnahmegenehmigung wie im Fall Guttenberg vor: Der potentielle Doktorand muss sein Examen mindestens mit "befriedigend" hinter sich gebracht haben, er muss mindestens zwei Seminarscheine mit der Note "gut" vorlegen können und er muss einen prüfungsberechtigten Betreuer für seine Arbeit finden. Das alles erfüllt Guttenberg zwar, doch die CSU-Nähe einiger beteiligter Wissenschaftler ist zumindest auffallend.
Der "Tagesspiegel" schreibt auch, er habe aus Fakultätskreisen erfahren: "Die Zulassung eines 'befriedigend'-Kandidaten sei 'nicht ungewöhnlich'. Dass der Kandidat dann aber die Bestnote 'summa cum laude' erziele, sei möglich, aber jedenfalls 'nicht der Regelfall'."
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1.3.2011: Guttenberg tritt zurück und gibt sogar sein Mandat ab
aus: n-tv online: Merkel nimmt "schweren Herzens" an: Guttenberg tritt zurück und gibt Mandat ab; 1.3.2011;
http://www.n-tv.de/politik/Guttenberg-tritt-zurueck-und-gibt-Mandat-ab-article2729101.html
<Verteidigungsminister Guttenberg gibt seinen Rücktritt bekannt. "Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten", sagt der CSU-Politiker. Damit zieht er die Konsequenzen aus der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit. Berichten zufolge will er auch sein Bundestagsmandat niederlegen. Kanzlerin Merkel wirft der Opposition "Scheinheiligkeit und Verlogenheit" vor.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist über die Plagiats-Affäre gestürzt. Knapp zwei Wochen nach Bekanntwerden der ersten Vorwürfe erklärte er seinen Rücktritt. Er habe Bundeskanzlerin Angela Merkel "in einem sehr freundschaftlichen Gespräch" informiert, dass er sich von seinen "politischen Ämtern zurückziehen werde". Es sei "der schmerzlichste Schritt meines Lebens". Hier die Erklärung als Video, hier im Wortlaut als Text.
Guttenberg sagte, er trete "nicht alleine wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit" zurück. "Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann." Am Abend meldete die Deutsche Presse-Agentur, Guttenberg wolle auch sein Bundestagsmandat niederlegen. Zuvor hatten auch die "Bild"-Zeitung und die "Augsburger Allgemeine" über den geplanten Mandatsverzicht berichtet. Nach Angaben der "Passauer Neuen Presse" befürchtet die CSU-Spitze nun, einen Sitz im Bundestag zu verlieren, weil sie dort Überhangmandate innehat und der Sitz verfallen könnte.
Wenn "die öffentliche und mediale Betrachtung fast ausschließlich auf die Person Guttenberg und seine Dissertation statt beispielsweise auf den Tod und die Verwundung von 13 Soldaten abzielt, so findet eine dramatische Verschiebung der Aufmerksamkeit zulasten der mir Anvertrauten statt". Da "das Amt, die Bundeswehr, die Wissenschaft und auch die mich tragenden Parteien Schaden zu nehmen drohen", ziehe er die Konsequenz, "die ich auch von anderen verlangt habe und verlangt hätte".
Guttenberg sprach selbst an, dass es wahrscheinlich Ermittlungen gegen ihn geben werde. Laut "Welt" hatte er schon in der vergangenen Woche erwartet, dass seine Immunität aufgehoben werden könnte. Er habe "Respekt vor all jenen, die die Vorgänge zudem strafrechtlich überprüft sehen wollen", sagte Guttenberg. Seine Erklärung beendete er mit der Bemerkung: "Abschließend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich klingen mag: Ich war immer bereit, zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht. Vielen Dank
Kanzlerin "betrübt"
Die Opposition hält Merkel für blamiert.
Merkel sagte, sie habe das Rücktrittsgesuch "schweren Herzens" angenommen. Zugleich äußerte sie "Verständnis für seine Entscheidung". Guttenberg sei "ein Mensch mit einer herausragenden politischen Begabung. Sie kündigte an, dass die von Guttenberg begonnene Bundeswehrreform "mit aller Entschlossenheit" umgesetzt werde. Sie sei überzeugt, dass sie und Guttenberg nach Klärung der Vorwürfe "in welcher Form auch immer in Zukunft Gelegenheit zur Zusammenarbeit haben werden". Guttenberg werde die Kraft haben, "weiterhin die Dinge zu klären, die im Zusammenhang mit seiner Dissertation zu klären sind". Hier das Video mit Merkels Erklärung.Die Kanzlerin sagte, sie sei am Morgen von der Bitte um ein Telefonat überrascht worden. Mit Blick auf den offenen Brief von Doktoranden sagte Merkel, sie verstehe die Bedenken in der Wissenschaft - "ich war Wissenschaftlerin, mein Mann ist Wissenschaftler". Sie nehme den Rücktritt daher "mit Respekt" zur Kenntnis, sei aber auch betrübt.
Einen Nachfolger präsentierte Merkel noch nicht. "Heute ist für mich die Stunde, Karl-Theodor zu Guttenberg für seinen Dienst für unser Land zu danken." Die CSU habe einen Anspruch auf das Amt des Verteidigungsministers. Eine Entscheidung könnte am Freitag fallen, wenn sich das CSU-Präsidium trifft.
Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Baden-Württemberg am Abend ging Merkel in die Offensive. "Soviel Scheinheiligkeit und Verlogenheit war selten in Deutschland", sagte sie in Karlsruhe. Der Opposition gehe es nicht um den Erhalt der wissenschaftlichen Werte, sondern vor allem um die Schwächung der Union. "Wir müssen uns von niemandem erklären lassen, was Anstand und Ehre in unserer Gesellschaft sind."
"Merkel hat sich kräftig blamiert"
Die SPD bezeichnete den Rücktritt als "überfällig und unausweichlich". Der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann sagte, Guttenberg habe endlich die Konsequenzen gezogen. Für Merkel komme dieser Rücktritt zu spät. "Sie hat sich kräftig blamiert, ihre Glaubwürdigkeit ist beschädigt, sie hat dem Ruf der Politik Schaden zugefügt", sagte Oppermann.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nannte Guttenbergs Schritt unausweichlich. "Schaden ist schon genug eingetreten - bei seinem Doktorvater und der Universität Bayreuth, die um ihren Ruf ringen", sagte Steinmeier der "Stuttgarter Zeitung". Aber auch die Glaubwürdigkeit von Politik sei in Gefahr gewesen. "Deshalb musste der Rücktritt kommen."
Kein Bedauern von Westerwelle
Die Kritik an Guttenberg war auch in konservativen Kreisen groß.
FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von einer "Entscheidung der Konsequenz", äußerte allerdings kein direktes Bedauern. Er wünsche Guttenberg und seiner Familie alles Gute.Für die FDP ist die Regelung der Nachfolge allein Sache der Union. Mit einer großen Kabinettsumbildung wird bei den Liberalen nicht gerechnet. Aus der FDP-Führung hieß es, Guttenberg habe über seine Rücktrittsabsicht nicht mit Westerwelle gesprochen. Die Information über den bevorstehenden Rücktritt erhielt der FDP-Chef von Merkel.
"Merkel hat Werteverfall befördert"
Die Grünen bewerteten den Rücktritt als eine "Riesenblamage" für Merkel. Die Kanzlerin habe bis zuletzt geglaubt, "sich durch diese peinliche Affäre lavieren zu können", erklärten die Fraktionschefs der Grünen, Renate Künast und Jürgen Trittin. Mit ihrem Zögern und "machtpolitischen Taktieren" habe Merkel nicht nur dem Ansehen der demokratischen Institutionen schwer geschadet, sondern "aktiv den Werteverfall befördert". Konservative hätten in der CDU "seitdem keine Heimat mehr".
Künast forderte Merkel auf, selbst über die Nachfolge zu entscheiden. Nicht akzeptabel sein es, wenn Merkel die Entscheidung der CSU überlasse. "Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist, dass dieses Amt den bayerischen und fränkischen Stämmen zur Entscheidung vorgelegt wird. (...) Wir brauchen den oder die Beste für dieses Amt."
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi bezeichnete den Rücktritt als "logische Konsequenz eines vorsätzlichen Fehlverhaltens bei der Erarbeitung und der Abgabe seiner Dissertation". "Immer, wenn man im Leben die Konsequenzen aus eigenen Fehlern zieht, kommt man ein bisschen zur Besinnung, denkt über sich und andere anders nach und kann danach auch wieder neu starten", sagte Gysi.
Auch CDU-Politiker begrüßen Rücktritt
Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg nannte den Rücktritt Guttenbergs richtig, aber verspätet. "Ich begrüße die Konsequenz, die er jetzt gezogen hat. (...) Für ihn und das Wissenschaftssystem wäre es jedoch zuträglicher gewesen, früher zu reagieren", sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch der Universität Konstanz. Guttenberg sei ein sehr begabter Politiker. "Ich denke, dass er ein Comeback in der Politik verdient hat." Am vergangenen Donnerstag hatte Frankenberg sich noch für Guttenberg als Wahlkämpfer in Baden-Württemberg ausgesprochen.
"Natürlich haben uns die letzten Tage im Wahlkampf nicht geholfen", sagte der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach dem "Handelsblatt". "Aber wenn wir jetzt in den nächsten Wochen permanent mit der Plagiatsaffäre konfrontiert worden wären, hätte das die Wahlchancen nicht deutlich gesteigert."
Die CSU hält derweil an Guttenberg als Politiker fest. Die Partei habe ihm in den vergangenen Tagen die uneingeschränkte Unterstützung versichert, sagte Parteichef Horst Seehofer. "Ich kann heute wiederholen, dass die CSU auch weiter zu Karl-Theodor zu Guttenberg steht. Er bleibt einer von uns." Er selbst wolle alles tun, dass Guttenberg der deutschen Politik und der CSU erhalten bleibe. Das gelte für das gesamte CSU-Präsidium. CSU-Landtagsfraktionsvize Karl Freller sagte, er bedaure Guttenbergs Rücktritt "zutiefst" und sprach von einer "Hetzjagd".
Mindestens 49 Prozent der Zeilen sind Plagiate
Die umstrittene Doktorarbeit wird inzwischen nicht mehr verlegt.
Die Betreiber des GuttenPlag-Wiki kritisierten indes, dass sich Guttenberg in seiner Rücktrittserklärung nicht zur Entstehungsweise seiner Doktorarbeit geäußert habe. Es sei bedauerlich, dass Guttenberg "keine klaren Worte" zur "offensichtlichen Täuschungsabsicht und zur Urheberschaft" seiner Dissertation gefunden habe, erklärten die anonymen Betreiber auf der Startseite ihrer Website. Zugleich betonten sie, dass der Rücktritt des Ministers nicht Ziel ihres Projekts gewesen sei. Ziel sei vielmehr die "detaillierte Aufklärung der Umstände", unter denen die Dissertation entstanden sei. "Daher werden wir weiterhin an der Analyse und Dokumentation der Doktorarbeit arbeiten und unsere Ergebnisse in einem Abschlussbericht veröffentlichen."Auf der Internetseite "GuttenPlag" werden Belege für von anderen Autoren abgeschriebene Textpassagen in der Doktorarbeit Guttenbergs gesammelt. Bis jetzt waren nach Angaben der Seite 8000 der 16.300 Zeilen Plagiate, das ist ein Anteil von 49 Prozent. Die bei GuttenPlag zusammengetragenen Belege hatten in den vergangenen Wochen dazu beigetragen, den Druck auf den Verteidigungsminister massiv zu erhöhen.
Uni prüft weiter
Die Universität will trotz des Rücktritts weiter prüfen, ob Guttenberg bei seiner Arbeit vorsätzlich getäuscht hat. Der Rücktritt habe nichts daran geändert, dass die entsprechenden Prüfungen der Kommission zur Selbstkontrolle in der Wissenschaft an seiner Hochschule "unabdingbar" blieben, erklärte Universitätspräsident Rüdiger Bormann. Dabei setzen die Kommission wie die Hochschulleitung nach seinen Worten darauf, dass Guttenberg seine Ankündigung, er wolle sich an der Aufklärung der Vorwürfe beteiligen, nunmehr in die Tat umsetze.
Ulf Posé, Präsident des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft, sagte bei n-tv: "Was bisher geschehen ist, ist bitter, traurig und wenn Sie so wollen, ein Stück weit auch absurd. Bitter, weil wir einen der Hoffnungsträger in der Politik verlieren." Zugleich kritisierte Posé, dass die "Glaubwürdigkeit aller Politikerinnen und Politiker" durch die Plagiatsaffäre nicht erhöht werde.
Ramsauer will nicht, Weise ist CDU-Mitglied
Unmittelbar nach dem Rücktritt kommt die Diskussion über die Nachfolge im Amt des Verteidigungsministers in Schwung. Die CSU will am kommenden Freitag darüber beraten. CSU-Chef Seehofer deutete an, dass der Nachfolger Guttenbergs nicht aus den Reihen des bayerischen Kabinetts kommen werde. Es gebe "keine Anzeichen".
Ramsauer hat keine Lust, Verteidigungsminister zu werden.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer gab indes bekannt, er wolle nicht Nachfolger Guttenbergs werden. "Das mute ich meiner Familie nicht zu", sagte der CSU-Politiker der "Rheinischen Post". Seine Familie habe ihn dringend gebeten, unter keinen Umständen eine derartig drastische Erschwerung der Lebensumstände hinzunehmen. "Meine Kinder sind zu klein, um jetzt nur noch in gepanzerten Wagen herumzufahren", betonte Ramsauer, der als CSU-Vizechef als ein Kandidat für die Nachfolge Guttenbergs gehandelt wurde.Als einfache Lösung gilt offenbar ein Wechsel von Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt in das Ministeramt. Schmidt sitzt für den Wahlkreis Fürth im Bundestag und ist seit November 2005 Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsressort. Seit 1999 ist er Mitglied im CSU-Vorstand. Er war früher JU-Bezirkschef von Mittelfranken.
Nach Informationen der "Leipziger Volkszeitung" könnte der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, neuer Verteidigungsminister werden. Der Reserveoffizier der Bundeswehr hatte federführend im Auftrag Guttenbergs die Basis für die derzeitige Bundeswehr-Strukturreform ausgearbeitet. Weise gilt dem Bericht zufolge in Regierungskreisen als ein Favorit auf die Nachfolge Guttenbergs. Für Guttenberg war Weise bereits in den vergangenen Tagen erster Anwärter auf die Nachfolge "für den Ernstfall", berichtete die Zeitung unter Berufung auf Kreise der Unions-Verteidigungspolitiker. Allerdings ist Weise CDU-Mitglied. Sollte er tatsächlich Guttenbergs Nachfolger werden, müsste die CSU ein anderes Ministeramt bekommen.
ghö/hvo/dpa/rts/AFP>
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Gegen den zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) sind rund 80 Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Hof eingegangen. Sie beträfen «überwiegend den Vorwurf des Verstosses gegen das Urheberrechtsgesetz im Zusammenhang mit der Dissertation» Guttenbergs, erklärte die Staatsanwaltschaft. Unter den Anzeigenstellern sei aber niemand, dessen Urheberrecht verletzt worden sei.
Die Behörde will nun «nach der angekündigten Niederlegung des Bundestagsmandats durch Herrn zu Guttenberg und dem damit einhergehenden Erlöschen der Immunität» prüfen, ob «strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzungen vorliegen» und ein besonderes öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung bestehe. Dabei will die Staatsanwaltschaft auch die Ergebnisse der Kommission «Selbstkontrolle in der Wissenschaft» der Universität Bayreuth berücksichtigen.
Die Universität Bayreuth hatte Guttenberg vergangene Woche den Doktortitel aberkannt und seine Dissertation in Teilen als Plagiat bezeichnet. Danach hatte sich erheblicher Druck auf den Minister aufgebaut, auch aus der schwarz-gelben Koalition. Guttenberg war daraufhin am Dienstag als Verteidigungsminister zurückgetreten.
Demonstrationen für Guttenberg
Guttenberg-Fans haben für Samstag in 22 Städten zu Demonstrationen aufgerufen. Auf der Facebook-Seite «Wir wollen Guttenberg zurück» wird zu Unterstützer-Aktionen in ganz Deutschland aufgerufen, darunter in Berlin, München, Köln und Hamburg. Beginnen sollen die Demonstrationen jeweils um 13.00 Uhr. Einen Überblick bietet auch die eigene Facebook-Seite «Karl Theodor zu Guttenberg - Die DEMO-Termine stehen FEST!».
Unterdessen wächst die Zahl der Unterstützer auf «Wir wollen Guttenberg zurück» rasant. Die nach dem Rücktritt Guttenbergs am Dienstag gegründete Seite hatte bereits am Mittwoch 337'867 Mitglieder (Stand 12.45 Uhr). Innerhalb von nur einer Stunde war die Zahl um rund 11'800 Unterstützer angewachsen.
«Trotz seines Fehlers hat er eine gute Politik gemacht»
Die Seite sei «als spontane Reaktion auf den Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg entstanden», heisst es dort. Damit solle ein Zeichen gesetzt werden, «dass er trotz seines Fehlers in der Politik bleiben muss/soll/kann. Er hat in seiner Arbeit als Politiker einen guten Job gemacht und schafft es, durch seine Auftritte, tausende Leute für Politik zu begeistern.» Ausdrücklich weisen die Initiatoren darauf hin, dass es sich um eine private Seite handle, «die nicht durch Herrn zu Guttenberg oder einen seiner Mitarbeiter erstellt worden ist».
Auf der Seite kursiert zudem ein Aufruf, sowohl an das Bundestagsbüro von Guttenberg als auch an die Zentralen von CDU und CSU, an Politiker von SPD, Linken, Grünen und FDP, das Bundespresseamt sowie zahlreiche Medien Mails zu versenden. «Schickt eine E-Mail mit dem Betreff 'wir wollen Guttenberg zurück' und dem Text 'Facebookgruppe: Wir Wollen Guttenberg zurück'», heisst es auf der Unterstützerseite.
Auf der Seite OpenPetition können Guttenberg-Unterstützer eine Petition für den «Rücktritt vom Rücktritt» unterzeichnen. Um 12.45 Uhr hatten 2060 Personen unterschrieben. Die Meldung, dass der bisherige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) neuer Verteidigungsminister werden soll, hielt die Guttenberg-Fans zunächst nicht davon ab, weiterhin auf ein Comeback ihres Stars zu hoffen.
(miw/dapd)>
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2.3.2011: Schon 100 Anzeigen gegen Guttenberg: <Titelmissbrauch, Untreue, Urheberrechtsverstösse>
Irgendwie hat Guttenberg die Menschen um sich herum nie richtig ernst genommen, sonst hätte er nicht gleich 100 Texte missbraucht. Der Mann scheint psychische Behandlung zu benötigen. Aber manche Politiker schützen Guttenberg immer noch.
aus: Welt online; 2.3.2011;
http://www.welt.de/politik/deutschland/article12681379/Titelmissbrauch-Untreue-Urheberrechtsverstoesse.html
Das Internet will Guttenberg zurück, aber für den ist die Plagiatsaffäre noch nicht ausgestanden. Inzwischen liegen 100 Anzeigen vor.
Das Internet lieferte dem Doktoranden Karl-Theodor zu Guttenberg allerlei Textmaterial für seine Dissertation. Das Internet ermöglichte es, die Plagiate des promovierten Verteidigungsministers zu entdecken. Das Internet verbreitete als erstes Medium die Nachricht vom Rücktritt Guttenbergs. Nun formiert sich im Internet eine Gemeinde, die sich schon jetzt nach dem CSU-Politiker sehnt, für dessen politische Rückkehr wirbt.
"Wir wollen Guttenberg zurück", lautet eine Seite auf Facebook, die am Mittwochnachmittag 400.000 Mitglieder zählte. Die Seite will ein Zeichen setzen, dass Guttenberg „trotz seines Fehlers in der Politik bleiben muss/soll/kann. Er hat in seiner Arbeit als Politiker einen guten Job gemacht und schafft es, durch seine Auftritte, Tausende Leute für Politik zu begeistern.“
Die Initiatoren für jenen Rücktritt vom Rücktritt weisen ferner darauf hin, dass es sich um eine private Seite handle, „die nicht durch Herrn zu Guttenberg oder einen seiner Mitarbeiter erstellt worden ist“.
Doch auch innerhalb der Unionsparteien sind Stimmen zu vernehmen, die auf eine mittelfristige Rückkehr des beliebtesten Politikers hoffen. „So viele talentierte Politiker hat die politische Klasse in Deutschland nicht, als dass man auf Guttenberg verzichten könnte“, sagte etwa der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl der „Mitteldeutschen Zeitung“.
Es gebe Fälle, in denen bei Politikern sehr viel mehr kriminelle Energie vorhanden gewesen sei als bei Guttenberg und die ebenfalls zurückgekehrt seien. Das könnte sich auf Franz Josef Strauß beziehen: Der musste 1962 wegen der „Spiegel“-Affäre als Verteidigungsminister den Hut nehmen. 1978 wurde er bayerischer Ministerpräsident, 1980 Kanzlerkandidat der Union; den CSU-Vorsitz hatte er von 1961 bis zu seinem Tod 1988 inne.
Mit dem Historiker Michael Philipp meldete sich ein „Rücktrittsforscher“ zu Wort. Philipp hat sich in seinem Buch „Persönlich habe ich mir nichts vorzuwerfen“ wissenschaftlich mit politischen Rücktritten in Deutschland befasst.
Er ist überzeugt: „Guttenberg wird zurückkommen, wenn er das will.“ Der Skandal, so Philipp, werde innerhalb kürzester Zeit vergessen werden. Derzeit aber büßt Guttenberg im Volk an Vertrauen ein. Nach dem Entzug seines Titels bezeichneten ihn nur noch 26 Prozent der Bürger als „vorbildlich“, wie eine Forsa-Umfrage für den „Stern“ ergab. Einen Monat zuvor waren es noch 51 Prozent.
Bevor Guttenberg sich aber Gedanken über seine berufliche Zukunft machen kann, müssen zunächst die strafrechtlichen Vorwürfe gegen ihn aufgeklärt werden. Den Staatsanwaltschaften in Hof und Berlin liegen rund 100 Anzeigen vor, die ihm dreierlei vorwerfen: Titelmissbrauch, Untreue und Urheberrechtsverstöße. Die Staatsanwaltschaft Hof will am Donnerstag mitteilen, wie sie vorgehen will.
Dass Ermittlungen wegen des Missbrauchs von Titeln nach Paragraf 132a Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen werden, ist eher unwahrscheinlich. Der Tatbestand setzt voraus, dass der Täter „unbefugt“ akademische Grade führt. Guttenberg war sein Titel jedoch zunächst formell korrekt verliehen worden.
Etwas komplizierter zu klären ist der Vorwurf der Untreue nach Paragraf 266 StGB. Guttenberg, so sehen es die Anzeigenerstatter, habe für seine Dissertation rechtswidrig Leistungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags in Anspruch genommen und damit den Steuerzahler geschädigt.
Untreue setzt jedoch eine sogenannte Vermögensbetreuungspflicht voraus. Die muss zudem eine bedeutsame „Hauptpflicht“ sein. Aus dem Abgeordnetenverhältnis lässt sich aber bestenfalls eine „Nebenpflicht“ ableiten – für Untreue genügt das nicht.
Die größten Probleme könnten Guttenberg die Strafanträge wegen möglicher Verletzungen des Urheberrechts bereiten. „Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“, heißt es in Paragraf 106 des Gesetzes.
Die seitenweise Übernahme fremder Texte in einer Dissertation lässt sich darunter subsumieren. Verfolgt wird die Tat auf Antrag eines Geschädigten oder bei besonderem öffentlichem Interesse – beides ist im vorliegenden Fall möglich.
Des Weiteren müsste Guttenberg vorsätzlich gehandelt haben, was schon der Fall wäre, wenn er eine Verletzung des Urheberrechts billigend in Kauf genommen hat. Ob das der Fall ist, muss nun die für die Universität Bayreuth zuständige Staatsanwaltschaft in Hof prüfen.
Die hat angekündigt, ihre Arbeit aufzunehmen, sobald eine Kommission der Universität ihre Nachforschungen abgeschlossen hat. Denn aus dem Urteil der Wissenschaftler können sich für den Staatsanwalt entscheidende Hinweise auf die Vorsatzfrage ergeben.>
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3.3.2011: Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano entlarvte die Guttenberg-Fälschung
Andreas Fischer-Lescano, Portrait [3].
Ein bislang unbekannter Jurist - Andreas Fischer-Lescano - wird bekannt, weil er logisch denken kann. Aber lesen Sie selbst:
aus: Basler Zeitung online: Deutschlands meistgehasster Professor [das stimmt natürlich nicht, sondern ist nur ein reisserischer Hetz-Titel]; 3.3.2011;
http://bazonline.ch/ausland/europa/Deutschlands-meistgehasster-Professor/story/11804147
<Der Bremer Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano entlarvte Karl-Theodor zu Guttenberg als Plagiator. Jetzt wird er von Fans des gefallenen Ministers mit Hass-Mails attackiert.
«Ich möchte diese Guttenberg-Sache abhaken und meine Arbeit machen»: Andreas Fischer-Lescano, Rechtsprofessor an der Universität Bremen.
Am Anfang war ein wissenschaftliches Interesse an der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg, am Ende stand der Rücktritt des Verteidigungsministers. Der Mann, der sich mit Guttenbergs Dissertation befasste und diese als «dreistes Plagiat» entlarvte, ist Andreas Fischer-Lescano, Rechtsprofessor an der Universität Bremen.Fischer-Lescano wird inzwischen von den Anhängern des beliebten CSU-Politikers für dessen Fall verantwortlich gemacht. Und er wird aufs Übelste angegriffen und verunglimpft. Der bisher unbekannte Jurist wird seit Tagen von hasserfüllten Mails überflutet, wie er im Gespräch mit der «Süddeutschen Zeitung» (SZ) sagt. Er erhält Mails dieser Sorte: «Hoffentlich läufst du Arsch mal vors Auto.» Oder auch: «Es gibt ja wohl kaum ein grösseres Dreckschwein – pfui Teufel.»
Der Professor bleibt lieber im Hintergrund
Die SZ schildert die Geschichte des Bremer Rechtsprofessors als «die eines Enthüllers, der mit seinem Fund fremdelt, der zwar die Türe geöffnet hat zu einem Reich von Täuschung und Lüge, aber lieber am Eingang verharrt, um sich nicht in diesem Reich zu verirren». Fischer-Lescano macht den Eindruck eines zurückhaltenden Mannes. So verzichtete er darauf, Einladungen der öffentlichkeitswirksamen TV-Talkshows von Anne Will oder Johannes B. Kerner anzunehmen.
Auch zum Amtsverzicht Guttenbergs äussert sich Fischer-Lescano ohne Worte des Triumphs: «Mir ging es immer darum, dass an Guttenberg dieselben wissenschaftlichen Massstäbe angelegt werden wie bei anderen Forschern auch. Und das musste den Verlust seines Doktortitels zur Folge haben», sagt der Bremer Rechtsprofessor, der in Berlin-Neukölln lebt. Guttenbergs Rücktritt aber forderte er nie.
Fischer-Lescano befasst sich mit Verfassungsthemen
Fischer-Lescano räumt zwar ein, dass er politisch links steht. Trotzdem: Die verschwörungstheoretische These, wonach die Linke einen Grund gesucht haben soll, um den CSU-Politiker Guttenberg zu Fall zu bringen, erscheint abwegig. Der 38-jährige Forscher las aus «wissenschaftlichem Interesse» die inzwischen aberkannte Doktorarbeit Guttenbergs über die Verfassungsentwicklung in der EU und in den USA, wie er der «Süddeutschen Zeitung» erzählte.
Gemäss eigenen Aussagen beschäftigt sich Fischer-Lescano seit etwa zehn Jahren mit dem Thema «Verfassung und ihre Bedeutung jenseits des Staates». In diesem Fachgebiet publizierte Fischer-Lescano denn auch etliche Artikel und er bot Lehrveranstaltungen wie Seminare an.
«Inhaltlich schwach und sprunghaft im Stil»
Und wie entdeckte er das Plagiat Guttenbergs? Der Bremer Rechtsprofessor hatte zunächst vor, Guttenbergs Doktorarbeit in einer Rezension zu zerpflücken. «Ich wollte Gegenthesen zu seinem konservativen Verfassungsdenken entwickeln.» Die Arbeit sei ihm «inhaltlich schwach und sprunghaft im Stil» erschienen. Stutzig machten ihn Zeitungsartikel, die Guttenberg in seiner Dissertation verwendet hatte. Bei Fischer-Lescano entstand der Verdacht, dass der Minister eigene Reden «verhackstückt» hatte.
Dann gab er Textpassagen in die Google-Suche ein – und kam zur Erkenntnis, dass Guttenberg nicht sauber wissenschaftlich gearbeitet hatte. Unter anderem entdeckte Fischer-Lescano einen nicht zitierten Artikel aus der «NZZ am Sonntag». Nachdem die «Süddeutsche Zeitung» vor einem Monat darüber berichtet hatte, nahm die Plagiatsaffäre ihren Lauf. Mit dem Resultat, dass Guttenberg seit Dienstag nicht mehr Minister ist und heute auch sein Mandat als Bundestagsabgeordneter abgegeben hat.
Der Rechtsprofessor will nun wieder zum Alltag übergehen. «Ich möchte diese Guttenberg-Sache abhaken und meine Arbeit machen», sagt Fischer-Lescano. Er schreibe an einem Buch zu sozialen und globalen Rechten. «Das ist mir viel wichtiger.» (vin)>-----
Deutschland 4.3.2011: Schriftsteller Martin Walser bezeichnet Guttenbergs Fälscherei als "notgedrungene Überlebenshilfe"
Es ist schon eigenartig, dass ein Schriftsteller, der selber auf das Copyright angewiesen ist, Guttenbergs Fälscherei von über 270 Seiten als "notgedrungene Überlebenshilfe" darstellt. Wie verdreht sind denn da die Köpfe in der Oberschicht?
aus: Basler Zeitung online: "Abschreiben ist Überlebenshilfe"; 4.3.2011;
http://bazonline.ch/kultur/diverses/Abschreiben-ist-berlebenshilfe/story/29024517
«Früher, in weniger moralempfindlichen Zeiten, wären die Studenten und Doktoranden auf die Strasse gegangen dafür, dass einer abgeschrieben haben darf und trotzdem Minister bleiben kann», schreibt der 83-jährige Walser in einem Gastbeitrag für das Magazin «Focus».Abschreiben sei zuweilen eine «notgedrungene Überlebenshilfe», er selbst habe im Abitur auch schon versucht zu spicken. An den Universitäten habe sich nun jedoch «die Sauberkeitsmoral total durchgesetzt». Walser bezeichnete Deutschland als den selbst ernannten «Moral-Primus Europas». Er selber stammt von Wasserburg am Bodensee.
«Guttenberg tut mir leid»
Guttenberg war Anfang der Woche zurückgetreten, nachdem ihm zahlreiche Plagiate in seiner Doktorarbeit nachgewiesen worden waren und ihm der Doktortitel von seiner Universität aberkannt worden war. Ihm tue Guttenberg leid, schreibt Walser. «Toll, die Studenten und Doktoranden, die offenbar nicht mehr schlafen konnten, weil da ein Minister abgeschrieben hatte.»
Inzwischen verzeichnen die verschiedenen Versionen des Youtube-Hits «Guttenberg-Song zur Doktorarbeit» («Alles nur geklaut», «Ich bin der Fussnoten-Entferner») zusammen über eine halbe Million Zugriffe.
(dj/sda)>-----
7.3.2011: <100 Anzeigen: Gegen Guttenberg wird ermittelt>
aus: n-tv online; 7.3.2011; http://www.n-tv.de/politik/Gegen-Guttenberg-wird-ermittelt-article2778616.html
<Die Staatsanwaltschaft Hof leitet ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-Verteidigungsminister Guttenberg ein. "Mittlerweile liegen über 100 Strafanzeigen im Zusammenhang mit den Plagiatsvorwürfen vor", sagt Oberstaatsanwalt Laib. In erster Linie gehe es um mögliche Verstöße gegen das Urheberrecht.
Die Staatsanwaltschaft hat nun auch offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eingeleitet. Es geht dabei um die Doktorarbeit des CSU-Politikers, die in großen Teilen fremde Texte enthält.
Betrüger oder Hoffnungsträger? Guttenberg ist vor einer Woche zurückgetreten.
"Mittlerweile liegen über 100 Strafanzeigen im Zusammenhang mit den Plagiatsvorwürfen vor", sagte Oberstaatsanwalt Reiner Laib im bayerischen Hof. Die Behörde prüfe den Sachverhalt. Sie werde auch die Ergebnisse der Selbstkontrollkommission der Universität mit in ihre Arbeit einbeziehen. Diese liegen aber noch nicht vor.In erster Linie geht es laut Laib um mögliche Verstöße gegen das Urheberrecht. Zur Dauer und zu Einzelheiten der Ermittlungen wollte sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern.
Unterdessen wiesen Guttenbergs Doktorvater und sein Zweitgutachter jede Verantwortung für die gefälschte Dissertation von sich. Guttenberg sei allein für das Einhalten der wissenschaftlichen Regeln verantwortlich gewesen, erklärten die Juristen Peter Häberle und Rudolf Streinz.
Unbewusst oder vorsätzlich?
Guttenbergs Dissertation besteht zu großen Teilen aus abgeschriebenen Texten anderer Autoren. Laut Guttenplag-Wiki wurden auf bislang drei Vierteln aller Seiten Plagiate gefunden. Die Universität Bayreuth erkannte dem Politiker am 23. Februar den Doktortitel ab, weil Guttenberg "in erheblichem Umfang" gegen die wissenschaftlichen Pflichten verstoßen habe. Guttenberg bestreitet bislang, "bewusst" abgeschrieben zu haben. Nach Einschätzung des Bayreuther Juristen Oliver Lepsius ist die Universität einem "Betrüger" aufgesessen. Auch nach der Aberkennung des Doktortitels prüft die Universität weiter, ob er "vorsätzlich" getäuscht hat.
Am vergangenen Dienstag war Guttenberg zurückgetreten, am Samstag gab es in mehreren Städten Deutschland Solidaritätskundgebungen für den Politiker, die größte in der fränkischen Ortschaft Guttenberg, in der die gleichnamige Burg liegt, in der Guttenberg wohnt. Der Vater des Ex-Ministers, Enoch zu Guttenberg, sprach dort von einer "Menschenjagd", die es auf seinen Sohn gegeben habe. In Rosenheim und München protestierten jeweils einige hundert Demonstranten. Auch aus anderen Städten wurden meist kleinere Kundgebungen gemeldet. In Berlin dominierten Guttenberg-Gegner, die spöttisch auf Plakaten "Jetzt oder nie: Monarchie" oder "Gutti for Kaiser" forderten.
hvo/dpa>
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8.3.2011: Doktorarbeiten werden kaum kontrolliert
aus: 20 minuten online: Plagiat: Kaum Kontrollen bei Doktorarbeiten; 8.3.2011;
http://www.20min.ch/digital/webpage/story/Kaum-Kontrollen-bei-Doktorarbeiten-24170977
<von Oliver Wietlisbach - Guttenbergs Plagiat war «2006 mit technischen Mitteln kaum erkennbar», sagt sein Professor. Schweizer Wissenschaftler bezweifeln dies.
Karl Theodor zu Guttenbergs Professoren sind in den letzten Tagen zusehends unter Druck geraten. Auf rund zwei Drittel aller Seiten seiner Doktorarbeit soll Guttenberg seine Quellen nicht ausgewiesen haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, den Doktor-Titel hat ihm die Universität Bayreuth bereits abgesprochen - wie aber konnten die verantwortlichen Professoren seitenlanges Abschreiben übersehen?
Guttenbergs Doktorvater Peter Häberle und Zweitgutachter Rudolf Streinz wehren sich in einer Stellungnahme gegen die Vorwürfe, sie hätten die Dissertation zu wenig geprüft. «Man sollte sich stets vor Augen halten, dass die Überprüfung von Dissertationen mit technischen Mitteln 2006 nicht üblich war und bis heute verbreitet (noch) nicht üblich ist. Zudem war die Erkennung von Plagiaten 2006 mit den seinerzeit vorhandenen technischen Mitteln kaum möglich.»
Plagiat-Software gibt es seit Jahren
Christian Sengstag von der Universität Basel kann die Rechtfertigung der Guttenberg-Professoren nur teilweise nachvollziehen. «Dass es 2006 keine Plagiats-Software gab, stimmt natürlich nicht. Ich war damals noch an der ETH Zürich und dort wurde über den Einsatz solcher Software diskutiert.» Es könne sein, dass die Programme damals noch nicht so ausgereift waren, aber selbst mit Google hätte man die kopierten Textstellen vermutlich gefunden. Unverständlich ist für Sengstag, dass den beiden Gutachtern die Stilbrüche nicht aufgefallen sind. «Guttenberg zitierte verschiedene Autoren ohne Quellenangabe. Da hätte man skeptisch werden müssen und ein paar Sätze mit einer Plagiats-Software oder Google überprüfen müssen.»
Ziemlich perplex reagierten denn auch Plagiatsjäger wie Debora Weber-Wulff, Professorin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, als sie von der Professoren-Erklärung erfuhr: «Bei dem Ausmass des Plagiats hätte man beliebige Seiten aus der Dissertation Guttenbergs nehmen können und hätte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit etwas gefunden», sagte sie dem «Spiegel».
Sie testet seit fast zehn Jahren Plagiatssoftware und kommt immer wieder zu dem Ergebnis: Googeln bringt mehr. Bereits im Jahr 2003 schrieb sie in der Professoren-Zeitschrift «Forschung und Lehre» über die Jagd auf Plagiatoren: «Es ist keine besondere Software dafür notwendig, eine gute Suchmaschine wie www.google.de reicht, und etwas Geschick bei der Eingabe von Suchbegriffen.»
Doktorierende haben wenig zu befürchten
Dass es auf Stufe einer Doktorarbeit keine Plagiats-Kontrolle gab, scheint unverständlich, da sogar an manchen Schulen seit Jahren die Arbeiten der Schüler mit Programmen wie "Docoloc" geprüft werden. Es scheint, Schüler stehen unter Generalverdacht, während Doktorierende oft ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Doktorvater haben und deshalb nicht so genau hingeschaut wird. «Es mag stimmen, dass Doktorarbeiten nicht systematisch mit Software überprüft wurden. Vor einigen Jahren wurde dies nicht als dringend erachtet», so Sengstag. Die Universität Basel setze beispielsweise am Englischen Seminar seit Jahren die webbasierte Plagiats-Software «Turnitin» ein, Doktorarbeiten seien aber bislang nur auf Verdacht hin kontrolliert worden. Würden Studenten beim Schummeln erwischt, führe dies je nach Schwere des Vergehens und abhängig von der Fakultät zur Ablehnung der Arbeit bis zum Verweis von der Uni.
An Schweizer Unis haben Doktoranden auch nach Guttenberg nicht allzu viel zu befürchten: «Nur an der Universität St. Gallen werden alle Arbeiten geprüft», sagt Urs Dahinden von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Chur. Das Prüfen sei zeitintensiv und die Professoren wollten wohl auch das Vertrauensverhältnis zu ihren Doktoranden nicht gefährden. Für Dahinden wäre es daher am sinnvollsten, konsequent alle Arbeiten zu prüfen.>
Kommentar: Gaukler und Kopierer
Wenn alle Doktorarbeiten überprüft werden, dann wird sich in der hohen Politik und Wirtschaft noch so einiges bewegen. Und dann wissen wir, dass die Welt von Gauklern und Kopierern regiert wird.
Michael Palomino, 8.3.2011
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9.3.2011: <Plagiatsaffäre: Guttenberg soll bei Doktorvater abgeschrieben haben>
aus: Spiegel online; 9.3.2011; http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,749898,00.html
<DPAHat Ex-Minister Guttenberg sogar aus dem Buch seines Doktorvaters Häberle abgekupfert? Ein neuer Bericht der Webseite GuttenPlag Wiki legt das nahe. Einige Fußnoten in dem Standardwerk und in der Promotionsschrift ähneln sich. Sogar ein Tippfehler aus Häberles Buch schaffte es in die Doktorarbeit.
Gegen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft Hof, am Rosenmontag wurde der Ex-Minster Zielscheibe für Hohn und Spott der Karnevalisten, Motto: "Kopieren statt studieren".
Ein neuer Bericht der Webseite GuttenPlag Wiki legt nun nahe, der Freiherr könnte beim Erstellen seiner Doktorarbeit sogar bei seinem Doktorvater abgekupfert haben. Guttenbergs Dissertation enthalte an 29 Stellen Fragmente aus Peter Häberles Standardwerk "Europäische Verfassungslehre", berichteten Autoren der Webseite "GuttenPlag Wiki" am Mittwoch.In der Arbeit Guttenbergs und in der 2006 erschienen 4. Auflage von Häberles Buch wollen die Plagiatjäger insgesamt 234 übereinstimmende Zeilen gefunden haben. "Wie mit einer Gießkanne" habe der Ex-Verteidigungsminister seine Dissertation mit der wissenschaftlichen Arbeit seines Doktorvaters "besprenkelt". Damit sei Häberles Buch in den Top 10 der meistkopierten Quellen.
Vgl. Häberle, "Europäische Verfassungslehre", 2006
Allerdings handelt es sich bei den Stellen nicht um Fließtext aus Häberles Buch, sondern um Fußnoten. Die Ähnlichkeiten sind jedoch äußerst auffällig: Häberle listet in einer Fußnote seines Buches "Europäische Verfassungslehre" auf Seite 76 nach der einleitenden Zeile "Aus der deutschen Lit. zu 'Maastricht'" mehrere Titel von Monografien und Aufsätzen verschiedener Autoren auf. In der Guttenberg-Doktorarbeit lautet der einleitende Satz "Vgl. insgesamt zum Maastrichter Vertrag aus der ausufernden Literatur" - danach folgt leicht umformuliert dieselbe Liste von Werken wie bei Häberle.
Die Wiki-Autoren belegen mehrere ähnliche Stellen in den Fußnoten Häberles und Guttenbergs. Die Doktorarbeit verweise damit auf wissenschaftliche Werke, die auch Häberle für wichtig erachte. Den Copy-and-Paste-Verdacht erhärte, dass sich auch ein Tippfehler aus Häberles Standardwerk in der Doktorarbeit von Guttenberg wiederfinde. In einer Fußnote steht in Häberles Original einmal ein falscher Autorenname, "R. Steinberger", neben einer Arbeit zum Maastricht-Vertrag. Im Rest des Häberle-Buches werde der Autor Helmut Steinberger aber korrekt als "H. Steinberger" abgekürzt.
Im Werk Guttenbergs dagegen findet sich die falsche Namensnennung "R. Steinberger" nicht nur in der Fußnote, sondern auch im Literaturverzeichnis der Doktorarbeit wieder. Für die Wiki-Autoren ein Hinweis, dass Guttenberg das Original von Steinberger vermutlich nicht selbst zur Hand genommen hat, sondern die Quellenangabe seine Doktorvaters aus dessen Fußnote übernahm.
Kann das einem Doktorvater nicht auffallen?
Das Vorgehen zeige, dass "an vielen Stellen der Arbeit nicht einmal der Versuch einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung unternommen wurde", urteilen die Wiki-Autoren. Die Dokumentation und Einordnung von Quellen sei jedoch Kern wissenschaftlicher Textarbeit.
Peter Häberle, 76, Staatsrechtskoryphäe und Professor im Ruhestand, und Zweitkorrektor Rudolf Streinz, geboren 1953, Professor für Öffentliches Recht an der LMU München, antworten auf die Frage, warum ihnen die vielen fragwürdigen Stellen nicht aufgefallen waren, seit Beginn der Guttenbergschen Plagiatsäffäre schmallippig. "Ich habe zu sehr vertraut", sagte Streinz im SPIEGEL-ONLINE-Interview. In einer gemeinsamen Stellungnahme am Montag wiesen Streinz und Häberle die Verantwortung weitgehend von sich. Zu der vielfach gestellten Frage, wie ihnen die vielen inzwischen dokumentierten Plagiate entgehen konnten, kommt nun wohl eine weitere: Kann ein Doktorvater übersehen, wenn sich ein Promovend in dessen eigenem Standardwerk bedient?Im GuttenPlag Wiki überprüfen Internetnutzer gemeinsam Guttenbergs Doktorarbeit. Durch die zahlreichen Funde war der Druck auf den Politiker stark gewachsen. Er trat Anfang März zurück. Parallel wird die Arbeit derzeit noch von der fünfköpfigen Kommission für Selbstkontrolle in der Wissenschaft an der Universität Bayreuth überprüft. Diese Ermittlungen können sich noch Monate hinziehen. Zentrale Frage: Gab es bei Guttenbergs zweifelfrei unsauber erstellten Arbeit einen Täuschungsvorsatz? Die Universität selbst war auf diese Frage nicht eingegangen, als sie Guttenberg auf dessen Anregung hin den Titel aberkannt hatte.
Die deutsche Öffentlichkeit ist offenbar bereit, Guttenberg seine wissenschaftlichen Fehltritt zu verzeihen. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" ergab: 62 Prozent der Deutschen wünschten sich den gefallenen Minister zurück. Paradoxerweise halten 69 Prozent den Rücktritt allerdings für richtig. Allerdings gibt es auch deutlichen Widerstand gegen eine Guttenberg-Rückkehr in allen Lagern. So ist ein Fünftel der CDU-Anhänger und sogar jeder Vierte CSU-Anhänger dagegen, dass der Freiherr wieder ein politisches Amt übernimmt.
cht/fln/dpa>
Auch der Stern kommentierte den Verdacht, dass Fälscher Guttenberg sogar beim Doktorvater abgeschrieben hat:
9.3.2011: <Plagiats-Affäre: Guttenberg schrieb Fussnoten von Doktorvater ab> - "wie mit einer Giesskanne" - Guttenberg hat keine wissenschaftliche Arbeit geleistet
aus: Stern online; 9.3.2011;
http://www.stern.de/politik/deutschland/plagiats-affaere-guttenberg-schrieb-fussnoten-von-doktorvater-ab-1661678.html#utm_source=sternde&utm_medium=zhp&utm_campaign=politik&utm_content=snippet-aufmacher
<In Sachen zu Guttenberg kehrt auch nach seinem Rücktritt als Verteidigungsministers keine Ruhe ein. Die neueste Entdeckung des Internet-Blogs Guttenplag Wiki: Der Ex-Doktor hat sich bei den Fußnoten sogar bei seinem Doktorvater, Peter Häberle, bedient. An 29 Stellen sollen die Texte nahezu identisch sein.Auch bei seinem Doktorvater hat Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angeblich massiv abgekupfert. Die Dissertation des ehemaligen Verteidigungsministers enthalte an 29 Stellen Fragmente aus Peter Häberles Standardwerk "Europäische Verfassungslehre", ohne dass die Quelle ausreichend genannt sei, berichtete das Guttenplag-Wiki am Mittwoch. Dabei habe Guttenberg 234 Zeilen kopiert. "Guttenbergs Gießkanne" nennt der Blog die jüngste Entdeckung. "Wie mit einer Gießkanne" soll zu Guttenberg seine Dissertation mit der wissenschaftlichen Arbeit seines Doktorvaters "besprenkelt" haben.
Die Übernahmen finden sich dem Bericht zufolge vor allem in den Fußnoten. Dadurch verweise die Arbeit auf viele wissenschaftliche Werke, die Häberle für wichtig erachte, schreiben die Wiki-Autoren. Die Dokumentation und Einordnung von Quellen sei jedoch Kern wissenschaftlicher Textarbeit. "Das hier dokumentierte Vorgehen zeigt, dass an vielen Stellen der Arbeit nicht einmal der Versuch einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung unternommen wurde."
In dem Wiki überprüfen Internetnutzer gemeinsam Guttenbergs Doktorarbeit. Durch die zahlreichen Funde war der Druck auf den Politiker stark gewachsen. Er trat Anfang März zurück.>
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Pflichterfüllung 12.3.2011: Guttenberg entschuldigt sich bei Wissenschaftlern des Bundestages
aus: n-tv online: Bei Wissenschaftlern des Bundestages: Guttenberg entschuldigt sich; 12.3.2011;
http://www.n-tv.de/politik/Guttenberg-entschuldigt-sich-article2821386.html
<In seiner Doktorarbeit hatte der ehemalige Verteidigungsminister Guttenberg auch Arbeiten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages verwendet, ohne auf die Quelle hinzuweisen. Nun entschuldigt sich der CSU-Politiker "aufrichtig". Eine Erklärung für die Plagiate gibt er allerdings nicht.Guttenberg will nun an einem Buch arbeiten.
Der als Minister zurückgetretene Karl-Theodor zu Guttenberg hat nach einem "Focus"-Bericht Wissenschaftler des Bundestags wegen der unrechtmäßigen Verwendung ihrer Texte in seiner Doktorarbeit um Entschuldigung gebeten.In seinem dem Magazin vorliegenden Schreiben gab der Ex-Verteidigungsminister zu, er habe Teile aus "den von Ihnen geschriebenen" Texten für seine Dissertation "wörtlich übernommen, ohne Ihre Autorenschaft in wissenschaftlich redlicher Weise zu kennzeichnen". Dafür wolle er "persönlich aufrichtig um Entschuldigung bitten". Eine Erklärung lieferte der CSU-Politiker dem Bericht zufolge nicht.
Die Schreiben sind jeweils persönlich adressiert, die Anrede ist handschriftlich, wie das Magazin weiter schrieb. Es geht insgesamt um sechs Expertisen des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags.
Guttenberg war zurückgetreten, weil ein Großteil seiner Doktorarbeit aus nicht gekennzeichneten Texten fremder Autoren besteht. Die Universität Bayreuth hatte ihm deshalb den Titel aberkannt. Sie prüft ebenso wie die Staatsanwaltschaft Hof, ob Guttenberg als Doktorand vorsätzlich getäuscht hat.
dpa>
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Pflichterfüllung 20.3.2011: <Plagiatsvorwürfe: Guttenberg entschuldigt sich bei Redaktorin>
aus: 20 minuten online; 20.3.2011;
http://www.20min.ch/news/schweiz/story/Guttenberg-entschuldigt-sich-bei-Redaktorin-22102505
<In einem Brief bittet der zurückgetretene deutsche Verteidigungsminister eine Journalistin der «NZZ am Sonntag» für das unerlaubte Abschreiben aus ihrer Arbeit um Verzeihung.Der zurückgetretene deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich bei Klara Obermüller, Autorin der «NZZ am Sonntag», entschuldigt. In einem Brief an die Journalistin schreibe zu Guttenberg: «Sehr geehrte Frau Obermüller, beim Verfassen meiner Dissertation habe ich Ihren Text 'Gott hat keinen Platz in der europäischen Verfassung' genutzt und daraus Teile wörtlich übernommen, ohne Ihre Autorenschaft in wissenschaftlich redlicher Weise zu kennzeichnen. Ich möchte mich hierfür aufrichtig bei Ihnen entschuldigen.»
Der Ex-Minister geriet ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit und der Wissenschaft nachdem bekannt wurde, dass Teile seiner Doktorarbeit abgeschrieben waren. Eine der ersten, die auf ein Plagiat in seiner Dissertation stiess, war Obermüller. Sie machte dies publik und brachte damit den Stein noch mehr ins Rollen. Der Artikel der Autorin aus der «NZZ am Sonntag» vom 22. Juni 2003 gehörte zu den ersten Beweisen, dass der frühere deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg seine Dissertation mehrheitlich abgeschrieben hatte.
Der Artikel befasste sich mit der Frage, ob der Verzicht auf die Anrufung Gottes in der europäischen Verfassung richtig sei. Zu Guttenberg hatte anfänglich alle Plagiatsvorwürfe weit von sich gewiesen. Nachdem aber immer mehr Stellen aufgetaucht waren, die nicht aus der Feder des adeligen Politikers stammten, musste er sein Amt schliesslich abgeben.
(oku)>
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8.4.2011: Die Universität Bayreut schlussfolgert: <"Absichtlich getäuscht": Uni fällt Urteil über Guttenberg>
aus: n-tv online; 8.4.2011; http://www.n-tv.de/politik/Uni-faellt-Urteil-ueber-Guttenberg-article3059141.html
<Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Guttenberg hat bei seiner Doktorarbeit absichtlich getäuscht. Zu diesem Urteil kommt die Universitätskommission der Uni Bayreuth, die den Plagiatsfall prüft. Der offizielle Bericht erscheint Ende April. Guttenbergs Anwälte wollen eine Veröffentlichung des Berichts verhindern.
Karl-Theodor zu Guttenberg hat nach Einschätzung der Universität Bayreuth bei seiner Doktorarbeit absichtlich getäuscht. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Die zuständige Universitätskommission, die den Plagiatsfall prüft, habe ihre Arbeit weitgehend abgeschlossen. Der offizielle Bericht soll Ende April fertig sein.
Nach Angaben der Universität erheben Guttenbergs Anwälte Einwände gegen eine Veröffentlichung des Berichts. Uni-Präsident Rüdiger Bormann sagte dem "Tagesspiegel", er hoffe, dass Guttenberg einer Veröffentlichung der Untersuchung doch noch zustimmen werde. "Wir möchten das Ergebnis - auch zur Frage des Täuschungsvorsatzes - öffentlich machen." Er sehe in dem Verhalten des Politikers einen "vollkommenen Widerspruch" zu dessen Rücktrittsrede, in der er Aufklärung versprochen hatte. "Es besteht ein ganz starkes öffentliches Interesse, wie die Uni den Vorfall bewertet." Guttenberg sei für eine Stellungnahme nicht zu erreichen gewesen, schrieb der "Tagesspiegel".
Der Minister hatte stets bestritten, absichtlich getäuscht zu haben. Sein Doktorvater Peter Häberle sagte der "SZ", er sei von Guttenberg "existentiell enttäuscht". Guttenberg habe Häberle einen Brief geschrieben, in dem er sich für das "Ungemach" entschuldige, das er ihm bereitet habe.
Guttenberg bleibt politisch aktiv
Guttenberg hatte am 3. März betont, sein Rücktritt umfasse neben seinem Ministeramt und seinem Bundestagmandat auch den CSU-Bezirksvorsitz. Zugleich erklärte er, er werde seiner Verantwortung für seine Heimat weiter nachkommen und Oberfranken nicht im Stich lassen. Deshalb werde er auch sein Bürgerbüro in Kulmbach auf eigene Kosten bis zum Jahr 2013 weiter betreiben. Die Parteibasis hatte Guttenberg bei einer Sympathiekundgebung aufgefordert, bei der Wahl in zweieinhalb Jahren wieder für den Bundestag zu kandidieren.
dpa>
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9.4.2011: Die Staatsanwaltschaft Hof will eine Anklage von Fälscher Guttenberg vermeiden
aus: n-tv online: Plagiatsfall Guttenberg: Anklage so gut wie vom Tisch; 9.4.2011;
http://www.n-tv.de/politik/Anklage-so-gut-wie-vom-Tisch-article3062506.html
<Die Uni Bayreuth will ihren Bericht über die Plagiats-Dissertation von Ex-Minister Guttenberg nun offenbar doch veröffentlichen. Guttenbergs Anwälte versuchen, dies zu verhindern. Gute Nachrichten gibt es für den CSU-Politiker dagegen aus Hof: Die Staatsanwaltschaft will eine Anklage gegen Guttenberg offenbar vermeiden.
Peinlich für den Verfasser, peinlich für die Uni: Die Dissertation ist zu großen Teilen einfach abgeschrieben.
Die Universität Bayreuth will trotz der Intervention von Karl Theodor zu Guttenberg ihre Untersuchungsergebnisse über die Doktorarbeit des Ex-Verteidigungsministers veröffentlichen. "Wir wollen eine klare Aussage zum wissenschaftlichen Fehlverhalten zu Guttenbergs treffen und das Thema öffentlich aufarbeiten", sagte Unisprecher Frank Schmälzle.Schmälzle bestätigte Medienberichte, nach denen Guttenbergs Anwälte die Hochschule gebeten hätten, den Kommissionsbericht über die Plagiatsvorwürfe nicht zu veröffentlichen.
Gleichzeitig gibt es gute Nachrichten für Guttenberg: Nach einem Bericht des "Spiegel" ist eine Anklage wegen seines offenkundigen Plagiats wahrscheinlich vom Tisch. Wie das Magazin vorab berichtet, könnte das in Hof gegen Guttenberg laufende Verfahren wegen mangelnden öffentlichen Interesses eingestellt werden.
Staatsanwaltschaft sucht Präzedenzfälle
Die Staatsanwaltschaft Hof sieht gegen Guttenberg den dringenden Verdacht auf Urheberrechtsverletzungen und ermittelt deshalb seit mehreren Wochen gegen ihn. Wie der "Spiegel" nun unter Berufung auf Münchner Strafverteidiger berichtete, sucht die bayerische Justiz derzeit nach Präzedenzfällen, in denen Ermittlungen wegen Urheberrechtsverletzungen eingestellt wurden, weil kein öffentliches Interesse bestand. Von den in Hof vorliegenden rund 100 Strafanzeigen gegen Guttenberg stamme keine von den von den Plagiaten betroffenen Autoren. Deswegen sei ein öffentliches Interesse für eine Strafverfolgung nötig.
Guttenberg hatte am 1. März wegen anhaltender Kritik im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit seinen Rücktritt erklärt und sich danach von allen politischen Ämtern zurückgezogen. Die an der Universität Bayreuth von Guttenberg abgegebene Dissertation war zu großen Teilen abgeschrieben.
Kein "Versehen"
Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" geht die Uni Bayreuth davon aus, dass Guttenberg absichtlich getäuscht hat. Das Blatt beruft sich dabei auf die zuständige Universitätskommission, die den Plagiatsfall prüft. Diese habe ihre Arbeit weitgehend abgeschlossen; der offizielle Bericht soll Ende April fertig sein.
Der "Tagesspiegel" hatte berichtet, der Universitätsleitung liege ein Brief des Guttenberg-Anwalts vor, in dem dieser Vorbehalte gegen eine Veröffentlichung äußere und dabei auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte seines Mandanten verweise. Uni-Präsident Rüdiger Bormann sagte dazu dem "Tagesspiegel", er hoffe, dass Guttenberg es sich noch anders überlege.
Er sehe in Guttenbergs Verhalten einen "vollkommenen Widerspruch" zu dessen Rücktrittsrede, in der er Aufklärung versprochen hatte. "Es besteht ein ganz starkes öffentliches Interesse, wie die Uni den Vorfall bewertet", sagte Bormann dem Blatt. Anders als Hochschulsprecher Schmälzle sagte Bormann, falls Guttenberg bei seinen Vorbehalten bleibe, werde die Uni den Bericht nicht veröffentlichen.
hvo/dpa/AFP>
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30.4.2011: Guttenberg bestreitet "vorsätzliches, wissenschaftliches Fehlverhalten"
aus: Wetl online: Plagiatsvorwurf: Guttenberg sprichgt von einem "Missverständnis"; 30.4.2011;
http://www.welt.de/politik/deutschland/article13311892/Guttenberg-spricht-von-einem-Missverstaendnis.html
<Ex-Verteidigungsminister Guttenberg hat sich gegenüber der Uni Bayreuth zu seiner Doktorarbeit geäußert. Die Stellungnahme war kurz vor Ablauf der Frist eingegangen.
Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat in seiner Stellungnahme zu den Plagiatsvorwürfen im Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit nach "Spiegel"-Informationen von einem "Missverständnis" gesprochen. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags habe er nur für seine Abgeordnetentätigkeit verwendet, schrieb er nach Angaben des Magazins in dem dreiseitigen Fax an die Prüfungskommission der Universität Bayreuth.
Die Arbeiten seien überwiegend in den Jahren 2003 und 2004 entstanden, die Dissertation habe er 2006 abgegeben, betonte Guttenberg demnach in der Stellungnahme. Aus dieser "zeitlichen Abfolge" lasse sich jedoch nicht auf ein "vorsätzliches wissenschaftliches Fehlverhalten" schließen, betonte der Ex-Verteidigungsminister.
Die Stellungnahme war kurz vor dem Ablaufen einer Frist am vergangenen Mittwoch bei der Kommission zur Selbstkontrolle der Wissenschaften der Universität eingegangen. Zum Inhalt gab es bislang keine Informationen. Die Kommission prüft, in wieweit Guttenberg große Teile seiner Doktorarbeit bewusst abgeschrieben hat. Die Ergebnisse und Konsequenzen aus dem wissenschaftlichen Fehlverhalten des Ex-Ministers sollen Mitte Mai der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Obwohl seine Anwälte vor gut zwei Wochen überraschend Vorbehalte gegen die Veröffentlichung des Berichts der Selbstkontrollkommission anbrachten, soll Guttenberg nun in der Stellungnahme betont haben, dass er der Veröffentlichung zugestimmt habe.
Guttenberg war wegen der Vorwürfe, er habe zahlreiche Passagen seiner Doktorarbeit von anderen Autoren übernommen und dies nicht gekennzeichnet, Anfang März von allen politischen Ämtern zurückgetreten. Die Uni Bayreuth erkannte Guttenberg den Doktortitel ab. Die Staatsanwaltschaft Hof ermittelt gegen ihn.
dpa/mst>
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6.5.2011: <Falscher Doktor: Guttenberg hat mit Absicht getäuscht>
aus: 20 minuten online; 6.5.2011;
http://www.20min.ch/news/ausland/story/Guttenberg-hat-mit-Absicht-getaeuscht-22029984
<Überführt: Der frühere deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat in seiner Doktorarbeit «vorsätzlich getäuscht».
Allen Beteuerungen des ehemaligen deutschen Verteidigungsministers zum Trotz: Laut Universität Bayreuth hat sich Karl-Theodor zu Guttenberg den Doktortitel bewusst erschwindelt.
Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) soll in seiner Doktorarbeit «vorsätzlich getäuscht» haben. Zu diesem Ergebnis sei die zuständige Kommission «Selbstkontrolle in der Wissenschaft» nach einer knapp dreimonatigen Prüfung der Arbeit gekommen, teilte die Universität Bayreuth am Freitag mit.
Im Abschlussbericht des Gremiums heisst es demnach: «Nach eingehender Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vorwürfe stellt die Kommission fest, dass Herr Freiherr zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat.»
«Bewusstes Vorgehen vorausgesetzt»
Guttenberg soll weite Teile seiner Doktorarbeit aus anderen Quellen abgeschrieben haben, ohne dies kenntlich zu machen. Dem Gutachten zufolge finden sich in der gesamten Dissertation Stellen, die als Plagiat zu qualifizieren seien. Besonders deutlich lasse sich dies anhand der verwendeten Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages veranschaulichen. «Guttenberg habe sich immer wieder die Autorschaft angemasst, was bewusstes Vorgehen voraussetzt», urteilt die Kommission. Dafür sprächen eine Vielzahl von Indizien - etwa Umformulierungen der Originaltexte, Umstellung der Syntax, Verwendung von Synonymen sowie einzelne Auslassungen.
Der vollständige Bericht, der etwa 40 Seiten und mehrere Anlagen umfassen soll, wird am kommenden Mittwoch (11. Mai) im Internet veröffentlicht. Am selben Tag will die Uni Bayreuth auf einer Pressekonferenz über die Arbeit der Kommission berichten. Guttenberg habe mit seiner Zustimmung zur Veröffentlichung des Berichts einen «entgegenkommenden Verzicht auf seine Persönlichkeitsrechte im Interesse der Aufklärung des Sachverhalts zum Schutze des Ansehens der Universität Bayreuth» geleistet, hiess es weiter.
Gutachter entlastet
Die Kommission habe darüber hinaus das konkrete Promotionsverfahren untersucht. Dabei sei keine Mitverantwortung des Doktorvaters Peter Häberle und des Zweitgutachters Rudolf Streinz festgestellt worden. Allerdings hätte die Bewertung der Arbeit mit der Bestnote «Summa cum laude» ausführlicher begründet werden müssen.
Guttenberg hatte gravierende Fehler in seiner Dissertation eingeräumt, eine bewusste Täuschung jedoch immer bestritten. Anfang März war der CSU-Politiker vom Amt des Verteidigungsministers zurückgetreten. Zuvor hatte ihm die Universität Bayreuth seinen Doktortitel auf eigenen Wunsch hin aberkannt.
(dapd)>-----
<Der Ex-Verteidigungsminister gibt an, bei seiner Doktorarbeit an beruflicher und familiärer Überforderung gescheitert zu sein. Er attestiert sich selbst eine teilweise chaotische Arbeitsweise. Doch die Uni nimmt ihm den "Zustand der Dauervergesslichkeit" nicht ab.
11.5.2011: Guttenberg meint, er habe mit der Familie zu viel Stress gehabt und habe deswegen abgeschrieben
aus: Financial Times Deutschland online: Plagiatsvorwürfe: Guttenberg macht sich zum Stressopfer seiner Familie; 11.5.2011;
http://www.ftd.de/politik/deutschland/:plagiatsvorwuerfe-guttenberg-macht-sich-zum-stressopfer-seiner-familie/60050648.html
Der frühere CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg erklärt die vielen Fehler in seiner Dissertation mit beruflichem und familiärem Dauerstress. Das geht aus dem Bericht der Prüfkommission der Universität Bayreuth hervor. Erstmals werden Einzelheiten aus Guttenbergs Stellungnahme zu den Vorwürfen bekannt. Der CSU-Politiker räumte eine "ungeordnete Arbeitsweise" mit "gelegentlich chaotischen Zügen" ein. Eine vorsätzliche Täuschung bestreitet Guttenberg nach wie vor.Die Kommission wies die Argumentation des früheren Verteidigungsministers zurück. Wer jahrelang akzeptiere, dass er Sorgfaltsstandards nicht einhält, "handelt nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, weil er die Sorgfaltswidrigkeit zum bewussten Arbeitsstil erhebt", heißt es in dem Bericht. Die Hochschule hatte dem Politiker den Doktortitel vor Wochen aberkannt, nachdem Guttenberg versucht hatte, die Affäre loszuwerden, in dem er darauf verzichten wollten, sich weiterhin Doktor zu nennen. Hinweise auf einen Ghostwriter bei der Doktorarbeit gab es nach Angaben der Universität nicht.
Wie aus dem mehr als 40-seitigen Bericht der Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft" hervorgeht, wollte Guttenberg weder die Erwartungshaltung seiner Familie noch seines Doktorvaters enttäuschen. "Ich wollte mir eine Schwäche nicht eingestehen", wird er zitiert. All dies habe sich über Jahre in einer Situation abgespielt, in der die - durch die Übernahme neuer beruflicher Tätigkeiten und politischer Ämter entstandene - "vielfache Arbeitsbelastung" ihm teilweise über den Kopf gewachsen sei.
Die Hochschule hält das nicht für plausibel: "Die Kommission vermag nicht nachzuvollziehen, dass jemand, der über Jahre Quellen für seine Dissertation bearbeitet, derart in einen Zustand der Dauervergesslichkeit gerät, dass ihm die allerorten in seiner Arbeit nachweisbaren Falschangaben vollständig aus dem Bewusstsein geraten."
Der Vorsitzende der Kommission, Stephan Rixen, sagte, die Kommission sei kein Guttenberg-Tribunal. Sie wolle aber auch nichts weichspülen und reinwaschen. Fest stehe, dass über alle Teile der Arbeit Plagiate festgestellt worden seien. "Angesichts der Fülle der Einzelplagiate kann man nicht mehr von bloßen Bagatellverstößen sprechen", heißt es in dem Bericht. "Nach allen bekannten Erfahrungen des Wissenschaftsbetriebs hält es die Kommission für ausgeschlossen, dass jemand, der dauerhaft, wenngleich auch mit Unterbrechungen an seiner Dissertation arbeitet, insbesondere vergisst, dass weichenstellende Passagen seiner Arbeit, etwa die Einleitung seiner Dissertation, von anderen Autoren stammen.">
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11.5.2011: Wenn Guttenberg einen solchen Familienstress hat, dann ist er als Minister sicher eine Fehlbesetzung
aus: Financial Times Deutschland online: Plagiatsaffäre: Peinlich, peinlicher, Guttenberg; 11.5.2011;
http://www.ftd.de/politik/deutschland/:plagiatsaffaere-peinlich-peinlicher-guttenberg/60050726.html
<Kommentar Mit dem Prüfbericht der Universität Bayreuth rückt ein Comeback des CSU-Politikers in weite Ferne. Sein Versuch, sich als Stressopfer darzustellen, lassen ihn ungeeignet für ein politisches Amt erscheinen.
Das Urteil der Prüfkommission der Universität Bayreuth ist deutlich: Karl-Theodor zu Guttenberg hat in seiner Doktorarbeit vorsätzlich getäuscht. Das war allerdings schon bekannt. Brisanz erhält der 40-seitige Abschlussbericht der Kommission, weil darin erstmals Guttenbergs Stellungnahme zu den Vorwürfen bekannt wird.
Seine Erklärungsversuche muten peinlich an. Wegen des familiären und beruflichen Dauerstresses will der Ex-Verteidigungsminister den Überblick über sein Werk verloren haben. Um die Erwartungen seiner Familie zu erfüllen und den Doktorvater Peter Häberle nicht zu enttäuschen, habe er die Geschichte trotzdem durchgezogen.
Das Eingeständnis, vorsätzlich getäuscht zu haben, fehlt wie schon in früheren Erklärungen des CSU-Politikers. Stattdessen sind die hohe Arbeitsbelastung und eine zum Teil "chaotische Arbeitsweise" schuld an dem Desaster. Guttenberg - ein Opfer der Umstände.
Mit bewundernswerter Klarheit schlägt die Kommission ihm seine Argumente um die Ohren. "Wer jahrelang akzeptiert, dass er Sorgfaltsstandards nicht einhält, handelt nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, weil er die Sorgfaltswidrigkeit zum bewussten Arbeitsstil erhebt", befindet die Hochschule mit vernichtender Schärfe.
Das Urteil über den Wissenschaftler Guttenberg ist damit gesprochen. Das juristische Nachspiel wird noch folgen. Aber schon jetzt stellt sich die Frage, ob so einer sich Hoffnungen auf ein politisches Comeback machen darf beziehungsweise kann. In der CSU gibt es bereits erste Absetzbewegungen. Der strahlende Held hat ein paar hässliche Narben abbekommen.
Außerdem stimmt es bedenklich, dass sich Guttenberg selbst attestiert, an Überforderung und Stress gescheitert zu sein. Eignet er sich damit für ein hochrangiges politisches Amt? Minister sind schließlich im Dauerstress. Es wäre wohl besser, das Kapitel Guttenberg an dieser Stelle zu schließen.>
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17.7.2011: Guttenberg benutzte auch die Neue Zürcher Zeitung (NZZ)
aus: Basler Zeitung online: Guttenberg soll bei der "NZZ am Sonntag" abgeschrieben haben; 17.7.2011;
http://bazonline.ch/ausland/europa/Guttenberg-soll-bei-der-NZZ-am-Sonntag--abgeschrieben-haben/story/18445937
<Die Süddeutsche Zeitung hat Guttenbergs Doktorarbeit und den NZZ-Artikel gegenübergestellt.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat womöglich seine Doktorarbeit teilweise abgeschrieben. Nach Angaben des Bremer Juraprofessors Andreas Fischer-Lescano hat der CSU-Politiker in seiner Dissertation einige Passagen wortwörtlich von anderen Autoren übernommen, ohne dies wie vorgeschrieben zu kennzeichnen. Die Arbeit sei an mehreren Stellen «ein dreistes Plagiat» und «eine Täuschung», sagte Fischer-Lescano der «Süddeutschen Zeitung». Der Minister verwahrte sich gegen die Vorwürfe, die von der Universität Bayreuth derzeit geprüft werden.
Ein Universitätssprecher sagte: «Wir nehmen das zur Kenntnis und wir nehmen das ernst.» Zu inhaltlichen Fragen oder möglichen Konsequenzen wolle man sich derzeit nicht äussern. Guttenberg hatte die Arbeit 2006 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eingereicht und dafür die Bestnote summa cum laude erhalten.
Aus der «NZZ am Sonntag» kopiert
Fischer-Lescano hatte bei einer Google-Recherche herausgefunden, dass sich Textduplikate durch die gesamte Arbeit ziehen. Die Stellen, an denen sich ohne Nachweis wortgleiche Parallelen mit fremden Texten finden, umfassen demnach mehrere Seiten. Offensichtlich kopierte Abschnitte, die die SZ abdruckte, sollen aus der «NZZ am Sonntag» und einem Vortrag am Liechtenstein-Institut stammen.
Beim abgeschriebenen Abschnitt aus der «NZZ am Sonntag» handelt es sich laut der «Süddeutschen Zeitung» um einen Artikel der Schweizer Journalistin Klara Obermüller aus dem Jahr 2003. So hat Guttenberg in seiner Doktorarbeit gleich eine längere Passage des Artikels übernommen und dabei nur das Wort «möglicherweise» selbst hinzugefügt. Einen Einschub der Autorin soll er in eine Fussnote verlagert haben.
Gegenüber Blick.ch kommentiert Klara Obermüller die Plagiatsvorwürfe so: «Wie kann man nur so dumm sein?». Und weiter: «Ich verstehe nicht, warum er es nötig hatte, zu klauen.»
Plagiatsvorwürfe sind «abstrus»
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg verwahrt sich gegen Plagiatsvorwürfe. «Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus», sagte der CSU-Politiker in Berlin. Er sei aber durchaus bereit, zu prüfen, ob bei über 1200 Fussnoten und 475 Seiten «vereinzelt Fussnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten». Dies würde bei einer Neuauflage berücksichtigt werden.
Zugleich trat Guttenberg weiteren möglichen Vorwürfen entgegen: «Sollte jemand auf die Idee kommen, zu behaupten, Mitarbeiter meiner Büros hätten an der wissenschaftlichen Erarbeitung meiner Dissertation mitgewirkt, stelle ich fest: Dies trifft nicht zu», sagte er. Unmissverständlich machte der Minister die Urheberschaft seiner Doktorarbeit klar: «Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung.»
Das Vorgehen der Fakultät
In der Promotionsordnung der Fakultät heisst es, der Bewerber für einen Doktortitel müsse erklären, dass er die Dissertation selbstständig verfasst und keine anderen als die von ihm angegebenen Hilfsmittel benutzt hat. Der Universitätssprecher erklärte, der erste Schritt sei nun, zu prüfen, ob die Vorwürfe gerechtfertigt seien. Im möglichen nächsten Schritt gehe es dann um die Frage «Welches Gewicht haben möglicherweise nicht als Zitate gekennzeichnete Passagen innerhalb der gesamten Arbeit?» und schliesslich: «Gibt es Anhaltspunkte für planmässiges oder absichtliches Handeln?» (jak /AFP)>
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2.9.2011: Guttenberg: Vater fordert Söhnchen
aus: Welt online: Das endgültige Verdikt über Guttenberg steht aus; 2.9.2011;
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13581296/Das-endgueltige-Verdikt-ueber-Guttenberg-steht-aus.html
<Der Vater fordert den Sohn auf, die Familie zu rehabilitieren. Dabei steht die Einschätzung der Staatsanwaltschaft noch aus.
Der „Verlust der Glaubwürdigkeit“, hat Enoch zu Guttenberg geschrieben, „wäre der Verlust der Identität der Familie“. Der Vater hat diesen Satz nun in der Talkshow „Beckmann“ auf seinen Sohn gemünzt und ihn öffentlich aufgefordert, die Glaubwürdigkeit des Namens Guttenberg „wie auch immer wiederherzustellen“.
Die Identität einer alten Familie zerstört zu haben ist der schwerste Vorwurf, den ein Vater in diesen Kreisen seinem Sohn machen kann.
Besonders in solchen Kreisen, die wie das Haus Guttenberg am 20. Juli 1944 um der Ehre Deutschlands willen teilgenommen haben. Zum eigenen Vorteil plagiieren und so den Ruf der Familie zerstören – ein Guttenberg tut so etwas nicht, war des Vaters Botschaft.
Er hat das ausdrücklich als „liebender Vater“ gesagt. Aber die Aufforderung, den Schaden wiedergutzumachen, war unmissverständlich.
Warten auf die Staatsanwaltschaft
Die Aufforderung wäre sinnlos, wenn der Vater nicht einen Weg sähe, wie die eigene Familie vielleicht rehabilitiert werden könnte. Die Verblüffung, dass Enoch zu Guttenberg überhaupt an eine Rehabilitierung des Namens zu denken wagt, könnte Anlass zu Häme sein.
Das wäre vorschnell und ungerecht. Sein Auftritt ruft in Erinnerung, dass ein endgültiges Verdikt über die Entstehung der Doktorarbeit des Sohnes noch aussteht.
Die Universität Bayreuth hat ihr Urteil gefällt, aber es ist nach allem, was man weiß, auf Indizien gestützt. Die Staatsanwaltschaft Hof hat noch nicht gesprochen. Karl-Theodor zu Guttenberg hüllt sich seit März in Schweigen. Die Indizien gegen ihn wiegen schwer, sehr schwer sogar.
Es gibt im Leben aber Situationen, in denen das scheinbar Offenkundige nicht das tatsächlich Geschehene vollständig abbildet. Der Rechtsstaat achtet darauf.
Der Vater zu Guttenberg hofft, dass der Rücktritt und die Schande nicht das Urteil der Geschichte über seinen Sohn und den Familiennamen sein möchten. Diejenigen, die seit dem Februar mit dem Vorwurf leben, einem Blender aufgesessen zu sein, werden die Hoffnung teilen. Der Sohn hat nun das Wort.>
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14.10.2011: <Guttenberg ist aus dem Schneider> - und hat mit seiner gefälschten Doktorarbeit nicht einmal eine Vorstrafe im Register
aus: n-tv online: Ohne Vorstrafe aus der Plagiatsaffäre: Guttenberg ist aus dem Schneider; 14.10.2011;
http://www.n-tv.de/politik/Guttenberg-ist-aus-dem-Schneider-article4530806.html
<Das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg wegen der Plagiatsaffäre steht vor dem Abschluss. Wie die "Leipziger Volkszeitung" schreibt, erhebt die Staatsanwaltschaft keine Anklage gegen den einstmals beliebtesten Politiker Deutschlands. Mit einer Strafzahlung soll die Angelegenheit bereinigt werden.Der politische Schaden in der Plagiatsaffäre war immens für den einstigen CSU-Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg, doch zumindest juristisch kommt der ehemalige Verteidigungsminister wahrscheinlich glimpflich davon. Wie die "Leipziger Volkszeitung" von mit dem Ermittlungsverfahren vertrauten Personen erfahren hat, wird Guttenberg nicht strafrechtlich belangt, obgleich ein Verstoß gegen das Urheberrecht in dessen Doktorarbeit festgestellt wurde. Stattdessen sei eine Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung im Gespräch, schreibt das Blatt weiter.
Wie Oberstaatsanwalt Reiner Laib von der Staatsanwaltschaft Hof der Zeitung erklärte, sind die Ermittlungen "im Wesentlichen abgeschlossen". Eigentlich sollte das Verfahren schon im September beendet sein, doch die Urlaubs- und Krankheitssituation in der Behörde habe den Ablauf verzögert, sagte Laib weiter. Er verwehrte sich gegen Gerüchte, dass die CSU wegen des Parteitages am vergangenen Wochenende auf eine Verschleppung des Verfahrens gedrängt hätte: "Politische Pressionen sind uns keine bekannt".
Guttenberg, der seit dem Sommer in den Vereinigten Staaten lebt und arbeitet, soll laut "Leipziger Volkszeitung" schon vor einigen Wochen in vertraulicher Runde geäußert haben, dass er sich mit den Behörden "prinzipiell geeinigt" hätte. Am Ende würde die Affäre "sehr gut ausgehen". Endet das Verfahren der Staatsanwaltschaft Hof ohne Anklage oder Strafbefehl, gilt zu Guttenberg nicht als vorbestraft - ein Umstand, der ein mögliches Comeback in der politischen Arena erleichtern dürfte.
cba>
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Und so ist es um die Sicherheit der Welt bestellt - der Fälscher hat das Wort:
16.11.2011: Fälscher Guttenberg wird in Kanada für einen 75-Minuten-Vortrag als "angesehender Staatsmann" angekündigt - bei einer "Sicherheitstagung"
aus: Spiegel online: Vortrag bei Sicherheitstagung: Guttenberg kehrt auf die internationale Bühne zurück; 16.11.2011;
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,798027,00.html
<Von Matthias Gebauer
DPABerlin - Als Karl-Theodor zu Guttenberg das letzte Mal in Halifax sprach, war die Welt noch in Ordnung. Guttenberg, damals ganz frisch im Amt des Verteidigungsministers, machte 2009 beim Halifax International Security Forum eine gute Figur. "KT" parlierte in bestem Englisch und wie gewohnt mit Witz und Charme vor der erlesenen Schar von Sicherheits- und Verteidigungspolitikern.
Daheim in Deutschland arbeitete sich danach die Presse an der Frage ab, ob der Minister-Neuling und Publikumsliebling Guttenberg nicht eigentlich ein viel besserer Botschafter für Deutschland sei als Außenminister Guido Westerwelle.Am kommenden Wochenende wird Guttenberg erneut in Halifax sprechen und viel Interesse auf sich ziehen: Erstmals seit seinem Rücktritt als Verteidigungsminister und CSU-Abgeordneter im März dieses Jahres wagt sich Guttenberg im fernen Kanada auf die internationale Bühne und in die Öffentlichkeit zurück.
Veränderung bei den deutschen Streitkräften angestoßen
Angekündigt als "angesehener Staatsmann" soll der über seine in weiten Teilen abgeschriebene Doktorarbeit und seine fehlende Einsicht gestolperte Ex-Minister auf einem der Panels des Forums über die weltweite Wirtschaftskrise parlieren. 75 Minuten sind angesetzt, mit auf der Bühne sitzt ein prominenter Menschenrechtler.
Für die Macher der Konferenz spielt die etwas peinliche Vorgeschichte Guttenbergs keine größere Rolle. Im Programmheft wird er zwar korrekt nicht mehr mit einem akademischen Titel genannt. Diesen hatte er nach der Affäre rasch abgelegt. Guttenberg wird nun wie andere ehemalige Parlamentarier mit dem Prädikat "honorable" versehen.
In der Kurzbiografie wird seine kurze Zeit als Spitzenpolitiker gewürdigt, in der er mit der Bundeswehrreform eine historische Veränderung bei den deutschen Streitkräften angestoßen habe. Zudem habe er zahlreiche Artikel in nationalen und internationalen Zeitschriften über die Sicherheits- und Wirtschaftspolitik veröffentlicht, heißt es im Programm weiter.
Staatsanwaltschaft in Hof prüft immer noch
Mit dem Auftritt in Kanada beendet Guttenberg ein monatelanges Versteckspiel. Seit seinem Rücktritt war der zuvor omnipräsente Medienliebling völlig von der Bildfläche verschwunden, ließ Interviewanfragen unbeantwortet und hat sich bis heute nicht ausführlich zu der Affäre um ihn und seine Doktorarbeit geäußert.
Im Sommer schließlich zog er samt Familie nach Greenwich im US-Bundesstaat Connecticut und nahm einen Job bei dem Washingtoner Think-Tank "Center for Strategic and International Studies" an, wo er ebenfalls als "distinguished statesman" ein transatlantisches Forum leitet.In Deutschland laufen gegen Guttenberg noch immer Ermittlungen wegen Verletzung des Urheberrechts aufgrund der zahllosen Plagiate in seiner Doktorarbeit. Obwohl die Prüfung der Staatsanwaltschaft Hof schon seit mehr als einem halben Jahr andauern, hat die Behörde immer noch keine Entscheidung getroffen, ob sie Anklage erheben will oder nicht.
Immer wieder gab es Gerüchte, Guttenberg wolle das Verfahren mit einer Strafzahlung rasch beenden. Die Staatsanwaltschaft jedoch schweigt seit einigen Wochen komplett zu dem Verfahren. Man werde in "absehbarer Zeit" Ergebnisse mitteilen, heißt es dort, vor Weihnachten soll es so weit sein.>
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20.11.2011: Guttenberg als Angestellter des "Zentrum für Strategische und Internationale Studien CSIS" in Washington: Vortrag in Halifax mit dem Vorwurf, Europas Politiker erreichen die Bevölkerung nicht
aus: n-tv online: Heftige Schelte für Europas Politiker: Guttenberg ruft über den Teich; 20.11.2011;
http://www.n-tv.de/politik/Guttenberg-ruft-ueber-den-Teich-article4815426.html
<Distinguished Statesman Guttenberg in Halifax.
Ex-Verteidigungsminister Guttenberg wagt sich wieder ins Rampenlicht und startet einen Rundumschlag gegen Europas Politiker. Sie seien unfähig, die Krise zu lösen und die Menschen zu erreichen. Zu der Plagiatsaffäre um seine Dissertation äußert sich Guttenberg nicht. Journalisten meidet er regelrecht. Man muss auch dreimal hinschauen, um ihn zu erkennen.Karl-Theodor zu Guttenberg ist wieder da. Gut acht Monate nach seinem Rücktritt als Bundesverteidigungsminister trat er erstmals auf einer Veranstaltung auf und las seinen früheren Politikerkollegen in Europa gehörig die Leviten. Sie hätten die derzeitige Krise nicht im Griff und versäumten es, auf die Menschen zuzugehen, sagte auf einer Sicherheitskonferenz im kanadischen Halifax.
"Es ist nicht nur eine Eurokrise oder eine Schuldenkrise", sagte Guttenberg. "Es ist vor allem eine Krise des Verständnisses und eine Krise der politischen Führung." Die meisten Deutschen würden mit den Schultern zucken bei den drängenden Themen. "Die Deutschen haben keine Vorstellung davon, wie die Europäische Union funktioniert, wie es zu dieser Krise gekommen ist und was sie bedeutet." Die Schuld sieht er bei den Politikern. "Die Politiker erreichen die Öffentlichkeit nicht, sie erreichen die Menschen nicht."
Guttenberg nahm als Vertreter der US-Denkfabrik CSIS an einer Diskussionsrunde auf dem "Halifax International Security Forum" teil. Dabei war nicht nur sein Job neu. Guttenberg hatte auch sein Äußeres geändert und war auf den ersten Blick nur schwer zu erkennen: Die Haare sind nicht mehr nach hinten gegelt, die Brille fehlt.
Kein Wort zur Plagiatsaffäre
Zu der Plagiatsaffäre um seine Dissertation, die ihn seinen Doktortitel und den Ministerposten kostete, äußerte sich Guttenberg nicht. Journalisten mied er regelrecht. Die Staatsanwaltschaft befasst sich noch mit dem Fall. Auch zu einem möglichen Comeback, über das immer wieder spekuliert wird, schwieg er. In der CSU dürfte Guttenberg nach Äußerungen von Parteifreunden mit offenen Armen empfangen werden. Seine derzeitige Rolle scheint ihm aber zu gefallen: "Es ist großartig, im Moment aus den USA heraus auf Europa zu gucken, es ist sehr interessant."
"Es fehlt an Enthusiasmus"
Mit dem Blick des Außenstehenden kritisierte er vor allem, dass es keine langfristigen Konzepte gegen die Krise gebe. "Wir stolpern von einer Ad-hoc-Lösung in die nächste." Eigentlich habe er gedacht, es könne nicht schlimmer werden, sagte Guttenberg. "Aber vielleicht kann es doch." Guttenberg sprach davon, dass Entscheidungen "panisch" getroffen würden. Es gebe keine Idee davon, wie die Europäische Union in vielen Jahren aussehen könne. Er sieht die Gemeinschaft aber nicht grundsätzlich in Gefahr. "Sie wird es überleben, aber es fehlt der Enthusiasmus."
Guttenbergs Diskussionsrunde dauerte eineinviertel Stunden. Mit ihm auf dem Podium saß unter anderem James Hoge, Vorsitzender von Human Rights Watch. Das Publikum - mehr als 300 Leute - bestand aus Vertretern von Politik, Militär und Wissenschaft. Zu den prominentesten Rednern gehörten US-Verteidigungsminister Leon Panetta und sein israelischer Kollege Ehud Barak.
In der Rednerliste wurde Guttenberg – korrekt ohne Doktortitel – als "angesehener Staatsmann" ("Distinguished Statesman") aufgeführt. Er habe über die Plagiatsaffäre gelesen, sagte Forumsleiter Peter Van Praagh auf Nachfrage. Das sei für ihn aber kein Thema. "Es geht um seine Erfahrung, deshalb wollen ihn die Leute hören", sagte Van Praagh.
Für Guttenberg gestaltete sich die Visite in Halifax quasi als Heimspiel. Er war mitsamt seiner Familie im Sommer in die USA umgezogen und lebt nun im Bundesstaat Connecticut vor den Toren der Millionenmetropole New York. Sein neuer Arbeitgeber sitzt in Washington: das Zentrum für Strategische und Internationale Studien CSIS, wo er die transatlantische Zusammenarbeit voranbringen soll. In der Denkfabrik hatte Guttenberg kurz nach seinem Amtsantritt 2009 eine Rede gehalten, und war schon damals weiter zur Sicherheitskonferenz nach Halifax gereist.>
Kommentar
Guttenberg hat richtigerweise den Vorwurf geäussert, die Politiker der EU würden die Bevölkerung nicht erreichen. Aber er sagt den eigentlichen Grund dafür nicht: Die EU war von der Bevölkerung Europas nämlich nie gewollt, insbesondere von der deutschen Bevölkerung gab es nie eine Mehrheit für diese ineffiziente EU, die von der südeuropäischen Mafia und von südeuropäischen Pokerspielern infiltriert ist. Diese Wahrheit hat Guttenberg leider nicht gesagt. Und somit hat sich Guttenberg eigentlich auch selbst disqualifiziert.
Michael Palomino, 20.11.2011
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23.11.2011: Guttenberg zahlt 20.000 Euro an die Deutsche Kinderkrebshilfe - und deswegen wird das Verfahren gegen ihn in Deutschland eingestellt
aus: 20 minuten online; 23.11.2011;
http://www.20min.ch/news/ausland/story/Ermittlungen-gegen-Guttenberg-eingestellt-31056304
<Der ehemalige deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kann aufatmen. Zugunsten einer Zahlung an die Deutsche Kinderkrebshilfe wird auf eine Anklage gegen ihn verzichtet.Der deutsche Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg muss wegen seiner abgeschriebenen Doktorarbeit nicht vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Hof hat das Ermittlungsverfahren gegen den CSU-Politiker gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Wie die Anklagebehörde am Mittwoch mitteilte, hat Guttenberg zugestimmt,
20 000 Euro an die Deutsche Kinderkrebshilfe zu zahlen. Das Geld ist bereits überwiesen.Laut Strafprozessordnung kann der Staatsanwalt auf eine Anklage verzichten und zugleich dem Beschuldigten Auflagen erteilen. Voraussetzung ist, dass das Gericht und der Betroffene zustimmen.
Der Vorteil für Guttenberg ist, dass er als nicht vorbestraft gilt und auch keinen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis bekommt. Die Schuldfrage bleibt nach Einstellung des Verfahrens - juristisch gesehen - offen.
Guttenberg war im März 2011 als Verteidigungsminister zurückgetreten, weil er seine Dissertation in weiten Teilen abgeschrieben hat. Die Universität Bayreuth entzog ihm deshalb den Doktortitel.
Im Sommer war der Politiker mit seiner Familie in die USA ausgewandert. Dort nahm er ehrenamtlich einen Job bei der Denkfabrik für Strategische und Internationale Studien CSIS an.
(dapd)>
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27.11.2011: Jura-Professoren wussten von Plagiatsvorwürfen gegen Guttenberg - taten aber nichts - und nun kommen die Ausreden der feigen, deutschen Professoren
aus: Welt online: Doktorarbeit: Professoren wussten früh von Guttenbergs Plagiaten; 27.11.2011;
http://www.welt.de/politik/deutschland/article13737090/Professoren-wussten-frueh-von-Guttenbergs-Plagiaten.html
Die beiden renommierten Jura-Professoren Ingolf Pernice (l.) und Bodo Pieroth ahnten die schweren Verstöße Guttenbergs.
Zwei renommierte Jura-Professoren wussten bereits seit Längerem von Plagiatsvorwürfen gegen Karl-Theodor zu Guttenberg. Sie verfolgten die Spur aber nicht weiter.[Die Untersuchung von Andreas Fischer-Lescano]
Es waren kalte Februartage, an denen Andreas Fischer-Lescano für viele in diesem Land zu einer unerwünschten Person wurde. An einem Freitag saust der Bremer Jura-Professor nach der Arbeit im ICE über das flache Land nach Hause, nach Berlin-Neukölln. Vor dem Mann mit kurzen dunklen Haaren und Brille liegt die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg. Fischer-Lescano will eine Rezension darüber schreiben. Er fängt an zu blättern.So steht es in vielen Berichten und in dem voller Details steckenden Buch „Guttenbergs Fall“ von Roland Preuß und Tanjev Schultz von der „Süddeutschen Zeitung“. Eine Gesprächsanfrage für diesen Artikel lehnt Fischer-Lescano ab. Alles sei doch gesagt.
Fischer-Lescano streicht bereits während der Zugfahrt mit dem Stift in der Arbeit herum: Mal findet er nur vage inhaltliche Verbindungen zwischen den Absätzen. Dann harmoniert die Wortwahl nicht. Ein Stückwerk liegt vor ihm.
Am Samstagabend tippt er ein paar Wörter aus Guttenbergs Arbeit bei Google ein. Auf dem Bildschirm erscheint ein Zeitungsartikel. Fischer-Lescano findet keinen Hinweis darauf. Wenige Stunden später, ein paar verdächtige Abschnitte mehr – dann ist ihm klar: Der beliebteste Politiker des Landes hat gegen die Regeln der Wissenschaft verstoßen.
Fischer-Lescano sucht die Öffentlichkeit. Drei Tage später berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ von seinem Fund. Immer mehr Plagiate tauchen in der Doktorarbeit auf. Nicht einmal drei Wochen später tritt der Verteidigungsminister zurück. Der Shootingstar der Politik ist abgestürzt.
Fischer-Lescano bekommt nach eigener Aussage Hass-Mails, gilt vielen als linker Verräter des Politikers, der endlich Glanz in die Politik gebracht hat. Fischer-Lescano sagt, er habe an den Verrat an der Wissenschaft gedacht, auch daran, wie glaubwürdig Guttenberg von nun an als Politiker sein würde – und deshalb von seinem Fund berichtet.
[Die feigen, deutschen Professoren haben geschwiegen - ein Doktorand in Berlin entdeckt die Fälschung]
Doch die Plagiate des Verteidigungsministers hätten schon viel früher auffliegen können.
Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ waren die Fehler in Guttenbergs Arbeit mehreren Wissenschaftlern schon seit Längerem bekannt. Zwei von ihnen sprechen nun erstmals. Mehr als ein halbes Jahr vor Fischer-Lescano war diesen klar, dass Guttenberg mehrere Passagen unsauber übernommen hat. Warum die Professoren dies für sich behielten, ist nur schwer zu verstehen.
Man muss zurück in den Sommer 2010 gehen, um diese Spur aufzunehmen. Der Doktorand Michael S. – er promoviert in Berlin, arbeitet damals in Münster – holt für seine Doktorarbeit Guttenbergs Buch aus dem Regal, liest, besorgt sich die zitierte Literatur. S. erkennt schnell, dass Stellen eins zu eins übernommen wurden und oft nicht als Zitat gekennzeichnet waren. Er listet die entdeckten Stellen auf, bewertet sie mit Fachliteratur. Er fragt sich: Wo ist die Grenze zum Plagiat?
Am Ende steht für ihn fest: Guttenberg hat die Grenze überschritten, vielleicht sogar einen Rechtsbruch begangen. S. schreibt einen Aufsatz darüber und legt ihn ein paar Leuten in seinem Umfeld vor. „Mir wurde gesagt, dass der Aufsatz Sprengstoff in sich birgt und dass ich mit einer Veröffentlichung Gefahr laufe, von der Öffentlichkeit vereinnahmt zu werden“, erinnert sich S.. Er packt seinen Text in die Schublade.
Dies ist längst bekannt. Denn als S. im Februar von Fischer-Lescanos Fund hört, nimmt er Kontakt zu ihm auf. S. taucht in ein paar Zeitungsartikeln auf.
[Die Fälschung von Guttenberg bleibt kein Einzelfall]
Es ist nicht leicht, herauszufinden, wem S. seine detaillierte Analyse vorgelegt hat. Aber es ist wichtig: Im Februar verlor nämlich nicht nur Guttenberg seinen Titel. In den folgenden Wochen tauchten in vielen Doktorarbeiten Plagiate auf. Das Problem war alles andere als ein Einzelfall.Die Guttenberg-Affäre führte zu einer Krise der Wissenschaft. Wie können Prüfer derartige Schlampereien nur übersehen? Wie viel ist der Doktortitel noch wert? Wer die Analyse von S. kannte, hat den Verrat an der Wissenschaft geahnt. Wer dem dennoch nicht nachgegangen ist, hat der Wissenschaft nichts Gutes getan.
"In ihrem Umfang damals noch nicht absehbar"
Jeder Jura-Student kennt Bodo Pieroth. Der Münsteraner Rechtsprofessor hat ein Standardwerk über die Grundrechte verfasst. Er horcht auf, als ihm ein Mitarbeiter, eben Michael S., im Sommer 2010 den brisanten Aufsatz zu lesen gibt. „Ich hatte ihn bestärkt, einen kleinen Artikel darüber zu schreiben und zu veröffentlichen, weil solch ein Anstoß ja auch für den wissenschaftlichen Diskurs sehr wichtig ist“, sagt Pieroth. Als S. davon absieht, verliert Pieroth das Thema aus den Augen. „Die übernommenen Stellen waren in ihrem Umfang damals noch nicht absehbar.“
Fischer-Lescano sagt in vielen Berichten, ihm sei bereits nach dem Fund von ein paar Übernahmen klar gewesen, dass ein Plagiat vorliegen muss. Ähnliches beschreibt der Doktorand S.. Doch Pieroth verfolgt die eindeutigen Hinweise nicht weiter, weil er sich „mittlerweile mit anderen Themen“ beschäftige, wie er sagt. Pieroth ist aber nicht der Einzige, der dem Verdacht nicht weiter nachgegangen ist.
Das Audimax der Humboldt-Universität ist voll besetzt. Es ist Ende Oktober 2011. In der ersten Reihe sitzt als besonderer Gast einer der wichtigsten Manager bei Google. Er will heute ein weltweit einzigartiges Institut eröffnen. An der Uni kümmert man sich von nun an im „Institut für Internet und Gesellschaft“ um die große Frage, wie Netz und Gesellschaft zusammenhängen. Google spendet Millionen.
Es ist ein Tag, an dem der Professor auf der Bühne auftrumpfen könnte. Er gilt als derjenige, der dieses Projekt angestoßen hat. Doch Ingolf Pernice macht sich nichts daraus. Er führt bescheiden durch das Programm, stellt die Redner galant-demütig vor, sagt Sätze wie: „Sie können das bestimmt sehr viel besser ausdrücken.“
[Der "Doktorvater" von Guttenberg, Pernice, ist ein "Europarechtler"]
Pernice muss seine Brillanz keinem beweisen. Der Berliner Europarechtler ist Gründer des Walter-Hallstein-Instituts für Europäisches Völkerrecht, organisiert die Humboldt-Reden zu Europa von bekannten Politikern wie Helmut Schmidt, Richard von Weizsäcker oder Angela Merkel und vertrat den Bundestag bei den Klagen gegen den Vertrag von Lissabon.Pernice hat zudem einen besonderen Doktorvater. Er promovierte nämlich beim selben bedeutenden Staatsrechtler wie Guttenberg: Peter Häberle. Der 1950 geborene Pernice bedankt sich im Vorwort seiner Doktorarbeit aus dem Jahr 1979 vor allem bei seinem „hochverehrten Lehrer“ Häberle, der ihm durch „Verständnis und menschliche Ermutigung großzügigste Förderung zuteil werden ließ“. Und auch zu Häberles letzter Wirkungsstätte hat Pernice eine Beziehung. In Bayreuth wurde er habilitiert.
Nicht mit dem ungeheuren Ausmaß gerechnet
Man fragt sich also, was Pernice gedacht haben muss, als er von der Entdeckung des eigenen Doktoranden Michael S. erfuhr, als er eine Ahnung davon bekam, welche Collage Guttenberg dem hochverehrten Doktorvater untergeschoben hat. Man spricht also mit Pernice am Telefon. Er antwortet sehr offen.
Wie haben Sie auf den Aufsatz von Herrn S. reagiert?
„Er fragte mich, was er damit machen solle. Ich sagte ihm, ich fände die Sache heikel und müsse überlegen, wie ich darauf reagieren sollte – ich bin ja auch ein Schüler von Peter Häberle, und Herr S. ist mein Doktorand“, sagt Pernice. Er habe lange nachgedacht. „Aus meiner Sicht schien es das Beste, wenn er das wollte, die Sache an den Ethikausschuss der Universität Bayreuth weiterzuleiten.“
Warum haben Sie nicht verfolgt, ob dem Verdacht nachgegangen wird?
„Ich hätte mich dann intensiv mit dem Buch und der Geschichte befassen müssen, um nicht vom Hörensagen Gerüchte in die Welt zu setzen. Dazu hatte ich weder Zeit noch Lust. Vielleicht war das nicht richtig. Ich muss dazu aber sagen: Was Herr S. entdeckt hatte, waren nur einige Übernahmen aus einer Arbeit von Nettesheim. Dass die Übernahmen das später durch die Webseite Guttenplag entdeckte ungeheure Ausmaß haben würden, damit hatte ich nicht gerechnet. Aus der damaligen Sicht schien mir der gewählte Weg der Richtige zu sein.“
Aber wird er als Jura-Professor mit Doktoranden die Dimension der Vorwürfe nicht erahnt haben?
Pernice stockt, redet viele Sätze über etwas anderes, dann: Wie viele andere habe er Guttenberg für einen guten Politiker gehalten. Und er sei sich sicher gewesen, dass wenn dies an die Öffentlichkeit kommt, es dem Minister den Posten kosten könne.
Man muss festhalten: Pieroth und Pernice ahnten die schweren Verstöße Guttenbergs. Dennoch sind sie auch so etwas wie Opfer. Denn wenn der Freiherr sich an die Regeln der Wissenschaft gehalten hätte, wären die beiden niemals in den Strudel einer Plagiatsaffäre hineingezogen worden.
Ein paar Tage später schickt Pernice noch einen Satz, er scheint ihm wichtig zu sein: „Ich bin bestürzt, wie ein Doktorand seinen Lehrer, der so etwas niemals von einem Schüler erwartet hätte, in dieser Weise täuschen und damit unsägliche Anfeindungen gegen ihn veranlassen konnte.“
Ausschließlich moralische Frage
Pieroth und Pernice haben gesprochen. Doch nach Informationen der „Welt am Sonntag“ erfuhren damals noch mehr Wissenschaftler von den Vorwürfen. Fischer-Lescano gehört übrigens nicht zu diesem Kreis.
Der Bonner Jurist Wolfgang Löwer ist Ombudsmann der Deutschen Forschungsgemeinschaft und beriet Bayreuth bei der Aufklärung der Vorwürfe gegen Guttenberg. Er kämpft für wissenschaftliche Redlichkeit. Löwer kritisiert, dass Professoren den Hinweisen nicht nachgegangen seien: „Es wäre ein Leichtes gewesen, die Universität Bayreuth über diesen Verdacht zu informieren“, sagt Löwer. „Das ist keine Frage, dass es bei einem Anfangsverdacht angemessen ist, es der Fakultät mitzuteilen, die in der Verantwortung steht, das zu ermitteln.“ Dies sei aber ausschließlich eine moralische Frage.
So kam es aber, dass Bayreuth viel später von den Vorwürfen erfuhr. Vielleicht wäre Guttenberg nie aufgeflogen. Wenn nicht ein Bremer Professor im ICE in der Doktorarbeit geblättert hätte.>
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6.12.2011: <Jugendsprache: Lass mal die Hausaufgaben guttenbergen>
aus: Spiegel online; 6.12.2011;
http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,801863,00.html
Cool ist out, "swag" ist in - sagt zumindest eine Jury, die letzteres zum Jugendwort des Jahres 2011 gekürt hat. Hinter dem amerikanischen Wort verberge sich ein Ausdruck aus der Rapmusik für "beneidenswerte, lässig-coole Ausstrahlung" oder eine "charismatisch-positive Aura", teilte der Münchner Langenscheidt-Verlag am Montag mit. "To swagger" heißt wörtlich übersetzt so viel wie stolzieren, prahlen oder schwadronieren.
Auf Platz zwei der Jugendworte kam "Fail" oder "Epic Fail" für grober Fehler oder Versagen, an dritter Stelle landete "guttenbergen" für abschreiben. Rang vier ging an "Körperklaus" (bundesweit zelebriert bei Germany's Next Topmodel von Kandidatin Marie-Luise Schäfer) für einen tollpatschigen Grobmotoriker und auf Platz fünf landete "googeln" für suchen und nachschlagen - nicht nur im Internet.Der Verlag kürt seit 2008 einmal jährlich das Jugendwort des Jahres. In diesem Jahr hätten sich über 40.000 Leute im Internet an der Abstimmung beteiligt, teilte Langenscheidt mit. Sie wählten aus 30 vorgegebenen Begriffen zunächst die 15 beliebtesten Wörter. Die fünf Sieger-Wörter bestimmte danach eine Jury, darunter eine Langenscheidt-Redakteurin, ein "Focus"- und ein "Welt"-Redakteur sowie drei Gewinnspiel-Sieger und eine Mitarbeiterin der Jugendzeitschrift "Spiesser".
Swag: cool mal zehn plus Arroganz?
Auch wenn junge Leute zu den Juroren gehörten, bezweifelt etwa die Sprachforscherin Eva Neuland von der Bergischen Universität Wuppertal, dass die ausgesuchten Wörter viel mit aktuellem Jugendsprech zu tun haben. Neuland war an einer Studie beteiligt, bei der von 1999 bis 2002 der Sprachgebrauch von Jugendlichen untersucht wurde. Die Meinung vieler Befragter zu Wörterbüchern über Jugendsprache: "Das sind Poser, die wollen nur so tun, als kennen sie unsere Sprache", zitiert Neuland.
Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann sieht das neue Jugendwort "swag" als Ausdruck für die Sehnsucht vieler Jugendlicher, sich von anderen abzuheben. "Das ist ein zehnmal gesteigertes Cool mit einem Schuss Arroganz." Ob es deswegen in die allgemeine Sprache einzieht? Eher nicht. Größere Chancen hätte seiner Meinung nach das drittplatzierte Wort: "guttenbergen" - angelehnt an die Plagiatsaffäre des ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.
In den vergangenen Jahren kürten die Juroren die Worte "Niveaulimbo" (das ständige Absinken des Niveaus), "hartzen" (arbeitslos sein, rumhängen) und "Gammelfleischparty" (Ü-30-Party) als Jugendwörter des Jahres. Oft ist nicht ganz klar, ob die kreativen Wortschöpfungen tatsächlich auf dem Schulhof oder vielleicht doch eher in Redaktionen entstanden sind.
Bei dem diesjährigen Jugendwort ist der Jury immerhin der Ursprung bekannt: Es komme aus dem Song "Turn my swag on" des amerikanischen Rappers Soulja Boy, teilte Langenscheidt mit - der ist allerdings bereits von 2008. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sei es durch die Coverversion "Dreh den Swag auf" des österreichischen Rappers Money Boy bekannt geworden, allerdings ebenfalls schon vor über einem Jahr.
Bei YouTube wurde des Song bislang über 14 Millionen Mal aufgerufen, die Resonanz allerdings ist nicht gerade positiv: Zwar gaben 54.000 Nutzer an, den Song zu mögen, über 135.000 Nutzer allerdings klickten, durchaus nachvollziehbar, den "Mag ich nicht"-Button.
"Swag", "Fail", "Epic Fail", "guttenbergen", "Körperklaus" und "googeln" haben es immerhin in das aktuelle Jugendlexikon des Verlages geschafft. Und sollten die Wörter tatsächlich benutzt werden, sind sie vermutlich jetzt schon wieder am Aussterben. Und damit hätten sie gute Chancen, auf der Liste der uncoolsten Wörter zu landen.
fln/dpa>
Fotoquellen
[1] Guttenberg, der coole Baron: http://www.editor.zeitgeist-online.de/2009/07/24/guttenberg-auf-dem-weg-zum-gemachten-kanzler/
[2] Guttenbergs falsche Doktorarbeit: http://fachanwalt-fuer-it-recht.blogspot.com/
[3] Andreas Fischer-Lescano, der Entdecker der Guttenberg-Fälschung: http://bazonline.ch/ausland/europa/Deutschlands-meistgehasster-Professor/story/11804147
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