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Der k.u.k.-Monarchiezusammenbruch und die geplatzten
Anschlussträume in Deutschösterreich 1918-1920. Chronologie

Wie der Kaiser den Volkswillen des Nationalismus 1867 bis 1916 unterdrückt - Ausrufung der "CSSR" und Besetzungen - Träume von "Alldeutschland" - Anschlussbemühungen aller deutschösterreichischen Parteien - Anschlussparagraph in der Verfassung - jugoslawische Invasion - die Vertragsbedingungen lassen Deutschösterreich von 10 auf 6 Mio. schrumpfen - der "Vernichtungsfrieden" - die Behauptung der Nicht-Lebensfähigkeit

von Michael Palomino (1998)

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aus: Friedrich Weissensteiner: Der Ungeliebte Staat. Österreich zwischen 1918-1938. Österreichischer Bundesverlag Gesellschaft mb.B. Wien 1990


Zusammenfassung
Österreich verstrickt sich unter dem Kaiser ab 1848 in eine Repressionspolitik gegen die Nationalismen der Völker. Nach der Gründung von "Deutschösterreich" und der Verankerung des Anschlusses in der Verfassung behauptet Österreich nach dem "Friedensvertrag" von St-Germain, Österreich sei nicht lebensfähig, um für den verbotenen Anschluss an Deutschland doch Propaganda zu machen. Chaos, jugoslawische Besetzungen, Hunger, Kommunisten und Kohlemangel sind überwunden, nur der Traum vom Anschluss von 1871 nicht. 1938 wird der Anschluss dann verwirklicht...

Michael Palomino 1998 / 2005


Chronologie

1867
Gründung der österreichisch-ungarischen "Doppelmonarchie"
(S.18)

gleiches Jahr 1867
Gewährung der Vereinsfreiheit durch das Staatsgrundgesetz
(S.32-33)

ab 1867
Bildung von Arbeiterbildungsvereinen - Bildung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung
-- Hebung des Bildungsniveaus
-- Kampf um einen gerechten Anteil der Arbeiterschaft an den Kultur- und Bildungsgütern (S.33)
-- Verbesserung der Lebensbedingungen
-- Bekämpfung der politischen Rechtlosigkeit und der Ausbeutung des Industrieproletariats (S.34).

1869
Erste Massendemonstrationen vor dem Wiener Parlament - Repression
Der Kaiser lässt gewisse Arbeitervereine auflösen und deren Führerschaft mit Kerkerstrafe einsperren. Es kommt zur Spaltung der Arbeiterbewegung in "Gemässigte" und "Radikale":

-- die "Gemässigte" Arbeiterbewegung: setzt sich für eine schrittweise materielle Besserstellung unter Heinrich Oberwinder ein

-- die "Radikale" Arbeiterbewegung: strebt revolutionäre Änderung der Gesellschaftsordnung an unter Andreas Scheu mit Ziel einer eigenen Arbeiterpartei, steht in Rivalität zu den "Gemässigten" und können diese überwinden (S.34).

5.4.1874
Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei SDAP in Neudörfl bei der Wiener Neustadt
Gründung durch 74 Delegierte aus den wichtigsten Industrieorten der Monarchie. Die "anarchistisch orientierten Radikalen" behalten die Oberhand. Neudörfler Programm (S.34):

-- Befreiung des arbeitenden Volkes von der Lohnarbeit und Klassenherrschaft durch Abschaffung der modernen privatkapitalistischen Produktionsweise

-- Anstreben der gemeinschaftlichen staatlich organisierten Produktion der Güter (S.32).

Forderungen:

1. direktes allgemeines Wahlrecht ab 20 (S.32)

2. vollständige Pressefreiheit, Vereinsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Koalitionsfreiheit

3. Trennung von Kirche und Staat sowie Trennung von Schule und Kirche

4. obligatorischer Unterricht an Volksschulen und unentgeltlicher Unterricht an allen öffentlichen Lehranstalten

5. Errichtung einer Volksheeres an der Stelle der stehenden Heere

6. Unabhängigkeit der Richter und Wahl der Richter durch das Volk bei unentgeltlicher Rechtspflege

7. Normalarbeitstag, Einschränkung der Frauenarbeit, Abschaffen der Kinderarbeit in den Fabriken

8. Abschaffen der indirekten Steuern - Einführung einer einzigen, direkten, progressiven Einkommenssteuer und Erbschaftssteuer

9. staatliche Förderung des freien Genossenschaftswesens (S.33).


1880


1882
Aufsetzen des Deutschnationalen "Linzer Programms"
(S.36)

1884
Gegen die Sozialdemokraten wird der Ausnahmezustand verhängt - fast völliger Zusammenbruch der Arbeiterbewegung
(S.34), dann Wiederbelebung der Arbeiterbewegung durch den jüdischen Armeearzt Dr. Victor Adler mit Beendigung der Flügelkämpfe (S.34).

1888-1889
Einigung der Sozialdemokratie auf dem Hainfelder Parteitag mit der "Einigungs-Resolution"
-- Aufbau der Parteizeitung (S.34), der "Arbeiterzeitung" unter V. Adler (S.35), Parteisekretariat durch V. Adler
-- Kämpfe und Rückschläge
-- Vertreter im Parlament

Die Sozialdemokraten werden stärkste politische Gruppierung der Donaumonarchie.

Weissensteiner:
"Adler hat kraft seiner überragenden Persönlichkeit aus der Arbeiterbewegung eine reich gegliederte, disziplinierte und geschlossen auftretende politische Massenbewegung gemacht." (S.34).

1890/1891
Gründung der Christlichsozialen Partei durch den Zusammenschluss von Vereinen
mit dem Bekenntnis zu den christlichen "Grundwerten" der katholischen "Kirche". Geistiger Begründer der katholischen Sozialreform und geistiger Begründer der christlich-sozialen Bewegung ist Karl Freiherr von Vogelsang aus Mecklenburg (1818-1890):

-- für soziale Reformen auf "christlicher" Grundlage
-- für berufsgenossenschaftliche Organisation der Gesellschaft
-- für Stände statt Klassen (S.30).

Vogelsang hat nur eine kleine Wirkung auf Aristokraten und Kleriker. Der Durchbruch der Ideen Vogelsangs gelingt nach ihm mit Dr. Karl Lueger, ein Demagoge mit politischem Instinkt (S.30). Lueger ist zuerst ein Liberaler, dann in der Kleinbürgerpartei und Vertreter des politisch heimatlosen Kleinbürgertums:
-- für Handwerker, Kleingewerbler
-- gegen private Monopolbetriebe, gegen Vorherrschaft des jüdischen Finanzkapitals
-- gegen freisinnige, antiklerikale Tendenzen des Liberalismus
-- gegen den "Einfluss der liberalen Presse Wiens, in der das jüdische Element eine grosse Rolle spielte" (S.31).

Antisemitismus bei den Christlichsozialen unter Lueger
Lueger übernimmt "den wirtschaftlich und konfessionell motivierten Antisemitismus des Wiener Kleinbürgertums" (S.31) und schlägt daraus politisches Kapital. Er hat populistischen "Erfolg", aber erhöht auch den Widerstand.

Ab sofort pflegen die Christlich-Sozialen antisemitische Hassgesänge [gegen die jüdische Hochfinanz gerichtet, die die "Börse" zum Spielzeug hat].

Gegen die antijüdischen Aktivitäten unter Lueger etabliert sich Widerstand und Misstrauen am Hof, in der (Ministerial-)Bürokratie, in der Armee und in katholisch-konservativen Kreisen. Kaiser Franz Joseph verweigert Lueger gleich dreimal die Bestätigung zum Bürgermeister Wiens (S.31). Er wird es aber 1897-1910 doch, mit einem grosszügigen Kommunalisisierungsprogramm (S.32).

Die Ausbreitung der Christlich-sozialen Partei
Die Christlich-soziale Partei findet unter Lueger in Deutschösterreich eine weite Verbreitung

-- vom Wiener Zentrum in die Alpenländer
-- dabei verliert Lueger den Kontakt zu den Arbeitern und Kleinbürgern
-- Lueger pflegt v.a. den Kontakt zu Bauern und Wirtschaftskreisen

Die Christlich-soziale Partei wird zu einer konservativen Reichspartei des deutschsprachigen katholischen Bürger- und Bauerntums
-- ist sozialreformerisch und sozialpolitisch immer weniger tätig
-- dabei etabliert sich eine Zusammenarbeit zwischen den Christlichsozialen Gemeindeverwaltungen mit den zuvor bekämpften Kapitalgesellschaften (S.31) [!].

1899
Brünner Programm der Sozialdemokratie
Die Sozialdemokraten nennen in ihrem Programm

-- einen Plan zur Umwandlung der Monarchie in einen Bundesstaat freier Nationen

-- die Sozialdemokraten sind gemäss Weissensteiner die erste politische Kraft, die das Kernproblem der Monarchie theoretisch zu bewältigen sucht.

Adler:
"... denn nicht das Ende mit Schrecken ist in Sicht, sondern der Schrecken ohne Ende, das Siechtum des Staates von unabsehbarer Dauer." (S.35)

Die Partei orientiert sich am orthodoxen Marxismus, vollzieht in der Praxis aber einen pragmatisch-gemässigten Reformismus ("Austro-Marxismus"). Vertreter: v.a. Otto Bauer (S.35).


1900


1907
Wahlrechtsreform mit Wahlrecht für alle, Erfolg der Sozialdemokratie
(S.35)

[Dadurch wird die k.u.k.-Monarchie aber slawisch von Jugoslawen, Tschechen und Polen dominiert].

1910
Tod Luegers
(S.31)

1911
Die Sozialisten gewinnen die Wahlen
(S.31)


1914


bis 1914
Die k.u.k.-Monarchie Österreich-Ungarn besteht aus 12 Nationalitäten, "die von zwei Völkern beherrscht werden"
In Dichterkreisen wird Österreich-Ungarn als "Kakanien" beschrieben (so Robert Musil in "Mann ohne Eigenschaften".

Musil:
"Es war nach seiner Verfassung liberal, aber es wurde klerikal regiert.
Es wurde klerikal regiert, aber man lebte freisinnig.
Vor dem Gesetz waren alle Bürger gleich, aber nicht alle waren eben Bürger." (S.11)

1914-1918
Es finden keine Wahlen statt. Die 1911 gewählten Abgeordneten bleiben im Amt
(S.20).

ab 1915
Rationierungen in Wien
(S.46)

21.11.1916
Tod Kaiser Franz Josephs nach 68 Regierungsjahren

Kaiser Franz Joseph hat aus eigenem Antrieb wenig bewirkt, wurde aber von den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu entscheidenden Veränderungen bewegt (S.10).


1917


24.3.1917
Streng geheime Sitzung von Karl I. mit Aussenminister Ottokar Graf Czernin auf Schloss Laxenburg (S.13).

17.8.1917-1.4.1922
Nachfolger wird Kaiser Karl I.
der Grossneffe von Franz Joseph I., war bis dahin Karl IV. von Ungarn
-- gewissenhaft, "aus religiösem Quellgrunde schöpfender Mensch"
-- "liebevoller Gatte", "tapferer Soldat", "hilfsbereit"
-- mit "neuem Regierungsstil":
oo  will Mensch unter Menschen sein
oo  schafft Fachzwang ab
oo  schränkt das Zeremoniell sehr ein
oo  verhandelt mit Arbeitern und Parteivertretern recht formlos (S.10)
oo  unterwirft seine eigene Familie den Rationierungsvorschriften
oo  ein freier Ton bring ihm Sympathien
oo  gewöhnlich tritt er in Begleitung seines Schwagers auf, Prinz von Parma (S.11).

Karl I., der designierte Nachfolger, ist bei seiner Machtübernahme 30 Jahre alt, seit 1911 mit der Italienerin Zita von Bourbon-Parma verheiratet, konziliant, freundlich, aber politisch unerfahren. Sein Ziel ist es, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Bei seiner Thronbesteigung erlässt er ein Manifest "An meine Völker":

"Ich will alles tun, um die Schrecknisse und Opfer des Krieges in ehester Frist zu bannen, die schwer vermissten Segnungen des Friedens Meinen Völkern zurückzugewinnen, sobald es die Ehre unserer Waffen, die Lebensbedingungen Meiner Staaten und ihrer treuen Verbündeten und der Trotz unserer Feinde gestatten werden." (S.13)

Aber die deutsche Heeresleitung hört nicht auf Karl I. [sondern strebt weiter nach dem "Endsieg"].

Da lässt Karl I. über Geheimdiplomatie und verwandtschaftliche Kanäle Friedensschritte unternehmen. Zwei Brüder seiner Frau Zita, Sixtus und Xavier, dienen als Offiziere in der belgischen Armee. Kontakte auch durch Vertrauensleute (S.13).

Es entstehen die Sixtusbriefe von Karl an seinen Schwager Sixtus, die für den französischen Präsidenten Poincaré bestimmt sind, wo Karl Friedensbedingungen und seine Vorstellungen schildert:
-- Elsass-Lothringen an Frankreich
-- Wiederherstellung von Belgien
-- Belgien soll Entschädigung erhalten und die afrikanischen Besitzungen behalten dürfen
-- Serbien soll souverän wiederhergestellt werden und Zugang zur Adria erhalten
-- Serbien darf sich nicht mit zersetzenden Kräften gegen die Monarchie zusammentun (S.13).

In: W. Kleindel: Österreich. Daten zur Geschichte und Kultur.


Die Friedensbemühungen von Karl I. scheitern wegen Italiens Forderungen auf Südtirol (S.13).

[Diese Kriegsbeute ist mit England in einem geheimen Vertrag abgesprochen].

Nicht nur da: Die deutschen Bündnispartner erfahren von Karls Friedensvorschlägen. Gleichzeitig wird Österreich-Ungarn militärisch und politisch immer mehr von Deutschland abhängig (S.13). Weitere Friedensbemühungen, so Weissensteiner, "verliefen samt und sonders im Sand" (S.14).

Die Umstände in den Städten Deutschösterreichs eskalieren:

-- lange Schlangen vor den Läden
-- überquellende Krankenhäuser
-- eingeschränkter Bahnverkehr wegen Kohlemangels
-- Millionen von Frauen müssen in der Kriegsindustrie schwer arbeiten
-- die Schulkinder arbeiten in der Landwirtschaft (S.14).

Beim Heer erlahmt die Kampfmoral und die Desertionen häufen sich (S.14).


Januar 1918

1918
Die Parteienlandschaft in Österreich ohne Politkultur
-- es herrscht allgemeines gegenseitiges Unverständnis, die Gegner werden gebrandmarkt, gegeisselt und verhöhnt

[dies ist die erste Nagelprobe der Parteienlandschaft unter gelockerten Vorschriften]

-- das Bürgertum und die Arbeiterschaft stehen sich verständnislos gegenüber
-- Prestigedenken, Kraftmeiertum, Imponiergehabe, fanatisierte Gewalt

-- keine friedlichen Konfliktmodelle
-- schwere Erschütterungen im gesellschaftlichen Leben sind vorprogrammiert, auch der Untergang des Staates ist so vorprogrammiert, denn praktische Lösungen werden kaum gesucht (S.38).

[Ergänzung:
Es herrscht nach wie vor die Lehrmeinung des Rassismus-Darwinismus, der auch auf politische Parteien übertragen wird: Die Mehrheit bestimmt kompromisslos, ist "der Stärkere", und "Kleinere" haben keine Stimme].

Die Sozialdemokratie ist gespalten zwischen Bauer und Renner
Theoretiker Otto Bauer steht dem Praktiker Karl Renner gegenüber, der wesentliche theoretische Schriften an die Verhältnisse anpasst, um das Beste für die Arbeiterschaft und die sozialistische Bewegung herauszuholen (S.36).

Das zersplitterte nationale Lager
Das nationale Lager ist inhomogen, ist zusammengefasst im Deutschen Nationalverband, spielt eine bedeutende Rolle bei der Gründung und in den ersten Monaten der Republik Österreich [die eigentlich "Deutschösterreich" heissen will] (S.36).

Januar 1918
Streikbewegung in weiten Teilen der Monarchie von 100'000en von ArbeiterInnen in kriegswichtigen Betrieben
-- Meuterei bei der k.u.k.-Kriegsmarine im süddalmatinischen Cattoro

mit Forderungen
-- Selbstbestimmung, Abrüstung, Frieden, bessere Verpflegung, längerer Urlaub
-- mit dem Hissen der Roten Fahne

->> die Meuterei wird niedergeschlagen und die Rädelsführer hingerichtet (S.14).
->> aber eine kommunistische Rätebewegung in Österreich ist nicht zu verhindern (S.40).

8.1.1918
14 Punkte von Wilson
1. Öffentlichkeit aller Friedensverträge
2. Freiheit der Meere
3. Beseitigung aller wirtschaftlichen Schranken zwischen den Ländern
...
9. Berichtigung der italienischen Grenzen nach "klar erkennbarem" nationalem Besitzstand
10. "Freieste" Möglichkeit zur autonomen Entwicklung für die Völker in Österreich-Ungarn
11. Räumung der Balkanstaaten
14. Schaffung eines Völkerbundes (S.14).

Nach der Meuterei setzt sich Karl I. noch mehr für Frieden ein, denn er versteht das Alarmzeichen [dass der Kommunismus auf Mitteleuropa überspringen könnte] (S.14).

[Der Kommunismus in Russland ist dabei vom "amerikanischen" Financier Jacob Schiff finanziert, ein Finanzmagnat der Rothschild-Bank. Die Planung läuft darauf hinaus, Russland mit Trotzki und Lenin zu destabilisieren und Deutschland so einen raschen, breiten Vorstoss gegen Russland zu gestatten, was z.T. auch gelingt, mit vielen Gründungen neuer Unabhängigkeiten. Nur die Rote Armee ist nicht mit in die Taktik einberechnet...].

Februar 1918
Brief von Kaiser Karl I. für Präs. Wilson: Karl will Diskussion um Frieden
Der Brief wird über König Alfons XIII. von Spanien Wilson zugespielt. Karl I. erklärt sich bereit zur Diskussion über Wilsons Punkte bereit, die Österreich-Ungarn betreffen. Wilson reagiert reserviert und kühl und löst in Wien Enttäuschung und Verstimmung aus. Der Krieg wird fortgesetzt (S.14).

Februar 1918
Österreichfeindliche Kundgebungen in Galizien und Polen
-- Demolierungen von öffentlichen Gebäuden
-- Abriss der Doppeladler
-- Generalstreik, der lückenlos befolgt wird
-- Zusammenstösse mit der Polizei bei zahlreichen Toten und Verwundeten (S.18).

3.3.1918
Vertrag von Brest-Litowsk - Russland scheidet aus dem Krieg aus
(S.14)


ab 5.3.1918 ca.
Letzte verzweifelte deutsche militärische Offensiven in Frankreich und Italien scheitern, und die Ernährungslage in Österreich verschärft sich
Es kommt zu Massendemonstrationen gegen den Krieg in Prag, Agram, Laibach, Lemberg, Krakau, Warschau, mit Forderung nach nationaler Selbständigkeit und Eigenstaatlichkeit. Die Nationen beginnen sich in der Not, von der Monarchie zu lösen und bauen eigene Verwaltungen auf. Kaiser Karl I. glaubt trotzdem an die Rettung des übernationalen Vielvölkerstaates (S.14).


Juli 1918
Ablösung Tschechiens, Zusammentritt des tschechischen Nationalrates in Prag
und Anerkennung durch die alliierten Mächte (S.15).

[ab Sommer 1918]
Die Lage der Mittelmächte wird immer hoffnungsloser (S.14)

[-- die Lage wird vor allem hoffnungslos durch kommunistisch organisierte Streiks gegen den germanisch-rassistischen Krieg und gegen den Herrenmenschenglauben (Germanenfurz)

-- gleichzeitig erpresst Deutschland aber Österreich weiter zu kämpfen, sonst würde Wien deutsch besetzt werden].



Oktober 1918


1.10.1918
Proklamierung der Unabhängigkeit Polens
Übernahme der Militärverwaltung Ende Oktober. Der Stadthalter Galiziens der Monarchie ist selbst ein Pole, ernennt sich selbst zum Oberbefehlshaber Polens und vereidigt seine Soldaten auf den neuen Staat (S.18).

14.10.1918
Demonstration in Prag von 10'000en von Menschen - Ausrufen der Tschechei
-- Entfernen der Symbole der Habsburgerherrschaft von den Amtsgebäuden
-- Hissen der tschechischen Fahnen
-- Redner proklamieren die tschechoslowakische Republik "CSSR" unter Jubel der Massen (S.15).

Ein Putschversuch der Sozialisten gelingt nicht. Der Stadtkommandant von Prag beendet das Treiben schnell mit militärischer Unterdrückung: Militär zerstreut die Menge, besetzt ohne Blutvergiessen den Prager Stadtkern, holt die "CSSR"-Fahnen herunter und unternimmt zahlreiche Verhaftungen (S.15).


16.10.1918
Karl I. erlässt das Völkermanifest - Ungarns Regierung kündigt den Ausgleich auf
(S.18)

Das Manifest verspricht die Umwandlung der k.u.k.-Monarchie in einen Bundesstaat auf föderativer Grundlage, ausgenommen Ungarn. Karl I. stösst damit kaum noch auf Echo. Der Plan kommt Jahrzehnte zu spät (S.14-15). Michael Graf Karoly, linker Abgeordneter, der vorher immer für Verständigung mit der Entente eintrat (S.19), im ungarischen Abgeordnetenhaus:

"Wenn wir nicht stürmisch die Gemeinsamkeit mit Österreich aufheben, so werden wir nicht nur den Krieg, sondern auch den Frieden verloren haben..." (S.18).

Mit dem "Manifest" wird auch die Neugestaltung der österreichischen Reichshälfte möglich (S.20).

21.10.1918
Erste Sitzung der deutschsprachigen Abgeordneten des Reichsrats an der Wiener Herrengasse
Die Sitzung findet ohne Volksunterstützung in allgemeiner Interesselosigkeit statt:
-- 102 Abgeordnete vom Deutschen Nationalverband (deutschnationale, liberale, grossbürgerliche Parteien
-- 72 Christlichsoziale
-- 42 Sozialdemokraten (S.20).

Dr. Franz Dinghofer von den Deutschnationalen wird der Präsident der provisorischen Nationalversammlung (S.36).

->> Antrag der Sozialisten zur Bildung der provisorischen "Nationalversammlung für Deutschösterreich"
->> Begrüssungsansprache des Vorsitzenden Viktor Waldner mit Schlussruf: "Heil Deutschösterreich" (S.20)

Dr. Franz Dinghofer
1907-1918 Bürgermeister von Linz, 1911-1918 deuschfreiheitlicher Reichsratsabgeordneter, 1918 Präsident der provisorischen Nationalversammlung, 1928-1938 Präsident des Obersten Gerichtshofs (S.36).

Beschlüsse:
-- es soll ein selbständiger deutschösterreichischen Staat gebildet werden, der seine künftige staatliche Ordnung selbst bestimmt

-- es soll die Wahl eines Vollzugsausschusses von 20 Mitgliedern stattfinden, dem volle Regierungsgewalt übertragen wird

-- es muss ein Ernährungsausschuss zusammengestellt werden, der Massnahmen zur Bekämpfung der Nahrungsmittelknappheit vorschlägt (S.20).

Über Weg und Struktur des neuen Staates kommt keine Einigkeit zustande. Verfassungsjurist Josef Redlich:

"Adler verlangt die Republik, die Christlichsozialen die Monarchie, die Deutschnationalen den Anschluss an das Deutsche Reich."

Und in den Parteien selbst existieren nochmals verschiedene Strömungen (S.209.

Die christlich-soziale Meinung des Abgeordneten Schraffl:

"Die Christlichsoziale Vereinigung deutscher Abgeordneter wird unter grundsätzlicher Festhaltung an der monarchischen Regierungsform ihren Einfluss im Sinne der Demokratisierung Deutschösterreichs geltend machen, und zwar in Form einer Heranziehung des Volkes zur Gesetzgebung und Verwaltung."

Die sozialdemokratische Meinung des Abgeordneten Dr. Adler:

"In jedem Falle aber soll der deutschösterreichische Staat ein demokratischer Staat, ein echter Volksstaat werden."

Die Meinung der nationalsozialistischen Arbeiterpartei des Abgeordneten Knirsch fordert "Alldeutschland":

"Wir nationale Sozialisten lehnen den Gedanken an eine Vereinigung Deutschösterreichs zu einem Staatenbunde mit den aus dem alten Österreich erstehenden slawischen Staaten von vornherein ab. Im nationalen, sozialen und kulturellen Interesse fordern wir den staatsrechtlichen Anschluss Deutschösterreichs als Bundesstaat an das Deutsche Reich ... Es lebe das freie, soziale Alldeutschland!" (S.20-21)

In: L. Hohenecker / G. Otruba: von St-Germain zum Staatsvertrag.

Gleichzeitig ist der Kaiser noch im Amt, kann aber kaum noch Taten verfügen (S.21).


23.10.1918
Karl I. besucht mit seiner Frau Ungarn, Einweihung der Universität Debrecen
mit herzlichem Volksempfang. Versuch der Regelung der politischen Verhältnisse im Sommersitz Gödöllö (S.18).

Die Linke reagiert auf den Kaiserbesuch aus Wien mit Revolutionsvorbereitungen in Budapest. Es kommt zu Demonstrationen gegen die Monarchie durch Studenten, Soldaten, Matrosen und Arbeiter. Sie alle wollen ein Ungarn ohne Habsburg (S.18).


25.10.1918
Budapest: Demonstrationen versuchen die Stürmung der Burg - bosnische Truppen treiben die Demo mit gezogenem Bajonett zurück (S.18).
Die Revolution setzt sich aber durch mit Studenten-, Arbeiter- und Soldatenräten. Karl I. kehrt nach Wien zurück (S.19).


28.10.1918
Prag: Nationale Demonstration am Wenzelsplatz
mit Erklärungen, Liedersingen, Sieges- und Umsturzstimmung macht sich breit, und der Demonstrationszug überrollt die Polizei mit den Losungen:

"Es lebe Masaryk! Es lebe Wilson! Hoch die tschechoslowakische Republik!" (S.16).

Tomas Garrigue Masaryk (7.3.1850-14.9.1937)
-- Führer der tschechischen Emigranten
-- bemüht sich jahrelang im Exil um die Errichtung eines selbständigen "CSSR"-Staates
-- ist vor 1918 tschechischer Abgeordneter im österreichischen Parlament
-- ist ab 1918 der erste Präsident (S.16).

Die Demonstration am Wenzelsplatz erhält revolutionären Charakter mit der Rede des Priesters Dr. Isidor Zahradnik mit dem Schlagwort:

"Für immer brechen wir die Fesseln, in denen uns die treubrüchigen, fremden, unmoralischen Habsburger gemartert haben. Frei sind wir, und niemand wird uns diese Freiheit nehmen, höchstens wir entsagen ihr selbst." (S.16).

Das Militär versperrt dem Demonstrationszug den Zugang zur Karlsbrücke. Auf dem Wenzelsplatz und auf dem Altstädter Ring zieht Militär auf. Die Unsicherheit ist aber zu gross und kein energisches Durchgreifen mehr möglich. Offiziere und Soldaten kündigen den Gehorsam auf (S.16).

Somit kommt es noch am selben Tag 28. 10. 1918 zur
Gründung der tschechoslowakischen Republik
->> dies ist der Schicksalstag der untergehenden Monarchie
->> weitere österreichische Wappen und Kaiseradler werden von den Staatsgebäuden entfernt und die tschechischen Fahnen aufgezogen

->> die Landesverwaltung steht neu unter einem Nationalausschuss
->> der kaiserliche Stadthalter von Böhmen, Maximilian Graf Coudenhove, reist nach Wien, um Bericht zu erstatten (S.16).


gleicher Tag/28.10.1918
Budapest: Schlacht an der Kettenbrücke zur Stürmung der Burg: 3 Tote, 50 Verletzte
Kaiser Karl I. ernennt Erzherzog Joseph zu seinem Stellvertreter in Ungarn. Karl I. agiert bereits jenseits jeglicher politischer Realität (S.19).


29.10.1918
Coudenhove kehrt nach Prag zurück und wird [als Staatsfeind] festgenommen
(S.17)

Die CSSR bildet eine erste Regierung mit Tomas G. Masaryk als Staatsoberhaupt, mit Karel Kramar als Ministerpräsident und mit Dr. Eduard Benesch als Aussenminister (S.17).

Territoriale Ansprüche der Tschechei: Slowakei und Deutschböhmen
-- die Slowakei hat grosse Antipathien gegen das Tschechentum
-- die tschechische Armee besetzt die Slowakei z.T. mit Waffengewalt
-- Deutschböhmen fordert die Vereinigung mit der sich konstituierenden "Republik Deutschösterreich", wird von Tschechen aber militärisch besetzt (S.17).

[Ergänzung:
Die "CSSR", Jugoslawien und Rumänien beginnen in Zusammenarbeit mit französischen Agenten, eigene Armeen aufzubauen, um dann die labile Situation für Besetzungen auszunutzen. Die "CSSR" und Jugoslawien haben dabei das Ziel einer Vertreibung aller Deutschösterreicher östlich von Wien, um eine slawische Brücke der beiden Länder zu errichten. Deutschösterreich träumt vor sich hin, uns wohl auch "US"-Präsident Wilson träumt von einem "friedlichen Frieden", den es so aber nicht geben wird...].


29.10.1918
Agram: Anschluss an Serbien
Der Landtag von Agram beschliesst den Anschluss an Serbien und koppelt sich von Ungarn ab. Karl I. unterläuft eine Kurzschlusshandlung und beschliesst die Übergabe der k.u.k.-Kriegsflotte an Kroatien (S.19).

Gleichzeitig erreicht in Ungarn die Proteststimmung ihren Höhepunkt. Kaiser Karl I. wird schuldig gesprochen, dass dieser die Loslösung von Kroatien bewillige und sanktioniere und damit seinen Krönungseid gebrochen habe. Michael Karoly übernimmt die ungarische Regierung (S.19).

30.10.1918
Zweite Sitzung der provisorischen Nationalversammlung
begleitet von Demonstrationen
-- die Frieden fordern
-- die die Abdankung des Kaisers fordern
-- die den Anschluss an das Deutsche Reich fordern
-- die die Aufstellung einer Nationalgarde fordern
-- oder auch: die die Ausrufung einer kommunistischen Räterepublik fordern (S.21).

Es kommt zu Randalen, Fensterscheiben werden eingeschlagen, Uniformen von Offizieren werden geschändet, oder es werden Versuche gemacht, die Rossauer Kaserne mit dem Militärgefängnis zu stürmen (S.21). Die berittene Polizei verhindert grössere Ausschreitungen und nimmt Verhaftungen vor (S.22).

Beschlüsse der provisorischen Nationalversammlung:
-- Einrichtung der neuen Staatsgewalt: Nationalversammlung als Legislative, Staatsrat als Exekutive

-- als Leiter der Staatskanzlei (entspricht dem Ministerpräsidenten) wird der Sozialdemokrat Karl Renner eingesetzt

-- die Staatsform bleibt noch unbestimmt

-- die Bedingungen der Sozialisten zur Teilnahme an der Regierung werden akzeptiert:

oo  Anerkennung der vollständigen Unabhängigkeit der anderen Nationen
oo  möglichst baldige Walen für die Nationalversammlung aufgrund des allgemeinen und gleichen Wahlrechts

oo  Pressefreiheit, Arbeitslosenkasse, Amnestie für politische Gefangene (S.22).

31.10.1918
Sozialistischer Parteitag in Wien: Forderung des Anschluss

Beschlüsse:
-- Absegnung des Regierungseintritts
-- Umgestaltung des Heeres in eine Volksmiliz
-- Forderung des Rechts auf Arbeit

-- Forderung der Enteignung von Adels und Kirche
-- Ziel muss die Errichtung einer demokratischen Republik sein

-- Deutschösterreich sei nicht lebensfähig und müsse entweder einem Staatenbund mit den Nachbarstaaten oder den Anschluss an Deutschland vollziehen:

"Wollen sich die anderen Nationen von Deutschösterreich vollständig trennen, oder wollen sie einen Staatsverband mit uns unter Bedingungen begründen, die Deutschösterreich zu einer wirtschaftlichen Verkümmerung verurteilen [...], dann muss die deutschösterreichische Republik als ein selbständiger Bundesstaat dem Deutschen Reich beitreten." (S.22)

[Da wird noch viel mehr gegen Deutschösterreich geplant zusammen mit dem Armeeaufbau in der "CSSR" und in Jugoslawien mit Hilfe französischer Agenten, und die Verantwortlichen in Deutschösterreich scheinen zu schlafen!]

31.10.1918
Budapest: Revolution gegen die Habsburger
-- Doppeladler werden abgerissen
-- aus der gemeinsamen Fahne wird das ungarische Wappen herausgeschnitten
-- Offiziere legen ihre Rangabzeichen ab

-- Militärhäftlinge werden amnestiert
-- 3 Soldaten erschiessen den ehemaligen kaisertreuen Ministerpräsidenten Tisza

-- Karoly leistet telefonisch den Treueid auf Kaiser und König
-- Karolys Kriegsminister Oberst Bela Lindner befielt an alle ungarischen Truppe, die Waffen niederzulegen (S.19).


November 1918

Österreich: Die Christlichsozialen
-- akzeptieren die Republik als historische Notwendigkeit
-- wollen starke Bundesländer Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich

-- Zerstrittenheit um die politische Linie: Die ländlichen Vertreter sind föderalistisch gesinnt (Anti-Wien-Strömung), die Wiener Vertreter sind zentralistisch, streng antimarxistisch orientiert

-- Dr. Ignaz Seipel wird Führerpersönlichkeit der Christlichsozialen
oo  Vertreter des politischen Katholizismus
oo  Seipel sieht die Sozialdemokratie als Todfeindin des Christentums an
oo  Seipel vertritt einen strengen Antimarxismus und ist unversöhnlicher Gegner von Dr. Otto Bauer:

Seipel meint später: Die Marxisten "haben [...] in ihrer unversöhnlichen Gegensätzlichkeit zum Untergang der Demokratie in Österreich beigetragen." (S.32)


1.11.1918
Jugo-Besetzung von Marburg und Invasion in Kärnten - Volkswehr
unter dem slowenischen General Rudolf Majster, ohne sich um eine künftige Friedensregelung zu kümmern. Weiteres Vordringen in Kärnten (S.54).

Die deutschösterreichische Volkswehr unter dem neuen Oberstleutnant Ludwig Hülgerth hat einen schweren stand. Die im Aufbau befindliche Volkswehr ist noch schwach und kann keine grossräumigen Operationen ausführen (S.54).

gleicher Tag / 1.11.1918
Ungarn führt Verhandlungen, damit Karl I. Ungarn in die Freiheit entlässt
Karoly verlangt den Rücktritt von Kaiser Karl I. als König von Ungarn. Es folgen mehrstündige Verhandlungen. Karl I. entbindet die ungarische Regierung ihres Eides, verzichtet aber nicht auf den Thron (S.19).

gleicher Tag / 1.11.1918
Abspaltung auch der Slowakei und Siebenbürgens
(S.19).

3.11.1918
Waffenstillstand und Gewalt in Österreich
->> 100'000de österreichische Soldaten geraten an der Italienfront in Gefangenschaft

->> der Rest der k.u.k.-Armee fällt auseinander. Die Heimkehrenden durchqueren alle Österreich (S.22), plündern und begehen Gewalttaten

->> Bildung von Bürger- und Bauernwehren gegen die Soldaten der k.u.k.-Armee anderer Nationen und gegen die schlimmsten Ausschreitungen

-- der Versuch der Bildung einer Roten Armee scheitert. Die Prager Journalisten Egon Erwin Kisch und Leo Rothzigel wollen eine "Rote Garde" gründen mit dem Ziel, in Österreich eine Räterepublik nach sowjetischem Muster auszurufen, aber es gelingt ihnen nicht: Der Truppenkörper wird in die neue Volkswehr integriert, wird schliesslich zurückgedrängt und ausgeschaltet (S.23).


gleicher Tag / 3.11.1918
Gründung der Kommunistischen Partei Deutschösterreichs KPDÖ
mit dem Versuch, die in Bewegung geratenen Massen nach russischem Vorbild für die Rätebewegung zu mobilisieren (S.37).

ab 3.11.1918
In der Bevölkerung wächst der Wunsch für eine Republik oder für den Anschluss an Deutschland
(S.23)

[Der Anschlusstraum ist in nationalen deutschösterreichischen Kreisen bereits seit dem deutschen Sieg gegen Frankreich von 1871 vorhanden].

9.11.1918
Deutschland ruft die "Republik" aus - Flucht von Wilhelm II. nach Holland
Deutschland wird zum Vorbild für die österreichischen Parteien. Auch die Deutschnationalen und die Christlichsoziale Partei, v.a. die Bauern, sind mehr und mehr in der republikanischen Strömung (S.23).

Kaiser Karl I. bleibt allein in Schloss Schönbrunn zurück, ohne Wachmannschaft und ohne Dienerschaft. Er will durch eine Aktion über Vermittlung der Kirche die Christlichsoziale Partei bei der monarchistischen Stange halten, aber die republikanische Strömung ist zu stark (S.23-24).

Die Ausrufung der österreichischen Republik wird von Renner vorbereitet (S.24).

11.11.1918
Renner legt den Gesetzentwurf für eine Republik dem Staatsrat vor - Annahme mit einfacher Mehrheit - Karl I. verzichtet auf alle Amtsgeschäfte

Karl I. lässt seinen Verzicht auf alle Staatsgeschäfte sogar noch plakatieren. Er entlässt seine Regierung, verteilt letzte Orden, Titel und Auszeichnungen, und verlässt Schönbrunn vorübergehend für einen Aufenthalt im Marchfeldschloss Eckartsau. Die Herrschaft des Hauses Habsburg ist nach 635 Jahre zu Ende (S.24).

[Italien besetzt Südtirol. Durch diese Besetzung wird Karl I. und seine italienische Frau Zita von Bourbon-Parma zum Feindbild der aufgehetzten Massen und werden ihnen nur noch Verrat vor
In: http://de.wikipedia.org/wiki/Zita_von_Bourbon-Parma].


selber Tag 11.11.1918
Tod von Viktor Adler, Einiger und Führer der Sozialdemokratie
(S.24)

12.11.1918
Ausrufung der "Republik Deutschösterreich" - kommunistischer Putschversuch
Erst nach dem Regierungsverzicht des Kaisers ist die Republik möglich. Die Menschenmasse folgt dem sozialistischen Aufruf an die Arbeiter, vors Parlament zu kommen. Die Menge ist versammelt bis zum Burgtheater und zum Burgtor, mit Frauen, Kindern und Soldaten. Sozialdemokratische Ordnertruppen und Volkswehr sorgen für Kontrolle. 6 Züge der linksradikalen Roten Garde postieren sich entlang der Parlamentsrampe und machen Ordnerdienst, sind gegen alle Anweisungen aber bewaffnet (S.25).

Die provisorische Nationalversammlung nimmt einstimmig das Gesetz über die Errichtung der "Republik Deutschösterreich" an. Der deutschnationale Präsident der Nationalversammlung, Dr. Franz Dinghofer, tritt hinaus und verkündet den Gesetzbeschluss (S.25).

Gleich darauf kommt es zum kommunistischen Putschversuch der Roten Garde mit Fahnenschändung, mit Revolverüberfall und dem Herunterlassen von Rollläden. Es kommt zur Massenpanik. Die Massen flüchten durch die Stadt. Die Schiesserei hält an, und die Rollläden verursachen weiter Lärm. Es kommt zu 2 Toten und zahlreichen Verwundeten. Die Kommunisten behaupten, man habe mit Maschinengewehren zuerst auf sie geschossen. Gleichzeitig besetzen 150 Rotgardisten das Redaktionsgebäude der "Neuen Freien Presse" und erpressen die Extraausgabe (S.26-27) mit der Ankündigung, dass die "Neue Freie Presse" in Zukunft unter Kontrolle kommunistischer Redakteure erscheinen werden. Um 21 Uhr desselben Tages beendet die Polizei den Überfall auf die Zeitung (S.28).

Der Anschluss an Deutschland in der Verfassung
Artikel 1: Deutschösterreich ist eine demokratische Republik. Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volk eingesetzt.
Artikel 2 "Anschlussparagraph": Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik (S.28).

gleicher Tag /12.11.1918
Weitere Jugo-Invasion in Kärnten
unter Hauptmann Alfred Lavritsch, der mit einer motorisierten Kompanie die Grenze überschreitet (S.54).

ab 12.11.1918 ca.
Wien wird von den Lebensmittelquellen in Westungarn abgeschnitten
Das neue Deutschösterreich erbt von der Monarchie
90 % der Kfz-Produktion
74 % des Waggonbaus
35 % der Roheisen- und Stahlproduktion.

Aber
-- die Zucker- und Textilindustrie sind völlig unzureichend
-- die neuen Grenzen schneiden die Verarbeitungs- und Veredelungsbetriebe von den Rohstoffbasen ab, v.a. Kohle, der damals wichtigste Energieträger

-- die österreichische Landwirtschaft hat vorübergehende Engpässe (durch Besetzungen und Landzerstörungen)
-- die Kohle- und Lebensmittelimporte belasten die Bilanzen (S.44).

Deutschösterreich besitzt gleichzeitig reiche Eisenerz-, Graphit-, Salz- und Magnesitvorkommen, und riesige Holzreserven. Deutschösterreich ist statistisch nicht "arm dran".

Weissensteiner:
"von seiner industriellen Kapazität, seinen Bodenschätzen und seinen potenziellen Wasserkraft- und Erdölreserven her gesehen, besass der neue Staat jedoch genug wirtschaftliche Kraft, um überleben zu können." (S.44)

In Wien aber entwickelt sich ein Hungerproblem. Wien war Metropole eines 50-Mio.-Reiches gewesen, mit Sitz von Zentralbehörden, Sitz von Grossbanken, Industriebetrieben, Handelsunternehmungen, Sitz der wichtigsten kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen, Sitz der auflagestärksten Zeitungen, allgemein mit einem überproportional vertretenen Dienstleistungssektor. Die Stadt hat sich damit bei der ländlichen Bevölkerung nicht beliebt gemacht. Ausdrücke sie "Wasserkopf" und "Sündenbabel" sind für Wien üblich. So steht immer eine ländliche christlich-soziale Mehrheit gegen eine städtische, sozialdemokratische Mehrheit (S.45).


Der Hunger greift nun ab November 1918 als politischer Faktor ein

-- Wien erhält ab November 1918 weder aus Ungarn noch aus den Bundesländern mehr Versorgung

-- nach dem Zusammenbruch der Lebensmittelversorgung sind oft nicht einmal mehr die zugesagten Rationen erhältlich

-- oft stehen Hausfrauen nach stundenlangem Anstehen vor leeren Regalen (S.46)

-- Höhepunkt der Not ist im Frühling 1919 bei Unterernährung und Anfälligkeiten gegenüber Erkrankungen die Epidemie der "Spanischen Grippe", und weil zu wenig Medizin zur Verfügung steht, hat Wien 1000e von Toten zu beklagen. TB verbreitet sich in Wien und wird als "Wiener Krankheit" bezeichnet. Ruhr und Rachitis haben bei Kindern lebenslängliche Verkrüppelungen zur Folge

-- Mangel an Kohle und Holz in der Stadt lassen die BewohnerInnen zur Selbsthilfe greifen. Sie schlagen selber Holz im Wienerwald und im Lainzer Tiergarten (S.47)

-- der Eisenbahnverkehr bricht fast zusammen, längere Zeit fahren keine Schnellzüge, die Wiener Stadtbahn wird stillgelegt, weil keine Kohle zur Verfügung steht, die Strassenbahn fährt nur zwischen 6:15 und 20 Uhr und Samstags und Sonntags mit eingeschränktem Verkehr, viele müssen zu Fuss zur Arbeit laufen (S.47-48)

-- Verbot der Beleuchtung von Hauseingängen und Treppenhäusern ab 20 Uhr

-- Gasthäuser müssen um 20 Uhr, Kaffeehäuser um 21 Uhr schliessen

-- Betriebsverbot für Theater, Vortragssäle, Kinos und Varietés

-- Wohn- und Schlafzimmer dürfen nur mit 50-Watt-Glühbirnen beleuchtet sein

-- Gas wird nur zu bestimmten  Tageszeiten geliefert

-- in zahlreichen Betrieben muss die Arbeitszeit eingeschränkt werden (S.48).


Der britische Hohe Kommissar Lindley über Wien
-- auch Hotelzimmer seien ungeheizt
-- Neugeborene sterben aufgrund niedriger Temperaturen in Krankenhäusern (S.48).

Die Übergangsregierung unter Renner richtet Appelle an das Ausland, Wien zu helfen, z.T. mit Erfolg:
-- die Schweiz, Schweden und andere Länder senden Hilfszüge
-- 1000e österreichische Kinder verbringen Wochen und Monate bei Gastfamilien im Ausland (S.48).

Bei vielen Österreichern herrschen aber noch einige Jahre lang Hunger, Kälte, Not und Elend (S.48).


18.11.1918
Jugo-Besetzung in Kärnten: Ferlach
(S.54)

19.11.1918
Jugo-Angriff auf die Loiblsicherung auf der Sapotnitza
Die Jugo-Armee führt ihre Invasion bis zu den Flüssen Drau, Gail und Gailitz aus. Die Jugo-Armee schafft mit den neuen Flussgrenzen neue Fakten, in Verletzung aller Konventionen (S.54).

[Dabei ist dies erst der Anfang eines "grossen Plans"].

Anfang Dezember 1918
Jugo-Invasion in Kärnten: Besetzung von Griffen, Unterdrauburg, Lavamünd, St.Paul
Die untere Drau nach Klagenfurt ist von Jugos besetzt (S.55).

5.12.1918
Kärnten: Entschluss zur Verteidigung
Entschluss des Landesverwesers Dr. Arthur Lemisch in Geheimsitzung, den Kampf gegen die Südslawen mit ganzer Kraft zu führen. Die Staatsregierung in Wien rät von weiteren Scharmützeln dringend ab. Die Scharmützel gehen aber weiter. Kärntner Abwehrkämpfer vertreiben die Jugos aus dem Lavanttal, aus dem Gailtal und aus dem Rosental. Die Kärntner machen Wien den Vorschlag, die umstrittenen Gebiete mit "amerikanischen" oder britischen Truppen besetzen zu lassen und dann freie und unbeeinflusste Volksabstimmungen durchzuführen. Wien lehnt den Vorschlag ab. Interventionen der Wiener Staatsregierung gegen die Besetzung südkärntischer Gebiete bleiben bei der Entente wirkungslos (S.55).

[-- in Paris wird v.a. ein Feldzug gegen den Kommunismus in Russland diskutiert
-- und da Österreich bereits geheime diplomatische Gespräche mit Berlin über einen Anschluss führt, die Frankreichs Spitzeln sicher nicht verborgen bleiben, bleibt die Stimmung gegen Österreich in Paris sehr frostig...].


Januar 1919

Pläne zur Schaffung einer "Republik Kärnten", einer "Alpenländischen Republik"
Es soll quasi ein Deutschösterreich ohne Wien, ohne den "Wiener Wasserkopf" entstehen, bestehend aus der Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol, ohne Nieder- und Oberösterreich (S.54).

Januar-Februar 1919
Wahlkampf zu den ersten Wahlen der "Republik Deutschösterreich"
25 Parteien kämpfen um 170 Sitze, Stimmalter ist 20 Jahre, erstes Frauenstimmrecht, z.T. antisemitischer Wahlkampf (S.38).

Alle Parteien betreiben antisemitischen Wahlkampf

-- gegen Juden pauschal
[als Sündenbock für die deutschfeindliche Politik von Kaiser Franz Joseph, der nie einen Anschluss zugelassen hat]

-- gegen die "Judenknechtschaft"
[der jüdischen Banken, die die Börse seit den 1860-er Jahren als Spielzeug haben und 1873 nach einem Börsencrash jegliche Staatshilfe bekamen]

-- gegen eine "Judenrepublik"
[wegen jüdisch geleiteten Zeitungen, die jeweils die jüdischen Banken und Grossunternehmer verteidigen, und die die deutschösterreichischen Anschlussgedanken seit 1873 auslachen]

-- gegen das "blutsaugende jüdische Kapital"
[gegen die Rothschild-Bank] (S.39)

Sozialistische Forderungen:
-- Schutz der Republik
-- weiterreichende Sozialreformen
-- Trennung zwischen Kirche und Staat
-- Verstaatlichung von Eigentum von Kapitalisten und Grossgrundbesitzern
-- Anschluss an ein sozialistisches Deutschland
-- Prozess gegen Spekulanten [Börsengurus] und gegen Kriegsgewinnler (S.39)

Christlichsoziale Forderungen:
-- für Länder- und Gemeindeautonomie
-- für den Schutz der christlichen Familie
-- Warnung vor einer sozialistischen Diktatur

Deutschnationale und liberale Forderungen:
-- gegen Marxisten
-- gegen "die Pfaffen" (S.39).

Sogar die Kirche mischt sich in den Wahlkampf ein. Viele Priester halten Wahlpredigten von der Kanzel herab (S.39).

Bei Zusammenstössen verschärft sich das Klima. Es wird um jede Stimme "gekämpft" (S.39). Die Kommunistische Partei bestimmt im ganzen Jahr 1919 die politische Szene und das Gesetz des Handelns (S.40).

Mitte Januar 1919
Jugo-Invasion in Kärnten: Waffenstillstandsverhandlungen bleiben ohne Resultat
Eine "amerikanische" Kommission unter Leitung von Oberstleutnant Sherman Miles nimmt einen Augenschein und legt die Ergebnisse in einem Mehrheitsbericht vor:

-- Kärnten sei als geographische und wirtschaftliche Einheit zu betrachten

-- die Mehrheit der Bevölkerung, auch die Bevölkerung slowenischer Nationalität, wünsche den Verbleib bei Österreich (S.55-56).

Das Gutachten wird Grundlage für Kärnten bei den Pariser Verhandlungen und bekommt ausschlaggebende Bedeutung (S.56).

Bis Ende April 1919 herrscht in Kärnten Waffenruhe
-- mit Anzeichen der weiteren Planung von Jugo-Vorstössen
-- Landesbefehlshaber Hülgerth lässt eigene Kräfte ausbilden und bewaffnen
-- die Staatsregierung unternimmt zur Verteidigung der Landesgrenzen "nicht allzu viel", liefert Waffen und Munition über das Munitionslager Niklasdorf in der Steiermark (S.56).


Februar 1919


GB-Hilfe, damit der Kaiser geht
Die britische Regierung gibt an den Verbindungsoffizier der britischen Orientarmee im HQ von Saloniki, Oberst Edward Lisle Strutt, den Auftrag, für den Schutz des Kaisers und für dessen baldige Abreise zu sorgen (S.51).

ab Februar 1919
Tschechische, italienische und jugoslawische Besetzungen in Deutschösterreich
Die Besetzungen verstossen voll und ganz gegen den Wilson-Punkt des proklamierten "Selbstbestimmungsrechts der Völker":
-- tschechische Truppen besetzen Deutschböhmen und Deutschmähren
-- italienische Truppen besetzen Südtirol, stossen über den Brenner bis Innsbruck und Hall vor
-- Jugoslawien beansprucht die Südsteiermark und Kärnten (S.54).

[Die Nachbarstaaten haben sich insgeheim scheinbar Österreich schon aufgeteilt. Gleichzeitig besteht noch die Bestrebung in Vorarlberg, der Schweiz beizutreten...].

9.2.1919
Parteitag der kommunistischen Partei KPDÖ - Adler will einen demokratischen Kampf
Die kommunistischen Delegierten hoffen, dass Friedrich Adler (1879-1960), Sohn von Viktor Adler, der Mörder von Ministerpräsident Graf Stürgkh, die Parteiführung übernimmt. Adler lehnt aber ab und will den Kampf gegen das Bürgertum mit den Mitteln der Demokratie führen (S.40).


16.2.1919
Wahlen zur Nationalversammlung Deutschösterreichs - "Grossdeutsche Vereinigung"
Auch Blinde und alle Menschen werden zu den Urnen geleitet. Gebrechliche werden in die Wahllokale getragen. Wahlresultat:

-- Sozialisten: 72 Mandate
-- Christlichsoziale: 69 Mandate
-- Deutschnationale: 26 Mandate
-- sonstige: 3 Mandate (S.39).

Verluste hat das nationale Lager. Es bekommt nur 26 von 170 Sitzen.

In der Folge schliessen sich die Nationalen  unter Dr. Franz Dinghofer (1873-1956) zur "Grossdeutschen Vereinigung" zusammen (S.36).

Regierungsbildung: Koalition Sozialisten-Christlichsoziale
Dr. Karl Renner bleibt Staatskanzler, Jodok Fink wird Vizekanzler (Christlichsozialer, Bauernführer) (S.40).

22.2.1919
GB-Ö-CH: Strutt trifft in Eckartsau ein und verschafft dem Kaiser ein Visum für die Schweiz
Strutt veranlasst eine bessere Versorgung des Haushalts des Kaisers und bemüht sich mit dem Chef der britischen Militärmission in Wien um eine Ausreisebewilligung in die Schweiz. Rumer  [?] droht mit der Unterstützung der christlich-sozialen Fraktion mit Ausweisungsgesetz bzw. mit Verhaftung und Internierung (S.51).


März 1919


März 1919 ca.
Hilferuf aus Ungarn: Tschechen besetzten die Slowakei [und ungarische Gebiete links der Donau] - Rumänien besetzt Siebenbürgen
(S.41).

[Jetzt haben die von Frankreichs Agenten bewaffneten und ausgebildeten Truppen kräftig zugeschlagen und schaffen für die Pariser "Friedensverhandlungen" neue Fakten...]

ab März 1919
Die Not in den Verliererländern - die Rätebewegung und "Rote Garden"
Die Not in den Verliererländern des Krieges steigt durch Heimkehrer und hohe Arbeitslosigkeit. Die kommunistische Partei Deutschösterreichs KPDÖ hat bereits 10'000 Mitglieder (S.40).

18.3.1919
GB-Ö-CH: Einreisegenehmigung für den Kaiser in die Schweiz in Telegrammform

Text des Telegramms:
"Erklären uns zur Aufnahme der ex-kaiserlichen Familie samt Gefolge bereit, geben aber der Hoffnung Ausdruck, es werde möglich sein, letzteres möglichst zu beschränken. Ohne daraus eine Bedingung machen zu wollen, rechnen wir mit ca. 20 Personen." (S.51-52)

Strutt setzt die Abreise des Kaisers für den Abend des 23.3.1919 fest, während Renner noch die Abdankung erzwingen will. Strutt droht mit einem Telegramm nach London, dass alle Lebensmitteltransporte nach Österreich eingestellt werden würden, falls Renner die Ausreise des Kaisers verweigere. Erst da gibt Renner nach (S.52).


21.3.1919
Ungarn fällt in eine kommunistische Räterepublik
(S.40).
Die Regierung Bela Kun wird gleichzeitig in die Kämpfe an den Grenzen gegen Rumänien und die "CSSR" hineingezogen und hart bedrängt. Kun unterstütz in Wien durch Emissäre an der ungarischen Botschaft einen österreichischen Umsturzversuch durch die Kommunisten der "Roten Garde". Die österreichischen Arbeiterräte entscheiden unter Führung von Friedrich Adler die Ablehnung der Unterstützung der ungarischen Räteregierung. Dafür leisten 1200 Freiwillige der ungarischen Armee schliesslich doch noch Beistand gegen tschechische und rumänische Truppen (S.41).


22.3.1919
Wien: Massenkundgebung der KPDÖ
20'000 Demonstrationsteilnehmer in Wien feiern stürmisch die ungarische Räterepublik. Die Angst vor einem kommunistischen Umsturz in Wien wächst (S.41).


23.3.1919
Ö-CH: Abreise des Kaisers in die Schweiz
in 3 Salonwagen, 2 Gepäckwagen, und ein offener Frachtwaggon für die Autos. Britische Militärtransporter transportieren das Gepäck zum Bahnhof unter Überwachung einer britischen Militärpatrouille. Verabschiedung 19 Uhr, letzte Ehrenbezeigung einer Gruppe von Unteroffizieren.

Zugfahrt durch die Nacht, Ankunft am Morgen in Innsbruck, am frühen Nachmittag des 24.3. 1919 erreicht der Zug Feldkirch. Der Kaiser gibt in Feldkirch noch ein Abschiedsmanifest bekannt, das an ausgewählte befreundete Staatsoberhäupter und an den Papst versandt wird, mit einem Protest gegen seine Entsetzung und gegen den Landesverweis. Er bezeichnet den Vorgang des Landesverweises als "Schmach für Österreich" (S.52).


3.4.1919
Landesverweisungsgesetz gegen den Kaiser
Aber diejenigen Mitglieder des ehemaligen Herrscherhauses, die sich zur Republik bekennen, dürfen im Lande bleiben (S.53).

[Ergänzung:
Die Kaiserfamilie erlebt kein ruhiges Schicksal: zuerst mit einem ersten Aufenthalt in der Schweiz bei Rorschach, dann in Madeira. 1922 stirbt Karl I. an einer Lungenentzündung, und seine Frau Zita von Bourbon-Parma zieht mit ihren 8 Kindern ins Baskenland, dann in Belgien. Die Nazi-Besetzung 1938 macht jede Hoffnung auf eine Rückkehr nach Österreich zunichte. Im Zweiten Weltkrieg flüchtet die Familie nach Portugal, dann mit den jüngeren Kindern in Kanada, die älteren Kinder in die "USA". Der älteste Sohn Otto wird immer wieder vergeblich als Kronanwärter für Österreich vorgestellt.

Nach dem Krieg sind Luxemburg und zuletzt der Kanton Graubünden, speziell Zizers die Wohnsitze. Der älteste Sohn Otto von Habsburg verzichtet 1961 auf seine Thronrechte und darf 1962 erstmals wieder Österreich besuchen. Zita gelingt erst 1982 durch Vermittlung des spanischen Königs Juan Carlos ein Besuch in Österreich, 90-jährig, ohne Rechteverzicht. Nach ihrem Tod in Zizers wird sie 1989 in Wien beigesetzt. Ihr Herz ist im Kloster Muri aufbewahrt...
http://de.wikipedia.org/wiki/Zita_von_Bourbon-Parma]


Chronologie (Fortsetzung)

5.4.1919
München fällt in eine Räteherrschaft
(S.40).


17.4.1919
Wien: Hungerdemonstration mit Arbeitslosen und Invaliden
Forderungen vor dem Parlament sind
-- höhere Unterstützungen
-- und das Anheben der Lebensmittelrationen.

Nach ergebnislosen Verhandlungen werfen Demonstranten Steine ins Parlamentsgebäude. Es erscheint berittene Polizei und es fallen erste Schüsse. Die Polizei ist zu schwach, ruft die Volkswehr zu Hilfe. Inzwischen wird an zwei Stellen des Parlaments Feuer gelegt und es entwickeln sich Schiessereien (S.41).

Die Volkswehrkompanien können den Widerstand zerstreuen. 5 Polizisten und 1 Demonstrant kommen ums Leben, ca. 50 Schwerverletzte sind zu beklagen. Polizeipräsident Schober verlangt die Verhängung des Standrechts, aber ohne Erfolg. Die Sozialisten mahnen zur Besonnenheit. Der Parteivorstand der Sozialdemokraten erteilt den kommunistischen Diktaturbestrebungen eine Absage (S.42).

ab 17.4.1919
Weitere ungarische Umsturzbestrebungen in Wien
Die Manipulationsversuche, Wien in eine Rätediktatur zu stürzen, gehen weiter. Ungarn unterstützt die KPDÖ mit Geld und Propagandamaterial (S.42).

29.4.1919
Kärnten: Neuer Jugo-Angriff
Die österreichische Volkswehr steht da mit 5200 Mann, die Heimwehr mit 55 Kompanien von 4600 Mann. Insgesamt stehen 66 Geschütze, 2 Panzerwagen und 10 Flugzeuge auf Kärntner Seite.

Die Jugos greifen zwischen Rosenbach und Lavamünd mit Ziel der Eroberung von Klagenfurt und Villach an, stossen aber auf entschlossene Kärntner Abwehr, unterstützt von Volkswehrbataillonen aus Wien, Niederösterreich, mit Freiwilligen aus der Steiermark und aus Tirol. Die österreichischen Truppen können selbst die Demarkationslinie der Drau überschreiten (S.56).


Mai 1919


2.5.1919
Ankunft der österreichischen Delegation in Paris
Renner nützt seine volle Bewegungsfreiheit "aus Solidarität mit seinen Leidensgenossen kaum" (S.60).

6.5.1919 ca.
Jugo-Rückzug aus Kärnten
Nach einer Woche ziehen sich die Jugo-Truppen hinter die Grenzen von Kärnten zurück. Unter dem Vorsitz des Staatssekretärs für das Heerwesen, Julius Deutsch, finden Waffenstillstandsverhandlungen statt, aber ohne Resultat. Die Jugos weisen alle Kompromissvorschläge zurück (S.56).

Mitte Mai 1919
Ungarischer Kommunist Bettelheim in Wien
Dr. Ernst Bettelheim, Mitstreiter von Bela Kun, kommt von Budapest nach Wien mit dem Auftrag, die KPDÖ von "kleinbürgerlichen Elementen" zu säubern und die Ausrufung der österreichischen Räterepublik vorzubereiten (S.42).

Es kommt zu zahlreichen Aktionen gegen den von den alliierten verfügten Abbau der Volkswehr. Der 15.6.1919 wird als Termin für einen bewaffneten Aufstand festgelegt. Die Sozialisten tun mit Erfolg alles, um die Arbeiterschaft und die Volkswehr von der Teilnahme an der kommunistischen Aktion fernzuhalten (S.42).

Mitte Mai 1919 ca.
Kärnten: Die Pariser Konferenz akzeptiert die Idee der Volksabstimmung
(S.56).

21.5.1919
Renner in einem Brief an seine Frau Luise: "Zwergstaaten" hätten keine Rechte

"... Wir sind vollständig eingesperrt. Mir hat man ein Auto und die Freiheit zu Ausfahrten gelassen, aber ich mache bis jetzt absichtlich keinen Gebrauch davon. Bettlerstolz! [...]

Die Sieger schreiten einfach über solche Zwergstaaten, wie wir es sind, hinweg, ohne viel zu fragen. Sie glauben genug zu tun, wenn sie uns füttern, und am Ende muss man ihnen auch dafür noch danken." (S.62)

Seine Unterkunft bezeichnet Renner als eine Siedlung, die einem Internierungslager gleiche (S.62).

[Die Lüge von Renner:
Da Deutschösterreich die führende Kraft der Monarchie war mit allen Verantwortlichkeiten für die Kriegsführung, mit Kerkerstrafe bei Dienstverweigerung etc., kommt es nicht umhin, dafür auch die Verantwortung zu übernehmen, v.a., weil es trotz französischen Angeboten (von vor 1914) zusammen mit dem germanisierenden Deutschland (ab 1914) den Krieg geführt hat].


28.5.1919
Kärnten: Grossangriff der Jugo-Armee
(S.56); die zweite jugoslawische Invasion stösst auf fast keine Gegenwehr. Die Jugo-Armee kann bis Klagenfurt durchmarschieren und in Klagenfurt einmarschieren (S.57).


Juni 1919


Juni 1919
Die KPDÖ hat schon 40'000 Mitglieder (im März 1919 noch 10'000).
(S.40)


2.6.1919
Erste Übergabe der Friedensbedingungen
Rede von Renner: Renner gibt sich unschuldig:
"Unsere Republik ist wie alle anderen entstanden und ist ebenso wenig wie diese der Nachfolger der Monarchie." (S.62)

Die Vertragsbedingungen:
-- "Republik Deutschösterreich" darf Österreich nicht mehr heissen, sondern es muss "Republik Österreich" heissen

-- der Anschluss an Deutschland wird verboten

-- die Unabhängigkeit Österreichs ist unabänderlich ausser bei Zustimmung durch den Völkerbund

-- Abtretungen an die "CSSR": Deutschböhmen, Schlesien, Sudetenland und Südmähren sowie die deutschsprachigen Randgebiete in Niederösterreich: Gmünd, Feldsberg

-- Abtretungen an Italien: Südtirol bis zum Brenner, und das Kanaltal in Kärnten

-- Abtretungen an Jugoslawien: die deutschsprachige Südsteiermark bis Marburg, das Kärntener Miesstal

-- für Kärnten ist eine Abstimmung vorgesehen

-- Wirtschaftsbestimmungen:
oo  Kontrolle des Aussenhandels durch den Völkerbund
oo  einseitige Zollbegünstigungen für Italien
oo  Internationalisierung der Schifffahrt auf der Donau
oo  Durchfahrtsrecht der Züge von Prag nach Triest (S.62).

3.6.1919
Pressestimme zu den "Friedensbedingungen": Arbeiter-Zeitung: aus 10 werden 6 Mio.

"Alles haben sie uns genommen! Der entscheidende Tag ist für Deutschösterreich angebrochen. Montag mittag war unsere Delegation in das Schloss von Saint-Germain beschieden, um zu vernehmen, was die Weltgebiete, die in der Entente versammelt sind, unserem armen Staate als Schicksal bestimmt haben ... wir sehen, wie die Entente das deutsch-österreichische Gebiet zerschneidet, zerstückelt und Millionen von Deutschen nationaler Fremdherrschaft ohne Bedenken ausliefert und unterwirft. Wir waren im alten Österreich ein Volk von fast 10 Mio. Menschen; durch den Vertrag wird Deutschösterreich "ein Staat von etwa 6 Mio. Einwohnern". Mehr braucht man nicht zu hören, um zu wissen, dass der "Vertrag" Deutschösterreich furchtbares, gehässiges Unrecht tut..." (S.59)


4.6.1919
Wien: Verhaftungsaktion gegen Kommunisten
Schober lässt 130 führende Kommunisten in der Parteizentrale verhaften, mit deren Einverständnis, denn sie wollen als Märtyrer dastehen. In Wirklichkeit ist es ein feiger Rückzug (S.42-43).

4.6.1919
Neue Freie Presse: bezeichnet die "Friedensbedingungen" für "unannehmbar"
(S.62-63)

In Österreich prägt die Politik an Grosskundgebungen das Schlagwort vom "Vernichtungsfrieden" (S.63).

6.6.1919
Jugo-Armee besetzt Klagenfurt
Hunderte von Toten und Verletzten, Verlegung des Sitzes der Landesregierung nach Spittal. Protest von Karl Renner in Paris. Die Friedenskonferenz befiehlt die Räumung Klagenfurts bis zum 31.7.1919 (S.57).

12.6.1919 ca.?
Die Slowenische Bevölkerung wendet sich zum Teil von Jugoslawien ab
Bericht von Oberst Lapel Peck an die Pariser Konferenz, Vorsitzender der Abstimmungskommission:

Der jugoslawische General Meister ist verantwortlich für die Misswirtschaft und für die Unterdrückungsmassnahmen der Jugos in Kärnten. Die Slowenen in Kärnten sehen das und wenden sich z.T. von Jugoslawien ab und bekommen Sympathie für Österreich (S.58).

[Die Slowenen sind somit keine richtigen "Jugos" mehr...]

15.6.1919
Wien: Kommunistische Versammlung auf dem Rathausplatz
Die Verhaftungen vom 4.6.1919 werden bekanntgegeben. Es wird beschlossen, für deren Freilassung zu demonstrieren. Der Demonstrationszug erreicht das Landgericht, wo keine Häftlinge einsitzen (S.42). Der Demonstrationszug geht weiter zum Polizeigefangenenhaus, wo der Zusammenstoss mit dem Polizeikordon stattfinden. Die Demonstranten attackieren mit Steinen und Eisenstücken und versuchen den Durchbruch. Die Polizei reagiert mit drei blinden Salven, die die DemonstrantInnen nicht abschrecken. Dann schiesst die Polizei mit scharfer Munition und produziert 12 Tote und 80 Schwerverletzt, von denen 8 auch noch sterben. Die kommunistische Aktion ist gescheitert (S.43).


Juli 1919


20.7.1919
Übergabe des zweiten Teils der Vertragsbestimmungen
Finanzielle und militärische Bestimmungen:
-- Verpflichtung zur Wiedergutmachung der Kriegsschäden
-- Ablieferung aller Waffen
-- ein Berufsheer von 30'000 Mann wird erlaubt, aber keine Miliz, wie die Sozialdemokraten es möchten (S.63).

1.8.1919
Klagenfurt: Einzug der österreichischen Gendarmerie
(S.57)

Anfang August 1919
Zusammenbruch der Räteherrschaft in Ungarn
->> den österreichischen Kommunisten wird der Boden für ihre Aktivitäten entzogen
->> das Volkswehrbataillon Nr. 41 der Kommunisten wird aufgelöst
->> die KPÖ wird bedeutungslos (S.43).

2.9.1919
Übergabe der endgültigen Friedensbedingungen
mit zwei territorialen Änderungen:

oo  das deutschsprachige Westungarn (Burgenland) bleibt bei Österreich [zur Versorgung der Stadt Wien mit Landwirtschaftsprodukten, und weil es durch und durch deutsch ist]

oo  eine Volksabstimmung in Kärnten wird zugestanden (S.64), denn v.a. Italiens Delegation war in Paris bestrebt, dass Jugoslawien nicht zu gross wird (S.57) [weil das Jugoland schon die Hafenstadt Fiume / Rijeka bekommt]

-- keine Korrektur bei Südtirol trotz Protesten der Tiroler Bevölkerung (S.64)

[damit Italien wenigsten eine Kriegsbeute mit nach Hause bringt, wenn Fiume schon an das Jugoland fällt].


ab 3.9.1919
Kärnten: Vehemente Jugo-Propaganda
In den Jugo-besetzten Zonen werden wieder Einschüchterungen und Repressionen gegen die deutsch-sprechende Bevölkerung durchgeführt:
-- Einrichtung eines slowenischen Gymnasiums in der Ortschaft Völkermarkt
-- Einrichtung einer slowenischen Lehrerbildungsanstalt in Völkermarkt
-- willkürliche Verteilung von Lebensmittellieferungen  (S.58).

Die Abstimmung in Kärnten wird in zwei Zonen geplant: Zone A von 71'800 Einwohnern mit 49'000 Slowenischsprechenden, Zone B mit 53'000 Einwohnern mit 4500 Slowenischsprechenden. Wenn in der Zone A eine Mehrheit für das Jugoland zustandekommt, wird auch in Zone B abgestimmt, sonst nicht (S.58). Die Abstimmung ist für den 10.10.1920 angesetzt (S.58-59).


6.9.1919
Verabschiedung des "Friedensvertrags" von St-Germain in Wien
-- scharfe Attacken, Schlagwort vom "Schandvertrag"

-- Kanzler Renner plädiert für den Vertrag [weil sonst Wien keine Lebensmittelhilfe mehr bekommt]

-- der Vertrag passiert die Abstimmung mit 97 zu 23 Stimmen [es ist quasi eine Hungererpressung und Kohle-Erpressung]

-- alle Grossdeutschen stimmen geschlossen gegen den Vertrag, die Abgeordneten von Tirol und Südsteiermark haben vor der Abstimmung den Saal verlassen (S.63).


7.9.1919
Kommentar der Kronen-Zeitung zum "Friedensvertrag" von St-Germain: Alle Schimpfwörter gegen den Vertrag

"Der Friede wird Dienstag abends in St-Germain unterzeichnet werden. Die deutschösterreichische Nationalversammlung - am Mittwoch wird sie schon "österreichische" heissen - hat dies gestern mit 97 gegen 23 Stimmen beschlossen. Es ist ein Raubfriede, ein Vernichtungsfriede, ein Schandfriede, wie ihn die Weltgeschichte noch nicht kennt. Er bedeutet für unsere politische Freiheit und wirtschaftliche Entwicklung den Todesstoss, aber wir müssen unterschreiben, uns bleibt kein Ausweg. Ohne Kohle, ohne Lebensmittel, ohne Wolle können wir nicht weiterleben und die Unterzeichnung rettet uns wenigstens vor dem Tod durch Hunger und Erfrieren..." (S.64)

[Dabei ist anzunehmen, dass die französische Regierung die tschechische und polnische Regierung sehr dahingehend beeinflusst, dass bis zur Unterschreibung des Friedensvertrags an Wien keine Kohle mehr geliefert wird].


10.9.1919
Unterzeichnung des "Friedensvertrags"
->> Ratifikationsurkunden werden hinterlegt, Inkrafttreten am 16.7.1920
->> die Presse spricht vom "Todesstoss", vom "Raubfrieden", vom "Vernichtungsfrieden", vom "Schandfrieden" (S.69).


Januar 1920


ab 1920
Die Christlichsozialen überflügeln die Sozialisten
(S.39). Die Deutschnationalen kommen nie über 15% (S.40).

Die Christlichsozialen sitzen an den Hebeln der Macht
-- stellen 1920-1938 den Bundeskanzler ausser 1929/30 in der Regierung Schober (S.30). Die christlichsozialen Bundeskanzler sind:
Dr. Michael Mayr, Dr. Rudolf Ramek, Dr. Otto Ender, Carl Vaugrin, Dr. Karl Buresch, Dr. Engelbert Dollfuss, Dr. Kurt Schuschnigg (S.32).

Die Christlichsozialen
-- stellen auch den Bundespräsidenten Dr. Wilhelm Miklas 1928-1938
-- stehen den wichtigsten Bundesministerien vor
-- und haben ausser in Wien in allen Bundesländern die Mehrheit (S.30).

Die österreichische Sozialdemokratie
-- beherrscht das politische Zentrum Wien mit sozialdemokratischer Rathausmehrheit mit vorbildlicher Kommunalpolitik
-- in den ersten 1 1/2 Jahren sind sie die politische Führungskraft der gesamten Republik
-- sie halten die neue Republik nicht für lebensfähig und propagieren den Anschluss
-- sie setzen v.a. in der Sozialpolitik wichtige Reformen durch (S.32).

Die Grossdeutsche Volkspartei
Ihr Leitgedanken ist der Zusammenschluss mit dem Deutschen Reich. Die "Nationale Volksgemeinschaft" ist ihr Basiswert. Sie tritt ein für Leistung und Gerechtigkeit im Kampf gegen ungehemmten Individualismus und gegen den klassenkämpferischen Sozialismus.

Das Programm ist nach Grundsätzen und Errungenschaften der bürgerlich-liberalen Bewegung des 19. Jh. gestaltet:
-- Freiheit der Person
-- Unabhängigkeit der Rechtsprechung
-- Recht auf freie Meinungsäusserung
-- Briefgeheimnis
-- grosses Wirtschaftsprogramm
-- Antisemitismus (S.36) [als politischer Sündenbock zur Vertuschung der eigenen Versäumnisse].

Österreichischer Antisemitismus ab 1920
existiert v.a. in Vereinen [mit Arierparagraphen] in der Deutschen Studentenschaft, im Deutschen Turnerbund, im Deutschen Schulverein, im Alpenverein (S.36).

Deutschnationale 1920-1938
Das liberale Element wird zurückgedrängt und ab Hitler immer mehr der "Führer" bewundert (S.37).

ab 1920
Die Kommunisten in Österreich reiben sich selber auf
durch innerparteiliche Fraktionskämpfe. Umbenennung in "Kommunistische Partei Österreichs" (KPÖ). Die Partei wird bedeutungslos und bleibt ohne parlamentarische Vertretung (S.37).


Juni 1920
Rückzug der Sozialdemokratie aus der Regierungstätigkeit
(S.32-33)


10.10.1920
Kärnten: Volksabstimmung für Österreich
(S.58). Die Abstimmung findet unter dem Vorsitz des britischen Oberst Lapel Peck statt. Von 37'304 gültigen Stimmen der Zone A votieren 22'025 für Österreich (59 %). Innerhalb der Zone A votiert südlich der Drau eine knappe Mehrheit für Jugoslawien. Insgesamt haben ca. 10'000 Slowenischsprechende für Österreich gestimmt. In der Zone B findet keine Abstimmung mehr statt (S.58-59).

14.10.1920
Ein nochmaliger Einmarschversuch der Jugo-Armee blitzt sofort ab
Zwei Bataillone rücken in die südliche Abstimmungszone ein. An der Botschafterkonferenz in Paris kommt energischer Protest auf, woraufhin die Jugos sofort wieder ihren Rückzug antreten, und diesmal endgültig (S.58-59).

1921-1932
Die Deutschnationalen übernehmen in Österreich Regierungsverantwortung
und sind bis 1932 Koalitionspartner der Christlichsozialen, aber ohne "sonderlich grosses Gewicht". Der Einfluss geht zurück, da keine starken und populären Politiker zur Verfügung stehen (S.37).

Dauernde Propaganda der Nicht-Lebensfähigkeit Österreichs für einen Anschluss
Die Regierung setzt sich weiter für einen Anschluss an Deutschland ein mit dem Argument, Deutschösterreich sei nicht lebensfähig. Dabei wäre durch eine zielstrebige staatliche Wirtschaftspolitik die sofortige profitable Entwicklung der Ressourcen möglich gewesen. Ansätze werden beim Ausbau der Wasserkräfte und der Elektrifizierungen der Bundesbahnen gemacht.

Die Massnahmen werden insgesamt aber nur "halbherzig" durchgeführt. Der Staat überlässt die Wirtschaft dem freien Spiel der Marktwirtschaft. Viele Industrien entwickeln keine wirtschaftlichen Zukunftsstrategien und warten weiter auf den Anschluss, damit man wieder "Grossraumwirtschaft" betreiben könne. Sie stellen einfach nicht um.

Weissensteiner:

"Den massgeblichen Kreisen in Politik und Wirtschaft mangelte es an einer positiven, bejahenden Einstellung zum neuen Staat [...] Bei jeder Gelegenheit und mit unermüdlicher Beharrlichkeit wurde den Menschen eingehämmert, dass die einzige Rettung Österreichs der Zusammenschluss mit Deutschland sei." (S.45)

Es ist unbestreitbar, dass diese Wirtschaftspolitik, auf einen Anschluss zu warten, "zumeist lediglich der Verschleierung politischer und nationaler Ziele" diente, so Weissenstein. Die Politik nimmt die Lüge der Nicht-Lebensfähigkeit zum Vorwand für die Anschlusspropaganda, erzeugt und vertieft den Rassismus gegen die Nachbarstaaten im Volk und verhindert damit ein natürlich-gesundes Staatsbewusstsein (S.45). Der Staat ist unter diesen psychischen bis psychotischen Umständen tatsächlich nicht lebensfähig und wird nach 17 Jahren von einer deutschen Verbrecherclique unter dem Jubel der Massen "übernommen" (S.46).

ab 1927
Die Heimwehrbewegung löst das "nationale Lager" ab
Ein Grossteil des "nationalen Lagers" geht über zur Heimwehrbewegung und zur NSDAP (S.37).

Ende 1920-er Jahre
-- Profilierung der KPÖ gegen die anwachsenden faschistischen Bewegungen
-- Zuzug von enttäuschten Sozialisten (S.37).

1930
Letzter Erfolg der Deutschnationalen unter Johannes Schober mit Erringung von 19 Mandaten
Schober setzt sich vergeblich für eine deutsch-österreichische Zollunion ein (S.37).

26.5.1933
Der Ministerrat in Wien verbietet die KPÖ und drängt sie in die Illegalität
(S.37)

Februar 1934
Bürgerkrieg in Österreich
(S.37)

ab 1934 / nach dem Bürgerkrieg
-- Verbot der Sozialdemokratischen Partei durch die politischen Gegner (S.32-33)
-- rege Tätigkeit der KPÖ gegen den Ständestaat
-- Aktionen der KPÖ für die Unabhängigkeit im Kampf gegen den Nationalsozialismus
-- die KPÖ spielt eine bemerkenswerte Rolle im antifaschistischen Widerstand (S.37).


1938
Österreich wird von Deutschland "übernommen"
ein Österreich, das sich [seit der Tschechisierung] politisch immer an Deutschland anlehnen wollte (S.46).

[Der Jubel in der deutschösterreichischen Bevölkerung über den Anschluss ist ausgelassen, Hakenkreuzfahnen werden schon vor dem Einmarsch hochgezogen etc. Als der NS-Terror aber beginnt, Österreich anders aufzuteilen, kommt bald die Ernüchterung].


und dann 1945
Die österreichische Politik erfindet die grösste Lebenslüge: Der "Überfall"
Österreich sei von Hitler-Deutschland "überfallen" worden...

Die Fakten sprechen anders.

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