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Ghettoisierung und der Exekutionen an Juden

in Weissrussland / Weissruthenien 1941-1942 -


jüdische Partisanen 1941-1944


von Michael Palomino (2001 / 2007)

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aus:
Bernhard Chiari: Alltag hinter der Front. Besatzung, Kollaboration und Widerstand in Weissrussland 1941-1944. Droste Verlag Düsseldorf, 1998.


Vorwort
Die Welt-Geschichtsmanipulation 1945: Nur Deutsche sollen beim Holocaust  Täter sein - die verschwiegenen Täter aus den Bevölkerungsteilen
Die ganze Geschichtsschreibung stürzt sich ab 1945 für den Holocaust auf Osteuropa und bezieht die Täter im deutsch besetzten Polen ab Oktober 1939 und die Täter der deutsch besetzten russischen Gebiete nicht mit ein. Nur Deutsche sollen am Holocaust beteiligt gewesen sein.

Chiari:
<Während Osteuropa jedoch verstärkte Beachtung als Tatort der "Endlösung" fand, blieb für die Sowjetunion in den Grenzen von 1941, aber auch für das 1939 geteilte Polen die Frage nach den gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Massenvernichtung weitgehend unbeantwortet. Der Holocaust war für die sowjetische wie für die westliche Historiographie mehr oder weniger auf die deutschen Organisatoren und die Opfer des Massenmordes reduziert.> (S.231)






Chronologie

1941

BSSR: geistig höheres Bildungsniveau
Juden heben sich durch ihr Bildungsniveau von der orthodoxen Bevölkerung ab, teilen aber insgesamt die primitiven Lebensbedingungen mit ihren polnischen und weissrussischen Nachbarn. In Dörfern und Städten leben Juden und Nichtjuden "Tür an Tür" (S.236).

Juni 1941
BSSR: geschätzte registrierte 820.000 Juden in Weissrussland
Chiari:
"Von 820.000 weissrussischen Juden überlebten nur 120.000 bis 150.000 den Zweiten Weltkrieg." (S.231)

In: Iwanow, Nikolai, XX vek: demograficeskie izmenenija. Genocid. Unveröffentlichtes Aufsatzmanuskript, 1997.

22.6.1941
BSSR: die deutschen Erwartungen: 900.000 registrierte Juden, Schätzung: 1,5 Mio. Juden
Die registrierten 900.000 Juden basieren auf Volkszählungen der UdSSR von 1926 und Polen 1931. Interne deutsche Schätzungen gehen von 1,5 Mio. Juden im Gebiet der ehemaligen BSSR. Der SD vermutet für Minsk 100-120.000 Juden bei einer Gesamtbevölkerung für Minsk von 238.000 (S.238)

ab 22.6.1941
BSSR: Grosse Unsicherheit in der jüdischen Bevölkerung nach der deutschen Besetzung - Bomben und Pogrome von Weissrussen und Polen an Juden
Die jüdische Bevölkerung
-- flüchtet vor Bombardierungen in ländliche Gebiete

-- flüchtet vor spontanen Pogromen durch Weissrussen und Polen, die nach der deutschen Besetzung vom SD weiter geduldet und am 29.6. in einem Fernschreiben als "Selbstreinigung" bezeichnet werden, mit der Empfehlung, die Pogrome "im Gegenteil, allerdings spurenlos, auszulösen, zu intensivieren [...] und in die richtigen Bahnen zu lenken" (S.236)

-- Reinhard Heydrich lässt die polnische Intelligenz schützen, um ein antikommunistisches und antijüdisches "Initiativelement" zu behalten

-- einige Regionen bleiben völlig ruhig ohne jede Pogrome (S.237).

BSSR: Einquartierungen deutscher Wehrmacht weckt Erinnerungen an die liberale deutsche Besetzung 1914-1917
(S. 237)

ab Ende Juni 1941
BSSR: Kollaboration: Einheimische kennzeichnen für die Besatzungsmacht jüdische Häuser
Dies ist ein entscheidender Beitrag der Kollaboration zur Judenvernichtung.

Chiari:
"Kurz nach dem Einmarsch begann die Kennzeichnung jüdischer Häuser. Schon dies war ohne die Mithilfe der Einheimischen nicht durchführbar." (S.257)

Juli 1941
BSSR: Erste Exekutionswelle: Weissrussen werden zum Teil für Juden
gehalten und ebenso erschossen, was beim SD als "unangenehme Situation" angesehen wird (S.246).

In: Arad, Yitzhak, u.a. (Hg.): "The Einsatzgruppen Reports"; N.Y. 1989, S.42-44

BSSR: Ersetzung jüdischer Apotheker
-- alle jüdischen Apotheker, die durch arbeitslose weissrussische Apotheker ersetzt werden können, verlieren ihre Apotheke
-- Programm zur Ausbildung weissrussischer Apotheker
-- die deutsche Selbstverwaltung unterstützt jüdische Berufsverbote (S.252).

BSSR/Domatschewo: deutsche Verwaltung der Bevölkerung aus etwa 90 % Juden - Bürgermiliz mit neuen Armbinden und Uniformen
Die Juden Domatschewos sind vor allem Händler und Handwerker. Die deutsche Verwaltung übernimmt die kleine Bürgermiliz des polnischen Rechtsanwalts vom November 1939 ca., wird mit neuen Armbinden und später mit olivgrünen Uniformen ausgerüstet und beteiligt sich an Judenerschiessungen (S.267).

Anfang Juli 1941-1945
Ostpolen oder ganze BSSR(?): Durch polnische Hilfe können 50.000-120.000 Juden die deutsche Judenverfolgungen überleben
(S. 234-235)

ab Anfang Juli 1941
BSSR: Artikel zur Provokation von Neid gegen Juden durch den SD
Der SD schürt Aggressionen gegen Juden durch Veröffentlichung von Berichten mit der Behauptung, dass in jüdischen Häusern eine gute Lebensmittelversorgung festgestellt worden sei, was wieder Neid schürt.

Deutsche Neuankömmlinge beziehen erste "Judenwohnungen", haben Jüdinnen als Dienerinnen (S.240.

Die jüdischen Dienerinnen bekommen einen Ausweis, damit sie nicht von anderen Deutschen verhaftet werden oder woanders angestellt werden (S.240-241).

BSSR: Exekutionen unter den Augen der Bevölkerung
Chiari:
"Mordaktionen geschahen unter den Augen der nichtjüdischen Nachbarn." (S.245)

BSSR: Auch Weissrussen können jüdische Sklaven anfordern - Verstecke werden zum Teil denunziert
(S. 249)

BSSR: Dreikampf zwischen Juden, Weissrussen und Polen
gemäss der Aufklärung der sowjetischen Partisanenbewegung:
-- Weissrussen und Polen hetzen gegen Juden mit typischen Feindbildern, wie dem, dass die "Juden nicht arbeiten würden und auf Kosten der einheimischen Bevölkerung lebe

-- Weissrussen hetzen gegen Polen [zur Belorussifizierung] (S.249)
[-- Polen hetzen gegen Weissrussen zur Restitution Polens].

BSSR: Aufräumarbeiten müssen alle leisten
Juden, Polen und Weissrussen werden zu Aufräumungs- und Strassenbauarbeiten zwangsverpflichtet (S.238).

Besetzte Ostgebiete/BSSR: Isolierung und Entrechtung der jüdischen Bevölkerung
wird von der Wehrmacht in ihrem ganzen Verantwortungsbereich mitgetragen:
-- Juden wird der Wohnortwechsel verboten
-- Verkauf oder Verpfändung von Handwerkerausrüstungen an Juden wird verboten, ist das faktische Berufsverbot
-- Juden erhalten spezielle Ausweise, werden zur Zwangsarbeit für die Wehrmacht verpflichtet (S.237)
-- Juden die keine Zwangsarbeit verrichten bzw. den Ausweis zur Zwangsarbeit nicht besitzen, bekommen keine Lebensmittelzuteilung (S.237-238).

Die jüdische Bevölkerung wird planmässig versklavt (S.240).

West-BSSR: Die polnische Bevölkerung ist völlig antisemitische eingestellt
London: Die polnische Exilregierung vertuscht den Umstand des Antisemitismus in der polnischen Bevölkerung und fürchtet um ihr Ansehen in der internationalen Diplomatie. Die Exilregierung startet offiziell eine Kampagne zum Schutz der jüdischen Bevölkerung in der BSSR, gleichzeitig fordern aber Vertreter der polnischen Exilpresse die Vertreibung der: Zitat: "gefährlichen jüdischen Minderheit", wenn Polen wiederhergestellt sei (S.264).

West-BSSR: Der Antisemitismus ist stark durch das Hasspotential zwischen Weissrussen und Polen
Die polnische Bevölkerung ist besonders motiviert und unterstützt antijüdische Massnahmen. Polen und Weissrussen schieben gleichzeitig der jüdischen Bevölkerung die Schuld für die Sowjetisierung vom Oktober 1939 in die Schuhe.

Chiari:
<Im Westen und hier besonders mit Blick auf die polnische Bevölkerung, waren sie [die deutschen Behörden] "zufrieden" mit der Unterstützung der antijüdischen Massnahmen. Vielfach schoben Polen wie Weissrussen den Juden sogar die Schuld für die 'Flurbereinigung' während der Sowjetisierung zwischen 1939 und 1941 in die Schuhe.> (S.269)

Ost-BSSR: weniger grosse Pogromstimmung
Deutsche Behörden vermerken, dass es leichter sei, die Bevölkerung zur Jagd auf sowjetische Funktionäre zu motivieren, als antijüdische Ausschreitungen hervorzurufen.

Chiari:
<Die deutschen Behörden vermerkten, dass es in den östlichen Gebieten wesentlich einfacher sei, die Bevölkerung zur Jagd auf sowjetische Funktionäre zu motivieren, als antijüdische Ausschreitungen hervorzurufen. [...] Aber auch in den "altsowjetischen" Regionen gab es Antisemitismus und antijüdische Exzesse.> (S.269)

BSSR: Hetze gegen Juden durch Bürgermeister und Polizeikommandanten
Manche polnische und weissrussische Bürgermeister und Polizeikommandanten fordern die Isolierung der Juden in Ghettos als "Fortpflanzer alles Bösen" mit immer wiederholten stereotypen Behauptungen, dass Juden auf Kosten anderer leben würden, und dass der Kommunismus ein jüdisches Produkt sei (S.264).

Die Wehrmacht weiss von den beginnenden Exekutionen und ist zum Teil beteiligt
Chiari:
<Richtig ist, dass die Wehrmacht die später überall sichtbaren Massentötungen, von denen sehr viele Soldaten gewusst haben müssen, nicht behinderte, in vielen Fällen auch aktiv unterstützte.> (S.237)

BSSR-Berlin: Verwertung von jüdischen Edelmetallgegenständen aus der BSSR
(S. 263)

West-BSSR: einheimische Polizisten denunzieren Juden an die deutschen Besatzer
Chiari:
<Mit der "Normalisierung" des Besatzungsalltages, dem Vorrücken der Wehrmacht und der Übergabe Weissrusslands an die Zivilverwaltung intensivierten die deutschen Behörden die Suche nach versteckten Juden. Gerade auf dem Land wäre dies aber ohne die Mithilfe ortskundiger einheimischer Polizisten unmöglich gewesen.> (S.264)

BSSR: Kollaborationsprofit an inhaftierten Juden
Weissrussische Gefängniswärter lassen gegen Schmiergeld inhaftierte Juden wieder frei (S.264-265).

BSSR: Einheimische können jüdische Betriebe übernehmen
(S. 265)

[nicht erwähnt:
Einheimische versuchen, alle jüdischen Erben für ehemals jüdische Betriebe umzubringen
Die Weissrussen, die jüdische Betriebe übernommen haben, sind weiter daran interessiert, alle möglichen jüdischen Erben der Polizei ans Messer zu liefern, z.B. die Familie Marciniewski in Duza Izwa, die eine jüdische Mühle übernimmt

In: Tec: Bewaffneter Widerstand, 1996, S.132

oder die Familie Stichkos, die in Stankiewicze die Mühle der Bielskis übernommen hat.
in: ebda., S.133].

BSSR: Bereicherung in jüdischen Wohnungen nach Erschiessung von Juden
verbreitet sich in der Bevölkerung. Mitbeteiligt ist sogar die SS, die sich als Avantgarde der nationalsozialistischen Bewegung fühlt (S.260).

BSSR: Sondersteuern für Juden/Kontributionen nach Berlin
um Gold und Bargeld aus der jüdischen Bevölkerung herauszuziehen (S.260). Der Judenraub ist vorerst die einzige Einnahme der deutschen Verwaltung in Minsk (S.261-262).

Das Ergebnis des staatlich organisierten Raubes:
-- 6000 Goldrubel
-- ca. 10 kg Gold
-- 113 kg Silbermünzen
-- über 350 kg Silbergegenstände.

Es erfolgt die penible Überweisung an die Reichskasse Berlin (S.260) in einer endlosen Reihe von Paketen mit Edelmetallgegenständen wie Uhren Schmuck etc. (S.262).

Anfang Juli-Aug 1941
BSSR: Polizei jagt Plünderer
Die Polizei jagt auch Plünderer und schickt das Plünderungsgut mit nach Berlin an die Reichskasse. Aus Versehen kommt es auch zur Beschlagnahmung von nichtjüdischem Besitz (S.262).

10.7.1941 ca.
Minsk: Jüdischer Aufstand gegen Beschlagnahmung jüdischer Häuser
Die deutsche Besatzungsmacht verfügt, dass jüdische Holzhäuser im Westen der Stadt weissrussischen Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden sollen. In der Folge zünden einige Juden die Häuser selber an, was wieder Ausschreitungen gegen Juden und eine "Pogromstimmung" provoziert.

Mitteilung in einer Meldung der Heeresgruppe B aus Minsk vom 12.7. 1941, Chef der Sicherheitspolizei und des SD (S.249).

In: Arad, Yitzhak: The Einsatzgruppen Reports, 1989, S.20-21.

BSSR/Minsk: Aufruf zu Massnahmen gegen Juden
In ländlichen Gebieten werden die lokalen deutschen Truppenführer immer wieder aufgerufen, "Massnahmen" gegen die jüdische Bevölkerung zu ergreifen.

Chiari:
<Besonders in den ländlichen Regionen Weissrusslands bat die Bevölkerung immer wieder die lokalen Truppenführer, "Massnahmen" gegen die Juden zu ergreifen.> (S.249)

In: Arad, Yitzhak: The Einsatzgruppen Reports, 1989, S.230-235

BSSR: Massnahmen gegen Juden auf dem Land - Aufstocken der Polizei und Judenjagd von Polizei,  SD und Wehrmacht
-- Denunziationen
-- Weissrussen treten der Polizei bei und denunzieren jüdische Nachbarn als Kommunisten
-- deutsche und weissrussische Patrouillen durchsuchen Höfe in den Dörfern auf dem Land (S.254)

-- die Sicherheitspolizei des SD organisiert vor allem entlang der ehemaligen Grenzlinie zwischen West- und Ost-Weissrussland und entlang der Geleise der Eisenbahnlinie Minsk-Brest "Durchkämmungsaktionen", wobei die Wehrmacht mit beteiligt ist. Zum Teil stösst der SD hierbei auf leere Dörfer [weil sich die Bevölkerung in den Wäldern versteckt hält] (S.254).

BSSR: Die jüdische Gegenmassnahmen, um nicht erkannt zu werden
-- Bekannte organisieren Fluchten oder Verstecke
-- Verfälschung der Identität durch Bart, Frisur, Name oder Religion (S.254).

Die Erschiessung erfolgt schon auf Verdacht hin
-- die Erkennungsangst ist vor Weissrussen grösser als vor der deutschen Besatzungsmacht

-- Weissrussen und Polen, die alleine angetroffen werden, können als Juden erschossen werden, wenn "untrügliche äussere Kennzeichen" wie die Nasenform etc. behauptet werden können

-- viele Juden werden Tagelöhner auf Höfen und ersetzen die Weissrussen, die unter der Roten Armee abgezogen sind (S.254).

19.7.1941
BSSR/Mir: erste Judenmassaker mit Beteiligung der einheimischen Polizei
85 Juden der Intelligenz werden inhaftiert, 20 davon sofort erschossen (S.263).

Aug 1941
Baranovitschi: erste Exekutionen auch von "Unabkömmlichen"
Die Sicherheitspolizei des SD nimmt auf Papiere, die die Unabkömmlichkeit von Juden beweisen, keine Rücksicht (S.252).

Sep 1941
Region Borisov/Kreis Pleschtschenicy: Inhaftierung aller Juden - jüdische Handwerker gegen Geld frei
Der Rayonbürgermeister D. sondert die Handwerker aus und lässt sie gegen Geld und Wertgegenstände auf freiem Fuss (S.261).

Minsk-Land und Stadt Minsk: Ghettoisierung der Juden - ein Grossteil des jüdischen Besitzes "verschwindet"
(S. 260), [um die Verluste der Bombardierungen "auszugleichen"].

Sep 1941 ca.
BSSR: Vorbereitung der Massenexekutionen an Juden: Begründungen
-- Vorwurf der Kollaboration mit den Kommunisten
-- Vorwurf der Kollaboration mit den Partisanen
-- Vorwurf, Juden seien ein volksfremdes Element (S.237).

ab Sep 1941
BSSR: Land: Bildung von Bürgerwehren in Landdörfern gegen die Plünderungen durch Partisanengruppen.
(S. 256). Auf Plünderungstouren werden zum Teil falsche Identitäten vorgespielt, um beim jeweiligen Bauern Einlass zu bekommen (S.257).

ab Sep 1941 ca.
BSSR: Kennzeichnung der Juden und Ghettoisierung
mit Gründung von "Judenräten" für die Ghettos, sind oft Vertreter der ehemaligen jüdischen Selbstverwaltung (S.238).

SS, SD und Wehrmacht ermorden kommunistische "Elemente"
-- Parteimitglieder, Regierungsangehörige, denen die Flucht mit der Roten Armee nicht gelungen ist
-- Kommunisten und Angehörige des NKWD
-- Ermordung der jüdischen Intelligenz, die von Stalin nicht deportiert worden war: Lehrer, Professoren, Rechtsanwälte, nur Ärzte und medizinisches Personal bleibt am Leben (S.238).

Hinterhalte und Entvölkerung erster Dörfer
Suchtrupps der SS, der deutschen Zivilverwaltung und des einheimischen Ordnungsdienstes geraten bei ihrer Suche nach Juden auf dem Land oft in Hinterhalte, was hohe Opfer fordert und die Suchtrupps zur Rückkehr zwingt. Aus Angst vor kollektiver Bestrafung flüchten ganze Dörfer in die Wälder (S.238).

ab Sep/Okt 1941
Slonim: Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung - Sammeln des jüdischen Besitzes in der Synagoge
-- wobei die jüdischen Wohnungen von nichtjüdischen Nachbarn geplündert werden
-- die "weissruthenische Selbstverwaltung" stattet ihre Räume mit jüdischem Mobiliar aus
-- Bauern erstehen in den Synagogen Kleidung, Möbel und Hausrat (S.257).

Polen und Weissrussen verkaufen an Juden im Ghetto Vieh für rituelle Schlachtungen
Bei Erwischen wird alle Schuld den Juden zugeschoben, die dann durch die Gestapo erschossen werden. Polen und Weissrussen, kommen meist nur ins Gefängnis (S.258).

BSSR: Kollaborationsprofit an Juden im Ghetto von Weissrussen, Russen und Polen
Juden der Ghettos müssen auf Hamsterfahrt aufs Land, um ihre letzten Besitztümer für Nahrungsmittel einzutauschen. An den Ghettozäunen entsteht mit der nichtjüdischen Bevölkerung ein lebhafter Handel (S.257).

Weissrussische Ghettowächter verkaufen jüdischen Besitz gegen Wodka an die nichtjüdische Bevölkerung.

"Andere" [wer? vielleicht Polizisten, deutsche Verwalter etc.] fahren mit jüdischem Besitz aufs Land, um günstig Lebensmittel einzutauschen (S.258).

In Nesviz betreibt die Polizei mit jüdischem Eigentum einen schwungvollen Handel. Wohnungen von Polizisten werden zu heimlichen Läden (S.258).

Deutsche Behörden veräussern jüdische Häuser und Grundstücke sowie den persönlichen Besitz. Vor allem Einheimische kaufen "Judensachen": jüdische Wäsche, Kinderkleidung u.a. Die Bevölkerung wird dadurch nazifreundlich gestimmt, was von sowjetischen Aktivisten registriert wird. Die Waren werden zum Teil durch das "Weissruthenische Selbsthilfewerk" verteilt (S.259).

BSSR: Jüdische Verstecke vor dem Ghetto
-- Versuch, im Versteck zu überleben, versorgt durch Nachbarn und Verwandte
-- Versteck auf polnischen Bauernhöfen
-- deutsche Offiziere bringen ihre jüdischen Geliebten an "sichere Orte" und besuchen sie von Zeit zu Zeit (S.250).

BSSR: Klassifizierungen und Heiratsmarkt innerhalb der Ghettos - Überlebensstrategien

Untergruppen in den Ghettos - Heiratsmarkt
Facharbeiter leben innerhalb des Ghettos in besonderen Strassen und werden wegen ihrer Marken für die  Lebensmittelzuteilung und der [falschen] Sicherheit, nicht erschossen zu werden, zu gesuchten Heiratspartnern derjenigen, die keine Qualifikation haben:

-- Frauen suchen auf Zetteln nach Männern "mit Marken"
-- junge Mädchen heiraten ältere Männer
-- jüdische Frauen gehen Beziehungen zu Wachleuten oder Polizisten ein
-- jüdische Frauen heiraten [in der West-BSSR, wo jüdische Partisanen existieren] jüdische Partisanen, die ihnen die Flucht ermöglicht haben
-- Eltern sperren sich zum Teil gegen die Verbindungen wegen Standesdünkel [und vereiteln damit die Flucht von Töchtern aus dem Ghetto] (S.253).

Überlebensstrategien im Ghetto: Widerstand, Verdrängung und falsche Hoffnungen
-- aktive Kollaboration: z.B. jüdische "Kolonnenführer", die mit Knüppeln andere Juden zur Arbeit antreiben
-- Ausbruchsversuche
-- Aufbau bewaffneter Untergrundstrukturen (S. 250)
-- viele Juden glauben die Berichte über die Massaker nicht (S. 250)

-- häufig glauben Juden, dass gute Arbeit das Überleben sichere (S. 251), da es durch den Abzug vieler Weissrussen mit der Roten Armee und durch den Abtransport von Weissrussen zur Arbeit nach Deutschland immer mehr an weissrussischen Facharbeitern mangelt (S. 252)

-- Verdrängungs- und Fluchtmechanismen der Juden gegenüber den Massakern: Die Masse der Juden versucht sich durch "Coping-Strategien" abzuschotten, um nicht an die Vernichtung glauben zu müssen (S. 250).

Die Mehrzahl der Ghettobewohner verfällt in Passivität und Fatalismus (S.251).

in: Werke von Bettelheim, v.a. Surviving and other essays, N.Y. 1980, S.48-83

z.T. auch Tagträume und Musikerinnerungen, geistige Flucht, oder Kompensation durch aktive Hilfe für Angehörige oder Bekannte

-- die meisten Juden bevorzugen - von den Judenräten unterstützt! -  im Ghetto zu bleiben und hoffen lieber auf eine kleine Chance des Überlebens, als im unbekannten Wald oder in anderen Verstecken das Risiko der Entdeckung einzugehen (S.251).

Sep/Okt 1941 ca.
BSSR/Kleck: einheimische Bevölkerung bereitet Massengräber für die Exekutionen vor - Exekution unter den Augen der Bevölkerung
Die Einheimischen heben die Massengräber aus und beobachten "mit Interesse" die Exekution "mehrerer Tausend Juden", hauptsächlich durch litauische, lettische und lokale Polizei durchgeführt.

Chiari:
<In Kleck hob die Bevölkerung vor der Massenerschiessung von mehreren Tausend Juden 1941 nicht nur die Massengräber aus, sondern folgte zum Teil mit Interesse den Tötungen. Diese wurden hauptsächlich von litauischen und lettischen Polizisten durchgeführt, unterstützt von der lokalen Polizei.> (S.248)

Okt 1941
BSSR: erste grosse Massaker durch Spezialabteilungen der SS an der jüdischen Bevölkerung
in Goradischtsche
in Lachovitschi
in Ansovitschi.

Die Erzählungen von Zeugen oder Überlebenden werden von den meisten Juden im Ghetto in Baranovitschi als Erfindung abgetan (S.250).

Minsk-Land und Stadt Minsk: Ghettoisierung der Juden der ganzen Region Minsk abgeschlossen
(S. 260)

West-BSSR: Polen denunzieren Juden
Die betroffenen Familien seien "Propagandisten der verschiedenen politisch-satanistischen Ansteckungen" und sollen doch bitte umgesiedelt werden, wo es mehr Arbeit für sie gäbe.

Chiari:
<In einer polnischen Denunziation vom Oktober 1941 heisst es: "In den Gemeinden W. und Z. wohnen 23 jüdische Familien in ihren bequemen Häuser. Weil die Juden sind Propagandisten der verschiedenen politisch-satanistischen Ansteckungen, wäre es wünschend alle Juden von der Gemeinde W. nach J. zu übersiedelen, denn dort sind die Juden mit der Arbeit beschäftigt".> (S.264)

In: Centr istoriko-dokumental'nych kollekcij CIDK 1323-2-250, Bl. 19-20

West-BSSR: Zum Teil verhindern nichtjüdische Nachbarn jüdische Fluchtversuche zu polnischen Familien
(S. 265)

Okt 1941 ca.
BSSR/Mir: Einrichtung des jüdischen Ghettos im Schloss Mir
(S. 265)

Minsk: Einrichtung des jüdischen Ghetto - Struktur, Untergrund, deportierte deutsche Juden in Minsk
Das Ghetto liegt zwischen Fischmarkt und dem jüdischen und dem polnischen Friedhof und umfasst  angeblich 100.000 Juden aus Minsk und der Region (S. 238).

Bildung von Untergruppen: "östliche", meist einheimische Juden, "westliche", meist polnische Juden. Die Zahlenangaben differieren extrem.

Zusätzlich kommen aus dem Reich 1000e deutscher Juden in ein "Sonderghetto". Vier besondere Strassen sind für Juden aus Hamburg, Berlin und Frankfurt reserviert: 18.000 Ärzte, Ingenieure, Facharbeiter und Angestellte, die von den einheimischen Juden misstrauisch beobachtet werden.

Chiari:
<Zehntausende Deportationsopfer aus dem Deutschen Reich wurden in einem Sonderghetto interniert und später getötet. Juden aus Hamburg, Berlin und Frankfurt erhielten Unterkünfte in vier besonderen Strassen, in denen bis zu 18.000 Ärzte, Ingenieure, Facharbeiter und Angestellte lebten. Die Neuankömmlinge bildeten eine besondere und von einheimischen Juden mit Misstrauen betrachtete Gruppe.> (S.239)

Die östlichen Juden haben durch alte Beziehungen zur Verwaltung Vorteile, weil Teile der Verwaltung in Minsk von den deutschen Besatzern übernommen werden. Dies betrifft v.a. die Minsker Stadtverwaltung und die Polizei. Die östlichen Juden warten auf Unterstützung durch die Rote Armee.

Chiari:
"Die Ghettobewohner hofften auf aktive Unterstützung durch die Rote Armee. Verbindungen bestanden zur Minsker Stadtverwaltung und zur Polizei."

Jüdische Ärzte in Spitälern bleiben von den SD-Einsatzgruppen verschont. Das Ghetto ist nicht besonders gut bewacht. Fremde können ein- und ausgehen (S.239).

ab Anfang Okt 1941
BSSR: Eskalation der Gewalt an Juden durch die Massaker - Selbstjustiz wird zur Gewohnheit
Die Massaker lösen eine Welle der Selbstjustiz gegen Juden aus (S. 265).

BSSR: Beute bei jüdischen Massakern: am beliebtesten: Kleidung, Goldschmuck, Geld
(S. 267)

BSSR: Konfiskation von jüdischem Besitz in leeren jüdischen Wohnungen - Verteilung durch die Zivilverwaltung auf Diensträume und Dienstwohnungen
(S. 260)

BSSR: Liquidierungen und Massenerschiessungen durch den SD
zum Teil, ohne die deutsche Zivilverwaltung zu informieren (S. 243).

Minsk: Vorkommnisse um die Ghettos
-- Kommunikation mit Familienmitgliedern, die flüchten konnten oder versteckt sind
-- begüterte Nichtjuden kaufen jüdische Familienangehörige frei
-- Sterilisation jüdischer Professoren-Frauen, damit sie bei den nichtjüdischen Ehemännern weiterleben können (S. 246).

BSSR: Ersetzung jüdischer Spezialisten
SS und Wehrmacht ersetzen Schritt für Schritt jüdische Spezialisten in ihren Betrieben. Juden und Nichtjuden sind überall in den Betrieben getrennt. Oft müssen Juden ihre Nachfolger selbst ausbilden, woraufhin der Jude aus dem Betrieb weggewiesen wird. Die SS spricht selbst von Liquidierungen, die das Heranbilden von Nachfolgern nötig machen. Chiari schildert ein Beispiel eines Berichts von SS-Obersturmführer Danner:

<Der einzige Spezialarbeiter für diese Leimherstellung ist der Jude Tschaika. Sollte seine Liquidierung am 7.1.1942 durchgeführt werden, so ist zu befürchten, dass die Leimbelieferung der [...] Möbelfabriken in der nächsten Woche ins Stocken kommt [...].> (S.244)

In: Centr istoriko-dokumental' nych kollekcij CIDK, 1323-2-230

Minsk: Bewachung der jüdischen Arbeiterzüge durch Eskorten
die grösstenteils aus einheimischen Polizisten bestehen. Zum Teil kommt es zu Tauschgeschäften zwischen Polizei und den abhängigen Juden. Einheimische Polizei bereichert sich an beschlagnahmter Ghettoware, erhebt "Zoll" etc. (S.248)

BSSR: wachsendes Elend ist ein guter Nährboden für Judenhass in der ganzen Bevölkerung
(S. 248

ab Anfang Okt 1941 ca.
BSSR: Flucht zahlreicher Juden vor den Massenexekutionen
(S. 237)

BSSR: Litauer und Letten als Exekutionshelfer
Litauer und Letten stehen als Ausführende der Exekutionen zur Diskussion, weil das Ansehen des Reichs bei deutscher Täterschaft Schaden nehmen würde (S. 243).

ab Okt/Nov 1941
BSSR: Juden müssen für Deutsche Spione sein
Juden in Ghettos werden von der deutschen Besatzungsmacht als Spione gegen den sowjetischen Untergrund benutzt (S. 256).

BSSR/Ghettos: jüdische Sklaven an deutsche Firmen
Die deutsche Zivilverwaltung vergibt jüdische Arbeitskräfte aus dem Ghetto als Sklaven auch an deutsche Firmen, wobei die Juden bei Arbeitsunfähigkeit einfach ersetzt werden (S. 241).

BSSR: Scharmützel in den Wäldern zwischen Juden, Russen und Polen
Zahlreiche kleine Feuergefechte in den Wäldern zwischen jüdischen Flüchtlingen aus den Ghettos und sowjetischen, entlaufenen Kriegsgefangenen und polnischen Formationen. Die schwächere Gruppe wird meist vernichtet.

Chiari:
<Jüdische Flüchtlinge aus den Ghettos lieferten sich Feuergefechte mit versprengten sowjetischen Soldaten oder entlaufenen Kriegsgefangenen, die in kleinen Gruppen das Land durchstreiften und bei den einheimischen Bauern um Nahrung bettelten oder sich das Benötigte mit Gewalt nahmen. Die Sicherheitspolizei verzeichnete zahlreiche Kämpfe zwischen polnischen und jüdischen Formationen, die meist mit der vollständigen Vernichtung der unterlegenen Gruppe endeten.> (S.255)
In: Centr istoriko-dokumental'nych kollekcij CIDK 504-1-7

Weitere Gruppierungen in den Wäldern
-- Juden können zum Teil bei sowjetischen Partisanen Unterschlupf finden (S. 255)
-- gemischte Gruppen mit Ghettoflüchtlingen, entlaufenen Kriegsgefangenen und Bauern von zerstörten Höfen (S. 256).

Schwächere werden in Ghettos zurückgelassen
Die sowjetischen Partisanen nehmen oft keine, Frauen, Kinder oder ältere Menschen auf, die aus den Ghettos flüchten. Die Haltung ist insgesamt uneinheitlich. Juden werden zum Teil als "Verräter" erschossen und sind dauernd mit Vorurteilen bezüglich ihrer Solidarität konfrontiert (S.255).

[nicht erwähnt:
Juden müssen für sowjetische Partisanen als Spione im Ghetto bleiben
Die russischen Partisanen könnten die Flucht für viele Juden aus den Ghettos organisieren, tun es aber nicht, weil die Juden in den Ghettos für die sowjetischen Partisanen Spionagedienste übernehmen sollen.

in: Gartenschläger: Die Stadt Minsk; Magisterarbeit, Köln 1990, S.126].

Nov. 1941
BSSR: Massenbewegungen von Juden auf der Flucht vor dem Ghetto
geschildert in Wehrmachtberichten, im gesamten weissrussischen Raum.

Chiari:
<Hatte der Chef der Sicherheitspolizei schon im Juli von den leeren Dörfern berichtet, die seine Kommandos immer wieder im Rahmen von 'Judenaktionen' vorfanden, sprachen die Wehrmachtberichte im November 1941 von Massenbewegungen im gesamten weissrussischen Raum, mit denen sich Juden den bekanntgewordenen Verhaftungen entziehen wollten.> (S.254)

einige Zeit nach Sep 1941/Nov 1941 ca.
Region Borisov/Kreis Pleschtschenicy: Verhaftung der noch freien Juden
Litauische Polizei verhaftet die freien jüdischen Handwerker und transportiert sie ab. Beschlagnahmung des Besitzes. Der Rayonbürgermeister behält Pelzmäntel und andere Kleider für sich und verteilt sie in Selbstjustiz an Bekannte, wofür er festgenommen wird (S.261).

9.11.1941
BSSR/Mir: "Grosse Aktion": Massaker an  ca. 1200 Juden durch Pogrom im Städtchen
Bewohner denunzieren jüdische Häuser der "dschidi", die Erschiessungseinheiten ziehen durch Strassen und durch das Ghetto. Sofortige Erschiessungen. Das soziale Gefüge der Kleinstadt wird zertrümmert (S.263).

10.11.1941
BSSR: Der Wehrmachtbefehlshaber Ostland fordert
(S.254-255), die: Zitat:
"restlose Ausmerzung dieses [jüdischen] volksfremden Elements"
(S. 255)

19.11.1941
BSSR/Sluck und Kleck: Massenexekution von angeblich 5900 oder 2800 Juden
5900 Juden "im Raum Sluck-Kleck" durch das Reserve-Polizeibataillon 11

in: Bericht des Wehrmachtbefehlshabers Ostland 19.11.1941; in: Klee, Ernst/Dressen, Willi (Hg.): "Gott mit uns". Der deutsche Vernichtungskrieg im Osten 1939-1945, Frankfurt a.M., 1989

-- ohne Ankündigung an die deutsche Zivilverwaltung
-- oder 2800 Juden "einige Kilometer ausserhalb [von Sluck] im Ort Makrita"

in: V gorode Slucke. Posoobschtschenijam partizan; in: Neizvestnaja Tschernaja kniga, S.269-270.

Chiari:
"Der Bericht spricht von 2800 Ermordeten, bestätigt aber im Übrigen die Umstände der Erschiessungen." (S.245)

Exekutionen der deutschen, litauischen und weissrussischen Polizei (S.245).

Dabei werden Polen, Weissrussen und Russen mitexekutiert, weil man sie für Juden hält, die den Stern nicht tragen (S. 246).

Betriebe müssen schliessen und es kommt zu Plünderungen in jüdischen, polnischen und weissrussischen Wohnungen. In Sluck häufen sich die Leichen (S.245).

20.11.1941 ca.
BSSR/Sluck: Beschwerde des Slucker Gebietskommissars Carl in Minsk bei Generalkommissar Kube über die Exekutionen
Carl warnt vor der Weiterführung der Exekutionen wegen Verlust des Ansehens für das Reich in der Bevölkerung (S.245)

In: Mendelsohn, John (g.): The Holocaust. Selected Documents in Eighteen Volumes. Bd.10. The Einsatzgruppen or Murder Commandos, N.Y. 1982, S.237,241,243f.

Generalkommissar Kube beschwert sich bei Rosenberg in Riga über das Massaker in Sluck und bezeichnet es als "bodenlose Schweinerei" (S.246).

In: Mendelsohn, John (g.): The Holocaust. Selected Documents in Eighteen Volumes. Bd.10. The Einsatzgruppen or Murder Commandos, N.Y. 1982, S.238-239
246

Nov/Dez 1941
BSSR/Minsk-Land: Jüdische Holzhäuser werden beraubt und als Baumaterial abgetragen
(S. 261), [wahrscheinlich für den notdürftigen Wiederaufbau in Minsk].

Dez 1941
Minsk: Tod einer Gruppe von Hamburger Juden, die neben der Küchenbaracke beerdigt werden
(S. 143-144). Sie müssen auf Befehl des Leiters der Gesundheitsabteilung in den jüdischen Friedhof umgebettet werden. Derselbe Leiter beantragt, einen Teil des jüdischen Friedhofs zur Beerdigung deutscher Juden vorzusehen.

Zitat:
"dass in dem jüdischen Friedhof den deutschen Juden ein bestimmter Teil für die Beerdigung ihrer Rassegenossen zugewiesen wird." (S.244)

16.12.1941
BSSR/Minsk: Eine Anweisung zum Verhalten gegenüber deutschen Juden existiert nicht
Kube bittet den Reichskommissar für das Ostland, Hinrich Lohse, um Anweisung für das Verhalten der Zivilverwaltung gegenüber den deutschen Juden in den Ghettos und weist darauf hin, dass sich unter den deutschen Juden auch "Frontkämpfer" befinden. Kube will der "Abschlachtung" der deutschen Juden nicht zustimmen (S.243).

Ende 1941
BSSR/Domatschewo: Einrichtung des Ghettos, bewacht durch lokale Polizei
(S. 267)

Ende 1941 ca.
Minsk: 1.Vorsitzender des Judenrates, Ilja Moschkin, pflegt Verbindungen zur sowjetischen Widerstandsbewegung
(S. 240)

ab Ende 1941
West-BSSR: Jüdische Partisanen: Nomadenleben
Die geringe Bevölkerungsdichte in West-Weissrussland begünstigt das Überleben im Wald. Das Hauptproblem ist die Verpflegung und die teilweise Verweigerung der Hilfe der Bauern an die Juden, die sich mit der Hilfe selbst in Gefahr bringen (S. 253).

Winter 1941/1942
BSSR/Polonka: Juden werden von einheimischen Polizisten willkürlich ohne Befehlsnotstand erschossen
(S. 263)



1942

1942-1945
UdSSR: Massenexekutionen an Juden werden als "Massaker an friedlichen Sowjetbürgern" dargestellt
(S. 231)

Anfang 1942
BSSR: Generalkommissar Kube führt noch 302 jüdische Arbeiter in seinem Haushalt für das Jahr 1942
(S. 240)

Minsk: Ermordung des 1. Vorsitzenden des Judenrats, Ilja Moschkin - Nachfolger: Selig Yaffe
Yaffe pflegt die Zusammenarbeit mit dem sowjetischen Widerstand weiter (S.240)

ab Anfang 1942
Minsk: Sowjetische Partisanen rekrutieren Partisanenkämpfer im Ghetto selbst - geschätzte 8-10.000 flüchten
Sowjetische Partisanen können im Ghetto selbst Partisanen rekrutieren. Es flüchten schätzungsweise 8-10.000 Juden in die Wälder zu Partisanengruppen, zumeist nur junge Männer. Die Schutzlosesten, Frauen, Kinder und Alte, haben kaum eine Chance auf eine Flucht.

Chiari:
<Die Umzäunungen waren nicht unüberwindlich. Schätzungen gehen von insgesamt 8000 bis 10.000 Juden aus, die einzeln oder in Gruppen alleine aus Minsk in die umliegenden Wälder entkamen. Voraussetzung für eine organisierte Flucht war allerdings meist die Tauglichkeit für den militärischen Einsatz. Unbewaffnete und alte Menschen, Frauen und Kinder fanden nur selten Aufnahme in den sowjetischen Partisanengruppen, die seit 1942 auch Mitglieder in den Ghettos rekrutierten. Damit hatten jene, die im Ghetto am schutzlosesten der Entrechtung ausgesetzt waren, nur geringe Chancen auf eine erfolgreiche Flucht.> (S.239)

In: Gutman, Ysrael: Fighters Among the Ruins. The Story of Jewish Heroism During World War II, Jerusalem 1988, S.202

Tauschhandel mit der Bevölkerung floriert für das Notwendigste (S.239).

BSSR: Krankenhäuser profitieren von "Judensachen", jedoch mit letzter Priorität
(S. 262)

BSSR: Verteilung von "Judensachen" / "Ghettosachen"
verläuft in bestimmter Reihenfolge: Polizei und Zivilverwaltung wählen als erste aus, dann die lokale Bevölkerung, und der Rest geht an die Spitäler (S.262), auch als "Ghettosachen" bezeichnet (S.263).

BSSR: Verteilungskampf um "Judensachen" ist kaum kontrollierbar
(S. 263)

ab Anfang 1942 ca.
BSSR: Vorwürfe an Juden aus dem Ghetto, sie hätten für die deutsche Besatzung gearbeitet
Flüchtende Juden aus den Ghettos, die russische Partisanen erreichen, bekommen den Vorwurf zu hören, mit der Ghettoarbeit zum Bestehen des deutschen Regimes beigetragen zu haben (S.268).

BSSR: Ausbreitung von Hunger unter der jüdischen Ghetto-Bevölkerung
mit Beeinträchtigung der Arbeitsleistung (S.241).

März 1942
Minsk: Erschiessung eines deutschen Offiziers in der Kirovstrasse - Exekutionen als Rache
an "Partisanenfreunden" als pauschale Strafe. Erschiessung von Juden, Russen und Weissrussen (S.246).

Baranovitschi: Erste deutsche "Grossaktion": Massaker an über 2000 Ghettobewohnern - Verkauf von "Judensachen"
mit aktiver Beteiligung des deutschen Gebietskommissars. Erschiessungen durch deutsche und litauische Polizei (S.257).

Vom Land her kommen "Karawanen von Kauflustigen" und kaufen billig jüdische Kleidung und Hausrat (S.258).

In: Befragung Samuil Semenovitsch Jankelevitsch, 5.12.1944, Nacional'nyi archiv Respubliki Belarus' NARB 750-1-112, Bl.19-23

April 1942
BSSR/Vilejka: 20.000 Juden
(S. 246)

8.4.1942
Minsk: Tagung der Gebietskommissare - Ankündigung von "Bereinigungen"
(S. 247). Der Gebietskommissar von Vilejka gibt öffentlich bekannt, dass er bis auf "einige Fachleute" kein Anlass bestehe, die Juden seines Kreises "beizubehalten" (S.246). Krasne soll so schnell wie möglich

"bereinigt werden. Demnach dürfte die Judenfrage in meinem Gebiet in Kürze endgültig erledigt sein." (S.247)

Mai 1942
Minsk-Land und Stadt Minsk: Verkauf leerstehender jüdischer Häuser
aus hygienischen Gründen.

Zitat:
<Gebiet ist judenfrei/leerstehende Judenhäuser werden zum Verkauf freigegeben/da diese eine hygienische angelegnheit ist, ausserdem beim Nichtbewohnen Ausplünderung und Zerfall.> (S.260)

Gosudarstvennyi archiv Respubliki Belarus' GARB 393-1-13, Bl.56-57

BSSR/Mir: Verrat des geplanten Ghettoaufstands durch einen Bauern - Profit des Verwaltungschefs mit der Angst der Juden
der von jüdischen Gruppen um Waffen gebeten wurde. Er verrät den geplanten Aufstand an die weissrussische Polizei.

Gleichzeitig lässt der weissrussische Verwaltungschef seine Informationen an den Judenrat betreffs bevorstehender deutscher "Grossaktionen" vom Judenrat bezahlen, und verspricht, bei entsprechender Bestechung die "Grossaktionen" verhindern zu können (S.265).

Region Glubokoe: Ankunft des SD zur "Säuberung" in Glubokoe - Serie von Massakern
Der Gebietskommissar von Glubokoe findet als Argument für die Exekutionen an Juden den Verdacht, dass die jüdische Bevölkerung in der Grenzzone zum rückwärtigen Heeresgebiet ein Sicherheitsrisiko darstellen würde und somit die Juden "liquidiert" werden müssten. Die Gruppe des SD reist in der Region herum und erschiesst dabei 1000e Juden. Es kommt zu tagelangen Exekutionen inmitten von Siedlungen:

-- in Dokschicy: 2653 Opfer, mit langer Suche nach Versteckten, eine ganze Woche lang
-- in Lucki: 528 Opfer
-- in Plissa: 419 Opfer
-- in Miory: 779 Opfer, 70-80 entkommen durch Ausbruch (S.247)

-- in Braslav:  ca. 2000 Opfer
-- in Dzisna: 2181 Opfer, Brände im Ghetto verwüsten das ganze Städtchen
-- in Druja: 1318 Opfer, Brände im Ghetto, Erstürmung wegen jüdischer Gegenwehr, ein Teil des nichtjüdischen Teils brennt mit ab, ebenso eine orthodoxe Kirche (S.247).

-- in Druja wird die Exekution durch weissrussische Polizei durchgeführt (S.248)
-- in Glubokoe: 2200 Opfer, Handwerker im Dienste der Wehrmacht bleiben am Leben (S.247).

Mai 1942 ca.
BSSR/Mir: Zweites Massenpogrom in Mir - Ghettoauflösungen - Konfiskation von "Judensachen"
Zweites Massenpogrom in Mir durch deutsche, litauische und weissrussische Polizei, wieder mit Hilfe der Bevölkerung, die die jüdischen Häuser und Juden auf der Strasse bezeichnet. Die Polizei "durchkämmt" Strassen und Häuser nach den "dschidy". Zum Teil kommt es auch ohne jeden Befehl zu Mord an Juden mit Hilfe der Selbstschutzwaffen, die eigentlich nur gegen russische Partisanenüberfälle ausgegeben worden waren.

Nach dem Pogrom durchsuchen die Einheimischen Mir weiter nach versteckten Juden, völlig ohne jeden deutschen Befehl (S.266).

Jüdische Vermögensgegenstände werden von den beteiligten Einheiten, darunter Letten und Litauer, "wegorganisiert" (S.261).

ab Anfang Mai 1942
BSSR: Ghettoräumungen und Konfiskation von jüdischem Besitz - Verteilung
-- Verteilung durch die Zivilverwaltung an Diensträume und Dienstwohnungen (S.260)
-- Verteilung jüdischer Nahrungsmittel durch die Landwirtschaftsabteilung (S.260-261)
-- die Zivilverwaltung verkauft jüdische Liegenschaften und Gebäude an die nichtjüdische Bevölkerung (S.261).

BSSR: Ghettoauflösungen: Weissrussen und Polen beteiligen sich an Plünderungen
(S. 249)

9.5.1942
BSSR/Zeludok: Massenexekution von angeblich 1550 Juden
(S. 253)
(auch in: Tec: Bewaffneter Widerstand, 1996, S.92).

Sommer 1942
Minsk: Ermordung des 1. Vorsitzenden des Judenrates, Selig Yaffe
(S. 240)

Baranovitschi: Räumung des Ghettos durch Weissrussen, Polen und Ukrainer
Ermordung in Gaswagen und Begraben in Massengräbern.

Chiari:
<Weissrussen, Polen und Ukrainer brachten Juden aus dem Ghetto von Baranovitschi während dessen "Auflösung" im Sommer 1942 zu den eingesetzten Gaswagen und stapelten anschliessend die Leichen in vorbereiteten Massengräbern. Meist waren einheimische Polizisten als Absperrposten eingeteilt oder versahen Wachdienst auf dem Weg zu den Erschiessungsstellen. Doch in vielen Fällen erhielten sie auch den Befehl, jüdische Häftlinge oder Ghettobewohner hinzurichten. Kaum jemand widersetzte sich diesen Anweisungen.> (S.267)

Juli 1942
Minsk: Angebliche Massenerschiessung von 25.000 Juden des Ghettos mitsamt dem Judenrat
(S.240)

in: Marrus, Michael R.: The Holocaust in History; Hanover/London, 1987, S.117

Glubokoe: Planung eines Kaufhauses für "Judensachen"
Der Gebietskommissar plant, für "Judensachen" ein eigenes Kaufhaus einzurichten. Es herrscht grosse Nachfrage und die kriminelle Energie in der Bevölkerung ist nicht mehr beherrschbar. Es kommt zu Exzessen, die die deutsche Verwaltung nicht mehr kontrollieren kann.
259

Juli 1942 ca.
Ost-BSSR / Borisov: Massaker an Juden - begehrte "Judensachen"
Nach den Erschiessungen bereichern sich die Wehrmacht, Gendarmerie und einheimische an den "Judensachen".

Chiari:
<Auch in Borisov war die Gier der Wehrmacht, der Gendarmerie sowie der einheimischen Bevölkerung nach jüdischem Besitz derart gross, dass die Rayonbürgermeister nach den Erschiessungen 1942 die Vermögenswerte nicht mehr sicherstellten, sondern sofort an deutsche Dienststellen weitergaben oder an Zivilisten veräusserten.> (S.261)

in: Gosudarstvennyi archiv Respubliki Belarus' GARB 370-1-1167, Bl.14

Mitte 1942
BSSR: "Herrenlose" jüdische "Fundsachen"
-- werden bei deutschen Behörden abgegeben
-- es sind Sachen, die in Selbstjustiz gestohlen worden waren (S.260).

ab Mitte 1942
West-BSSR: polnische judenfeindliche Aktionen
-- Angehörige der Armia Krajowa erpressen Juden, die bei Polen versteckt sind
-- polnische Untergrundgerichte verhängen Todesurteile gegen alle Arten von Menschen, um Höfe für sich zu schützen (S.264).

BSSR: Partisanenkommandanten wollen Gebiete beherrschen
Partisanenkommandanten wollen Anerkennung durch die Dörfer und wollen Höfe für sich "reservieren". Die Partisanengruppen müssen vergrössert werden. Die Situation bringt eine Eskalation der Gewalt (S.268).

BSSR: Ghettoräumungen: unerwartetes Auffinden von Lebensmittelvorräten
Die Vorräte werden an die nichtjüdische Bevölkerung verkauft (S.239).

BSSR: Totalzerstörung des sozialen Gefüges
Das soziale Gefüge der Bevölkerung ist durch Stalin-Deportationen 1939-1941 und die Massenexekutionen an Juden 1941-1942 in den Städten völlig auseinandergebrochen (S.250).

ab Mitte 1942 ca.
BSSR: Wachsender Antisemitismus bei russischen Partisanen: Überläufer, Misserfolge, Gerüchte
Wachsender Antisemitismus in russischen Partisanengruppen durch Überläufer aus der einheimischen Selbstverwaltung oder der einheimischen Polizei. Der Antisemitismus steigert sich zudem durch Misserfolge, die in alter Gewohnheit "den Juden" in die Schuhe geschoben werden.

Zudem entstehen Gerüchte
-- über Brunnenvergiftungen (S.255)
-- über von jüdischen Frauen übertragene Geschlechtskrankheiten etc. (S.256).

Entstehende "Gewohnheit" der Plünderungen und Vergewaltigungen. Märsche können nur bei Nacht stattfinden (S.256).

BSSR: Suche nach verstecktem jüdischem Vermögen
Die deutsche Verwaltung sucht nach jüdischem Vermögen, das bei Einheimischen vor dem Zugriff der Behörden versteckt liegt (S.259).

Baranovitschi: Belorussifizierung
-- Weissrussisch wird Amtssprache
-- die polnische Sprache ist ab sofort diskriminiert
-- Bekämpfung der polnischen Kultur, zum Teil willkürliche Verhaftungen und Erschiessungen (S.248).

1.7.1942
Glubokoe: Bilanz des Gebietskommissars der noch existierenden Ghettos
Ghettos existieren noch in
-- in Dunilovitschi mit 979 Juden
-- in Postavy mit 848 Juden
-- in Glubokoe mit 2200 Juden
-- in Opsa mit 300 Juden (S.247).

21.7.1942
BSSR / Nesviz: Ghettoräumung nach bewaffnetem Widerstand
(S. 252. Viele Ghettoinsassen können flüchten, aber nur einem Bruchteil gelingt die Flucht in die Wälder (S.253).

Aug 1942
BSSR: Abschluss der grössten Tötungsaktionen und Exzesse
Die Stimmung unter den Einheimischen droht, sich gegen die deutschen Besatzer zu wenden. Die deutsche Verwaltungssprache benutzt das Wort "umsiedeln" als Begriff für Transporte zur Exekution.

Chiari:
<Im August 1942 waren die grössten Tötungsaktionen in Weissrussland und die grauenhaften Exzesse, die sich hier abspielten, bereits geschehen. Sie hatten in zahlreichen Berichten der deutschen Verwaltung ihre Spuren hinterlassen und wurden zumindest als ein lästiges Problem für die "Stimmung unter den Einheimischen" Besprochen und kritisiert. Jeder Angehörige der Zivilverwaltung wusste, wovon er sprach, wenn er in diesem Zusammenhang den Begriff "Umsiedeln" gebrauchte.> (S.244)

Region Sluck: Ermordung der jüdischen Bevölkerung durch Wehrmacht und Polizei
(S. 262)

Region Sluck / Rayon Kopyl': Anzünden des Ghettos - Polizei und Wehrmacht stehlen Zigaretten der ZHG
Anzünden des Ghettos mit Zerstörung auch nichtjüdischer Wohngebäude ausserhalb des Ghettos und von Büros der Zentralhandelsgesellschaft Oft. Die an der Ghettoräumung und am Massaker beteiligte Polizeieinheit und die beteilige Wehrmachteinheit plündern daraufhin den Verkaufsraum der Zentralhandelsgesellschaft, mehrere 1000 Schachteln Zigaretten (S.262).

Sep 1942
BSSR/Minsk-Riga: Verteilungskampf um "Judensachen"
-- Reichskommissar Rosenberg befiehlt aus Riga, dass von den "Judensachen" ein Fundus an Arbeitskleidung und Schuhen zurückbehalten werden soll, um damit im Reich jüdische Zwangsarbeiter auszurüsten, wobei für Juden nur "minderwertige Gegenstände" in Frage kämen

-- in Minsk kämpfen Firmen wie die "Ostland Öl" um die Zuteilung jüdischer Winterkleidung für die weissrussischen Schwerarbeiter (S.259)

-- in der Minsker Opfer stapeln sich jüdische Kleider und Schuhe
-- Reichsdeutsche tragen plötzlich teure jüdische Kleider, die sie auf dem Schwarzmarkt erworben haben (S.260).

Bei Beschwerden deutscher Firmen, dass keine Zuteilung von Winterkleidern erfolgt sei, ist die deutsche Verwaltung, inklusive Generalkommissar Kube, machtlos, so z.B. im Fall der "Ostland Öl" (S.260).

BSSR/Novosady: Überleben des Juden B.S. Grunstein trotz Verrats
B.S.Grunstein kann sich in einer Grube unter dem Fussboden der Razzia und der Massenexekution entziehen, bittet nach mehreren Tagen im Versteck beim Nachbarn um Essen, wird von diesem verraten und dann in Domatschevo inhaftiert, kann aber flüchten (S.265).

In: KGB Republika Belarus' delo 42, S.D.'., Bl. 17-18,19,28-31,32-33,48-49

BSSR/Domatschewo und Tomaschevko: Massaker an fast 2900 Juden
unter Beteiligung der Bürgermiliz von Domatschewo. Zusammentreiben der Juden vor die Orte, Erschiessungen durch SD, Feldpolizei und lokale Polizei. Danach setzen einheimische Polizisten die Jagd auf Juden fort ohne jeden deutschen Befehl, z.T. Bedrohung Einheimischer als "Judenhelfer" (S.267).

Baranovitschi: zweites Massaker an Juden - Verkauf von "Judensachen"
Vom Land her kommen wieder  "Karawanen von Kauflustigen" und kaufen billig jüdische Kleidung und Hausrat (S.258).

In: Befragung Samuil Semenovitsch Jankelevitsch, 5.12.1944, Nacional'nyi archiv Respubliki Belarus' NARB 750-1-112, Bl.19-23

Es bleiben noch 800 Juden, die für die Organisation Todt arbeiten (S.258).

Herbst 1942
Generalkommissar kann die "Säuberung" der BSSR formal mit dem Vorhandensein jüdischer Widerstandsgruppen begründen
(S. 254)

Okt 1942
BSSR: Meldungen über Koordination jüdischer Partisanen mit polnischen und russischen Partisanen
Meldung der "Weissruthenischen Selbsthilfe" an Kube, dass sich jüdische Widerstandsgruppen bilden, die sich mit "polnischen oder russischen Banden" zum teil vereinigen. Zentrum des "polnisch-jüdischen Partisanenwesens" seien die Wälder um Lida, Slonim, Vilejka und Glubokoe (S.249).

In: Eingabe des WSW an den Gebietskommissar, Okt. 1942, Gosudorstvennyi archiv Republiki Belarus; GARB 393-4-12, Bl.88-92

Spätherbst 1942
Minsk: Judenrat beantragt 500 Paar Holzsohlen
 wird von deutscher Zivilverwaltung bewilligt, da viele Juden keine Schuhe mehr besitzen (S.241).

Dez 1942
Baranovitschi: Massaker an 650 Juden, 150 Juden gelingt die Flucht - Verkauf von "Judensachen"
Vom Land her kommen wieder  "Karawanen von Kauflustigen" und kaufen billig jüdische Kleidung und Hausrat (S.258).

in: Befragung Samuil Semenovitsch Jankelevitsch, 5.12.1944, Nacional'nyi archiv Respubliki Belarus' NARB 750-1-112, Bl.19-23

ab Ende 1942
BSSR: Zusammenarbeit zwischen russischen und jüdischen Partisanen gegen die deutsche Besatzungsmacht und deutsche Einrichtungen
(S. 268)

1942/1943
Minsk: Jüdisches Ghetto: noch von 9000 Juden bewohnt
(S.240)

In: Jahresbericht 1942 der Arbeitsgruppe Weissruthenien AGW vom 20.1.1943, Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR BStU III c, Nr.79,Bl.6



1943

Die Amtskasse des Generalkommissariats Weissruthenien verwaltet "jüdisches, herrenloses, staatsfeindliches Vermögen"
Sluck: Gebietskommissar Heinrich Carl lässt aus "angefallenem Judenvermögen" vier Wohnhäuser für Angehörige seiner Dienststelle errichten. Nach einer Zurechtweisung aus Minsk  wird die Handlung nachträglich "legalisiert" (S.261).

BSSR/Priluki: Einheimische verhaften zwei Juden in Selbstjustiz
Einheimische stellen zwei Juden ohne Befehlsnotstand, liefern sie der Polizeistation aus. Am nächsten Tag gelingt ihnen aus dem schlecht bewachten Gefängnis die Flucht (S.265).

BSSR: Deutsche Razzien gegen Partisanen
in denen jüdische Partisanengruppen von allen Seiten bedroht werden (S.268).

1943?
Lager Koldytschevo: Quälereien durch weissrussisches Wachpersonal an Juden
-- zum Teil mit Hunden, die auf Juden gehetzt werden
-- Flüchtende werden sofort erschossen (S.268).

in: KGB Republika Belarus' RB, delo 19592-9, N.A.K., Bl. 360, 363, 375, 378, 382

ab Anfang 1943
BSSR: Die letzten Reste des jüdischen traditionellen Lebens sind zerstört
(S. 235)

Anfang 1943 ca.
Minsk: Generalkommissar Kube wird von anderen Stellen der "Judenhörigkeit" bezichtigt
(S. 243)

Herbst 1943
BSSR: Die Juden im Generalkommissariat Weissruthenien sind grösstenteils umgebracht
Chiari:
"Bis zum Herbst 1943 waren die Juden im Generalkomissariat grösstenteils getötet worden." (S.263)

26.9.1943
Nowogrudok: Flucht von 150 jüdischen Ghettoinsassen durch einen Tunnel
(S. 268)

[Ergänzung:
aus dem ehemaligen Gerichtsgebäude, wo die letzten knapp 500 Juden aufbewahrt worden waren.

in: Tec: Bewaffneter Widerstand, 1996, S.281, 283].


Anfang 1944
West-BSSR/Kaldytschevo bei Baranovitschi: Flucht von 90 Juden
(S. 268)

März 1944
BSSR: Beispiel der gemischten 4. Weissrussischen Partisanenbrigade mit 578 Mitgliedern
hat ein fast ausgeglichenes Verhältnis zwischen Juden und Russen:
-- 306 Weissrussen
-- 126 Russen
-- 104 Juden
-- 14 Zigeuner
-- 12 Tataren
-- 10 Ukrainer
-- 2 Polen
-- 1 Armenier
--1 Suwasche
-- 1 Finne
-- 1 Lette (S.268).

Herkunft:
-- Rotarmisten von der aufgelösten Front: 11
-- Eingekesselte Rotarmisten: 39
-- Kriegsgefangene: 102
-- aus der lokalen Bevölkerung: 426, fast 4/5 der Brigade (S.268).

in: Nacionalnyi archiv Respubliki Belarus; NARB 3500-4-78, Bl. 196

bis Juli 1944
Minsk: jüdisches Ghetto existiert bis zum Ende der deutschen Besetzung
als "Aufbewahrungsort" für Arbeitskräfte (S.240).

In: Marrus, Michael R.: The Holocaust in History; Hanover/London, 1987, S.117

[Ergänzung:
ab Aug 1944
Moskau: Befehl für alle ehemaligen Partisanen an die Front - Massentod
Das sowjetische Kommando schickt ehemalige Partisanen an die Front, wovon die Mehrheit fällt, u.a. auch die Mehrheit der jüdischen überlebenden Partisanen.

In: Tec: Bewaffneter Widerstand, 1996, S.297].

5.12.1944
NKWD-Prozess: Verdacht der Rehabilitierung durch Exekutionen
Zeuge Samuil Semenovitsch Jankelevitsch meint, die deutschen Kräfte wollten sich mit den Massakern von 1942 vor der weissrussischen und polnischen Bevölkerung rehabilitieren (S.247-248).

in: Nacional'nyj archiv Respubliki Belarus' NARB 750-1-112, Bl.18

[Die "Rehabilitierung" mit den dazugehörigen Folgen dürfte ein sehr erwünschter Nebeneffekt gewesen sein].


1945

Mai 1945
BSSR: Von 820.000 weissrussischen Juden überleben 120-150.000 den Zweiten Weltkrieg
durch Flucht mit der Roten Armee 1941 oder durch Anschluss bei Partisanengruppen. Chiari:
"Von 820.000 weissrussischen Juden überlebten nur 120.000 bis 150.000 den Zweiten Weltkrieg, meist durch die Evakuierung 1941 oder indem sie sich bewaffneten Gruppen anschlossen." (S.231)

[Überleben auch in Verstecken bei der einheimischen Bevölkerung möglich, wenn kein Verrat stattfindet].

ab 1945
UdSSR: Holocaust ist verpönt
-- die sowjetische "Geschichtswissenschaft" nennt den Holocaust nicht beim Namen. Das Thema ist verpönt (S.231)
-- Unterdrückung des Themas, damit kein Heroismus unter den Juden in Russland aufkommt (S.231).

BSSR: Zweite Sowjetisierung - Auslöschen jeglicher Spur jüdischer Kultur
(S. 232)

BSSR: Die Einheimischen verurteilen meist die Massenexekutionen an Juden
scheint nicht sehr glaubwürdig (S.248).

Psychoanalyse bei Holocaust-Überlebenden
-- "Coping-Strategien": Verdrängung, Abschottung von der Umwelt
-- die Betroffenen hätten "wie in einem Wattebausch" oder "wie unter Anästhesie" gelebt. Sie wollten Tag für Tag überleben und planten nicht mehr längerfristig (S.231).

In: Dwork, Deborah: Kinder mit dem gelben Stern. München, S.262

ab Späte 1960er Jahre / ab 1968 ca.
Moskau: Holocaust als Mittel der Propaganda gegen Israel
Der Holocaust dient der russischen Propaganda als Mittel, den Zionismus anzuklagen.

Chiari:
"Seit den späten sechziger Jahren diente der Holocaust vielmehr als Medium, um den Zionismus als Gegner der Sowjetunion und damit als Mitverantwortlichen für die Vernichtung der sowjetischen Juden im zweiten Weltkrieg zu diskreditieren." (S.231)

[nicht erwähnt:
Die Klage gegen den zionistischen Imperialismus bezieht sich auf den 6-Tage-Krieg von 1967 auf die Gräuel an der arabischen Zivilbevölkerung bis weit nach Syrien hinein].

spätere Perestroika-Zeit/ab 1990
UdSSR: Öffnung der Archive: Die Kollaboration in den Baltenstaaten wird erforscht und erfasst

In:
-- Ezergailis, Andrew: The Holocaust in Latvia 1941-44. The Missing Center, Riga 1996
-- Stang: Kollaboration und Massenmord.

Für Weissrussland fehlt die Rekonstruktion nach wie vor (S.231).

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