Chronologie
1941
BSSR: geistig höheres Bildungsniveau
Juden heben sich durch ihr Bildungsniveau von der orthodoxen
Bevölkerung ab, teilen aber insgesamt die primitiven
Lebensbedingungen mit ihren polnischen und weissrussischen
Nachbarn. In Dörfern und Städten leben Juden und Nichtjuden
"Tür an Tür" (S.236).
Juni 1941
BSSR: geschätzte registrierte 820.000 Juden in
Weissrussland
Chiari:
"Von 820.000 weissrussischen Juden überlebten nur 120.000
bis 150.000 den Zweiten Weltkrieg." (S.231)
In: Iwanow, Nikolai, XX vek: demograficeskie izmenenija.
Genocid. Unveröffentlichtes Aufsatzmanuskript, 1997.
22.6.1941
BSSR: die deutschen Erwartungen: 900.000 registrierte
Juden, Schätzung: 1,5 Mio. Juden
Die registrierten 900.000 Juden basieren auf Volkszählungen
der UdSSR von 1926 und Polen 1931. Interne deutsche
Schätzungen gehen von 1,5 Mio. Juden im Gebiet der
ehemaligen BSSR. Der SD vermutet für Minsk 100-120.000 Juden
bei einer Gesamtbevölkerung für Minsk von 238.000 (S.238)
ab 22.6.1941
BSSR: Grosse Unsicherheit in der jüdischen Bevölkerung
nach der deutschen Besetzung - Bomben und Pogrome von
Weissrussen und Polen an Juden
Die jüdische Bevölkerung
-- flüchtet vor Bombardierungen in ländliche Gebiete
-- flüchtet vor spontanen Pogromen durch Weissrussen und
Polen, die nach der deutschen Besetzung vom SD weiter
geduldet und am 29.6. in einem Fernschreiben als
"Selbstreinigung" bezeichnet werden, mit der Empfehlung, die
Pogrome "im Gegenteil, allerdings spurenlos, auszulösen, zu
intensivieren [...] und in die richtigen Bahnen zu lenken"
(S.236)
-- Reinhard Heydrich lässt die polnische Intelligenz
schützen, um ein antikommunistisches und antijüdisches
"Initiativelement" zu behalten
-- einige Regionen bleiben völlig ruhig ohne jede Pogrome
(S.237).
BSSR: Einquartierungen deutscher Wehrmacht weckt
Erinnerungen an die liberale deutsche Besetzung 1914-1917
(S. 237)
ab Ende Juni 1941
BSSR: Kollaboration: Einheimische kennzeichnen für die
Besatzungsmacht jüdische Häuser
Dies ist ein entscheidender Beitrag der Kollaboration zur
Judenvernichtung.
Chiari:
"Kurz nach dem Einmarsch begann die Kennzeichnung jüdischer
Häuser. Schon dies war ohne die Mithilfe der Einheimischen
nicht durchführbar." (S.257)
Juli 1941
BSSR: Erste Exekutionswelle: Weissrussen werden zum Teil
für Juden
gehalten und ebenso erschossen, was beim SD als "unangenehme
Situation" angesehen wird (S.246).
In: Arad, Yitzhak, u.a. (Hg.): "The Einsatzgruppen Reports";
N.Y. 1989, S.42-44
BSSR: Ersetzung jüdischer Apotheker
-- alle jüdischen Apotheker, die durch arbeitslose
weissrussische Apotheker ersetzt werden können, verlieren
ihre Apotheke
-- Programm zur Ausbildung weissrussischer Apotheker
-- die deutsche Selbstverwaltung unterstützt jüdische
Berufsverbote (S.252).
BSSR/Domatschewo: deutsche Verwaltung der Bevölkerung aus
etwa 90 % Juden - Bürgermiliz mit neuen Armbinden und
Uniformen
Die Juden Domatschewos sind vor allem Händler und
Handwerker. Die deutsche Verwaltung übernimmt die kleine
Bürgermiliz des polnischen Rechtsanwalts vom November 1939
ca., wird mit neuen Armbinden und später mit olivgrünen
Uniformen ausgerüstet und beteiligt sich an
Judenerschiessungen (S.267).
Anfang Juli 1941-1945
Ostpolen oder ganze BSSR(?): Durch polnische Hilfe können
50.000-120.000 Juden die deutsche Judenverfolgungen
überleben
(S. 234-235)
ab Anfang Juli 1941
BSSR: Artikel zur Provokation von Neid gegen Juden durch
den SD
Der SD schürt Aggressionen gegen Juden durch
Veröffentlichung von Berichten mit der Behauptung, dass in
jüdischen Häusern eine gute Lebensmittelversorgung
festgestellt worden sei, was wieder Neid schürt.
Deutsche Neuankömmlinge beziehen erste "Judenwohnungen",
haben Jüdinnen als Dienerinnen (S.240.
Die jüdischen Dienerinnen bekommen einen Ausweis, damit sie
nicht von anderen Deutschen verhaftet werden oder woanders
angestellt werden (S.240-241).
BSSR: Exekutionen unter den Augen der Bevölkerung
Chiari:
"Mordaktionen geschahen unter den Augen der nichtjüdischen
Nachbarn." (S.245)
BSSR: Auch Weissrussen können jüdische Sklaven anfordern
- Verstecke werden zum Teil denunziert
(S. 249)
BSSR: Dreikampf zwischen Juden, Weissrussen und Polen
gemäss der Aufklärung der sowjetischen Partisanenbewegung:
-- Weissrussen und Polen hetzen gegen Juden mit typischen
Feindbildern, wie dem, dass die "Juden nicht arbeiten würden
und auf Kosten der einheimischen Bevölkerung lebe
-- Weissrussen hetzen gegen Polen [zur Belorussifizierung]
(S.249)
[-- Polen hetzen gegen Weissrussen zur Restitution Polens].
BSSR: Aufräumarbeiten müssen alle leisten
Juden, Polen und Weissrussen werden zu Aufräumungs- und
Strassenbauarbeiten zwangsverpflichtet (S.238).
Besetzte Ostgebiete/BSSR: Isolierung und Entrechtung der
jüdischen Bevölkerung
wird von der Wehrmacht in ihrem ganzen Verantwortungsbereich
mitgetragen:
-- Juden wird der Wohnortwechsel verboten
-- Verkauf oder Verpfändung von Handwerkerausrüstungen an
Juden wird verboten, ist das faktische Berufsverbot
-- Juden erhalten spezielle Ausweise, werden zur
Zwangsarbeit für die Wehrmacht verpflichtet (S.237)
-- Juden die keine Zwangsarbeit verrichten bzw. den Ausweis
zur Zwangsarbeit nicht besitzen, bekommen keine
Lebensmittelzuteilung (S.237-238).
Die jüdische Bevölkerung wird planmässig versklavt (S.240).
West-BSSR: Die polnische Bevölkerung ist völlig
antisemitische eingestellt
London: Die polnische Exilregierung vertuscht den Umstand
des Antisemitismus in der polnischen Bevölkerung und
fürchtet um ihr Ansehen in der internationalen Diplomatie.
Die Exilregierung startet offiziell eine Kampagne zum Schutz
der jüdischen Bevölkerung in der BSSR, gleichzeitig fordern
aber Vertreter der polnischen Exilpresse die Vertreibung
der: Zitat: "gefährlichen jüdischen Minderheit", wenn Polen
wiederhergestellt sei (S.264).
West-BSSR: Der Antisemitismus ist stark durch das
Hasspotential zwischen Weissrussen und Polen
Die polnische Bevölkerung ist besonders motiviert und
unterstützt antijüdische Massnahmen. Polen und Weissrussen
schieben gleichzeitig der jüdischen Bevölkerung die Schuld
für die Sowjetisierung vom Oktober 1939 in die Schuhe.
Chiari:
<Im Westen und hier besonders mit Blick auf die polnische
Bevölkerung, waren sie [die deutschen Behörden] "zufrieden"
mit der Unterstützung der antijüdischen Massnahmen. Vielfach
schoben Polen wie Weissrussen den Juden sogar die Schuld für
die 'Flurbereinigung' während der Sowjetisierung zwischen
1939 und 1941 in die Schuhe.> (S.269)
Ost-BSSR: weniger grosse Pogromstimmung
Deutsche Behörden vermerken, dass es leichter sei, die
Bevölkerung zur Jagd auf sowjetische Funktionäre zu
motivieren, als antijüdische Ausschreitungen hervorzurufen.
Chiari:
<Die deutschen Behörden vermerkten, dass es in den
östlichen Gebieten wesentlich einfacher sei, die Bevölkerung
zur Jagd auf sowjetische Funktionäre zu motivieren, als
antijüdische Ausschreitungen hervorzurufen. [...] Aber auch
in den "altsowjetischen" Regionen gab es Antisemitismus und
antijüdische Exzesse.> (S.269)
BSSR: Hetze gegen Juden durch Bürgermeister und
Polizeikommandanten
Manche polnische und weissrussische Bürgermeister und
Polizeikommandanten fordern die Isolierung der Juden in
Ghettos als "Fortpflanzer alles Bösen" mit immer
wiederholten stereotypen Behauptungen, dass Juden auf Kosten
anderer leben würden, und dass der Kommunismus ein jüdisches
Produkt sei (S.264).
Die Wehrmacht weiss von den beginnenden Exekutionen und
ist zum Teil beteiligt
Chiari:
<Richtig ist, dass die Wehrmacht die später überall
sichtbaren Massentötungen, von denen sehr viele Soldaten
gewusst haben müssen, nicht behinderte, in vielen Fällen
auch aktiv unterstützte.> (S.237)
BSSR-Berlin: Verwertung von jüdischen
Edelmetallgegenständen aus der BSSR
(S. 263)
West-BSSR: einheimische Polizisten denunzieren Juden an
die deutschen Besatzer
Chiari:
<Mit der "Normalisierung" des Besatzungsalltages, dem
Vorrücken der Wehrmacht und der Übergabe Weissrusslands an
die Zivilverwaltung intensivierten die deutschen Behörden
die Suche nach versteckten Juden. Gerade auf dem Land wäre
dies aber ohne die Mithilfe ortskundiger einheimischer
Polizisten unmöglich gewesen.> (S.264)
BSSR: Kollaborationsprofit an inhaftierten Juden
Weissrussische Gefängniswärter lassen gegen Schmiergeld
inhaftierte Juden wieder frei (S.264-265).
BSSR: Einheimische können jüdische Betriebe übernehmen
(S. 265)
[nicht erwähnt:
Einheimische versuchen, alle jüdischen Erben für ehemals
jüdische Betriebe umzubringen
Die Weissrussen, die jüdische Betriebe übernommen haben,
sind weiter daran interessiert, alle möglichen jüdischen
Erben der Polizei ans Messer zu liefern, z.B. die Familie
Marciniewski in Duza Izwa, die eine jüdische Mühle übernimmt
In: Tec: Bewaffneter Widerstand, 1996, S.132
oder die Familie Stichkos, die in Stankiewicze die Mühle der
Bielskis übernommen hat.
in: ebda., S.133].
BSSR: Bereicherung in jüdischen Wohnungen nach
Erschiessung von Juden
verbreitet sich in der Bevölkerung. Mitbeteiligt ist sogar
die SS, die sich als Avantgarde der nationalsozialistischen
Bewegung fühlt (S.260).
BSSR: Sondersteuern für Juden/Kontributionen nach Berlin
um Gold und Bargeld aus der jüdischen Bevölkerung
herauszuziehen (S.260). Der Judenraub ist vorerst die
einzige Einnahme der deutschen Verwaltung in Minsk
(S.261-262).
Das Ergebnis des staatlich organisierten Raubes:
-- 6000
Goldrubel
-- ca. 10 kg Gold
-- 113 kg Silbermünzen
-- über 350 kg Silbergegenstände.
Es erfolgt die penible Überweisung an die Reichskasse Berlin
(S.260) in einer endlosen Reihe von Paketen mit
Edelmetallgegenständen wie Uhren Schmuck etc. (S.262).
Anfang Juli-Aug 1941
BSSR: Polizei jagt Plünderer
Die Polizei jagt auch Plünderer und schickt das
Plünderungsgut mit nach Berlin an die Reichskasse. Aus
Versehen kommt es auch zur Beschlagnahmung von
nichtjüdischem Besitz (S.262).
10.7.1941 ca.
Minsk: Jüdischer Aufstand gegen Beschlagnahmung jüdischer
Häuser
Die deutsche Besatzungsmacht verfügt, dass jüdische
Holzhäuser im Westen der Stadt weissrussischen Flüchtlingen
zur Verfügung gestellt werden sollen. In der Folge zünden
einige Juden die Häuser selber an, was wieder
Ausschreitungen gegen Juden und eine "Pogromstimmung"
provoziert.
Mitteilung in einer Meldung der Heeresgruppe B aus Minsk vom
12.7. 1941, Chef der Sicherheitspolizei und des SD (S.249).
In: Arad, Yitzhak: The Einsatzgruppen Reports, 1989,
S.20-21.
BSSR/Minsk: Aufruf zu Massnahmen gegen Juden
In ländlichen Gebieten werden die lokalen deutschen
Truppenführer immer wieder aufgerufen, "Massnahmen" gegen
die jüdische Bevölkerung zu ergreifen.
Chiari:
<Besonders in den ländlichen Regionen Weissrusslands bat
die Bevölkerung immer wieder die lokalen Truppenführer,
"Massnahmen" gegen die Juden zu ergreifen.> (S.249)
In: Arad, Yitzhak: The Einsatzgruppen Reports, 1989,
S.230-235
BSSR: Massnahmen gegen Juden auf dem Land - Aufstocken
der Polizei und Judenjagd von Polizei, SD
und Wehrmacht
-- Denunziationen
-- Weissrussen treten der Polizei bei und denunzieren
jüdische Nachbarn als Kommunisten
-- deutsche und weissrussische Patrouillen durchsuchen Höfe
in den Dörfern auf dem Land (S.254)
-- die Sicherheitspolizei des SD organisiert vor allem
entlang der ehemaligen Grenzlinie zwischen West- und
Ost-Weissrussland und entlang der Geleise der Eisenbahnlinie
Minsk-Brest "Durchkämmungsaktionen", wobei die Wehrmacht mit
beteiligt ist. Zum Teil stösst der SD hierbei auf leere
Dörfer [weil sich die Bevölkerung in den Wäldern versteckt
hält] (S.254).
BSSR: Die jüdische Gegenmassnahmen, um nicht erkannt zu
werden
-- Bekannte organisieren Fluchten oder Verstecke
-- Verfälschung der Identität durch Bart, Frisur, Name oder
Religion (S.254).
Die Erschiessung erfolgt schon auf Verdacht hin
-- die Erkennungsangst ist vor Weissrussen grösser als vor
der deutschen Besatzungsmacht
-- Weissrussen und Polen, die alleine angetroffen werden,
können als Juden erschossen werden, wenn "untrügliche
äussere Kennzeichen" wie die Nasenform etc. behauptet werden
können
-- viele Juden werden Tagelöhner auf Höfen und ersetzen die
Weissrussen, die unter der Roten Armee abgezogen sind
(S.254).
19.7.1941
BSSR/Mir: erste Judenmassaker mit Beteiligung der
einheimischen Polizei
85 Juden der Intelligenz werden inhaftiert, 20 davon sofort
erschossen (S.263).
Aug 1941
Baranovitschi: erste Exekutionen auch von
"Unabkömmlichen"
Die Sicherheitspolizei des SD nimmt auf Papiere, die die
Unabkömmlichkeit von Juden beweisen, keine Rücksicht
(S.252).
Sep 1941
Region Borisov/Kreis Pleschtschenicy: Inhaftierung aller
Juden - jüdische Handwerker gegen Geld frei
Der Rayonbürgermeister D. sondert die Handwerker aus und
lässt sie gegen Geld und Wertgegenstände auf freiem Fuss
(S.261).
Minsk-Land und Stadt Minsk: Ghettoisierung der Juden -
ein Grossteil des jüdischen Besitzes "verschwindet"
(S. 260), [um die Verluste der Bombardierungen
"auszugleichen"].
Sep 1941 ca.
BSSR: Vorbereitung der Massenexekutionen an Juden:
Begründungen
-- Vorwurf der Kollaboration mit den Kommunisten
-- Vorwurf der Kollaboration mit den Partisanen
-- Vorwurf, Juden seien ein volksfremdes Element (S.237).
ab Sep 1941
BSSR: Land: Bildung von Bürgerwehren in Landdörfern gegen
die Plünderungen durch Partisanengruppen.
(S. 256). Auf Plünderungstouren werden zum Teil falsche
Identitäten vorgespielt, um beim jeweiligen Bauern Einlass
zu bekommen (S.257).
ab Sep 1941 ca.
BSSR: Kennzeichnung der Juden und Ghettoisierung
mit Gründung von "Judenräten" für die Ghettos, sind oft
Vertreter der ehemaligen jüdischen Selbstverwaltung (S.238).
SS, SD und Wehrmacht ermorden kommunistische "Elemente"
-- Parteimitglieder, Regierungsangehörige, denen die Flucht
mit der Roten Armee nicht gelungen ist
-- Kommunisten und Angehörige des NKWD
-- Ermordung der jüdischen Intelligenz, die von Stalin nicht
deportiert worden war: Lehrer, Professoren, Rechtsanwälte,
nur Ärzte und medizinisches Personal bleibt am Leben
(S.238).
Hinterhalte und Entvölkerung erster Dörfer
Suchtrupps der SS, der deutschen Zivilverwaltung und des
einheimischen Ordnungsdienstes geraten bei ihrer Suche nach
Juden auf dem Land oft in Hinterhalte, was hohe Opfer
fordert und die Suchtrupps zur Rückkehr zwingt. Aus Angst
vor kollektiver Bestrafung flüchten ganze Dörfer in die
Wälder (S.238).
ab Sep/Okt 1941
Slonim: Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung -
Sammeln des jüdischen Besitzes in der Synagoge
-- wobei die jüdischen Wohnungen von nichtjüdischen Nachbarn
geplündert werden
-- die "weissruthenische Selbstverwaltung" stattet ihre
Räume mit jüdischem Mobiliar aus
-- Bauern erstehen in den Synagogen Kleidung, Möbel und
Hausrat (S.257).
Polen und Weissrussen verkaufen an Juden im Ghetto Vieh
für rituelle Schlachtungen
Bei Erwischen wird alle Schuld den Juden zugeschoben, die
dann durch die Gestapo erschossen werden. Polen und
Weissrussen, kommen meist nur ins Gefängnis (S.258).
BSSR: Kollaborationsprofit an Juden im Ghetto von
Weissrussen, Russen und Polen
Juden der Ghettos müssen auf Hamsterfahrt aufs Land, um ihre
letzten Besitztümer für Nahrungsmittel einzutauschen. An den
Ghettozäunen entsteht mit der nichtjüdischen Bevölkerung ein
lebhafter Handel (S.257).
Weissrussische Ghettowächter verkaufen jüdischen Besitz
gegen Wodka an die nichtjüdische Bevölkerung.
"Andere" [wer? vielleicht Polizisten, deutsche Verwalter
etc.] fahren mit jüdischem Besitz aufs Land, um günstig
Lebensmittel einzutauschen (S.258).
In Nesviz betreibt die Polizei mit jüdischem Eigentum einen
schwungvollen Handel. Wohnungen von Polizisten werden zu
heimlichen Läden (S.258).
Deutsche Behörden veräussern jüdische Häuser und Grundstücke
sowie den persönlichen Besitz. Vor allem Einheimische kaufen
"Judensachen": jüdische Wäsche, Kinderkleidung u.a. Die
Bevölkerung wird dadurch nazifreundlich gestimmt, was von
sowjetischen Aktivisten registriert wird. Die Waren werden
zum Teil durch das "Weissruthenische Selbsthilfewerk"
verteilt (S.259).
BSSR: Jüdische Verstecke vor dem Ghetto
-- Versuch, im Versteck zu überleben, versorgt durch
Nachbarn und Verwandte
-- Versteck auf polnischen Bauernhöfen
-- deutsche Offiziere bringen ihre jüdischen Geliebten an
"sichere Orte" und besuchen sie von Zeit zu Zeit (S.250).
BSSR: Klassifizierungen
und Heiratsmarkt innerhalb der Ghettos -
Überlebensstrategien
Untergruppen in den Ghettos - Heiratsmarkt
Facharbeiter leben innerhalb des Ghettos in besonderen
Strassen und werden wegen ihrer Marken für die Lebensmittelzuteilung
und der [falschen] Sicherheit, nicht erschossen zu werden,
zu gesuchten Heiratspartnern derjenigen, die keine
Qualifikation haben:
-- Frauen
suchen auf Zetteln nach Männern "mit Marken"
-- junge Mädchen heiraten ältere Männer
-- jüdische Frauen gehen Beziehungen zu Wachleuten oder
Polizisten ein
-- jüdische Frauen heiraten [in der West-BSSR, wo jüdische
Partisanen existieren] jüdische Partisanen, die ihnen die
Flucht ermöglicht haben
-- Eltern sperren sich zum Teil gegen die Verbindungen wegen
Standesdünkel [und vereiteln damit die Flucht von Töchtern
aus dem Ghetto] (S.253).
Überlebensstrategien im Ghetto: Widerstand, Verdrängung
und falsche Hoffnungen
-- aktive Kollaboration: z.B. jüdische "Kolonnenführer", die
mit Knüppeln andere Juden zur Arbeit antreiben
-- Ausbruchsversuche
-- Aufbau bewaffneter Untergrundstrukturen (S. 250)
-- viele Juden glauben die Berichte über die Massaker nicht
(S. 250)
-- häufig glauben Juden, dass gute Arbeit das Überleben
sichere (S. 251), da es durch den Abzug vieler Weissrussen
mit der Roten Armee und durch den Abtransport von
Weissrussen zur Arbeit nach Deutschland immer mehr an
weissrussischen Facharbeitern mangelt (S. 252)
-- Verdrängungs- und Fluchtmechanismen der Juden gegenüber
den Massakern: Die Masse der Juden versucht sich durch
"Coping-Strategien" abzuschotten, um nicht an die
Vernichtung glauben zu müssen (S. 250).
Die Mehrzahl der Ghettobewohner verfällt in Passivität und
Fatalismus (S.251).
in: Werke von Bettelheim, v.a. Surviving and other
essays, N.Y. 1980, S.48-83
z.T. auch Tagträume und Musikerinnerungen, geistige Flucht,
oder Kompensation durch aktive Hilfe für Angehörige oder
Bekannte
-- die meisten Juden bevorzugen - von den Judenräten
unterstützt! - im Ghetto zu bleiben und
hoffen lieber auf eine kleine Chance des Überlebens, als im
unbekannten Wald oder in anderen Verstecken das Risiko der
Entdeckung einzugehen (S.251).
Sep/Okt 1941 ca.
BSSR/Kleck: einheimische Bevölkerung bereitet
Massengräber für die Exekutionen vor - Exekution unter den
Augen der Bevölkerung
Die Einheimischen heben die Massengräber aus und beobachten
"mit Interesse" die Exekution "mehrerer Tausend Juden",
hauptsächlich durch litauische, lettische und lokale Polizei
durchgeführt.
Chiari:
<In Kleck hob die Bevölkerung vor der Massenerschiessung
von mehreren Tausend Juden 1941 nicht nur die Massengräber
aus, sondern folgte zum Teil mit Interesse den Tötungen.
Diese wurden hauptsächlich von litauischen und lettischen
Polizisten durchgeführt, unterstützt von der lokalen
Polizei.> (S.248)
Okt 1941
BSSR: erste grosse Massaker durch Spezialabteilungen der
SS an der jüdischen Bevölkerung
in Goradischtsche
in Lachovitschi
in Ansovitschi.
Die Erzählungen von Zeugen oder Überlebenden werden von den
meisten Juden im Ghetto in Baranovitschi als Erfindung
abgetan (S.250).
Minsk-Land und Stadt Minsk: Ghettoisierung der Juden der
ganzen Region Minsk abgeschlossen
(S. 260)
West-BSSR: Polen denunzieren Juden
Die betroffenen Familien seien "Propagandisten der
verschiedenen politisch-satanistischen Ansteckungen" und
sollen doch bitte umgesiedelt werden, wo es mehr Arbeit für
sie gäbe.
Chiari:
<In einer polnischen Denunziation vom Oktober 1941 heisst
es: "In den Gemeinden W. und Z. wohnen 23 jüdische Familien
in ihren bequemen Häuser. Weil die Juden sind Propagandisten
der verschiedenen politisch-satanistischen Ansteckungen,
wäre es wünschend alle Juden von der Gemeinde W. nach J. zu
übersiedelen, denn dort sind die Juden mit der Arbeit
beschäftigt".> (S.264)
In: Centr istoriko-dokumental'nych kollekcij CIDK
1323-2-250, Bl. 19-20
West-BSSR: Zum Teil verhindern nichtjüdische Nachbarn
jüdische Fluchtversuche zu polnischen Familien
(S. 265)
Okt 1941 ca.
BSSR/Mir: Einrichtung des jüdischen Ghettos im Schloss
Mir
(S. 265)
Minsk: Einrichtung des jüdischen Ghetto - Struktur,
Untergrund, deportierte deutsche Juden in Minsk
Das Ghetto liegt zwischen Fischmarkt und dem jüdischen und
dem polnischen Friedhof und umfasst angeblich
100.000 Juden aus Minsk und der Region (S. 238).
Bildung von Untergruppen: "östliche", meist einheimische
Juden, "westliche", meist polnische Juden. Die Zahlenangaben
differieren extrem.
Zusätzlich kommen aus dem Reich 1000e deutscher Juden in ein
"Sonderghetto". Vier besondere Strassen sind für Juden aus
Hamburg, Berlin und Frankfurt reserviert: 18.000 Ärzte,
Ingenieure, Facharbeiter und Angestellte, die von den
einheimischen Juden misstrauisch beobachtet werden.
Chiari:
<Zehntausende Deportationsopfer aus dem Deutschen Reich
wurden in einem Sonderghetto interniert und später getötet.
Juden aus Hamburg, Berlin und Frankfurt erhielten
Unterkünfte in vier besonderen Strassen, in denen bis zu
18.000 Ärzte, Ingenieure, Facharbeiter und Angestellte
lebten. Die Neuankömmlinge bildeten eine besondere und von
einheimischen Juden mit Misstrauen betrachtete Gruppe.>
(S.239)
Die östlichen Juden haben durch alte Beziehungen zur
Verwaltung Vorteile, weil Teile der Verwaltung in Minsk von
den deutschen Besatzern übernommen werden. Dies betrifft
v.a. die Minsker Stadtverwaltung und die Polizei. Die
östlichen Juden warten auf Unterstützung durch die Rote
Armee.
Chiari:
"Die Ghettobewohner hofften auf aktive Unterstützung durch
die Rote Armee. Verbindungen bestanden zur Minsker
Stadtverwaltung und zur Polizei."
Jüdische Ärzte in Spitälern bleiben von den
SD-Einsatzgruppen verschont. Das Ghetto ist nicht besonders
gut bewacht. Fremde können ein- und ausgehen (S.239).
ab Anfang Okt 1941
BSSR: Eskalation der Gewalt an Juden durch die Massaker -
Selbstjustiz wird zur Gewohnheit
Die Massaker lösen eine Welle der Selbstjustiz gegen Juden
aus (S. 265).
BSSR: Beute bei jüdischen Massakern: am beliebtesten:
Kleidung, Goldschmuck, Geld
(S. 267)
BSSR: Konfiskation von jüdischem Besitz in leeren
jüdischen Wohnungen - Verteilung durch die Zivilverwaltung
auf Diensträume und Dienstwohnungen
(S. 260)
BSSR: Liquidierungen und Massenerschiessungen durch den
SD
zum Teil, ohne die deutsche Zivilverwaltung zu informieren
(S. 243).
Minsk: Vorkommnisse um die Ghettos
-- Kommunikation mit Familienmitgliedern, die flüchten
konnten oder versteckt sind
-- begüterte Nichtjuden kaufen jüdische Familienangehörige
frei
-- Sterilisation jüdischer Professoren-Frauen, damit sie bei
den nichtjüdischen Ehemännern weiterleben können (S. 246).
BSSR: Ersetzung jüdischer Spezialisten
SS und Wehrmacht ersetzen Schritt für Schritt jüdische
Spezialisten in ihren Betrieben. Juden und Nichtjuden sind
überall in den Betrieben getrennt. Oft müssen Juden ihre
Nachfolger selbst ausbilden, woraufhin der Jude aus dem
Betrieb weggewiesen wird. Die SS spricht selbst von
Liquidierungen, die das Heranbilden von Nachfolgern nötig
machen. Chiari schildert ein Beispiel eines Berichts von
SS-Obersturmführer Danner:
<Der einzige Spezialarbeiter für diese Leimherstellung
ist der Jude Tschaika. Sollte seine Liquidierung am 7.1.1942
durchgeführt werden, so ist zu befürchten, dass die
Leimbelieferung der [...] Möbelfabriken in der nächsten
Woche ins Stocken kommt [...].> (S.244)
In: Centr istoriko-dokumental' nych kollekcij CIDK,
1323-2-230
Minsk: Bewachung der jüdischen Arbeiterzüge durch
Eskorten
die grösstenteils aus einheimischen Polizisten bestehen. Zum
Teil kommt es zu Tauschgeschäften zwischen Polizei und den
abhängigen Juden. Einheimische Polizei bereichert sich an
beschlagnahmter Ghettoware, erhebt "Zoll" etc. (S.248)
BSSR: wachsendes Elend ist ein guter Nährboden für
Judenhass in der ganzen Bevölkerung
(S. 248
ab Anfang Okt 1941 ca.
BSSR: Flucht zahlreicher Juden vor den Massenexekutionen
(S. 237)
BSSR: Litauer und Letten als Exekutionshelfer
Litauer und Letten stehen als Ausführende der Exekutionen
zur Diskussion, weil das Ansehen des Reichs bei deutscher
Täterschaft Schaden nehmen würde (S. 243).
ab Okt/Nov 1941
BSSR: Juden müssen für Deutsche Spione sein
Juden in Ghettos werden von der deutschen Besatzungsmacht
als Spione gegen den sowjetischen Untergrund benutzt (S.
256).
BSSR/Ghettos: jüdische Sklaven an deutsche Firmen
Die deutsche Zivilverwaltung vergibt jüdische Arbeitskräfte
aus dem Ghetto als Sklaven auch an deutsche Firmen, wobei
die Juden bei Arbeitsunfähigkeit einfach ersetzt werden (S.
241).
BSSR: Scharmützel in den Wäldern zwischen Juden, Russen
und Polen
Zahlreiche kleine Feuergefechte in den Wäldern zwischen
jüdischen Flüchtlingen aus den Ghettos und sowjetischen,
entlaufenen Kriegsgefangenen und polnischen Formationen. Die
schwächere Gruppe wird meist vernichtet.
Chiari:
<Jüdische Flüchtlinge aus den Ghettos lieferten sich
Feuergefechte mit versprengten sowjetischen Soldaten oder
entlaufenen Kriegsgefangenen, die in kleinen Gruppen das
Land durchstreiften und bei den einheimischen Bauern um
Nahrung bettelten oder sich das Benötigte mit Gewalt nahmen.
Die Sicherheitspolizei verzeichnete zahlreiche Kämpfe
zwischen polnischen und jüdischen Formationen, die meist mit
der vollständigen Vernichtung der unterlegenen Gruppe
endeten.> (S.255)
In: Centr istoriko-dokumental'nych kollekcij CIDK 504-1-7
Weitere Gruppierungen in den Wäldern
-- Juden können zum Teil bei sowjetischen Partisanen
Unterschlupf finden (S. 255)
-- gemischte Gruppen mit Ghettoflüchtlingen, entlaufenen
Kriegsgefangenen und Bauern von zerstörten Höfen (S. 256).
Schwächere werden in Ghettos zurückgelassen
Die sowjetischen Partisanen nehmen oft keine, Frauen, Kinder
oder ältere Menschen auf, die aus den Ghettos flüchten. Die
Haltung ist insgesamt uneinheitlich. Juden werden zum Teil
als "Verräter" erschossen und sind dauernd mit Vorurteilen
bezüglich ihrer Solidarität konfrontiert (S.255).
[nicht erwähnt:
Juden müssen für sowjetische Partisanen als Spione im
Ghetto bleiben
Die russischen Partisanen könnten die Flucht für viele Juden
aus den Ghettos organisieren, tun es aber nicht, weil die
Juden in den Ghettos für die sowjetischen Partisanen
Spionagedienste übernehmen sollen.
in: Gartenschläger: Die Stadt Minsk; Magisterarbeit, Köln
1990, S.126].
Nov. 1941
BSSR: Massenbewegungen von Juden auf der Flucht vor dem
Ghetto
geschildert in Wehrmachtberichten, im gesamten
weissrussischen Raum.
Chiari:
<Hatte der Chef der Sicherheitspolizei schon im Juli von
den leeren Dörfern berichtet, die seine Kommandos immer
wieder im Rahmen von 'Judenaktionen' vorfanden, sprachen die
Wehrmachtberichte im November 1941 von Massenbewegungen im
gesamten weissrussischen Raum, mit denen sich Juden den
bekanntgewordenen Verhaftungen entziehen wollten.>
(S.254)
einige Zeit nach Sep 1941/Nov 1941 ca.
Region Borisov/Kreis Pleschtschenicy: Verhaftung der noch
freien Juden
Litauische Polizei verhaftet die freien jüdischen Handwerker
und transportiert sie ab. Beschlagnahmung des Besitzes. Der
Rayonbürgermeister behält Pelzmäntel und andere Kleider für
sich und verteilt sie in Selbstjustiz an Bekannte, wofür er
festgenommen wird (S.261).
9.11.1941
BSSR/Mir: "Grosse Aktion": Massaker an ca.
1200 Juden durch Pogrom im Städtchen
Bewohner denunzieren jüdische Häuser der "dschidi", die
Erschiessungseinheiten ziehen durch Strassen und durch das
Ghetto. Sofortige Erschiessungen. Das soziale Gefüge der
Kleinstadt wird zertrümmert (S.263).
10.11.1941
BSSR: Der Wehrmachtbefehlshaber Ostland fordert
(S.254-255), die: Zitat:
"restlose Ausmerzung dieses [jüdischen] volksfremden
Elements"
(S. 255)
19.11.1941
BSSR/Sluck und Kleck: Massenexekution von angeblich 5900
oder 2800 Juden
5900 Juden "im Raum Sluck-Kleck" durch das
Reserve-Polizeibataillon 11
in: Bericht des Wehrmachtbefehlshabers Ostland 19.11.1941;
in: Klee, Ernst/Dressen, Willi (Hg.): "Gott mit uns". Der
deutsche Vernichtungskrieg im Osten 1939-1945, Frankfurt
a.M., 1989
-- ohne Ankündigung an die deutsche Zivilverwaltung
-- oder 2800 Juden "einige Kilometer ausserhalb [von Sluck]
im Ort Makrita"
in: V gorode Slucke. Posoobschtschenijam partizan; in:
Neizvestnaja Tschernaja kniga, S.269-270.
Chiari:
"Der Bericht spricht von 2800 Ermordeten, bestätigt aber im
Übrigen die Umstände der Erschiessungen." (S.245)
Exekutionen der deutschen, litauischen und weissrussischen
Polizei (S.245).
Dabei werden Polen, Weissrussen und Russen mitexekutiert,
weil man sie für Juden hält, die den Stern nicht tragen (S.
246).
Betriebe müssen schliessen und es kommt zu Plünderungen in
jüdischen, polnischen und weissrussischen Wohnungen. In
Sluck häufen sich die Leichen (S.245).
20.11.1941 ca.
BSSR/Sluck: Beschwerde des Slucker Gebietskommissars Carl
in Minsk bei Generalkommissar Kube über die Exekutionen
Carl warnt vor der Weiterführung der Exekutionen wegen
Verlust des Ansehens für das Reich in der Bevölkerung
(S.245)
In: Mendelsohn, John (g.): The Holocaust. Selected
Documents in Eighteen Volumes. Bd.10. The Einsatzgruppen or
Murder Commandos, N.Y. 1982, S.237,241,243f.
Generalkommissar Kube beschwert sich bei Rosenberg in Riga
über das Massaker in Sluck und bezeichnet es als "bodenlose
Schweinerei" (S.246).
In: Mendelsohn, John (g.): The Holocaust. Selected
Documents in Eighteen Volumes. Bd.10. The Einsatzgruppen or
Murder Commandos, N.Y. 1982, S.238-239
246
Nov/Dez 1941
BSSR/Minsk-Land: Jüdische Holzhäuser werden beraubt und
als Baumaterial abgetragen
(S. 261), [wahrscheinlich für den notdürftigen Wiederaufbau
in Minsk].
Dez 1941
Minsk: Tod einer Gruppe von Hamburger Juden, die neben
der Küchenbaracke beerdigt werden
(S. 143-144). Sie müssen auf Befehl des Leiters der
Gesundheitsabteilung in den jüdischen Friedhof umgebettet
werden. Derselbe Leiter beantragt, einen Teil des jüdischen
Friedhofs zur Beerdigung deutscher Juden vorzusehen.
Zitat:
"dass in dem jüdischen Friedhof den deutschen Juden ein
bestimmter Teil für die Beerdigung ihrer Rassegenossen
zugewiesen wird." (S.244)
16.12.1941
BSSR/Minsk: Eine Anweisung zum Verhalten gegenüber
deutschen Juden existiert nicht
Kube bittet den Reichskommissar für das Ostland, Hinrich
Lohse, um Anweisung für das Verhalten der Zivilverwaltung
gegenüber den deutschen Juden in den Ghettos und weist
darauf hin, dass sich unter den deutschen Juden auch
"Frontkämpfer" befinden. Kube will der "Abschlachtung" der
deutschen Juden nicht zustimmen (S.243).
Ende 1941
BSSR/Domatschewo: Einrichtung des Ghettos, bewacht durch
lokale Polizei
(S. 267)
Ende 1941 ca.
Minsk: 1.Vorsitzender des Judenrates, Ilja Moschkin,
pflegt Verbindungen zur sowjetischen Widerstandsbewegung
(S. 240)
ab Ende 1941
West-BSSR: Jüdische Partisanen: Nomadenleben
Die geringe Bevölkerungsdichte in West-Weissrussland
begünstigt das Überleben im Wald. Das Hauptproblem ist die
Verpflegung und die teilweise Verweigerung der Hilfe der
Bauern an die Juden, die sich mit der Hilfe selbst in Gefahr
bringen (S. 253).
Winter 1941/1942
BSSR/Polonka: Juden werden von einheimischen Polizisten
willkürlich ohne Befehlsnotstand erschossen
(S. 263)
1942
1942-1945
UdSSR: Massenexekutionen an Juden werden als "Massaker an
friedlichen Sowjetbürgern" dargestellt
(S. 231)
Anfang 1942
BSSR: Generalkommissar Kube führt noch 302 jüdische
Arbeiter in seinem Haushalt für das Jahr 1942
(S. 240)
Minsk: Ermordung des 1. Vorsitzenden des Judenrats, Ilja
Moschkin - Nachfolger: Selig Yaffe
Yaffe pflegt die Zusammenarbeit mit dem sowjetischen
Widerstand weiter (S.240)
ab Anfang 1942
Minsk: Sowjetische Partisanen rekrutieren
Partisanenkämpfer im Ghetto selbst - geschätzte 8-10.000
flüchten
Sowjetische Partisanen können im Ghetto selbst Partisanen
rekrutieren. Es flüchten schätzungsweise 8-10.000 Juden in
die Wälder zu Partisanengruppen, zumeist nur junge Männer.
Die Schutzlosesten, Frauen, Kinder und Alte, haben kaum eine
Chance auf eine Flucht.
Chiari:
<Die Umzäunungen waren nicht unüberwindlich. Schätzungen
gehen von insgesamt 8000 bis 10.000 Juden aus, die einzeln
oder in Gruppen alleine aus Minsk in die umliegenden Wälder
entkamen. Voraussetzung für eine organisierte Flucht war
allerdings meist die Tauglichkeit für den militärischen
Einsatz. Unbewaffnete und alte Menschen, Frauen und Kinder
fanden nur selten Aufnahme in den sowjetischen
Partisanengruppen, die seit 1942 auch Mitglieder in den
Ghettos rekrutierten. Damit hatten jene, die im Ghetto am
schutzlosesten der Entrechtung ausgesetzt waren, nur geringe
Chancen auf eine erfolgreiche Flucht.> (S.239)
In: Gutman, Ysrael: Fighters Among the Ruins. The Story of
Jewish Heroism During World War II, Jerusalem 1988, S.202
Tauschhandel mit der Bevölkerung floriert für das
Notwendigste (S.239).
BSSR: Krankenhäuser profitieren von "Judensachen", jedoch
mit letzter Priorität
(S. 262)
BSSR: Verteilung von "Judensachen" / "Ghettosachen"
verläuft in bestimmter Reihenfolge: Polizei und
Zivilverwaltung wählen als erste aus, dann die lokale
Bevölkerung, und der Rest geht an die Spitäler (S.262), auch
als "Ghettosachen" bezeichnet (S.263).
BSSR: Verteilungskampf um "Judensachen" ist kaum
kontrollierbar
(S. 263)
ab Anfang 1942 ca.
BSSR: Vorwürfe an Juden aus dem Ghetto, sie hätten für
die deutsche Besatzung gearbeitet
Flüchtende Juden aus den Ghettos, die russische Partisanen
erreichen, bekommen den Vorwurf zu hören, mit der
Ghettoarbeit zum Bestehen des deutschen Regimes beigetragen
zu haben (S.268).
BSSR: Ausbreitung von Hunger unter der jüdischen
Ghetto-Bevölkerung
mit Beeinträchtigung der Arbeitsleistung (S.241).
März 1942
Minsk: Erschiessung eines deutschen Offiziers in der
Kirovstrasse - Exekutionen als Rache
an "Partisanenfreunden" als pauschale Strafe. Erschiessung
von Juden, Russen und Weissrussen (S.246).
Baranovitschi: Erste deutsche "Grossaktion": Massaker an
über 2000 Ghettobewohnern - Verkauf von "Judensachen"
mit aktiver Beteiligung des deutschen Gebietskommissars.
Erschiessungen durch deutsche und litauische Polizei
(S.257).
Vom Land her kommen "Karawanen von Kauflustigen" und kaufen
billig jüdische Kleidung und Hausrat (S.258).
In: Befragung Samuil Semenovitsch Jankelevitsch, 5.12.1944,
Nacional'nyi archiv Respubliki Belarus' NARB 750-1-112,
Bl.19-23
April 1942
BSSR/Vilejka: 20.000 Juden
(S. 246)
8.4.1942
Minsk: Tagung der Gebietskommissare - Ankündigung von
"Bereinigungen"
(S. 247). Der Gebietskommissar von Vilejka gibt öffentlich
bekannt, dass er bis auf "einige Fachleute" kein Anlass
bestehe, die Juden seines Kreises "beizubehalten" (S.246).
Krasne soll so schnell wie möglich
"bereinigt werden. Demnach dürfte die Judenfrage in meinem
Gebiet in Kürze endgültig erledigt sein." (S.247)
Mai 1942
Minsk-Land und Stadt Minsk: Verkauf leerstehender
jüdischer Häuser
aus hygienischen Gründen.
Zitat:
<Gebiet ist judenfrei/leerstehende Judenhäuser werden zum
Verkauf freigegeben/da diese eine hygienische angelegnheit
ist, ausserdem beim Nichtbewohnen Ausplünderung und
Zerfall.> (S.260)
Gosudarstvennyi archiv Respubliki Belarus' GARB 393-1-13,
Bl.56-57
BSSR/Mir: Verrat des geplanten Ghettoaufstands durch
einen Bauern - Profit des Verwaltungschefs mit der Angst
der Juden
der von jüdischen Gruppen um Waffen gebeten wurde. Er verrät
den geplanten Aufstand an die weissrussische Polizei.
Gleichzeitig lässt der weissrussische Verwaltungschef seine
Informationen an den Judenrat betreffs bevorstehender
deutscher "Grossaktionen" vom Judenrat bezahlen, und
verspricht, bei entsprechender Bestechung die
"Grossaktionen" verhindern zu können (S.265).
Region Glubokoe: Ankunft des SD zur "Säuberung" in
Glubokoe - Serie von Massakern
Der Gebietskommissar von Glubokoe findet als Argument für
die Exekutionen an Juden den Verdacht, dass die jüdische
Bevölkerung in der Grenzzone zum rückwärtigen Heeresgebiet
ein Sicherheitsrisiko darstellen würde und somit die Juden
"liquidiert" werden müssten. Die Gruppe des SD reist in der
Region herum und erschiesst dabei 1000e Juden. Es kommt zu
tagelangen Exekutionen inmitten von Siedlungen:
-- in
Dokschicy: 2653 Opfer, mit langer Suche nach Versteckten,
eine ganze Woche lang
-- in Lucki: 528 Opfer
-- in Plissa: 419 Opfer
-- in Miory: 779 Opfer, 70-80 entkommen durch Ausbruch
(S.247)
-- in Braslav: ca. 2000 Opfer
-- in Dzisna: 2181 Opfer, Brände im Ghetto verwüsten das
ganze Städtchen
-- in Druja: 1318 Opfer, Brände im Ghetto, Erstürmung wegen
jüdischer Gegenwehr, ein Teil des nichtjüdischen Teils
brennt mit ab, ebenso eine orthodoxe Kirche (S.247).
-- in Druja wird die Exekution durch weissrussische Polizei
durchgeführt (S.248)
-- in Glubokoe: 2200 Opfer, Handwerker im Dienste der
Wehrmacht bleiben am Leben (S.247).
Mai 1942 ca.
BSSR/Mir: Zweites Massenpogrom in Mir - Ghettoauflösungen
- Konfiskation von "Judensachen"
Zweites Massenpogrom in Mir durch deutsche, litauische und
weissrussische Polizei, wieder mit Hilfe der Bevölkerung,
die die jüdischen Häuser und Juden auf der Strasse
bezeichnet. Die Polizei "durchkämmt" Strassen und Häuser
nach den "dschidy". Zum Teil kommt es auch ohne jeden Befehl
zu Mord an Juden mit Hilfe der Selbstschutzwaffen, die
eigentlich nur gegen russische Partisanenüberfälle
ausgegeben worden waren.
Nach dem Pogrom durchsuchen die Einheimischen Mir weiter
nach versteckten Juden, völlig ohne jeden deutschen Befehl
(S.266).
Jüdische Vermögensgegenstände werden von den beteiligten
Einheiten, darunter Letten und Litauer, "wegorganisiert"
(S.261).
ab Anfang Mai 1942
BSSR: Ghettoräumungen und Konfiskation von jüdischem
Besitz - Verteilung
-- Verteilung durch die Zivilverwaltung an Diensträume und
Dienstwohnungen (S.260)
-- Verteilung jüdischer Nahrungsmittel durch die
Landwirtschaftsabteilung (S.260-261)
-- die Zivilverwaltung verkauft jüdische Liegenschaften und
Gebäude an die nichtjüdische Bevölkerung (S.261).
BSSR: Ghettoauflösungen: Weissrussen und Polen beteiligen
sich an Plünderungen
(S. 249)
9.5.1942
BSSR/Zeludok: Massenexekution von angeblich 1550 Juden
(S. 253)
(auch in: Tec: Bewaffneter Widerstand, 1996, S.92).
Sommer 1942
Minsk: Ermordung des 1. Vorsitzenden des Judenrates,
Selig Yaffe
(S. 240)
Baranovitschi: Räumung des Ghettos durch Weissrussen,
Polen und Ukrainer
Ermordung in Gaswagen und Begraben in Massengräbern.
Chiari:
<Weissrussen, Polen und Ukrainer brachten Juden aus dem
Ghetto von Baranovitschi während dessen "Auflösung" im
Sommer 1942 zu den eingesetzten Gaswagen und stapelten
anschliessend die Leichen in vorbereiteten Massengräbern.
Meist waren einheimische Polizisten als Absperrposten
eingeteilt oder versahen Wachdienst auf dem Weg zu den
Erschiessungsstellen. Doch in vielen Fällen erhielten sie
auch den Befehl, jüdische Häftlinge oder Ghettobewohner
hinzurichten. Kaum jemand widersetzte sich diesen
Anweisungen.> (S.267)
Juli 1942
Minsk: Angebliche Massenerschiessung von 25.000 Juden des
Ghettos mitsamt dem Judenrat
(S.240)
in: Marrus, Michael R.: The Holocaust in History;
Hanover/London, 1987, S.117
Glubokoe: Planung eines Kaufhauses für "Judensachen"
Der Gebietskommissar plant, für "Judensachen" ein eigenes
Kaufhaus einzurichten. Es herrscht grosse Nachfrage und die
kriminelle Energie in der Bevölkerung ist nicht mehr
beherrschbar. Es kommt zu Exzessen, die die deutsche
Verwaltung nicht mehr kontrollieren kann.
259
Juli 1942 ca.
Ost-BSSR / Borisov: Massaker an Juden - begehrte
"Judensachen"
Nach den Erschiessungen bereichern sich die Wehrmacht,
Gendarmerie und einheimische an den "Judensachen".
Chiari:
<Auch in Borisov war die Gier der Wehrmacht, der
Gendarmerie sowie der einheimischen Bevölkerung nach
jüdischem Besitz derart gross, dass die Rayonbürgermeister
nach den Erschiessungen 1942 die Vermögenswerte nicht mehr
sicherstellten, sondern sofort an deutsche Dienststellen
weitergaben oder an Zivilisten veräusserten.> (S.261)
in: Gosudarstvennyi archiv Respubliki Belarus' GARB
370-1-1167, Bl.14
Mitte 1942
BSSR: "Herrenlose" jüdische "Fundsachen"
-- werden bei deutschen Behörden abgegeben
-- es sind Sachen, die in Selbstjustiz gestohlen worden
waren (S.260).
ab Mitte 1942
West-BSSR: polnische judenfeindliche Aktionen
-- Angehörige der Armia Krajowa erpressen Juden, die bei
Polen versteckt sind
-- polnische Untergrundgerichte verhängen Todesurteile gegen
alle Arten von Menschen, um Höfe für sich zu schützen
(S.264).
BSSR: Partisanenkommandanten wollen Gebiete beherrschen
Partisanenkommandanten wollen Anerkennung durch die Dörfer
und wollen Höfe für sich "reservieren". Die
Partisanengruppen müssen vergrössert werden. Die Situation
bringt eine Eskalation der Gewalt (S.268).
BSSR: Ghettoräumungen: unerwartetes Auffinden von
Lebensmittelvorräten
Die Vorräte werden an die nichtjüdische Bevölkerung verkauft
(S.239).
BSSR: Totalzerstörung des sozialen Gefüges
Das soziale Gefüge der Bevölkerung ist durch
Stalin-Deportationen 1939-1941 und die Massenexekutionen an
Juden 1941-1942 in den Städten völlig auseinandergebrochen
(S.250).
ab Mitte 1942 ca.
BSSR: Wachsender Antisemitismus bei russischen
Partisanen: Überläufer, Misserfolge, Gerüchte
Wachsender Antisemitismus in russischen Partisanengruppen
durch Überläufer aus der einheimischen Selbstverwaltung oder
der einheimischen Polizei. Der Antisemitismus steigert sich
zudem durch Misserfolge, die in alter Gewohnheit "den Juden"
in die Schuhe geschoben werden.
Zudem entstehen Gerüchte
-- über Brunnenvergiftungen (S.255)
-- über von jüdischen Frauen übertragene
Geschlechtskrankheiten etc. (S.256).
Entstehende "Gewohnheit" der Plünderungen und
Vergewaltigungen. Märsche können nur bei Nacht stattfinden
(S.256).
BSSR: Suche nach verstecktem jüdischem Vermögen
Die deutsche Verwaltung sucht nach jüdischem Vermögen, das
bei Einheimischen vor dem Zugriff der Behörden versteckt
liegt (S.259).
Baranovitschi: Belorussifizierung
-- Weissrussisch wird Amtssprache
-- die polnische Sprache ist ab sofort diskriminiert
-- Bekämpfung der polnischen Kultur, zum Teil willkürliche
Verhaftungen und Erschiessungen (S.248).
1.7.1942
Glubokoe: Bilanz des Gebietskommissars der noch
existierenden Ghettos
Ghettos existieren noch in
-- in Dunilovitschi mit 979 Juden
-- in Postavy mit 848 Juden
-- in Glubokoe mit 2200 Juden
-- in Opsa mit 300 Juden (S.247).
21.7.1942
BSSR / Nesviz: Ghettoräumung nach bewaffnetem Widerstand
(S. 252. Viele Ghettoinsassen können flüchten, aber nur
einem Bruchteil gelingt die Flucht in die Wälder (S.253).
Aug 1942
BSSR: Abschluss der grössten Tötungsaktionen und Exzesse
Die Stimmung unter den Einheimischen droht, sich gegen die
deutschen Besatzer zu wenden. Die deutsche
Verwaltungssprache benutzt das Wort "umsiedeln" als Begriff
für Transporte zur Exekution.
Chiari:
<Im August 1942 waren die grössten Tötungsaktionen in
Weissrussland und die grauenhaften Exzesse, die sich hier
abspielten, bereits geschehen. Sie hatten in zahlreichen
Berichten der deutschen Verwaltung ihre Spuren hinterlassen
und wurden zumindest als ein lästiges Problem für die
"Stimmung unter den Einheimischen" Besprochen und
kritisiert. Jeder Angehörige der Zivilverwaltung wusste,
wovon er sprach, wenn er in diesem Zusammenhang den Begriff
"Umsiedeln" gebrauchte.> (S.244)
Region Sluck: Ermordung der jüdischen Bevölkerung durch
Wehrmacht und Polizei
(S. 262)
Region Sluck / Rayon Kopyl': Anzünden des Ghettos -
Polizei und Wehrmacht stehlen Zigaretten der ZHG
Anzünden des Ghettos mit Zerstörung auch nichtjüdischer
Wohngebäude ausserhalb des Ghettos und von Büros der
Zentralhandelsgesellschaft Oft. Die an der Ghettoräumung und
am Massaker beteiligte Polizeieinheit und die beteilige
Wehrmachteinheit plündern daraufhin den Verkaufsraum der
Zentralhandelsgesellschaft, mehrere 1000 Schachteln
Zigaretten (S.262).
Sep 1942
BSSR/Minsk-Riga: Verteilungskampf um "Judensachen"
-- Reichskommissar Rosenberg befiehlt aus Riga, dass von den
"Judensachen" ein Fundus an Arbeitskleidung und Schuhen
zurückbehalten werden soll, um damit im Reich jüdische
Zwangsarbeiter auszurüsten, wobei für Juden nur
"minderwertige Gegenstände" in Frage kämen
-- in Minsk kämpfen Firmen wie die "Ostland Öl" um die
Zuteilung jüdischer Winterkleidung für die weissrussischen
Schwerarbeiter (S.259)
-- in der Minsker Opfer stapeln sich jüdische Kleider und
Schuhe
-- Reichsdeutsche tragen plötzlich teure jüdische Kleider,
die sie auf dem Schwarzmarkt erworben haben (S.260).
Bei Beschwerden deutscher Firmen, dass keine Zuteilung von
Winterkleidern erfolgt sei, ist die deutsche Verwaltung,
inklusive Generalkommissar Kube, machtlos, so z.B. im Fall
der "Ostland Öl" (S.260).
BSSR/Novosady: Überleben des Juden B.S. Grunstein trotz
Verrats
B.S.Grunstein kann sich in einer Grube unter dem Fussboden
der Razzia und der Massenexekution entziehen, bittet nach
mehreren Tagen im Versteck beim Nachbarn um Essen, wird von
diesem verraten und dann in Domatschevo inhaftiert, kann
aber flüchten (S.265).
In: KGB Republika Belarus' delo 42, S.D.'., Bl.
17-18,19,28-31,32-33,48-49
BSSR/Domatschewo und Tomaschevko: Massaker an fast 2900
Juden
unter Beteiligung der Bürgermiliz von Domatschewo.
Zusammentreiben der Juden vor die Orte, Erschiessungen durch
SD, Feldpolizei und lokale Polizei. Danach setzen
einheimische Polizisten die Jagd auf Juden fort ohne jeden
deutschen Befehl, z.T. Bedrohung Einheimischer als
"Judenhelfer" (S.267).
Baranovitschi: zweites Massaker an Juden - Verkauf von
"Judensachen"
Vom Land her kommen wieder "Karawanen
von Kauflustigen" und kaufen billig jüdische Kleidung und
Hausrat (S.258).
In: Befragung Samuil Semenovitsch Jankelevitsch, 5.12.1944,
Nacional'nyi archiv Respubliki Belarus' NARB 750-1-112,
Bl.19-23
Es bleiben noch 800 Juden, die für die Organisation Todt
arbeiten (S.258).
Herbst 1942
Generalkommissar kann die "Säuberung" der BSSR formal mit
dem Vorhandensein jüdischer Widerstandsgruppen begründen
(S. 254)
Okt 1942
BSSR: Meldungen über Koordination jüdischer Partisanen
mit polnischen und russischen Partisanen
Meldung der "Weissruthenischen Selbsthilfe" an Kube, dass
sich jüdische Widerstandsgruppen bilden, die sich mit
"polnischen oder russischen Banden" zum teil vereinigen.
Zentrum des "polnisch-jüdischen Partisanenwesens" seien die
Wälder um Lida, Slonim, Vilejka und Glubokoe (S.249).
In: Eingabe des WSW an den Gebietskommissar, Okt. 1942,
Gosudorstvennyi archiv Republiki Belarus; GARB 393-4-12,
Bl.88-92
Spätherbst 1942
Minsk: Judenrat beantragt 500 Paar Holzsohlen
wird von deutscher Zivilverwaltung
bewilligt, da viele Juden keine Schuhe mehr besitzen
(S.241).
Dez 1942
Baranovitschi: Massaker an 650 Juden, 150 Juden gelingt
die Flucht - Verkauf von "Judensachen"
Vom Land her kommen wieder "Karawanen
von Kauflustigen" und kaufen billig jüdische Kleidung und
Hausrat (S.258).
in: Befragung Samuil Semenovitsch Jankelevitsch, 5.12.1944,
Nacional'nyi archiv Respubliki Belarus' NARB 750-1-112,
Bl.19-23
ab Ende 1942
BSSR: Zusammenarbeit zwischen russischen und jüdischen
Partisanen gegen die deutsche Besatzungsmacht und deutsche
Einrichtungen
(S. 268)
1942/1943
Minsk: Jüdisches Ghetto: noch von 9000 Juden bewohnt
(S.240)
In: Jahresbericht 1942 der Arbeitsgruppe Weissruthenien AGW
vom 20.1.1943, Bundesbeauftragter für die Unterlagen des
Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR BStU III c,
Nr.79,Bl.6
1943
Die Amtskasse des Generalkommissariats Weissruthenien
verwaltet "jüdisches, herrenloses, staatsfeindliches
Vermögen"
Sluck: Gebietskommissar Heinrich Carl lässt aus
"angefallenem Judenvermögen" vier Wohnhäuser für Angehörige
seiner Dienststelle errichten. Nach einer Zurechtweisung aus
Minsk wird die Handlung nachträglich "legalisiert"
(S.261).
BSSR/Priluki: Einheimische verhaften zwei Juden in
Selbstjustiz
Einheimische stellen zwei Juden ohne Befehlsnotstand,
liefern sie der Polizeistation aus. Am nächsten Tag gelingt
ihnen aus dem schlecht bewachten Gefängnis die Flucht
(S.265).
BSSR: Deutsche Razzien gegen Partisanen
in denen jüdische Partisanengruppen von allen Seiten bedroht
werden (S.268).
1943?
Lager Koldytschevo: Quälereien durch weissrussisches
Wachpersonal an Juden
-- zum Teil mit Hunden, die auf Juden gehetzt werden
-- Flüchtende werden sofort erschossen (S.268).
in: KGB Republika Belarus' RB, delo 19592-9, N.A.K., Bl.
360, 363, 375, 378, 382
ab Anfang 1943
BSSR: Die letzten Reste des jüdischen traditionellen
Lebens sind zerstört
(S. 235)
Anfang 1943 ca.
Minsk: Generalkommissar Kube wird von anderen Stellen der
"Judenhörigkeit" bezichtigt
(S. 243)
Herbst 1943
BSSR: Die Juden im Generalkommissariat Weissruthenien
sind grösstenteils umgebracht
Chiari:
"Bis zum Herbst 1943 waren die Juden im Generalkomissariat
grösstenteils getötet worden." (S.263)
26.9.1943
Nowogrudok: Flucht von 150 jüdischen Ghettoinsassen durch
einen Tunnel
(S. 268)
[Ergänzung:
aus dem ehemaligen Gerichtsgebäude, wo die letzten knapp 500
Juden aufbewahrt worden waren.
in: Tec: Bewaffneter Widerstand, 1996, S.281, 283].
Anfang 1944
West-BSSR/Kaldytschevo bei Baranovitschi: Flucht von 90
Juden
(S. 268)
März 1944
BSSR: Beispiel der gemischten 4. Weissrussischen
Partisanenbrigade mit 578 Mitgliedern
hat ein fast ausgeglichenes Verhältnis zwischen Juden und
Russen:
-- 306 Weissrussen
-- 126 Russen
-- 104 Juden
-- 14 Zigeuner
-- 12 Tataren
-- 10 Ukrainer
-- 2 Polen
-- 1 Armenier
--1 Suwasche
-- 1 Finne
-- 1 Lette (S.268).
Herkunft:
-- Rotarmisten von der aufgelösten Front: 11
-- Eingekesselte Rotarmisten: 39
-- Kriegsgefangene: 102
-- aus der lokalen Bevölkerung: 426, fast 4/5 der Brigade
(S.268).
in: Nacionalnyi archiv Respubliki Belarus; NARB 3500-4-78,
Bl. 196
bis Juli 1944
Minsk: jüdisches Ghetto existiert bis zum Ende der
deutschen Besetzung
als "Aufbewahrungsort" für Arbeitskräfte (S.240).
In: Marrus, Michael R.: The Holocaust in History;
Hanover/London, 1987, S.117
[Ergänzung:
ab Aug 1944
Moskau: Befehl für alle ehemaligen Partisanen an die
Front - Massentod
Das sowjetische Kommando schickt ehemalige Partisanen an die
Front, wovon die Mehrheit fällt, u.a. auch die Mehrheit der
jüdischen überlebenden Partisanen.
In: Tec: Bewaffneter Widerstand, 1996, S.297].
5.12.1944
NKWD-Prozess: Verdacht der Rehabilitierung durch
Exekutionen
Zeuge Samuil Semenovitsch Jankelevitsch meint, die deutschen
Kräfte wollten sich mit den Massakern von 1942 vor der
weissrussischen und polnischen Bevölkerung rehabilitieren
(S.247-248).
in: Nacional'nyj archiv Respubliki Belarus' NARB 750-1-112,
Bl.18
[Die "Rehabilitierung" mit den dazugehörigen Folgen dürfte
ein sehr erwünschter Nebeneffekt gewesen sein].
1945
Mai 1945
BSSR: Von 820.000 weissrussischen Juden überleben
120-150.000 den Zweiten Weltkrieg
durch Flucht mit der Roten Armee 1941 oder durch Anschluss
bei Partisanengruppen. Chiari:
"Von 820.000 weissrussischen Juden überlebten nur 120.000
bis 150.000 den Zweiten Weltkrieg, meist durch die
Evakuierung 1941 oder indem sie sich bewaffneten Gruppen
anschlossen." (S.231)
[Überleben auch in Verstecken bei der einheimischen
Bevölkerung möglich, wenn kein Verrat stattfindet].
ab 1945
UdSSR: Holocaust ist verpönt
-- die sowjetische "Geschichtswissenschaft" nennt den
Holocaust nicht beim Namen. Das Thema ist verpönt (S.231)
-- Unterdrückung des Themas, damit kein Heroismus unter den
Juden in Russland aufkommt (S.231).
BSSR: Zweite Sowjetisierung - Auslöschen jeglicher Spur
jüdischer Kultur
(S. 232)
BSSR: Die Einheimischen verurteilen meist die
Massenexekutionen an Juden
scheint nicht sehr glaubwürdig (S.248).
Psychoanalyse bei Holocaust-Überlebenden
-- "Coping-Strategien": Verdrängung, Abschottung von der
Umwelt
-- die Betroffenen hätten "wie in einem Wattebausch" oder
"wie unter Anästhesie" gelebt. Sie wollten Tag für Tag
überleben und planten nicht mehr längerfristig (S.231).
In: Dwork, Deborah: Kinder mit dem gelben Stern. München,
S.262
ab Späte 1960er Jahre / ab 1968 ca.
Moskau: Holocaust als Mittel der Propaganda gegen Israel
Der Holocaust dient der russischen Propaganda als Mittel,
den Zionismus anzuklagen.
Chiari:
"Seit den späten sechziger Jahren diente der Holocaust
vielmehr als Medium, um den Zionismus als Gegner der
Sowjetunion und damit als Mitverantwortlichen für die
Vernichtung der sowjetischen Juden im zweiten Weltkrieg zu
diskreditieren." (S.231)
[nicht erwähnt:
Die Klage gegen den zionistischen Imperialismus bezieht sich
auf den 6-Tage-Krieg von 1967 auf die Gräuel an der
arabischen Zivilbevölkerung bis weit nach Syrien hinein].
spätere Perestroika-Zeit/ab 1990
UdSSR: Öffnung der Archive: Die Kollaboration in den
Baltenstaaten wird erforscht und erfasst
In:
-- Ezergailis, Andrew: The Holocaust in Latvia 1941-44. The
Missing Center, Riga 1996
-- Stang: Kollaboration und Massenmord.
Für Weissrussland fehlt die Rekonstruktion nach wie vor
(S.231).
^