8.3.2011: <Forscher züchten
funktionstüchtige Harnröhren>
aus: Spiegel online: Ersatzgewebe aus eigenen Zellen:
Forscher züchten funktionstüchtige Harnröhren; 8.3.2011;
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,749634,00.html
<AP
Zellkultur: Im Labor gewachsene Zellen dienen als Basis
für Gewebeersatz.
Erfolg für die regenerative Medizin: Aus den
körpereigenen Zellen von fünf Jungen haben
Wissenschaftler Harnröhren gezüchtet - die sie
schließlich den Patienten eingepflanzt haben.
Auch nach sechs Jahren arbeitet das Gewebe
tadellos.
London - Ein Ärzteteam aus Mexiko und den USA hat einen
Erfolg mit künstlich hergestellten Harnröhren aus
körpereigenen Zellen erzielt. Die Mediziner hatten vor
mittlerweile vier bis sechs Jahren fünf Jungen im Alter
von 10 bis 14 Jahren die Ersatzorgane eingesetzt. Die
behandelten Kinder haben sie in der Folge immer wieder
untersucht. Ergebnis: Die neuen Harnröhren sind immer
noch voll funktionstüchtig - ihre Gewebestruktur und
ihre Funktion gleichen nahezu vollständig denen des
natürlichen Organs.
Damit könnte sich diese Behandlungsmethode als gute
Alternative zu herkömmlichen Verfahren anbieten, die
eine hohe Fehlerrate haben, schreibt die Gruppe um
Atlantida Raya-Rivera von der Wake Forest University in
Winston-Salem im Fachmagazin "Lancet".
Schäden an der Harnröhre können durch Unfälle,
Krankheiten oder Gendefekte entstehen. Sind nur kleine
Abschnitte betroffen, können diese leicht durch eine
Operation repariert werden. Schäden über größere
Strecken erfordern eine Gewebetransplantation. Das
Gewebe wird normalerweise aus der Haut oder der
Mundschleimhaut entnommen.
"Diese Transplantate können Ausfallraten von mehr als
50 Prozent haben", erläutert Raya-Rivera. "Zudem
verengen sie sich häufig, was zu Infektionen,
Schwierigkeiten beim Harnlassen, Schmerzen und Blutungen
führen kann." Da die Wissenschaftler bereits zuvor aus
körpereigenem Gewebe gewachsene Harnblasen erfolgreich
bei Kindern implantiert hatten, hofften sie nun, dass
sich dieses Verfahren auch auf die Harnröhre übertragen
lässt.
Zellen wachsen in Harnröhrenform
Fünf Jungen wurden für die Behandlung ausgewählt. Drei
der jungen Patienten hatten durch ein Hüfttrauma große
Verletzungen an der Harnröhre erlitten, zwei Patienten
hatten bereits gescheiterte Operationen an der Harnröhre
hinter sich.
In einem ersten Schritt entnahmen die Ärzte den Jungen
bei einer Blasenbiopsie eine kleine Gewebeprobe. Daraus
isolierten sie Muskelzellen und sogenannte Epithelzellen
- eine Zellart, die innere und äußere Körperoberflächen
bedeckt und zum Beispiel in der Haut und in
Schleimhäuten vorkommt. Diese Zellen ließen die Forscher
über drei bis sechs Wochen im Labor wachsen und setzten
sie danach auf ein dreidimensionales Gerüst, das wie
eine Harnröhre geformt war.
Dabei platzierten sie die Muskelzellen auf der
Außenseite und die Epithelzellen auf der Innenseite -
ganz so, wie es bei natürlichen Harnröhren der Fall ist.
Die Gerüste selbst waren biologisch abbaubar und
individuell geformt: Sie entsprachen den beschädigten
Abschnitten der Harnröhre jedes Patienten. Nach sieben
Tagen waren die Harnröhrengerüste mit den Zellen
überwachsen, und die Ärzte ersetzten in einer Operation
den beschädigten Teil der alten Harnröhre durch die
individuell geformte, neue Harnröhre.
Wiederholte umfangreiche Untersuchungen über die
kommenden Jahre zeigten, dass die neuen Harnröhren in
Gewebe und Funktion normalen Harnröhren praktisch
vollständig entsprachen. Damit könnte sich diese neue
Behandlungsmethode als gute Alternative zu herkömmlichen
Verfahren anbieten, die eine hohe Fehlerrate haben,
schließen die Forscher. Es seien jedoch weitere, größer
angelegte Studien nötig. Da sich die Harnröhren von
Kindern und Erwachsenen unterscheiden, könnten die
Ergebnisse auch nicht eins zu eins auf Erwachsene
übertragen werden.
boj/dapd>
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Stockholm 16.7.2011: Luftröhrenkrebs:
<Implantation: Die künstliche Luftröhre rettet
das Leben>
aus: Welt online; 16.7.2011;
http://www.welt.de/gesundheit/article13488345/Die-kuenstliche-Luftroehre-rettet-das-Leben.html
Ärzte kämpfen seit Jahren für
bessere Heilungschancen bei Luftröhrenkrebs. Mit dem
Einsetzen einer künstlichen Luftröhre haben sie ihr
Ziel erreicht.
Luftröhrenkrebs im fortgeschrittenen Stadium – eine
schreckliche Diagnose. Weder die Chemotherapie noch eine
Bestrahlung schlagen bei Andemariam Teklesenbet Beyene
an. In der Luftröhre des 36-jährigen Afrikaners sitzt
ein golfballgroßer Tumor, und er wuchert weiter. Die
einzige Rettung für ihn wäre nun nur noch die
Implantation einer Luftröhre. Doch ein passender Spender
ist nicht in Sicht, und die Zeit drängt.
Der Querschnitt einer Luftröhre. Bei der Diagnose Krebs
kann der betroffene Teil herausgeschnitten und ersetzt
werden.
In größter Not kommt Hilfe von einem internationalen
Forscherteam, das unter Leitung von Paolo Macchiarini am
Stockholmer Karolinska-Universitätskrankenhaus eine
künstliche Trachea speziell für ihn entwickelt.
Der Bau der Trachea nimmt in London seinen Anfang. Am
University College studieren dort Wissenschaftler um
Alexander Seifalian die Röntgenscans des Patienten. Auf
ihrer Grundlage konstruieren sie zunächst eine Luftröhre
aus Glas, um die Dimensionen und Winkel des Y-förmigen
Organs perfekt nachzubilden. Dann bauen sie ein Gerüst
aus einem speziellen Nanokunststoff um das Glasgebilde
herum.
Lebendes Organ gezüchtet
Man könne es sich wie eine Hose vorstellen, die sich
um die Beine eines Menschen lege, erklärt Seifalian. Nun
wird das hauchdünne Luftröhrengerüst mit Salz
stabilisiert und das Glas entfernt. Zusammen mit adulten
Stammzellen aus dem Knochenmark des Afrikaners und
Wachstumsfaktoren wird im Bioreaktor aus dem Gerüst ein
lebendes Organ gezüchtet. Nach nur zwei Tagen haben die
Zellen die Millionen kleinen Löcher in dem porösen
Gerüst verschlossen – die Trachea ist fertig.
Dann ist es schließlich so weit. Andemariam
Teklesenbet Beyene bekommt die erste mit Stammzellen
besetzte künstliche Luftröhre der Welt implantiert. In
einer 14-stündigen Operation entfernt Professor
Macchiarini den gesamten Tumor und die kranke Luftröhre
und ersetzt sie mit der maßgeschneiderten Anfertigung.
Einen Monat später sagt er: „Das war eine der schwersten
Operationen, die ich je gemacht habe.“
Da die Zellen der Trachea von Beyene selbst stammen,
kommt es auch nach der Operation zu keiner
Abstoßungsreaktion, und er muss nicht wie üblich nach
Transplantationen Medikamente nehmen, die das
Immunsystem unterdrücken. Im Körper wachsen die Zellen
sogar noch weiter und formen die Luftröhre weiter aus.
„Schon nach einer Woche gab es keinen Unterschied mehr
zwischen der ursprünglichen und der neuen Luftröhre“,
erzählt Seifalian begeistert.
Einen Monat nach der Operation ist der 36-Jährige
Student der Geologie zwar noch schwach, aber es geht ihm
gut. Noch im Krankenhausbett sagt er in einem Gespräch
mit der BBC: „Ich hatte Angst, sehr viel Angst vor der
Operation. Aber es ging um Leben und Tod.“ Zum Glück ist
alles gut gegangen. Heute ist er wieder in Island, wo er
gerade seine Doktorarbeit in Geologie schreibt.
Durch „tissue engineering“ (Gewebezüchtung)
hergestellte Luftröhren wurden auch schon bisher
transplantiert. Jedoch war man dabei immer auf einen
Organspender angewiesen. Paolo Macchiarini konnte mit
dieser Technik bereits zehn Menschen helfen, darunter
auch der 30-jährigen Claudia Castillo, die 2008 die
erste durch tissue engineering erzeugte Trachea der Welt
erhielt.
Damals bekam sie nur noch sehr schlecht Luft. Nach
einer Tuberkulose-Erkrankung war ihre Luftröhre
teilweise zerstört, und ihre linke Lungenhälfte hätte
ohne die Transplantation vermutlich entfernt werden
müssen.
Zum Glück wurde für sie rechtzeitig ein passender
Spender gefunden, dem die gesunde Trachea entnommen
wurde. Um spätere Abstoßungsreaktionen zu vermeiden,
wurden alle Zellen des Spenders mit Chemikalien und
Enzymen abgelöst.
Zurück blieb nur ein Gerüst aus Collagen. Dieses wurde
dann genau wie in der neuen Methode mit körpereigenen
Zellen des Patienten besiedelt. Im Gegensatz zur
künstlichen Luftröhre musste die für Claudia Castillo
vor der Transplantation noch entsprechend
zurechtgeschnitten werden.
Die künstliche Luftröhre hat also einige Vorteile.
Ganz entscheidend ist, dass die Patienten nicht mehr auf
passende Organe warten müssen. Mit der neuen Methode
kann innerhalb weniger Tage eine passgenaue Luftröhre
hergestellt werden.
Erfolgreich mit künstlichen Arterien
Je früher die Operation stattfindet, desto besser sind
auch die Heilungschancen. Außerdem kommt es dank der
Gewebezüchtung zu keiner Abstoßungsreaktion des Körpers.
Neben künstlichen Luftröhren konnte Alexander
Seifalian bereits mehrere künstliche Arterien und einen
synthetischen Bypass verpflanzen. In Zukunft, sagt er,
werde man auch eine künstliche Haut und Teile der Brust
künstlich herstellen können. Letzteres soll vor allem
Brustkrebspatientinnen helfen.
Paolo Macchiarini plant schon die nächsten Projekte.
„Die gleiche Operation wie in Stockholm müssen wir bei
einem kleinen Mädchen in den USA durchführen“, sagt er.
Das neun Monate alte Mädchen sei ohne Trachea auf die
Welt gekommen. So ist das neue Verfahren auch bei
Kindern von großer Bedeutung, weil weniger Spenderorgane
zur Verfügung stehen als bei erwachsenen Patienten.>
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20.7.2011: Zucht eines Zahns in der Niere
einer Maus
aus: n-tv online: Medizinisches Wunderwerk: Forscher
züchten neue Zähne; 20.7.2011;
http://www.n-tv.de/wissen/Forscher-zuechten-neue-Zaehne-article3857606.html
<Japanischen Forscher ist es gelungen, in
der Niere einer Maus einen Zahn zu züchten. Diese neue
Methode sei deutlich schneller als frühere Techniken zur
Züchtung von Zähnen, sagte Professor Takashi Tsuji von
der Universität Tokio, der das Forschungsprojekt
geleitet hatte. "Es ist unser erster Schritt zum Ziel -
der Regeneration von Organen, um beschädigte oder
verlorene Organe zu ersetzen", sagte der Forscher. Die
Anwendung für den Menschen müsse jedoch noch erforscht
werden.
Biologen hatten bereits zuvor Zähne im Labor gezüchtet und
diese anschließend erfolgreich in den Kiefer von Mäusen
transplantiert. Bei der neuen Methode bildeten die
Forscher aus speziellen Zellen, die zum Wachstum eines
Zahns notwendig sind, einen Kern, den sie in Plastik
eingewickelt in die Mäuseniere implantierten. Dort wuchs
das Gebilde zu einem Zahn heran, der anschließend in
einen Mäusekiefer transplantiert wurde. Dort habe er
sich genau wie ein echter Zahn verhalten, berichteten
die Forscher. Außerdem spare die Methode im Vergleich zu
der vorher angewandten Methode etwa zehn Tage Zeit.
AFP>
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18.12.2011:
<Aus der Vorhaut von kleinen Jungs: Haut
in der Fabrik gezüchtet>
<Die Hautfabrik - der Name klingt nach
Science-Fiction-Streifen. Doch Forscher der
Fraunhofer-Gesellschaft haben tatsächlich eine Anlage
entwickelt, die Haut züchtet. Diese soll Testverfahren
für Arzneien, Chemikalien oder Kosmetika vergleichbarer
und günstiger machen - und Tierversuche unnötig. Sieben
Meter lang, drei breit und drei hoch ist die Maschine.
Hinter Glasscheiben arbeiten kleine Roboterärmchen,
rangieren Petrischalen hin und her, ritzen Hautproben
an, lösen mit Hilfe von Enzymen Zellen aus der
Epidermis, der Oberhaut. Auch Bindegewebs- und
Pigmentzellen werden gewonnen.
Als Zelllieferanten dienen im Moment noch die Vorhäute
von bis zu vier Jahre alten Jungen. "Je älter man wird,
desto schlechter funktionieren die Zellen", erklärt
Andreas Traube, Diplom-Ingenieur am Fraunhofer-Institut
für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in
Stuttgart, in dem die Hautfabrik steht. Geforscht wird
zudem an Stammzellen als möglicher Zellquelle. "Wichtig
ist, dass die Eingangszellen aus einer möglichst
einheitlichen Quelle kommen, um Abweichungen bei den
Hautprodukten zu vermeiden", sagte Traube, Gruppenleiter
für Mechatronik und Prozesstechnik.
Zellvermehrung im Brutschrank
Je nach Spender lassen sich aus den Proben drei bis
zehn Millionen Zellen lösen, im Brutschrank
verhundertfacht sich ihre Zahl. Auf Gewebekulturplatten
mit je 24 Röhrchen mit rund einem Zentimeter Durchmesser
wächst daraus die neue Haut auf einer Kollagenschicht.
Die neue Epidermis ist dünner als ein Millimeter. Mixen
die Forscher das Kollagen mit Bindegewebszellen,
entsteht sogenannte Vollhaut, die bis zu fünf Millimeter
dick ist. Sechs Wochen dauert der gesamte Prozess. "Das
lässt sich auch mit der Maschine nicht beschleunigen,
sondern ist von der Biologie so vorgegeben", sagt
Traube.
Innerhalb der Anlage ist alles steril. 37 Grad
herrschen in den Brutkammern - eine Temperatur, bei der
sonst auch Bakterien prächtig gedeihen würden. Mehr als
500 Platten mit je 24 Gewebekulturen kann die Hautfabrik
gleichzeitig bearbeiten. Im Monat stellen die
Fraunhofer-Forscher so rund 5000 Hautmodelle her. Käufer
gibt es bislang allerdings keine, da das Verfahren noch
von der zuständigen europäischen Behörde anerkannt
werden muss. Dafür sind etwa Vergleichstests nötig, die
belegen, dass Untersuchungen mit der künstlichen Haut
dieselben Ergebnisse bringen wie Tests mit Tierhaut.
"Ich denke, in einem dreiviertel Jahr können wir dann
richtig loslegen", ist Traube zuversichtlich. Abnehmer
soll dann vor allem die Industrie sein.
Zahlreiche Anwendungsgebiete
Zum Beispiel für die Entwicklung neuer Wirkstoffe kann
sich Rolf Hömke vom Verband Forschender
Arzneimittelhersteller (VFA) die Hautmodelle gut
vorstellen. "Wir glauben, dass Zellen in künstlich
gezüchteter Haut vergleichbar sind mit echter Haut."
Bislang seien die Hautmodelle jedoch nur im Kleinen
erstellt worden. "Es ist aber nur logisch, dass das
jetzt auch im großen Stil gemacht wird." Als mögliche
Anwendungsfelder nennt er die Krebsforschung und Aspekte
wie Pigmentstörungen, allergische Reaktionen oder
Pilzkrankheiten.
Bis die Hautmodelle aus Stuttgart auch für
Sicherheitstests, wie sie etwa für die Zulassung von
Medikamenten nötig sind, als Standardverfahren
zugelassen werden, dürften nach Hömkes Einschätzung noch
Jahre vergehen. "Da sind die Vorgaben international
genormt. Die Verfahren können Sie nicht einfach
tauschen."
Auch in der Medizin ist gezüchtete Haut gefragt. Auf dem
Markt für sogenannte Hautverbände, die etwa acht bis zehn
Zentimeter groß sind, haben sich allerdings seit Jahren
zwei Firmen etabliert, wie die Vorsitzende der Deutschen
Gesellschaft für regenerative Medizin (GRM), Ulrike
Schwemmer, sagt. Bedarf gebe es hingegen für noch breitere
Hautlappen, wie sie etwa bei großen Brandwunden benötigt
werden. Dass die Hautfabrik irgendwann auch solche
größeren Hautstücke herstellt, nennt Traube eine
Zukunftsvision. Der nächste Schritt ist erst einmal die
Herstellung von Cornea, der Hornhaut des Auges.
Marco Krefting, dpa>
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Zürich 5.11.2012: Das Labor zur Reproduktion
von Organen ist da - "Tissue Engineering"
aus: Basler Zeitung online: Eigene Haut aus dem Labor;
5.11.2012;
http://bazonline.ch/wissen/medizin-und-psychologie/Eigene-Haut-aus-dem-Labor-/story/16694700
<Von Susanne Anderegg.
«Tissue Engineering» heisst ein
Zauberwort in der Medizin: Aus Zellen von Patienten
werden Gewebe oder ganze Organe gezüchtet. Ein neues
Labor macht dies jetzt auch in Zürich möglich.
m Kinderspital Zürich sind diese Fälle häufig: Kinder
mit tiefen Verbrennungen, mit grossen Narben oder mit
Muttermalen, die den halben Körper bedecken. Aber auch
Kinder, deren Haut grossflächig abgestorben ist wegen
einer Infektion oder eines Unfalls. Bisher
verpflanzten die Ärzte diesen Kindern Haut von
intakten Körperstellen. Weil die Kinder wachsen, die
verpflanzte Haut aber nicht, müssen sie immer wieder
ins Spital und sich operieren lassen. Die Spenderzonen
sind zusätzliche Wunden, tun ebenfalls weh und sind je
nachdem gut sichtbar, ein Leben lang. Seit einigen
Jahren arbeiten die Forscher an einer viel besseren
Behandlungsmethode. Sie wollen aus Hautzellen, die sie
dem Kind hinter dem Ohr entnehmen, ein Gewebe züchten,
das mitwächst.
Vereinfacht dargestellt funktioniert das so: Im Labor
werden Oberhaut- und Unterhautzellen vermehrt. Die
Unterhautzellen werden in ein dreidimensionales,
industriegefertigtes Gerüst hineingesetzt, und dieses
wird mit den Oberhautzellen überzogen. Nach rund drei
Wochen können die Ärzte dem Kind den Hautersatz auf
die Wunde legen.
Im Tierversuch erfolgreich
«Das ist die Idee», sagt Martin Meuli, der
Chefchirurg des Kinderspitals. In Tierversuchen habe
die Methode bestens funktioniert. «Nun wollen wir es
bei Patienten versuchen.» Das Kispi hat Eltern von
Kindern, die für die neue Behandlung infrage kommen,
bereits vorinformiert. Die erste Operation wird
vermutlich Anfang 2013 stattfinden.
Die Ärzte des Kinderspitals haben Glück. Denn gerade
jetzt, wo sie mit ihrer Forschung an der Schwelle zur
klinischen Anwendung stehen, hat in Zürich ein Labor
den Betrieb aufgenommen, das Haut produzieren kann. Es
ist Teil des Zentrums für regenerative Medizin am
Universitätsspital und hat fünf Reinräume mit allen
nötigen Einrichtungen für die Zellvermehrung. Ende
August hat die Zulassungsbehörde Swissmedic die Anlage
zertifiziert. Das Kinderspital hat einen der fünf
Arbeitsplätze gemietet. Es sei eine «grosse Chance»,
sagt Chefchirurg Meuli. «Wir können sozusagen nebenan
unsere Haut bauen, kennen unsere Partner und wissen,
dass die Qualität stimmt.» Alles andere wäre viel
teurer und aufwendiger.
Herzklappe für Kinder
In der Schweiz gibt es keine vergleichbare Anlage an
einer öffentlichen Institution. «Normalerweise wird
das in Labors der Pharmaindustrie gemacht», sagt Simon
Hoerstrup, der Leiter des Zentrums für regenerative
Medizin. Er hat sein Büro gleich über dem neuen Labor,
im ersten Stock des Gebäudes an der Moussonstrasse.
Hoerstrup selber forscht seit Jahren im Bereich der
Herzchirurgie. Sein Ziel ist eine mitwachsende Klappe
für Kinder mit angeborenem Herzfehler.
Bis dahin ist es ein langer Weg, wie der Forscher
erfahren musste. Er hat seine früheren ambitiösen
Pläne revidiert. Statt der Klappe wird er nun erst mal
ein Blutgefäss herstellen und ab 2013 im klinischen
Versuch testen. Neben dem Kinderspital Zürich sieht er
dafür weitere Spitäler vor. «Da es sich um einen
seltenen Herzfehler handelt, kommen nur
Kinderherzchirurgien mit einem grossen Einzugsgebiet
infrage», so Hoerstrup.
Wettstreit der Forscher
Die künstliche Herstellung von biologischem Gewebe
und Organen – das sogenannte Tissue Engineering –
könnte die Transplantationsmedizin revolutionieren.
Denn sie würde zwei Probleme entschärfen: den
Spendermangel und die Abstossung. Weltweit sind
Forscher an dem Thema dran. Bei Knorpel, Knochen und
Haut funktioniert die Züchtung heute schon recht gut.
Jetzt folgen die Blutgefässe. Ärzte der Universität
Göteborg und der Yale University haben bereits
klinische Tests mit Venen gemacht, wobei deren
Herstellung sich von Hoerstrups Methode unterscheidet.
Komplizierte Organe sind noch Zukunftsmusik. Im
Zürcher Hochschulquartier werden vorderhand weder
Herzen noch Lungen produziert. In den neuen Reinräumen
entsteht in den nächsten Monaten anderes: modifizierte
Blutzellen für die Multiple-Sklerose-Forschung,
Stammzelltransplantate für Krebspatienten,
Muskelzellen für die Behandlung von Inkontinenz. Und
eben die Haut für Kinder und die Blutgefässe. Da dies
alles lebendige Produkte sind, musste man sehr hohe
Auflagen punkto Reinheit und Sicherheit erfüllen.
«Jeder Schritt ist geregelt», sagt Laborleiter Martin
Kayser. Der Zertifizierungsprozess hat ein ganzes Jahr
gedauert. Die Ordner mit den Richtlinien von
Swissmedic füllen zwei grosse Schränke.
Hohes Risiko
Die Laboranten müssen ihre Hände nach einem genauen
Schema waschen und desinfizieren und dürfen die
Reinräume nur in Schutzkleidung betreten. In den
Räumen herrscht Überdruck, und sie werden einzeln
belüftet. Jeder Arbeitsschritt muss dokumentiert
werden. Swissmedic macht nicht nur unzählige
Hygienevorschriften, sondern verlangt auch eine
«lückenlose Rückverfolgbarkeit» des
Herstellungsprozesses. Denn Gewebezüchtungen bergen
das Risiko, dass Krankheiten übertragen werden. Es
kann auch sein, dass Zellen sich bei der Vermehrung
oder weiteren Verarbeitung verändern. Laut Swissmedic
sind die Risiken «sehr vielfältig». Entsprechend sind
die Auflagen, die internationalen Qualitätsstandards
entsprechen.
Über 5 Millionen Franken kostete das Zentrum mit den
fünf Reinräumen. Bezahlt haben die Universität, eine
Stiftung und der Kanton – aus dem Kredit, den der
Regierungsrat vor vier Jahren zur Förderung der
Hochschulmedizin bewilligt hatte. Insgesamt 30 Millionen
stellte er damals zur Verfügung, damit sich Zürich im
Kampf um die Spitzenmedizin gegen die anderen
Uni-Spitäler behaupten kann. Mit dem Geld wurden vor
allem neue Geräte angeschafft. (Tages-Anzeiger)>
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11.4.2014: <Gewebe für
neue Vagina und künstlichen Nasenflügel
gezüchtet>
aus: Der Standard online:
http://derstandard.at/1395364980046/Wissenschafter-zuechteten-Gewebe-fuer-neue-Vagina-und-kuenstlichen-Nasenfluegel
<Die ersten Operationen verliefen allesamt
erfolgreich - dies berichtet "The Lancet".
Erstmals ist es
Wissenschaftern gelungen, von Hautkrebs zerfressene
Nasenflügel durch Gewebe zu reparieren, das aus den
Knorpelzellen des Patienten gezüchtet wurde. "Diese
neue Technik könnte dazu beitragen, dass der Körper
das neue Gewebe einfacher akzeptiert und dass die
Stabilität und Funktionsfähigkeit des Nasenlochs
verbessert wird", sagt Ivan Martin von der Universität
Basel.
In den USA gelang es außerdem, vier jungen Frauen
eine künstliche Vagina einzusetzen. Erste
Langzeitergebnisse wurden nun im Fachjournal "The
Lancet" veröffentlicht.
Knorpelzellen auf Schweinegewebe
Bisher werden Nasenflügel aus Knorpelstücken
rekonstruiert, die aus dem Ohr, der
Nasen-Scheidewand oder den Rippen des Patienten
herausoperiert werden - was häufig sehr
schmerzhaft ist. Die Wissenschafter nahmen nun
kleine Proben von Knorpelzellen von fünf Patienten
im Alter zwischen 76 und 88 Jahren. Diese Zellen
vermehrten sie und ließen sie dann auf
Schweinegewebe weiterwachsen. Dann wurde das
Gewebe in die gewünschte Form für die Nase
gebracht, dem Patienten eingepflanzt und mit einem
Hauttransplantat bedeckt.
Bei einer Überprüfung ein Jahr später wurde das
Implantat als stabil bewertet; alle Patienten
sagten zudem, sie seien zufrieden mit ihrem
Äußeren und mit ihrer Atem-Fähigkeit. Martin
sagte, die Ergebnisse des künstlichen Gewebes
seien mit dem von Knorpel-Operationen
vergleichbar.
Künstliche Vagina
Neben dieser Studie veröffentlichte "Lancet" auch
die Ergebnisse einer weiteren, bahnbrechenden
Neuerung auf demselben Gebiet. Vor acht Jahren
waren vier Teenager einer Behandlung unterzogen
worden, um deren Vagina zu korrigieren, die
infolge einer seltenen Krankheit
unterentwickelt war oder ganz fehlte. Acht Jahre
nach der Transplantation
funktionierten die Organe wie natürliches Gewebe,
wie das Team im Fachjournal "Lancet" berichtete.
Alle Empfängerinnen waren sexuell aktiv,
berichteten über keine Schmerzen
und waren mit ihrem Lustempfinden, der Befeuchtung
und den Orgasmen zufrieden. Die Forschenden hatten
den Frauen im Alter von 13 bis 18 Jahren vaginales
Gewebe entnommen und daraus glatte Muskel- und
Scheidegewebezellen wachsen lassen. Diese brachten
sie auf ein Gerüst in Form einer Vagina auf und ließen
es für sieben Tage wachsen.
Die vier Frauen leiden am
Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, einem
Geburtsdefekt, bei dem keine oder nur eine
unvollständige Scheide gebildet wird. Betroffenen
Frauen wird meist ein Vagina-Ersatz
aus körpereigenem Darm oder Haut implantiert,
wobei es jedoch laut den Forschenden zu Problemen
wie Infektionen oder einem Schrumpfen des
Transplantats kommen kann.
Nach dem Bericht von "Lancet" sind die
langfristigen Ergebnisse der Operierten
hervorragend: Die implantierten Vaginen wuchsen
zusammen mit den Mädchen und entwickelten sich
normal, die jungen Frauen hatten keine Schmerzen
und waren mit ihrem Sex-Leben zufrieden. (APA,
derStandard.at, 11.4.2014)>
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11.12.2015: Künstliche gezüchtete Niere
bei Mäusen und Schweinen funktioniert
Funktionierende Niere aus dem
Labor
http://www.srf.ch/sendungen/puls/forschung/funktionierende-niere-aus-dem-labor
<Sandra Büchi
Eine im Labor gezüchtete
Niere konnte erfolgreich bei Mäusen und Schweinen
implantiert werden. Sie funktioniert einwandfrei
und erzeugt Urin.
Angesichts des stetigen Mangels an geeigneten
Spenderorganen arbeiten Forscher seit einigen
Jahren daran, diese selbst herzustellen. Das
Züchten von Organen im Labor bringt vielen
Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, neue
Hoffnung.
Dr. Tashi Yokoo und seinen Kollegen an der Jikei
University School of Medicine in Tokio gelang es,
nicht nur eine Niere aus Stammzellen zu züchten,
sondern sie auch erfolgreich bei Mäusen und
Schweinen einzusetzen. Die Niere funktioniert
einwandfrei und erzeugt Urin. Auch eine
menschliche Niere haben sie bereits hergestellt.
Diese ist jedoch noch nicht funktionsfähig, denn
der Aufbau einer Niere ist kompliziert: Sie
besteht aus über 20 Zelltypen und weist komplexe
Strukturen auf.
Schon vor zwei Jahren gelang es Wissenschaftlern
des Massachusetts General Hospital, eine Niere zu
züchten, jedoch belegte die Studie, dass die im
Labor hergestellten Nieren weniger gut arbeiteten
als die natürlichen.
Die wichtigen Aufgaben der Niere
Die Nieren sind sozusagen das Kontrollorgan
unserer Körperflüssigkeiten. Sie sind unter
anderem an folgenden Funktionen unseres Körpers
beteiligt:
- Sie reinigen und filtern das Blut.
- Sie regulieren den Salz- und Wasserhaushalt
des Körpers.
- Sie sind an der langfristigen Regulation des
Blutdrucks beteiligt.
- Sie produzieren verschiedene Hormone (z. B.
Erythropoietin zur Bildung roter
Blutkörperchen).
- Sie regulieren den Säure-Basen-Haushalt des
Körpers.
Bei Schäden der Niere sind daher auch alle diese
Bereiche betroffen, die für unseren Körper
lebensnotwendig sind.>