<Eine Lösung im Schuldenstreit zwischen Griechenland einerseits und den Geldgebern in den Eurostaaten, der Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) andererseits ist nicht vor Ende der Woche zu erwarten. Das war das ernüchternde Ergebnis einer Sitzung der Finanzminister der Eurogruppe Montagmittag in Brüssel, die von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem bereits nach zwei Stunden wieder beendet wurde – ohne jedes greifbare Ergebnis und noch vor Beginn eines Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs am Abend.
Dieser musste – nach den Worten der deutschen Kanzlerin Angela Merkel – zu einem reinen "Beratungsgipfel" heruntergestuft werden. Es gab Probleme mit neuen Reformvorschlägen, die die Regierung in Athen vorgelegt hatte und die nach der Planung von Ratspräsident Donald Tusk eigentlich als konkrete Entscheidungsgrundlage für die EU-Chefs hätten dienen sollen. Da die Eurogruppe aber selber keine Vorlage beschließen konnte, konnte auch der Sondergipfel nur allgemein zu Griechenland diskutieren.
Dijsselbloem bestätigte in einer kurzen Pressekonferenz mit EU-Währungskommissar Pierre Moscovici, dass Athen den Euroministern nicht nur einen, sondern gleich zwei Vorschläge geschickt habe: den ersten um zwei Uhr früh, den zweiten in der Früh, vier Stunden vor Sitzungsbeginn. Es sei daher nicht möglich gewesen, das Vorschlagspaket "unmittelbar" zu prüfen und zu rechnen. Das müssten die Experten der Institutionen nun sofort tun. Am Mittwoch oder Donnerstag würde sich die Eurogruppe dann wieder in Brüssel treffen, um möglicherweise einen Vorschlag zu machen. Da der nächste reguläre zweitägige EU-Gipfel der Regierungschefs ebenfalls am Donnerstag in Brüssel stattfindet, könnte es doch noch zu einer Lösung bis Freitag kommen. Moscovici nannte das Papier aus Athen "eine gute Arbeitsgrundlage".
Ganz anders wurde die Stimmung von mehreren Finanzministern geschildert, die das Vorgehen der griechischen Regierung als Affront empfanden. "Man kann nicht um zwei Uhr früh einen Vorschlag schicken und erwarten, dass es zu Mittag eine Entscheidung gibt", empörte sich Hans Jörg Schellling. Noch dazu sei das die falsche Version des Vorschlags gewesen. Der Deutsche Wolfgang Schäuble sagte, es habe sich seit dem Scheitern in Luxemburg vergangene Woche in der Sache nichts geändert.
Nach Informationen des Standard aus Eurogruppenkreisen enthält das jüngste Papier aus Athen zwar die Absicht, einige von den Geldgebern geforderte Reformmaßnahmen zu setzen, etwa die Abschaffung einer Mehrwertsteuerbegünstigung für Hoteliers oder eine Solidarsteuer für Besserverdienende oder die Eindämmung der Frühpensionen. Aber es fehlten – wie bei bisherigen Konzepten seit Monaten – genaue Angaben, wann welche Gesetze gelten werden bzw. wie dies konkret auf die Einnahmen- und Ausgabenrechnung im griechischen Haushalt wirke. Solange das nicht im Saldo einzuschätzen sei, werde der Abschluss des Hilfsprogramms, die Auszahlung weiterer Kreditmilliarden unvertretbar bleiben. Merkel verwies darauf, dass es zuerst eine Beurteilung der Finanzminister geben muss. (Thomas Mayer, 22.6.2015)>