Verarmtes
Portugal - und Waldbrände:
Dantes Inferno – Portugal steht in Flammen http://www.contra-magazin.com/2015/08/dantes-inferno-portugal-steht-in-flammen/
<Es ist ein Anblick an den man sich
nicht gewöhnen kann, obwohl er sich jedes Jahr
wiederholt und fast schon „normal“ ist. Die
Rede ist von Waldbränden, die in Zeiten großer
Hitze und Trockenheit infernale Ausmaße
annehmen. Doch das Land brennt auch an anderer
Stelle. Die „soziale Friedenstaube“ ist schon
knusperig gebraten und so haben die über 2
Millionen (20 Prozent der Bevölkerung)
hungernden, unter der Armutsgrenze
vegetierenden Portugiesen etwas zu essen, wenn
sie einen Platz in einer der überfüllten
Einrichtungen bekommen.
Von Rui Filipe Gutschmidt
Die Menschen haben Angst um ihre Habe und
selbst um ihr Leben. Zumindest die, die noch
etwas besitzen und denen die Banken oder das
Finanzamt noch nicht alles genommen haben. Zu
allem Übel stehen Portugals Wälder jetzt auch
noch in Flammen. Nicht nur die Hitze, große
Trockenheit und starken Winde erschweren die
Arbeit der Feuerwehr. Der heißeste Sommer
dieses Jahrtausends trifft auch noch ein Land
in Mitten einer Krise. Es mangelt an Geld und
somit auch an Mitteln zu einer erfolgreichen
und schnellen Brandbekämpfung, wie zum
Beispiel Löschflugzeuge und Hubschrauber. Zwar
wurden einige Feuerwehren vor zwei Jahren mit
brandfester Bekleidung ausgestattet, aber es
fehlt immer noch an Ausrüstung und gut
ausgebildetem Personal.
Die Prävention wurde ebenso vernachlässigt.
Die Menschen haben kein Geld und keine Kraft
um ihre Grundstücke von Müll und Gestrüpp
freizuhalten. Der Staat tut auch nicht das
Nötige und die wenigen Arbeitslosen die diese
Aufgabe aufgezwungen bekommen haben, sind
nicht sonderlich motiviert, da sie noch nicht
einmal den Mindestlohn bekommen. Die
Brandstiftung ist ebenso ein Problem, hinter
dem nicht selten Spekulanten stecken, die sich
die Baugenehmigung hinterher mit einem kleinem
Geschenk für den zuständigen Bürgermeister
erkaufen. Doch meistens ist es Fahrlässigkeit
wie Feuerwerk, dass zu den Dorffesten trotz
Verbote und Einschränkungen unachtsam
gehandhabt wird oder die übliche
Zigarettenkippe.
Nicht außer Acht zu lassen ist die „Plage de
Mittelmeeres“ – der Eukalyptus.
Landwirtschaftsministerin Assunção Cristas hat
dem Druck der Papierindustrie nachgegeben und
das Anpflanzen der aus Australien stammenden
Baumart wieder gestattet. Dies ist an
Unvernunft nicht zu überbieten. An dieser
Stelle frage ich mich, wo die EU ist, die doch
sonst so viele Umweltauflagen vorschreibt? Der
Eukalyptus entzieht dem Boden Wasser und senkt
den Grundwasserspiegel. Die Öle, die wir so
gerne verwenden weil sie gut riechen und uns
frei durchatmen lassen, fachen das Feuer an
und drei Tage nach einem Brand sprießt wieder
das erste Grün unter der verkohlten Rinde des
Eukalyptus hervor, der jetzt keine Konkurrenz
mehr hat.
Schön wäre es, wenn sich Portugal genauso
schnell erholen würde. Doch auch wenn die
Regierung mit Unterstützung aus Brüssel und
Berlin einen Aufschwung propagiert, die
Realität sieht anders aus. Die Proteste machen
seit über vier Jahren keine Pause und warten
nicht geduldig auf die Wahlen im Oktober. Im
Gegenteil, sie werden immer lauter und
aggressiver. Allen voran die geprellten Kunden
der Pleitebank BES, die jetzt wieder verkauft
werden soll. Noch kam es nur zu kleineren
Zwischenfällen, da die meisten BES-Kunden
Rentner sind oder zumindest über 50 Jahre alt.
Das war, neben den Emigranten die jetzt ihren
Urlaub mit protestieren verbringen, die
bevorzugte Zielgruppe eines riesigen
Bankenbetrugs. Die Menschen fordern jetzt
Gerechtigkeit und sie werden zu anderen
Mitteln greifen, wenn die chinesische Anbang
die Bank übernehmen sollte, ohne den Leuten
ihr Geld zurückzugeben. Die Polizei ist
jedenfalls darauf vorbereitet, dass es zu
Gewaltausbrüchen kommt.
Nun ja, wenn die Polizei nicht einfach
zusieht, da sie selbst in Protest ist. Die
Sicherheitsdienste wurden nicht geschont als
die Regierung die Auflagen der Troika, die
Staatsbediensteten betreffend, voller
Tatendrang noch übertraf. Seit der Großdemo
2013, bei der sich Polizisten ihren Kollegen
widersetzten und die Treppe zum Parlament
stürmten (als Warnung, das nächste mal einen
Schritt weiter zu gehen), sind die meisten
Zusagen des Innenministeriums noch nicht
erfüllt worden. Doch die Lage in dem Land,
dass traditionell im August „für Ferien
geschlossen“ hat, ist alles andere als rosig.
Auf den ersten Blick sieht der Urlauber – und
wenigstens die sorgen für einen positiven
Anstoß der Wirtschaftsleistung – ein Land,
dass den Urlaub geniest, feiert und Spaß hat.
Doch unter der Oberfläche brodelt es gewaltig.
So sehen die Menschen wie ihre Nachbarn den
Strom abgestellt bekommen, auswandern, die
Suppenküchen aufsuchen oder sogar in den
Mülltonnen nach Essen suchen. Von der
Regierung hören sie im Kontrast dazu, wie gut
es doch läuft, was für gute Zahlen sie doch
vorweisen können und das alles noch besser
wird, sollte man sie für weitere vier Jahre
Wählen.
Merkel und Schäuble loben dieses in Flammen
stehende Land, als glänzendes Beispiel ihrer
Politik und erwähnen dabei nicht die 2
Millionen Portugiesen (20 Prozent), die unter
der Armutsgrenze ihr Leben fristen und deren
Kinder (jedes dritte) nur mangelhaft ernährt
sind. Auch die Medien in Deutschland sehen nur
die brennenden Wälder und vergessen auch über
die 550.000 Portugiesen zu berichten, die das
Land in den letzten 4 Jahren verlassen
mussten. Aber die gut ausgebildeten Fachkräfte
aus Lusitania sind, im Gegensatz zu den
Mittelmeerflüchtlingen, durchaus willkommen.
Das diese Leute ihrem Land fehlen scheint
Niemanden zu interessieren.
Wenn ich also nachts aus dem Fenster schaue
und das leuchtende Flammenmeer auf den
umliegenden Hügeln sehe, den Rauch von
brennenden Eukalyptus rieche und die Löschzüge
Tag und Nacht an mir vorbeirauschen, dann muss
ich zwangsläufig auch an die anderen Brände
denken. Die Seele der auseinander gerissenen
Familien der Auswanderer. Die Wut der um ihr
Geld gebrachten, betrogenen BES-Kunden, die
fassungslos sind, dass die Bankster sie um die
Ersparnisse eines harten Arbeitslebens
gebracht haben und die von ihrer Regierung
Hilfe erwartet hätten. Doch am größten ist das
Feuer, dass in den Herzen der vielen Menschen
brennt, die in eine seit 40 Jahren nicht
erlebte Armut abgerutscht sind und von einem
gut gelauntem Premierminister Pedro Passos
Coelho im Urlaub an der Algarve hören, wie gut
es Portugal doch wieder geht und sehr sich
diese vier Jahre Austerität doch gelohnt
haben. Millionen wünschen ihn und die ganze
Pro-Austerität Politikergesellschaft in diesem
Moment, sie mögen zur Hölle, oder besser noch,
Dantes Inferno fahren.>
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