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Städtebombardements Zweiter Weltkrieg
12. Juni 1943: Düsseldorf. Feuersturm
Ein Grossangriff mit 2000 Tonnen Bomben als Machtdemonstration für Stalin - Stalins Beobachter an Englands Bomberflugplätzen - Zeugenberichte - der Feuersturm bei über 800 Grad Hitze - die Bilanzen des Feuersturms
Düsseldorf, die Prinz-Georg-Strasse in Ruinen am 13. Juni 1943
präsentiert und mit Ergänzungen versehen von Michael Palomino (2008)
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[13 Tage Wartezeit für die sowjetischen Beobachter - Ablenkungsangriffe auf Münster, Duisburg und Köln]
aus: David J. Irving [u.a.]: Und Deutschlands Städte starben nicht. Ein Dokumentarbericht (2008)
Ende Mai 1943
In den letzten Maitagen des Jahres 1943 treffen fünf hohe Offiziere der Roten Armee in England ein, um Durchführung und Ergebnis eines Grossangriffs zu studieren.
Marschall Harris stationiert die Russen, die grossen Wert darauf legen, bei einer normalen Einheit des Bomberkommandos zu sein, auf dem Feldflugplatz in Mildenhall.
Aber am selben Tag, an dem die Sowjets dort mit allen Ehren empfangen werden, reisst die Schönwetterperiode ab, die bisher die Luftschlacht gegen die Ruhrstädte begünstigt hat. Die Russen sitzen höflich lächelnd in der Offiziersmesse, spielen Schach und warten. Ihren aufmerksamen Augen entgeht nichts, wenn sie durch die Werkstätten und Büros, durch die unterirdischen Bombenlager, die Funkstationen und Waffenstände geführt werden.
Bei der Morgenkonferenz am 11. Juni 1943 im Hauptquartiere des Bomberkommandos legt der Chefmeteorologe dem Oberbefehlshaber Harris einen Wetterbericht vor, der zwar immer noch von ausgedehnten Wolkendecken über Westdeutschland spricht, aber zum erstenmal seit dreizehn Tagen günstige Start- und Landebedingungen in England verheisst. (S.118)
Bis zum frühen Nachmittag beruft Harris vier Wetterkonferenzen ein. Dann fällt er die Entscheidung. "Düsseldorf", sagt er zu seinem Stellvertreter, Sir Robert Saundby.
Marschall Harris hat alles getan, damit die Russen einen unvergesslichen Eindruck von der Schlagkraft des Bomberkommandos Seiner Majestät bekommen. 860 Maschinen werden in dieser Nacht starten. Am Nachmittag sitzen die fünf sowjetischen Offiziere in der grossen Nissenhütte, in der die Besatzungen über die Durchführung des Grossangriffs auf Düsseldorf informiert werden.
"Das Hauptquartier hat alle Vorkehrungen getroffen, um die deutschen Nachtjäger abzulenken", beginnt der Staffelkapitän die Einweisung. Laute Beifallsrufe unterbrechen ihn. Die Russen lächeln dünn. Sie wissen nicht, was es heisst, zum Ruhrgebiet zu fliegen.
Harris hat zweiundsiebzig Bomber abgeteilt, die einen Ablenkungsangriff auf Münster fliegen. Darüberhinaus haben fünf Mosquitos die Aufgabe, über Duisburg und Köln Leuchtzeichen und Bomben zu werfen.
So soll die Spitze des Bomberstroms von 783 Viermotorigen unbehelligt bis nach Düsseldorf vorstossen können und dort die ersten Grossfeuer entfesseln. "Zielpunkt des Angriffs ist die Hauptpost", sagt der Staffelkapitän. "Beginn des Angriffs: ein Uhr fünfzehn."
Das Angriffsschema für den 12. Juni 1943 mit dem Grossangriff auf Düsseldorf nach Scheinangriffen auf Köln und Duisburg, und mit einem Ablenkungsangriff auf Münster (aus: Irving u.a.: Deutschlands Städte, Karweina 1964, Seite 123)
[Die Lücken der Flaksperren an der holländischen Küste - neue Flak und Jäger im Ruhrgebiet - die russischen Beobachter dürfen nicht mitfliegen]
Jetzt kommt der Navigationsoffizier der Staffel an die Reihe. Er entrollt eine grosse Karte von Westeuropa, auf der die deutschen Flakstellungen eingezeichnet sind. Aber da seit dreizehn Tagen kein Angriff mehr geflogen worden ist, sind diese Angaben nur mit Vorsicht zu geniessen.
In der dichten Flaksperre an der holländischen Küste befinden sich zwei Lücken. Durch diese Lücken führt der Hin- und Rückflug beim Angriff auf Düsseldorf.
"Nur wenn Sie sich absolut an den angegebenen Kurs halten, Gentlemen", sagt der Navigationsoffiziere eindringlich, "werden Sie von der deutschen Flak unterwegs unbehelligt bleiben. Wenn Sie nur ein oder zwei Meilen vom Kurs abkommen, geraten Sie in den Feuerbereich der stärksten Küstenflak in ganz Europa..."
[Es ist unverständlich, wieso das NS-Regime an der Küste Lücken offenlässt. Die Lücken scheinen arrangiert].
Leutnant George Woodward, der Pilot einer viermotorigen Stirling, denkt bei diesen Worten an die Erklärung, die der amerikanische Abwehrchef Elmer Davies vor wenigen Tagen abgegeben hat. Danach sollen die Deutschen 30.000 Flakgeschütze und 1000 Jäger für die Verteidigung der Ruhr zusammengezogen haben.
"Wenn die Fritze inzwischen ein paar Flakbatterien in die Lücken gestellt (S.119)
haben", flüstert der Pilot seinem Navigator zu, "dann können sie morgen einen Abschussrekord melden."
"Hör doch auf mit deiner Schwarzseherei, George", gibt der Navigator zurück. "Bei unserem letzten Einsatz haben wir nur zwei Maschinen verloren."
"Nur zwei ist gut", sagt George Woodward. "Zwei Maschinen von achtzehn gestarteten, das sind elf Prozent Verluste, die vier beschädigten Mühlen nicht mitgerechnet...!"
Eine Stunde vor Mitternacht rollen auf allen Flugplätzen des Bomberkommandos die Maschinen in Doppelreihen an den Start. In Mildenhall stehen die Russen am Rande des Flugfeldes. Sie wollten eigentlich mitfliegen. Aber Marschall Harris hielt nichts von dieser Idee. Sie sollen berichten und nicht sterben...
11. / 12. Juni 1943 Grossangriff auf Düsseldorf [1,2]
693 britische Bomber warfen über Düsseldorf 1968 Tonnen Bomben ab [2].
[1] http://www.exulanten.com/humb.html
[2] http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Chronik/1943.htm
In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1943 flogen 783 Flugzeuge einen weiteren Grossangriff auf Düsseldorf, 326 Lancaster-Bomber, 202 Halifax-Bomber, 143 Wellington-Bomber, 99 Stirling-Bomber und 13 Mosquito-Bomber. Bis auf einen Pfadfinder-Bomber gelang die Markierung ausgezeichnet. Der abweichende Oboe-Mosquito-Bomber liess seine Ladung unabsichtlich 14 Meilen nordöstlich des Zielgebiets fallen. Ein Teil der Bomben fiel somit auf offenes Land. Der Hauptteil der Bombern fiel aber auf das Zentrum von Düsseldorf mit schwersten Schäden. 130 Acres wurden als zerstört erklärt. Es war für Düsseldorf der bisher schlimmste Angriff. 4,9 % der Flugzeuge gingen beim Angriff verloren: 14 Lancaster-Bomber, 12 Halifax-Bomber, 10 Wellington-Bomber und 2 Stirling-Bomber.
(http://www.raf.mod.uk/bombercommand/jun43.html)
[Düsseldorf am Abend des 11. Juni 1943: Schulfeten - und die Rathauswärter]
Zu dieser Stunde schiebt sich eine Gruppe von übermütig lachenden Gymnasiasten durch die Drehtür des Konzertcafés "Mainz" auf die verdunkelte Königsallee, die von den Obersekundanern und allen anderen Düsseldorfern kurz und stolz nur "die Kö" genannt wird.
Die Schüler haben zu den Synkopen einer holländischen Fremdarbeiter-Band eine "organisierte" Flasche Trester getrunken und sind gross in Fahrt. Albernd und singend ziehen sie über den Corneliusplatz und durch die Altstadt zum Rathaus. In spätestens einem Jahr sind auch sie an der Front. Aber daran denken sie nicht. Pfingsten steht vor der Tür. Die Rosen blühen.
Im Luftschutzkeller des Düsseldorfer Rathauses, dessen Wände mit Leuchtfarbe gestrichen sind für den Fall, dass das Licht ausfällt, herrscht Herr Dapprich als Brandwart.
Herr Dapprich lächelt, als Joachim Fuchsberger, der zehn Jahre später als 08/15-Gefreiter Asch Filmruhm ernten soll, ihm die animierte Luftschutzgarde für die Nachtwache meldet. Auch Herr Dapprich war einmal siebzehn. Er scheucht die Jungen, die sich mit dem Dienst im Rathaus Schwerarbeiterkarten und ein paar Mark Taschengeld verdienen, in die zweistöckigen Betten.
Sie haben nur Sekunden geschlafen, wenigstens meinen sie das, da jagt das Heulen der Sirenen sie schon wieder hoch. Schlaftrunken steigen sie in ihre Luftschutzmonturen und stülpen sich die Stahlhelme über.
Fuchsberger und zwei Kameraden stürmen mit langen Sätzen die Treppen (S.120)
des Rathaus-Aussichtsturms an der Rheinseite hoch. Die drei Siebzehnjährigen sind als Turmbeobachter eingeteilt, sie sollen Schadenmeldungen nach Sicht an die Befehlszentrale unten im Luftschutzkeller weitergeben.
[12. Juni 1943: "Pfingstangriff" mit Flächenbombardement von Düsseldorf - Sicht vom Rathausturm aus]
[Von Abschüssen an der holländischen Küste durch die Flak wird nichts berichtet].
Genau um 1 Uhr 15 ist der erste Mosquito-Schnellbomber über der Stadt, fällt die erste Salve von roten Zielmarkierungsbomben mitten in das Gewirr der Strassen zwischen Hauptbahnhof und Rhein.
"Sie kommen!" schreit Fuchsberger in das Telefon zur Zentrale. Denn die Mosquito in zehn Kilometer Höhe ist nicht allein. Von jenseits des Rheins, aus der Gegend von Neuss, klingt das Dröhnen riesiger Geschwader herüber. Dort ist der Himmel ein Gewirr von Scheinwerferarmen.
Einer der drei Gymnasiasten, Arnold Gehlen, hat die nächsten Minuten und Stunden in seinem Tagebuch beschrieben:
"Wir stehen wie angewurzelt auf unserm Beobachtungsturm über den Dächern der Stadt, sind erstarrt vor dem grandiosen und teuflischen Anblick der einfliegenden Geschwader, die wir deutlich erkennen. Wir glauben erst an eine Täuschung. Aber da zerreisst die Detonation der Bomben diesen Glauben. Der schwerste Angriff, der jemals gegen Düsseldorf geflogen wird, hat begonnen.
An dem gerade noch so friedlichen Junihimmel hat sich der Schlund der Hölle geöffnet. Bombe kracht auf Bombe. Der Luftdruck gewaltiger Minen schleudert uns umher. Dazwischen hören wir das satte Klatschen der Brandkanister, wenn sie auf das Pflaster aufschlagen.
Was nützt es schon, wenn wir an dem Kranz der Himmelsrichtungen im Beobachtungsturm ablesen, in welcher Gegend Brände aufflackern und Explosionswolken hochsteigen? Was nützt es, wenn wir diese Beobachtungen sofort der Zentrale unten im Bunker melden?
Schon nach wenigen Minuten ist der ganze Himmel blutrot, zitternd vom Luftdruck der Bomben, die ganze Strassenzüge der Stadt durchschütteln und Mauerfetzen, Dachstühle, Fenster, Strassenpflaster und Bäume Hunderte von Metern weit durch die Luft schleudern.
Die Hölle bricht so überraschend und so überwältigend über uns herein, dass wir noch nicht einmal an unsere eigenen Angehörigen denken, die irgendwo in der Stadt im Keller hocken, mit bleichen Gesichtern des Entsetzens, Tränen der Verzweiflung in den Augen, den sonst nie benutzten Rosenkranz des Nachbarn in der Hand...
Wir drei stehen da oben auf unserm Turm mit gelähmten Sinnen vor der schrecklichen, blutroten Kulisse einer verbrennenden Stadt. "Wie beim Brand von Rom", sagt einer leise. Seltsamerweise müssen wir darüber lachen. Wir schütteln uns sogar vor Lachen. (S.121)
Und da sehe ich die Bombe durch die Luft orgeln. Es ist eine Minenbombe, so gross wie eine Litfasssäule. Gleich einem Gespenst, schillernd und riesengross am brennenden Himmel, so segelt die Bombe über den Rhein, am Rathaus vorbei, kippt plötzlich ab, stürzt und bohrt sich neben dem Schlossturm in die Erde. Wir ducken uns zusammen, klammern uns fest. Aber die Explosion bleibt aus.
"Blindgänger", sagt Joachim Fuchsberger endlich. Und wieder lachen wir. Denn wenn dieses Ding hochgegangen wäre, hätte es uns von unserem luftigen Posten geweht, hätte es auch von uns geheissen, dass wir für Führer, Volk und Vaterland gefallen wären, genau 2000 Kilometer hinter der Front..."
[Anflug der Stirling von Leutnant George Woodward - die Bomberklappen gehen nicht auf]
Für Leutnant George Woodward, den Piloten des viermotorigen Stirlingbombers der 15. Staffel, ist in diesem Augenblick Düsseldorf die Front. "Noch zwei Minuten bis zum letzten Kurswechsel bei Düren, George", meldet sich die Stimme des Navigators.
"Verstanden", sagt Leutnant Woodward, ohne die Instrumente aus den Augen zu lassen. Nach zwei Minuten zieht er den Bomber auf den neuen Kurs.
Direkt voraus liegt nun, umringt von Scheinwerfern und durchzuckt von zahllosen Explosionen, das brennende Düsseldorf.
"Ich übernehme jetzt", meldet sich der Bombenschütze aus der gläsernen Bugkanzel der Maschine. "Noch vier Minuten bis Null plus zwanzig."
Zwanzig Minuten nach Angriffsbeginn, um 1.35 Uhr, soll die Stirling von Leutnant Woodward über dem Zielgebiet sein. Der Pilot schiebt die Gashebel der vier Motoren bis zum Anschlag vor. Über die Flakhöllen der Rhein- und Ruhrstädte fliegen sie alle immer nur mit Vollgas.
"Wir liegen goldrichtig", meldet der Bombenschütze. "bleib genau auf diesem Kurs, George! Und bitte Bombenklappen auf."
"Damit könne wir noch etwas warten", antwortet der Pilot nervös. Er fühlt sich nackt und hilflos, wenn die riesigen Klappen am Bauch der Maschine geöffnet sind und nicht einmal illusorischer Schutz sich zwischen der hochexplosiven Last und dem Flirren der glühenden Flaksplitter befindet.
Zwei Minuten ticken vorbei wie eine Ewigkeit. Leutnant Woodward fliegt die Maschine haargenau auf einem geraden Kurs, sieht kein einziges Mal nach draussen, um nicht abgelenkt zu werden, um nicht eingeschüchtert zu (S.122)
werden von dem grellen Gewirr der explodierenden Flakgranaten und dem Netz der Scheinwerfer, durch das er fliegen muss.
Abschuss eine Meile hinter uns in gleicher Höhe", meldet der Heckschütze mit trockener Kehle. Nur er sieht die Flamme, die einmal ein Bomber war. "Bombenklappen auf!" ruft der Bombenschütze. Der Pilot drückt den Bombenklappenschalter am Instrumentenbrett nach unten. Das Kontrollämpchen daneben leuchtet auf. Der elektrische Motor singt... und verstummt. Auch das Kontrollicht erlöscht.
"Warum sind die Klappen noch nicht auf, Skipper?" ruft der Bombenschütze ärgerlich.
"Weil der elektrische Motor ausgefallen ist", gibt der Pilot zurück. Plötzlich ist er ganz ruhig. Jetzt hat er wieder das Kommando. Die Bomben sind geschärft, die Zünder eingestellt. Mit den Bomben im Bauch kann er nicht landen.
Der Pilot ruft den Flugingenieur über Bordfunk: "Hättest du etwas dagegen, die Bombenklappen mit der Hand zu öffnen, Jack?"
"Und ob ich was dagegen habe", antwortet der Flugingenieur. "Aber ich nehme an, das hilft mir nichts."
Die Männer lachen nervös, während der Ingenieur die Inspektionslampe über dem Bombenschacht öffnet und nach der Welle tastet, über die der ausgefallene Elektromotor die Klappen öffnen soll.
"Die Welle lässt sich noch mit der Hand drehen", meldet er. "Aber ich brauche zwanzig Minuten, bis die Klappen ganz auf sind..."
Leutnant Woodward zieht seine Stirling zwanzig Minuten lang in weiten Kreisen rings um Düsseldorf. Keiner der sieben Männer in der Maschine spricht. Jeder weiss, dass der Tod nur eine Handbreit von ihnen entfernt ist, dass der kleinste glühendheisse Flaksplitter aus den zahllosen Geschützen unter ihnen genügt, um sie wie einen Feuerball in der Luft zerspringen zu lassen.
"Fertig!" meldet sich endlich die Stimme des Flugingenieurs. "Bombenklappen sind auf. Dafür sind meine Arme wie gelähmt."
Mit röhrenden Motoren jagt der Bomber auf die Stadt zu, die wie ein riesiger Hochofen glüht. Durch die geöffneten Bombenklappen schlagen Wellen glühendheisser Luft in den Rumpf. Russ und Rauch legen sich so dicht auf die Windschutzscheibe, dass die Scheibenwischer nicht mehr mitkommen.
Da trifft die Maschine ein mächtiger Schlag und lässt sie wie einen Stein über hundert Meter nach unten stürzen. Leutnant Woodward reisst sie (S.124)
wieder hoch. Da kommt ein zweiter Schlag, der zweite Sturz, und sofort danach der dritte. Der Funker fliegt von seinem Sitz bis in die Kanzel. Der Pilot zieht den schweren Bomber um 90 Grad herum, und sofort liegt die Maschine still.
"Was war denn das?" fragt der Funker tonlos.
"Das waren die Luftwirbel des Bomberstroms", antwortet der Pilot schwer atmend. "Wir sind quer zum Kurs der anderen Maschinen geflogen."
Der Bombenschütze meldet sich: "Ich übernehme deine Einweisung, George. Neue rote Zielmarkierungsbomben sind gerade gefallen. Geh bitte zehn Grad nach rechts. Der Angriff läuft noch immer mit voller Wucht... noch etwas weiter nach rechts... gut so... genau sechzig Sekunden bis zum Abwurf, Gentlemen, jetzt keine unnötige Bewegung bitte!"
"Abschuss in gleicher Höhe hinter uns", ruft der Heckschütze.
"Halt den Mund über Abschüsse beim Zielanflug!" schnauzt der Pilot.
"Tu ich ja", protestiert der Heckschütze. "Aber das war bereits der dritte Abschuss in zwei Minuten..."
"Lasst die Leitung für mich frei, verdammt!" schreit der Bombenschütze. "Geh drei Fingerbreit nach links, George, aber wackle nicht! Gut so, Achtung... jetzt!"
Die Maschine zittert, während die Bomben in wenigen Sekunden aus dem Schacht nach unten orgeln.
"Noch dreissig Sekunden bis zum Zielfoto", sagte der Bombenschütze. "Noch zwanzig, noch zehn... und jetzt raus aus dem Dreck!"
Leutnant Woodward zieht die Stirling in einer steilen Kurve über den Rhein nach Nordwesten, in das Dunkel der Nacht.
"Darf ich jetzt was sagen?" meldet sich der Heckschütze.
"Natürlich, Billy", sagt der Pilot.
"Vor zwanzig Sekunden ein vierter Abschuss direkt hinter uns. Und ich möchte gehorsamst hinzufügen, dass ich die Schnauze gestrichen voll habe von dieser Art von Fliegerei!"
Leutnant Woodward hat sich in seinem Sitz aufgerichtet und blickt durch die Scheibe nach hinten. Dort liegt jenseits des Rheins ein riesiger Feuerteppich.
"Wärst du denn lieber da unten, Billy?" fragt der Leutnant leise. Der Heckschütze schweigt betroffen. Und alle denken zum erstenmal in dieser Nacht daran, dass "da unten" ja nicht irgendein totes Ziel liegt, sondern dass in dieser Flammenhölle Menschenleben... und sterben. (S.125)
[Der Feuersturm in Düsseldorf - Tod bei 800 Grad - Feuersäulen - Schuhe bleiben im weichen Asphalt stecken - über 2000 Tonnen Bomben]
"Die letzten Flugzeuge haben abgedreht", schreibt der Gymnasiast Arnold Gehlen in sein Tagebuch. "Ihr Vernichtungswerk ist vollendet. Aber die Sirenen der Innenstadt schweigen. Sie funktionieren nicht mehr, denn alles brennt. Auch das Rathaus brennt. Aus den Aussenbezirken hallt das Entwarnungszeichen wie blutiger Hohn in die City. Hier irren die Düsseldorfer verzweifelt durch die Backofenhitze der brennenden Strassenzüge, durch den Irrgarten des Feuers.
Manchmal tauchen Polizisten auf und sperren ab. 'Kann man hier denn nicht durch?' rufen die Menschen und die Polizisten schütteln den Kopf. Nur die Wahnsinningen laufen durch... und sterben. Denn in den Glutöfen dieser Strassen herrschen bis zu 800 Grad Hitze.
Die Altstadt gleicht einer undurchdringlichen Feuerwand. Die alten, gemütlichen Altstadthäuser, die winkligen Gassen mit ihren romantischen Fassaden sind nicht mehr. Sie sinken zusammen, lösen sich einfach auf in einer unvorstellbaren Hitze.
Auch die 'Kö' ist nur noch ein rauchender Schutthaufen, aus dem ab und zu die Stichflammen schiessen.
Hunderte von Menschen springen in den Stadtgraben, um hier durchzukommen. Aber in der Schadowstrasse, am Graf-Adolf-Platz und am Bahnhof stossen sie auf neue Feuersäulen, die ihnen den Weg blockieren. Die ganze Stadt ist ein einziger Alptraum, ein einziges Bild des Grauens. Der Asphalt ist so weich, dass die Schuhe der Flüchtenden darin steckenblieben. Der Wilhelmplatz gleicht einem riesigen Strassenbahnfriedhof.Das evangelische Krankenhaus am Fürstenwall steht in Flammen. Niemand denkt jetzt an die Toten, es gilt Lebende, noch Lebende zu retten.
Auch wir [die Jugendlichen] sind vom Rathaus durch die brennende Stadt zum Krankenhaus befohlen worden. Wir schleppen Tragbahren zu den heranrollenden Lastwagen. Männer und Frauen, am Abend erst operiert, wälzen sich vor Schmerzen. Wöchnerinnen, das Neugeborene im Arm, liegen stumm vor Entsetzen in ihren Tragbetten.
In endlosen Kolonnen bahnen sich unsere Lastwagen einen Weg durch die Trümmer der Stadt nach Grafenberg. Überall unterwegs dasselbe Bild. Die Menschen kämpfen im flackernden Schein ihrer brennenden Heimatstadt gegen das Feuer. Es ist ein verzweifelter Kampf um jedes Haus, um jede Wohnung, ja um jedes Möbelstück."
Die Gesamtfläche der Brandstellen erstreckt sich über ein Gebiet von acht Kilometer Länge und fünf Kilometer Breite. Über 2000 Tonnen Bomben, davon mehr als 200.000 Brandbomben, haben nicht (S.126)
nur die Innenstadt, sondern auch Derendorf und die Südstadt in Schutt und Asche gelegt. 10.000 Wohnhäuser sind zerstört oder schwer beschädigt. Die Industrie ist stark mitgenommen.
Und auch die Vergangenheit ist zerstör... Die Vergangenheit der Stadt in Gestalt ihrer Bauten: Malkasten, Tonhalle und Kunstakademie sind vernichtet. Vernichtet ist auch das Vergnügungsviertel der Stadt rings um das alte, berühmte Varieté "Apollo", die Cafés, Gaststätten und Kabaretts an der "Kö", an der Schadow- und der Graf-Adolf-Strasse.
Aus den Türmen der Kirchen in der Innenstadt schlagen noch drei Tage lang die Flammen. Wie durch ein Wunder ist der Turm von St. Lambertus heil geblieben und grüsst, schiefgewachsen, ins Land...
[Woodwards Ankunft in Mildenhall - der Vortrag vor den sowjetischen Beobachtern]
George Woodwards Stirlingbomber gilt schon als überfällig, als der Leutnant sich endlich bei der Flugleitung seines Platzes in Mildenhall über Funk meldet. Die Landebahnbefeuerung leuchtet noch einmal auf. Die Maschine schwebt ein, landet und rollt aus.
Die Besatzung wird, wie nach jedem Feindflug, in die Bürobaracke des Abwehroffiziers gefahren. Der Vernehmungsoffizier der Staffel fragt die einzelnen Besatzungsmitglieder der Stirling bis auf die geringsten Einzelheiten des Fluges aus. Er lässt sich die Logbücher vorlegen und verlangt Planskizzen über die Schadengebiete und Flakzonen.
Das Abenteuer der Stirling ist von grösstem Interesse für die Bewertung des Angriffs, denn immerhin musste die Maschine 20 Minuten lang im Zielraum kreisen. Daher hatte die Besatzung die beste Gelegenheit, den Angriff zu beobachten.
Am nächsten Tag wird den sowjetischen Beobachtern das vorläufige Angriffsergebnis vorgetragen. Selbst der Ablenkungsangriff der 72 Pfadfinder-Maschinen gegen Münster war ein durchschlagender Erfolg. Die Russen können nicht verbergen, dass sie tief beeindruckt sind.
Noch tiefer beeindruckt aber sind Stalins Beobachter, als ihnen nach wenigen Tagen im Hauptquartier die riesigen Vergrösserungen der Aufklärerfotos gezeigt werden. Damit die sowjetischen Offiziere die Erfolge des Bomberkommandos auch richtig würdigen können, hat man die Schadenaufnahmen jeweils mit einem Foto gekoppelt, das wenige Tage vor dem Grossangriff aufgenommen worden ist.
Jetzt sehen die Russen mit eigenen Augen, wie eine berühmte Grossstadt im Herzen Deutschlands in einer einzigen Nacht unter den Schlägen der (S.127)
RAF in die Knie gegangen ist, sehen sie verblüfft und bestürzt, welche riesigen Stadtgebiete ihre Waffengefährten in einem nur einstündigen Angriff in gähnende Häuserwüsten verwandeln können.
Winston Churchill hat sein Ziel erreicht. Seitdem Stalin sich durch seine eigenen Beobachter von der gnadenlosen Rücksichtslosigkeit überzeugt hat, mit der die RAF den Bombenkrieg gegen Deutschland führt, kann wenigstens eine Waffengattung der Westalliierten darauf rechnen, von dem ungnädigen Verbündeten im Osten regelmässig Glückwunschtelegramme zu erhalten: das Bomberkommando der RAF...
Diese grosse Wertschätzung bringt Stalin dem Bomberkommando allerdings auch noch wegen eines anderen Unternehmens entgegen, das seine Beobachter in London studieren können. Ein Unternehmen, bei dem die Naturgewalten entfesselt und in den Dienst der Vernichtung gestellt werden.
[Die Russen begreifen scheinbar nicht, dass eine Bombardierung einer Stadt in einer Bevölkerung das Gegenteil von dem bewirkt, was die eigentliche Absicht ist. Die Bevölkerung wird nur noch mehr vom Regime abhängig, und die Industrie produziert bald wieder zu 100 % weiter, auf dem Land und unterirdisch...].
Die Zerstörungen am "Pfingstangriff": Die zerstörten Quartiere von Düsseldorf am 12. Juni 1943
Das Bombardement von 1:15 bis 2:35 mit 1300 Sprengbomben und ca. 225.000 Brandbomben während 80 Minuten produzierte durch etwa 9000 Brände einen Feuersturm von 40 km2, bei über 600 Toten und 3000 Verwundeten. Es brannten aus:
-- die Stadtteile Derendorf, das Stadtzentrum und die Südstadt
-- 16 Kirchen, 13 Krankenhäuser, 28 Schulen
-- Schloss Jägerhof, Tonhalle, Malkasten [Künstlerzentrum], Hauptbahnhof, Schauspielhaus
-- Königsallee
-- mehrere 1000 Wohngebäude.
Krankenschwestern berichteten von Menschen mit 20 bis 30 Bombensplittern im Körper, mit verbrannten Augen etc. Tote waren verkohlt und "bis auf die Grösse eines Kleinkinds geschrumpft" [1].
Schwere Treffer waren an der Akademiestrasse [2]. Es erfolgte auch eine weitere Zerstörung der Feuerwache. Die provisorischen Reparaturen von 1942 wurden zerstört [3].
[1] http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/aufsaetze/ImBombenkrieg2.shtml
[2] http://d.jtruckenmueller.de/00/01/01aka.htm
[3] http://www.duesseldorf.de/presse/pld/d2007/d2007_06/d2007_06_13/p22724.shtml
Die katholischen Kirchen St. Martin, St. Peter, St. Antonius und die Friedenskirche wurden zerstört [4]. Das Dach der Kirche St. Peter wird abermals zerstört [5]. Die Lierenfelder Kirche wird bis auf die Aussenmauern zerstört, und die Gläubigen kamen vorübergehend zur Gertrudiskirche in den Gottesdienst, bis die Lierenfelder Kirche wieder notdürftig hergerichtet war [6].
[4] http://www.friedenskirche.eu/wir_geschichte.html
[5] http://www.wz-newsline.de/?redid=164295
[6] http://www.sanktgertrud.de/textkrieg.htm
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Fotoquellen
Ruinen vom 12.6.1943
-- Schloss Jägerhof: http://www.grupello.de/dateien/C074.pdf
-- Schauspielhaus in Ruinen 12.6.1943:
http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/zeitleiste/Zeitleiste-IX.shtml
-- Rittersaal der Tonhalle zerstört 12.6.1943:
http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/zeitleiste/Zeitleiste-IX.shtml
-- ausgebrannter Kaufhof 13.6.1943:
http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/chronik/Kriegsbilder/bombenschaeden.shtml
-- Prinz-Georg-Strasse in Ruinen 13.6.1943:
http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/chronik/Kriegsbilder/bombenschaeden.shtml
-- Akademiestrasse und Hafenstrasse in Ruinen 1943 ca.:
http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/chronik/Kriegsbilder/bombenschaeden.shtml
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