aus:
Prestel-Museumsführer, Text von Denise Daenzer und Tina
Wodiunig: Indianermuseum der Stadt Zürich; Prestel-Verlag;
München, New York 1996; gefördert durch die
Cassinelli-Vogel-Stiftung, Zürich, MIGROS Kulturprozent,
Volkart-Stiftung, Winterthur; ISBN 3-7913-1635-4
<Der Karibuledermantel
Ein Karibu ("amerikanisches" Rentier), hier im
Denali-Nationalpark mitten in Alaska [1].
Aus der Haut des Karibu kann man ein Leder und dann
einen Mantel herstellen, wie es hier geschah:
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Dieser bemalte Männermantel der [Primärnation der] Montagnais
oder Naskapi ist für den Sommer bestimmt und stammt
wahrscheinlich aus dem Südwesten Quebecs. Er wurde vermutlich
schon um 1700 hergestellt und ist damit eines der ältesten
Stücke der Sammlung.
Bemalte Karibuledermäntel waren unter den Völkern des
nördlichen und des östlichen Teils der grossen
Quebec-Labrador-Halbinsel zwischen 1700 und 1930 weit
verbreitet. Die dort als Nomaden von der Fischerei und der
Jagd lebenden Naskapi, Montagnais, Montagnais-Naskapi und
östlichen Cree stellten diese Mäntel zu Ehren der Karibus her.
Das Karibu, ein nordamerikanisches Rentier, war damals für die
sich heute selbst als "Innu" bezeichnenden Ethnien das
Hauptnahrungsmittel.
Karibu-Ledermantel
[Heilige Werkzeuge und
Naturfarben]
Zweimal im Jahr bereitete man sich auf die grosse Karibujagd
vor, wobei dem bemalten Karibumantel eine besondere Bedeutung
zukam. Den Männern erschien im Traum ein Kraftmotiv mit dem
der Mantel verziert werden musste, damit die Jagd erfolgreich
verlaufen würde. Dabei handelte es sich meist um ein oder zwei
Grundmuster, die der Jäger seiner Frau beschrieb, die diese
Motive dann auf den Mantel übertrug und mit eigenen Ornamenten
ergänzte. Als Malwerkzeuge dienten speziell zugeschnitzte
Knochen oder Geweihstückchen der Karibus, die für ihre
Besitzerinnen von solch hohem Wert waren, dass sie nach ihrem
Tod mit ihnen begraben wurden. Für die Bemalung verwendete man
gelbe Naturfarbe, die aus Fischeiern gewonnen wurde, braune
Erdfarben, rote und blaue Handelsfarben sowie grüne
Mischfarben und Schwarztöne, die man vermutlich aus
verbrannten Knochen herstellte. Den Karibumänteln wurde eine
so grosse Bedeutung zugemessen, dass ein erfolgreicher Jäger,
der sich mehrere Frauen leisten konnte, die begabteste unter
ihnen von allen anderen Arbeiten freistellte, damit sie sich
ausschliesslich der Mantelfertigung widmen konnte.
[Der Schnitt ist die Kopie
des europäischen Mantels]
Für einen Mantel benötigte man zwei grosse Karibuhäute. Ärmel,
Kragen und bei den Wintermänteln zuweilen auch Kapuzen wurden
aus einer dritten Haut geschnitten und angenäht. Der Schnitt
der Karibumäntel ist für diese Region so ungewöhnlich, dass
vermutet wird, dass sie nach der Vorlage europäischer Mäntel
entstanden, die von Franzosen und Engländern eingeführt worden
waren.
[Bearbeitung des Fells]
Die für Sommermäntel bestimmten Häute wurden vollständig
enthaart und sehr fein gegerbt. Bei den Wintermänteln wurde
die Fellseite nach innen getragen, und die Vorderteile wurden
nach der Fertigstellung meistens wieder zusammengenäht. Alle
Karibumäntel haben auf dem Rücken einen eingesetzten Spickel
in der Form eines Berggipfels, von dem man vermutet, dass er
das Zentrum der magischen Kraft des Mantels sei. Er
symbolisiert das Gebirge, auf dem der Herr der Karibus [der
Karibu-Gott] lebt.
Fotoquellen
[1] Karibu, amerikanisches Rentier im Denali-Nationalpark
mitten in Alaska:
http://blog.petaflop.de/category/north-america-2007/page/7/
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