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Die Warao-Indianer in Venezuela

Filmprotokoll von Michael Palomino (2000)

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aus: Der Warao-Stamm. Bayrischer Rundfunk, Bayern 3, 29.7.2000, 20:15; Video bei: TRV, 80059 München


Kommentar
Die Warao-Indios sind ein Beispiel, wie durch äussere Umstände eine Indio-Kultur ohne Waffen im Einklang mit der Natur lebt, und wie die weisse rassistische Kolonisation sie nicht zerstören konnte, weil Pferde und Kanonen im Orinoco-Delta kein Durchkommen fanden. Dieses bescheidene Leben mit der Natur sollte für die "Zivilisation" Vorbild sein. Im Umkehrschluss ist in etwa absehbar, welch kostbare Indio-Kulturen durch die weiss-rassistische "Zivilisation" vernichtet worden sind und noch vernichtet werden. Treibende Kraft sind: die "USA"...

Michael Palomino
2000 / 2003


Filmprotokoll

Alle Taten haben einen religiösen Aspekt.

Ein Einpeitscher treibt die Frauen an.

Gott Araoba wird angebetet, ist Schutzgott.

Die Moriche-Palme gibt den Indios die Grundlage für Nahrung, Kleidung, Gefässe, Werkzeuge, gibt den Indios die komplette Lebensgrundlage. Die Warao kennen weder Keramik noch Metall, sondern leben rein von pflanzlicher Substanz.

Septemberfest: Sago-Fest
Im September findet ein Tanzfest zur Vertreibung der "bösen Geister" statt.

Die Hütten werden verlassen und die ganze Gemeinschaft zieht in den Palmenwald.

Das Palmenmark "Sago" wird zu Sago-Mehl verarbeitet, ist Stärke, ist das wichtigste Nahrungsmittel. Sago ist den Warao ein "heiliges" Lebensmittel.

Durch das Kneten der Späne im Wasser wird die Stärke herausgeknetet. Mehl und Zucker sind nur Neben-Nahrungsmittel. Das Sago ist zum Feiern, und es wird lange gefeiert im ganzen Delta. Das Wasser wird abgeschöpft, das Sago hat viel abgelagert und kann getrennt werden. Das Sago wird neben die Tanzfläche gestellt und Araoba geopfert.

Die Männer tanzen für das Warao-Universum.

Schmuck
Rassel am Fuss ist Zeichen der Fruchtbarkeit, Zeichen der Zeugungsfähigkeit.
Silbermünzen [der Weissen?] schmücken die Frauen und schützen vor Geistern.

Sago-Brot
Das Sago wird unter dem Feuer zum festen Klumpen und auf dem gefällten Stamm der Palme gebacken. So entsteht Sago-Brot.

Warao-Dorf Vinikina
ist mitten im Orinoco-Delta auf Pfahlbauten, eine Architektur von vor 500 Jahren.


Keine Sklaverei: Das Delta und der Sumpf sind die Rettung
Die Warao lassen sich nicht versklaven, nie, zogen sich ins Delta zurück. Im Sumpf haben Kanonen und Pferde der weissen Rassisten keine Chance. Es konnte keine weisse Herrschaft entstehen. Das Klima ist gleichzeitig rau. Die Warao überstehen durch diese geographischen Bedingungen den rassistischen Mörder-Kapitalismus, die nachfolgenden Militärdiktaturen.

Das Kanu ist einziges Verkehrsmittel.


Warao-Glauben
- die Warao integrieren eine Kirche und die Kolonialfiguren in ihr Weltbild
- die Warao-Schamanen sagen den Zusammenbruch der Kirche voraus, trifft am Orinoco ein, weil der Orinoco den Flusslauf geändert hat.

Die "christliche" "Jesus"-Mission überzeugte nicht
- die Kapuziner-Missionare, ca. 70, z.B. Padro Julio, werden gezwungen zu lernen, wie die Indios leben
- die Kapuziner-Missionare geben eine Warao-Sprachgrammatik heraus
- das Vertrauen wird aber zu spät aufgebaut und die Missionsstation wird aufgegeben wegen Unrentabilität

Brauchtum der Warao
- die Waraos halten am Brauchtum fest
- die Ahnen und Geister bleiben ihrem geistigen Leben erhalten
- Kriege werden den Geistern überantwortet
- die Bevölkerung wächst stark, heute ca. 28'000.

Schamanen und Schamaninnen
- die Schamanen sind die bestimmenden Oberhäupter der Warao.
- Joro, weibliche Schöpfergöttin
- die Weltschöpfung geht bis heute immer weiter
- jedes Dorf regiert sich selbst, die Dörfer sind von den Ahnen platziert
- zu den Geistern lassen sich von jedem Dorf aus Kontakte herstellen, die Geister sind immer anwesend
- im schlimmsten Fall vertreiben die Geister, vernichten aber nie
- die Frauen von Schamanen sitzen bei wichtigen Gesprächen hinter ihren Männern und hören zu, sie muss wissen, was los ist
- weibliche Schamaninnen können heilen, schützen Dörfer vor fremden Geistern.


Soziologische Struktur der Warao-Indios

Familie mit 1 Sohn und 4 Töchtern

Gestaltung des Morgens
Die Mädchen sind um 6 Uhr früh wach, bleiben aber in den Hängematten, bis die Mutter aufsteht und das Zeichen für den Tagesanbruch gibt. Die Mädchen schlafen in Kleidern, z.T. mit dem Schmuck.

Die Tochter ist der Stolz der Familie und bleibt bei der Familie. Wenn ein Junge geboren wird, ist dies für die Eltern keine grosse Freude.

Die Söhne müssen die Familie mit 18 verlassen.

Die Frauen zeichnen sich aus durch Geduld und Stärke gleichzeitig, sind die "sanften" Führerinnen des Volkes.

Die Mutter ist Herrin des Hauses.

Der Mann kann mit Hunger bestraft werden, wenn er einer anderen Frau nachschaut oder das Dach nicht repariert hat: "Alle Macht geht vom Kochtopf aus."

Junge Männer müssen auch für die Familie der Frau aufkommen.

Manchmal bleiben die Väter allein zurück, wenn sie nur Söhne in der Familie hatten und die Frau stirbt. Wenn die Frau stirbt, bleiben die Töchter. Wenn man nur Söhne hat, dann geht es schlecht. Allein bleibende Männer sind bei den Warao nicht vorgesehen.

Witwen heiraten den Bruder des gestorbenen Mannes.

Die Schamanen sehen keine Ungerechtigkeit gegen die Männer. In der "Zivilisation" seien doch viel mehr Menschen allein als bei den Waraos.

Von der Zivilisation halten die Warao-Schamanen nicht sehr viel. Fische und Krebse sind wichtiger als Fotoapparate und Flugzeuge.


Die Prüfung für die Schwiegersöhne bei den Warao
Der Sohn sucht sich schon früh eine neue Familie, vielleicht geht er zur Schwiegermutter. Wenn Töchter heiraten wollen, entscheidet die Mutter über den Schwiegersohn, ob der Mann tauglich ist.

Schwiegersöhne leben bei der Schwiegermutter.

Der Schwiegersohn muss der Schwiegermutter
- ein Kanu bauen
- ein Haus bauen
- der Schwiegermutter ein Feld anlegen, bis es zum Bepflanzen bereit ist.
Dies ist wie eine Prüfung. Das Haus wird im Team gebaut.


Buhlerei um Frauen ist ein Gaudi ohne Entscheidung
- Kämpfe mit Schilden gegeneinander ohne Verletzung
- die Kämpfe zwischen den Männern werden zum grossen Gaudi auf dem Dorfplatz
- die Verdrängung des einen wird gefeiert, danach versöhnt man sich wieder
- die Frau trifft schlussendlich die Wahl ihres Mannes aber selbst.


Kindstod: Beerdigung im Kanusarg auf dem Fluss
- Beerdigung des Kindes ohne Mann in Begleitung der Kinder
- der Sarg ist ein ausgehöhlter Baumstamm, ein Baumstamm in Palmenblätter gehüllt, in Lianen geschnürt
- das Kleinkind hat gemäss Warao-Glauben noch keine Seele, deswegen ist der Mann nicht dabei
- keine Klagelieder
- niemand tröstet die Mutter, nur die Kinder sind dabei
- die Frauen rudern ins Dorf zurück, zeigen keine Gefühle
- das tote Kind ist den Schwingungen des Kosmos übergeben.

Männer sind an der Beerdigung des Kindes nur wenig beteiligt:
- schichten eine Lehmschicht auf den Palmensarg
- legen eine neue Schicht Palmenblätter auf die Lehmschicht
- schliessen mit einer zweiten Lehmschicht den Sarg ab.

Wenn am nächsten Tag Vogelspuren [wo?] zu sehen sind, dann war das Kind ein "böser Geist". Die Seele rast rastlos umher.


Arbeitsverteilung bei den Warao

Männer und Frauen arbeiten getrennt.

Die Männer roden, fischen, bauen Häuser. Sie fischen am Morgen, während die Frauen das Feuer machen. Die Fische bleiben im Boot. Die Mutter nimmt die Fische aus dem Boot und zerlegt sie und bestimmt die Anteile.

Die Männer flechten Körbe, die Väter tragen die Kinder umher von Familie zu Familie, oder machen Kultgegenstände oder Kunsthandwerk.
für die Männer ist Harmonie am wichtigsten.

Fischen
- der Fischfang erfolgt mit Wissen um den Fisch
- der Kaschama-Fisch beisst z.B. jede Angelrute durch
- kleine Fische halten sich an schwimmenden Palmenstücken auf
- der Indio weiss genau, wo sich welcher Fisch am ehesten aufhält
- Konstruktion von Fischleinen, eine Schnur mit kleinen Schnüren mit vielen Haken dran, so dass am Schluss an jedem Haken ein Fisch zappelt.

Kanu bauen aus Moriche-Palmen
Ein Kanu herstellen ist auch etwas Rituelles. Ein Kanu hält so lange, wie ein Mensch lebt. Ein Kanu ist wie eine zweite Frau. Das Kanu wird aus einem Palmstamm hergestellt, dann nicht zu lange ausgebrannt, denn die Flammen härten das Kanu. Dann kann das Kanu ausgekratzt werden, wird mit Querstreben versehen, hält so seine Form.


Töchter und Mütter knüpfen Hängematten.
Die Frauen bestellen die Felder, kochen und gebären die Kinder.
Die Mutter hält die Haushaltskasse.


Kleider aus Palmenblättern
- Fasern werden zum Trocknen aufgehängt
- die Fasern werden zu Bast verarbeitet mit Aufrollen.


Zerstörung des Orinoco-Deltas durch die Industrie
- Morichewälder werden selten
- die Öl-Industrie dringt ins Delta vor, die Warao werden nicht gefragt.



Erfolgreiches Betteln der Warao in Barancas
Barancas ist die nächste Kleinstadt. Die Warao-Indios fahren zum Betteln, zum Geldsammeln nach Barancas. Betteln ist Sammeln.

Bei der Ankunft bauen die Indios bei Barancas eigene Hütten, um dort 3 Wochen lang zu betteln, z.B. für einen Aussenbordmotor. Die Hütten sind aus Plastik und Brettern, kein Slum. Die Weissen sind grosszügig, wenn Kinder am Strassenrand stehen.

Die Bettler in Barancas fürchten die Indios, denn die Indios haben eher eine Chance, von den Weissen etwas zu bekommen. An einem Werktag sammeln einzelne Waraos bis zu 100 DM, das alles gleich im Supermarkt ausgegeben wird. Lesen, Schreiben und Rechnen können die Waraos nicht.



Die Kapuzinersiedlung Baraquina

Baraquina bietet alle Lebensgrundlagen: Garten, Feld, Kanu, Haus. Anstelle der Moriche-Palme gedeiht die Okumu-Knolle im Sumpfgebiet, die einzige Knolle, die den Warao bekannt ist. Die Männer laden ein.

Die Okumo ist quasi die "Kartoffel" der Indios.


Beispiel einer Schamanen-Heilung

- ein gerolltes Palmenblatt wird mit Tabak auf einem Feuer geröstet. Tabak ist die Nahrung der Geister
- durch den Tabakqualm wird Kontakt zu den Geistern hergestellt
- die Patienten werden im Qualm behandelt und die Geister zur Heilung hergerufen.

Der Schamane stellt einen "bösen Geist" im Magen fest
- der Schamane ruft Hebu Araoba an, ergänzt mit der Rassel
- dies soll den "bösen Geist" vertreiben
- zusätzlich der Befehl: "Komm heraus", "verlasse den Körper"
- der Schamane äussert dumpfe Laute
- der Schmerz ist weg, der "böse Geist" ist jetzt dort, wo die Sonne aufgeht, hinter den Wolken, er ist weg, der Patient ist geheilt.

[Sicher hat eine solche Heilung nicht solche Nebenwirkungen wie die chemischen Medikamente mit ihren isolierten Wirkstoffen].






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