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Das grenzenlose Morden der "USA" im Vietnamkrieg

Meldungen

präsentiert von Michael Palomino

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Tagesanzeiger, Logo

07. Januar 2008, 17:41 - Von Rudolf Walther

<SACHBUCH

Die Devise hiess: «Tötet alles, was sich bewegt!»

Eine umfangreiche Studie zeigt: Der Vietnamkrieg war noch schlimmer, als wir schon wussten.

Gerade wer glaubt, über den Vietnamkrieg Bescheid zu wissen, sollte zu Bernd Greiners Studie greifen. Er wird auf jeder Seite eines Besseren belehrt. Tatsächlich war alles viel schlimmer.

Seit 1994 sind die Akten der «Vietnam War Crimes Working Group» im Nationalarchiv in College Park, Maryland, freigegeben. Aber noch kein Historiker hat sie auch nur annähernd so intensiv ausgewertet wie Greiner. Er zeichnet ein umfassendes Bild des Kriegsalltags in Vietnam sowie des politischen und juristischen Umgangs mit Kriegsverbrechen. In vier Kapiteln beschreibt Greiner zunächst die politischen Weichenstellungen der Kriegsherren, die militärischen Optionen der Generäle, die Mentalität und die Entscheidungen der unerfahrenen Frontoffiziere und schliesslich die aktiv kämpfende Truppe, die nur rund zehn Prozent aller Soldaten ausmachte.

Im zweiten Teil des Buches analysiert der Autor im Detail die Kriegführung in den nördlichen Provinzen, die Massaker von «My Lai (4)» (amerikanischer Name für Binh Tay und Xom Lang) und «My Khe (4)» (My Hoi), und den Krieg im Süden.

Greiner hat Aktenberge ausgewertet und zu einem Puzzle des Kriegsalltags zusammengesetzt. Schon Zahlen sprechen für sich: Die Special Forces rühmten sich ihrer Abschussquote, die 22-mal höher lag als die Verluste in den eigenen Reihen. Nur mit Mühe - und oft auch gar nicht - war diese Soldateska vom «wahllosen Morden» (Greiner) abzuhalten. Niemand bekam mehr Orden als diese Mörderbanden.

Derlei geschah jedoch nicht spontan, sondern war die Antwort der Truppe auf die von oben erwünschte «Kill Ration», wonach ein toter Amerikaner mit 100 bis 150 toten Vietnamesen aufgewogen werden sollte. Als Belohnung winkten Sonderurlaube in den Bordellen Thailands. Die Dichte und Qualität der Belege, die Greiner beibringt, sind niederschmetternd.

Ein Kapitel für sich bildet der Umgang mit dem Kriegsrecht. Formal gab es kriegsrechtskonforme «Rules of Engagement». Sie waren aber so «elastisch» formuliert, dass viel Spielraum blieb. Zudem wurden eklatante Verstösse gegen das Kriegsrecht militärgerichtlich oft auf die lange Bank geschoben, nicht untersucht und wenn, dann nur mit lächerlichen Sanktionen belegt. Zeitweise wurden die «Rules» förmlich ausser Kraft gesetzt.

Die Relativierung des Kriegsrechts setzte bei dessen Fundament an: der Unterscheidung von militärischen Kombattanten und Zivilisten. 90 Prozent des Artilleriebeschusses hatte mit Kampfhandlungen am Boden gar nichts zu tun, sondern galt wahllos Dörfern und der Infrastruktur des Landes. Der Oberkommandierende der US-Streitkräfte zwischen 1964 und 1968, General William C. Westmoreland, bastelte sich sein eigenes Kriegsrecht: «Die Leute in den Umsiedlungslagern, die sind grün. Diese lassen wir in Ruhe. Der Vietcong und die Nordvietnamesische Volksarmee sind rot, Freiwild für uns. Aber wenn dort draussen Leute sind, ausserhalb der Lager, dann sind die für uns rosa. Das sind kommunistische Sympathisanten.» Unten, bei Kompaniechefs, kam diese Theorie rustikal an: «Tötet alles, was sich bewegt!»

Blutspur der «Operation Wheeler»

Monate vor und nach den weltweit bekannt gewordenen Massakern in My Lai und My Khe kam es zu vergleichbaren Aktionen. Bernd Greiner rekonstruiert aus den Akten die Blutspur, die Einheiten der «Operation Wheeler» 1967 durch Quang Tin und das Song-Ve-Tal zogen: «Sie erschossen ohne jeden Anlass Bauern im Feld und ermordeten Menschen, die ihnen zufällig über den Weg liefen, folterten Gefangene und führten sie einzeln oder in Gruppen zur Exekution.»

Die Fülle des Quellenmaterials und die konzisen Analysen des Autors können hier nur schlaglichtartig ausgeleuchtet werden. Es bleibt zu hoffen, dass das Meisterwerk möglichst bald in einer Studien- oder Taschenbuchausgabe auch weniger kaufkräftigen Schichten zugänglich gemacht wird.

Bernd Greiner: Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam. Hamburger Edition, Hamburg 2007. 595 S., 58.90 Fr.>


Schlussfolgerung

Trotz des grenzenlosen Mordens haben die "USA" den Krieg verloren.

Haben die "USA" jemals Schadenersatz bezahlt?

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Spiegel online, Logo

<Opfer des Vietnam-Kriegs: "Die GIs schossen weiter, überall war Blut">

aus: Spiegel online; 7.1.2011;
http://einestages.spiegel.de/external/ShowTopicAlbumBackground/a19522/l8/l0/F.html#featuredEntry

<Fotos eines Massakers an 500 Zivilisten im Dorf My Lai machten Ende der sechziger Jahre Amerikas grausame Verbrechen im Vietnam-Krieg bekannt. Duc Tran Van, damals sechs Jahre alt, überlebte - und wollte vergessen. Doch mehr als 40 Jahre später wird er noch einmal mit der Vergangenheit konfrontiert.

Von
Solveig Grothe

My Lai in der Provinz Quang Ngai, Südvietnam, 16. März 1968. Der Krieg beginnt an diesem Tag schon in den frühen Morgenstunden. Aus den Nachbardörfern hallt Artilleriefeuer herüber. Nun, gegen 7.30 Uhr, kreisen die amerikanischen Hubschrauber auch über My Lai. Schüsse fallen, Schreie sind zu hören. Immer näher, immer lauter.

Der sechsjährige Duc beobachtet seine Mutter, wie sie eilig ein paar Sachen zusammenpackt. Die 32-jährige Nguyen Thi Tau greift nach einer großen braunen Segeltuchtasche, legt Kleidung für ihn und seine vier Schwestern hinein und gibt sie der ältesten. Die Stoffe, die sie sonst im Laden verkauft, trägt sie in den Keller, außerdem Öl und Medikamente. Gerade als sie damit fertig ist, stehen Soldaten im Haus. Amerikanische Soldaten. Alle sollen raus, auf die Straße. Die Mutter nimmt die 14 Monate alte Ha auf den Arm, Ducs kleine Schwester. Mit der anderen Hand greift sie noch rasch nach ihrem Strohhut.

Duc Tran Van erinnert sich an jedes Detail. Dabei wollte er die schrecklichen Ereignisse dieses Tages vergessen. Doch nun, 42 Jahre später, wird er noch einmal mit der grausamen Vergangenheit konfrontiert. Auf dem Wohnzimmertisch in seinem Reihenhaus in Remscheid hat der 48-Jährige Zeitungsartikel, Briefe und Fotos ausgebreitet. Er nimmt eines zur Hand. "Heute", sagt Duc Tran Van, "kennt die ganze Welt meine Mutti."

Bilder des Grauens

Was an jenem Tag in Ducs Heimatdorf passierte, versetzte der Welt einen Schock. Drei Jahre nach dem Eingreifen der USA in den Krieg zwischen dem Regime Südvietnams und dem kommunistischen Norden töteten amerikanische Soldaten in My Lai in nur vier Stunden mehr als 500 Zivilisten.

Das Massaker, eines der schlimmsten Kriegsverbrechen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, blieb nicht zuletzt wegen seiner Bilder in Erinnerung: Nachdem die US-Armee zunächst versucht hatte, das Verbrechen zu vertuschen, berichtete Monate später der Journalist Seymour Hersh über den Massenmord in Südvietnam. Seine Berichte wurden mit Aufnahmen des Armeefotografen Ronald Haeberle illustriert - sie zeigen brennende Hütten, Hinrichtungen, Menschen mit aufgeschlitzten Leibern. Und eine Frau, die zusammengekrümmt im Gras liegt, halb bedeckt von einem großen Strohhut. Ducs Mutter, Nguyen Thi Tau.

Die schweren Verletzungen sind deutlich zu sehen. In den Medien wird dieses Bild deshalb später nur noch selten gezeigt - es ist zu grausam, zu schockierend. Auch einestages sieht von einer Veröffentlichung ab. Duc Tran Van aber nimmt es zur Hand, um seine Familiengeschichte zu erzählen.

"Schlimmeres konnte ich mir nicht vorstellen"

"Die GIs trieben uns damals aus dem Haus", erzählt er, "viele unserer Nachbarn standen schon auf der Straße. Meine Mutter nutzte das Chaos, um uns in einen Keller zu schieben. Doch wir kamen nicht weit, der Raum war bereits voller Menschen. Die Soldaten richteten ihre Gewehre auf uns und schrien so laut, dass alle aus Angst herauskamen. Eine alte Frau erhielt einen Schlag mit einem Gewehrkolben und brach zusammen. Der Soldat zerrte sie an einer Hand zu den anderen."

Seine Mutter, erinnert sich Duc, habe dann versucht, die Schwestern und ihn hinter einem Bambusstrauch zu verstecken; doch ein Soldat habe das bemerkt und Nguyen Thi Tau so heftig zurückgezerrt, dass die Knöpfe ihrer Bluse absprangen.

Auf einer Kreuzung wurden die Dorfbewohner zusammengetrieben. "Meine Schwestern und ich saßen direkt neben unserer Mutter, die Segeltuchtasche hatten wir noch immer bei uns. Kinder weinten und schrien und auch ich schrie - in der Hoffnung, die Soldaten würden nicht weiter schießen. Ich konnte mir keine schlimmere Situation vorstellen. Doch dann feuerten die Soldaten direkt in die Menge. Wer nicht getroffen wurde, versuchte in die Reisfelder zu fliehen. Die GIs schossen weiter, und um uns herum fielen die Menschen um. Überall war Blut, lagen Körperteile."

"Sie konnte nicht mehr aufstehen"

In diesem Horror habe seine Mutter die kleine Ha auf dem Arm gehalten und ihn in einen Graben neben dem Feld gezogen. Der Reis stand hoch, die Ernte kurz bevor. "Meine Mutter legte sich auf mich und meine Schwester - mit dem Hut deckte sie uns zu. So blieben wir liegen, während die Soldaten weiter schossen. Als sie annahmen, dass niemand mehr leben würde, kamen sie näher und feuerten auf alles, das sich noch bewegte. Danach wandten sie sich wieder dem Dorf zu."

Kurze Zeit später begann Ha zu weinen. "Meine Mutter sagte mir, ich solle meine Schwester auf den Arm nehmen und zur Oma bringen. Sie drehte dabei ihren Körper beiseite, damit ich Ha nehmen konnte, und ich sah die Wunden an ihrem Bauch und an den Oberschenkeln. Sie konnte nicht mehr aufstehen."

Ducs Großmutter wohnte im sechs Kilometer entfernten Son Hoi. "Es war schwierig, die kleine Schwester zu tragen, wenn man gleichzeitig aufpassen muss, nicht auf die Leichen zu treten, die überall lagen. Ich hatte so große Angst, dass die Truppen zurückkommen und auch uns erschießen würden, dass ich gar nicht darüber nachdachte, wie ich meiner Mutter hätte helfen können. Das macht mich traurig."

Großmutters Entschluss

Und noch einmal hatte Duc große Angst: als er über sich Motorenlärm hörte. Er legte sich und seine Schwester auf den Boden und stellte sich tot. "Als ich hinaufschaute, sah ich dicht über uns einen Hubschrauber. Es waren amerikanische Soldaten und einer saß außerhalb der Tür. Wenn sie geschossen hätten, hätten sie uns sicher getroffen. Doch es gab keine Schüsse." Duc Tran Van glaubt heute, dass es ein Fotograf war.

Das Haus der Großmutter in Son Hoi sollte für die nächsten Jahre das Zuhause der Geschwister werden. Als der Vater, Arzt auf Seiten der nordvietnamesischen Armee, am Tag nach dem Massaker in Son Hoi eintraf, fand er nur drei seiner Kinder vor - seine Frau, die älteste Tochter Hong und die vierjährige Hue waren bereits in einem Massengrab beigesetzt. Bevor er zu seinen Kameraden zurückkehrte, bat er Freunde und Verwandte, sich um die Kinder zu kümmern. Im Dezember 1969 erreichte sie die Nachricht, dass der Vater im Kampf gefallen sei.

Die Großmutter wurde wenig später aufgefordert, die Kinder nach My Lai zurückbringen. Nordvietnam wollte die Überlebenden in eine seiner Schulen in der Hauptstadt Hanoi aufnehmen. Doch die alte Frau widersetzte sich - sie wollte nicht auch noch diese Kinder verlieren. Auf staatliche Unterstützung konnten die Waisen nun nicht mehr hoffen. Als die Großmutter schließlich immer schwächer wurde, mussten sich Duc und seine Schwestern selbst versorgen. Die ältere My verließ deshalb die Schule nach der dritten Klasse.

Angst vor einem neuen Krieg

Duc lernte weiter und wechselte nach dem Ende des Krieges und der Wiedervereinigung Vietnams in die Oberstufe. Die junge Sozialistische Republik förderte seine Berufsausbildung, und als er schließlich davon hörte, dass in der DDR qualifizierte Arbeitskräfte benötigt würden, bewarb er sich. Im sächsischen Mittweida begann er 1983 eine Ausbildung zum Textilschlosser, arbeitete im "Volkseigenen Betrieb Wäscheunion" - und wurde 1989 Zeuge des politischen Umbruchs in der DDR.

Die Bilder der Wende machten ihm Angst. "Ich habe befürchtet, dass nun ein Krieg kommt wie in Vietnam." Der Betrieb in Mittweida wurde bald darauf geschlossen, und Duc Tran Van wollte schon zurück nach Vietnam. Doch im Ruhrgebiet fand der Schlosser schnell einen neuen Job. Er blieb, gründete eine Familie und fuhr nun alle zwei Jahre zu Besuch in die geliebte Heimat. Das tragische Familienschicksal war nur noch im privaten Kreis ein Thema.

Bis 2008. Da wurde in My Lai jenes Museum neu eröffnet, in dem seit 1976 das amerikanische Verbrechen dokumentiert ist und in dem Duc Tran Van damals zum ersten Mal Ronald Haeberles Fotos gesehen hatte - das Bild von seiner toten Mutter und auch eines von sich, das einen Jungen und ein kleines Mädchen liegend auf einem Feldweg zeigt. Doch zu seiner Überraschung standen andere Namen darunter. Eine Schlampigkeit, eine Verwechslung, die wahrscheinlich beim Umzug des Museums passiert war. Von den Leuten im Dorf erfuhr Duc Tran Van, dass es nicht die einzigen Fehler in der Ausstellung sind.

"Das sind meine Bilder"

Für Touristen und westliche Journalisten, die die Gedenkstätte hauptsächlich besuchen, kommt es vermutlich nicht darauf an, wie die Menschen auf den Fotos heißen oder wem welche der niedergebrannten Hütten gehört hatte. Doch den Überlebenden ist es nicht egal. "Es ist meine Familie und damit sind es auch meine Bilder", sagt Duc Tran Van. Deshalb habe er die Fehler reklamiert und um Richtigstellung gebeten. "Doch so einfach war das nicht."

Die Erinnerung an My Lai ist in Vietnam zur offiziellen Staatsangelegenheit geworden, das Museum zu einer Pilgerstätte des Gedenktourismus. Plastisch verkörpert durch eine monumentale Skulptur, die seit der Wiedereröffnung auf dem Massengrab steht und vor der Trauernde beten. Haeberles Fotos dienten dem Künstler als Vorlage, darunter auch das Bild von Duc und seiner kleinen Schwester Ha. Duc Tran Van findet die Nachbildung in Stein befremdlich: "Jetzt beten sie zu mir - dabei bin ich doch gar nicht tot."

Im Museum habe man ihm zunächst gar nicht glauben wollen, dass die Frau auf einem der Fotos seine Mutter sei. Überlebende kommen fast nie in die Gedenkstätte, obwohl einige, sogar Ducs Schwester, noch immer im selben Ort wohnen. "Die Leute von My Lai trauen sich nicht, etwas gegen das Museum zu sagen", musste Duc Tran Van feststellen. Zurück in Deutschland, erfuhr er warum. "Einige, mit denen ich gesprochen habe, bekamen eine Vorladung von der Polizei. Sie sollten berichten, was 'der Reaktionär Duc' von ihnen wollte."

Duc Tran Van ist jetzt einer aus dem Westen. Von sich selbst sagt er, er sei "ein bisschen deutsch geworden". Und das soll heißen: Anders als seine Landsleute traue er sich zu widersprechen. Deshalb auch habe er auf die Richtigstellung bestanden und sich an das Kulturministerium gewandt. Um seine Geschichte zu belegen, reiste er noch einmal nach My Lai, suchte nach Zeugen, sprach mit Überlebenden. Und er begann, seine Geschichte aufzuschreiben und sich 42 Jahre nach dem schrecklichen Ereignis wieder und wieder an jedes Detail und an jeden grausamen Moment des 16. März 1968 zu erinnern.

Das Kulturministerium in Hanoi hat inzwischen auf seine Beschwerde reagiert. Die fehlerhaften Angaben zu seiner Mutter wurden korrigiert.>





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