aus: Christian Gerlach:
Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und
Vernichtungspolitik in Weissrussland 1941 bis 1944.
Hamburger Edition HIS Verlagsges. mbH, Mittelweg 36, 20148
Hamburg, 1999; ISBN 3-930908-54-9
Zusammenfassung
Der Leser / die Leserin kann hier aufgrund neuer Dokumente
in chronologischer Reihenfolge die Planung des
Russlandfeldzuges genauestens mitverfolgen und sich ein
erstes Bild machen, wer in Hitlers Führung was bestimmte.
Die ernährungspolitischen Faktoren für das Dritte Reich
gegen die alliierte Blockade spielen dabei eine primäre
Rolle. Das ganze Geschichtsbild wird von Grund auf erneuert.
Michael Palomino
Dezember 2000 / 2005
Chronologie
1. Deutschland als
"Weimarer Republik"
1918
Revolution aufgrund der Hungersnot in Deutschland
(S.62)
[wird entscheidend für die deutschen Gesuche bei Präsident
Wilson für einen Frieden mit Frankreich]
ab 1919
Deutschland verliert den Krieg [und auch den
Friedensvertrag] wegen Mangel an Kapital, Rohstoffen und
Nahrungsmitteln
(S.59)
[wobei die französische Armee während der ganzen
Friedensverhandlungen an der deutschen Grenze steht, bereit
zum Marsch nach Berlin, um die deutsche Regierung zu
erpressen, die Bedingungen des Versailler Vertrags zu
akzeptieren].
ab 1929 nach dem Börsencrash in New York
Deutsche Planung von Autarkie und Grossraumwirtschaft, um
vom Welthandel unabhängig zu werden
(S.59)
2. Deutschland als
Drittes Reich unter Hitler 1933-1939
1935/38
Drittes Reich: durchschnittlich 9,2 Mio. Tonnen Getreide
und 14 Mio. Tonnen Kartoffeln direkt konsumiert
(S.61)
1936
Berlin: Gründung der 4-Jahres-Planbehörde - Ausarbeiten
des Blitzkriegskonzepts
zur Schonung der Ressourcen, um den Verschleiss wie im
ersten Weltkrieg zu vermeiden (S.59).
1938
Berlin: Seraphim über die BSSR: Die Wehrmacht soll Wald
und Sumpf ausbeuten [!]
Zitat:
"Die Weissrussen in ihren vorwiegend waldigen und sumpfigen
Siedlungsgebieten" sind "allgemein viel weniger begabt [als
Russen und Ukrainer], kulturell viel stärker zurückgeblieben
und ökonomisch geradezu ein ideales Ausbeutungsobjekt."
(S.101)
in: Seraphim, Peter-Heinz: Das Judentum im osteuropäischen
Raum, Essen 1938
[Widerspruch: Sumpf und Wald kann man wehrwirtschaftlich
nicht ausbeuten. Die Fehleinschätzung scheint aber niemandem
in Hitlers Führung aufzufallen].
ab 1938
Berlin: General Georg Thomas ist in der
Offiziersopposition
ist Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes
(S.66).
[Aug 1939
nicht erwähnt: Regierungskrise in Japan
wegen Hitler-Stalin Pakt. Japans Politik wendet
sich von Russland ab und plant die Expansion nach Süden; in:
Valentin Falin: Zweite Front].
ab Okt 1939
Drittes Reich: Die sowjetischen Lieferungen reichen nicht
für das Reich
(S.62)
ab Okt 1939 ca.
Berlin: Warnungen vor den Folgen eines Krieges von
General Georg Thomas
Thomas, Chef des Wehrwirtschafts- und
Rüstungsamtes, warnte vor Zerstörungen, die ein Krieg
anrichtet und warnt vor einem Abnutzungskrieg (S.66).
ab 1939
Drittes Reich: Reduktion des Schweinefleischverbrauchs im
Reich von 29 auf 22 Mio. Tonnen
(S.61)
3. Die deutsche
Vorbereitung auf den Russlandfeldzug als Konsequenz der
Pattsituation mit England
Statt einen Ausweg in Verhandlungen zu suchen, übernimmt
sich Hitler mit dem Russlandfeldzug noch mehr. Dabei gilt
die Russische Armee als leicht zu schlagen, weil sie 1940
gegen Finnland nur ein Patt erreicht hat.
1939-1940
Berlin: General Eduard Wagners Effizienz
Auf General Wagners Idee hin werden die Stäbe des Innen- und
Wirtschaftsministeriums in die Generalquartiermeisterbehörde
eingebaut, um die Arbeit der Abteilung Kriegsverwaltung zu
professionalisieren (S.151).
Anfang 1940
Berlin: Zweite Warnung vor einem Krieg von General Georg
Thomas
vor den Folgen von Zerstörungen und einem Abnutzungskrieg
(S.66).
1940
Berlin: Herausgabe von Arbeitsrichtlinien der deutschen
Militärverwaltung
-- Versorgung des Heeres aus Nachschub
-- Requirierungen nur gegen Bezahlung
-- Inganghalten des Geschäftslebens
-- Ingangsetzung aller stillgelegten Betriebe
-- Schonung der Bevölkerung
-- Schonung von Unbeteiligten bei Strafmassnahmen
-- Beachtung des Völkerrechts und der Haager
Landkriegsordnung
-- Verbot der Versendung von Lebensmitteln in die Heimat
(S.73).
Berlin: Überbevölkerungsthesen rechtfertigen deutsche
Hungerpläne für Russland als Vorbeugung gegen
Revolutionen, v.a. in der BSSR [!]
Die Überbevölkerungsthesen rechtfertigen für die
deutschen Agrargeographen den Hungerplan. Von Engelhardt
sieht in der Ost-BSSR ein Zentrum der Überbevölkerung,
Hoffmann im zentralen Schwarzerdegebiet
(Orel-Kursk-Tambow-Woronesch), Michael Achmeteli vom
Wannsee-Institut der SS sieht die Überbevölkerung in der
BSSR als problematisch an.
Grund für die Besorgnis ist die Tendenz, dass
Überbevölkerung Revolutionen hervorrufe wie 1917. Somit hat
die BSSR eine gefährliche Dichte der Bevölkerung erreicht.
Deutsche Lösungsvorschläge:
-- Umsiedlung der Bevölkerung nach Sibirien
-- Strassenbaukolonnen bilden
-- Deportationen ins Reich zur Arbeit in die Landwirtschaft
(S.79).
Moskau sieht ebenfalls die Überbevölkerung der BSSR
Sowjetische Bevölkerungsgeographen sehen das Problem der
BSSR-Überbevölkerung ebenso als problematisch an, weil
dadurch Revolutionen möglich seien (S.79).
Berlin über die BSSR: Industrialisierung entspricht nicht
den Ressourcen
Die Industrialisierung der BSSR, so die
Bevölkerungswissenschaftler, sei gegen die Gesetze der
Standortwahl erfolgt, weil alle Rohstoffe von aussen
importiert werden müssten. Somit seien gleich zwei
Fremdkörper in der Gesellschaft der BSSR zu verzeichnen:
-- die Städte mit der Industrie
-- die jüdische Bevölkerung
Werner Conze behauptet zudem in mehreren Arbeiten über
Weissrussland/Weissruthenien von 1940, die Juden seien
Schuld, dass das weissruthenische Volk sich nicht im Staat
hocharbeiten könne. Vorschläge von Conze:
-- Entjudung der Städte
-- Ausbildung der weissrussischen Bauern in Handel und
Handwerk
Allgemeine Wirkung: Die Überbevölkerungstheorien tragen zum
Rassismus und zur Geringschätzung gegenüber Juden und Russen
bei [v.a. in den Führungsetagen des NS-Staates in den
Stellen, die solche Bücher lesen] (S.80).
Mitte April 1940
Berlin: Göring meint gegenüber
General Galland, Russland könne man
erobern
(S.75)
19.5.1940
Berlin: Backe prognostiziert deutsche Niederlage wegen
der Ernährungslage
wenn der Krieg mehr als zwei Jahre dauern wird
(S.60).
31.7.1940
Berghof-Besprechung Hitler-Halder mit Plan der
Zerschlagung Russlands
und Zuteilung von Ukraine, Weissrussland und den baltischen
Staaten an Hitler-Europa.
Zitat Notizbuch Halder: "Später: Ukraine, Weissrussland,
Baltische Staaten an uns." (S.95)
Aug 1940
Berlin: Marcks-Studie für einen Zusammenbruch Russlands
bei deutschem Angriff
(S.75): eventuell werde ein neues sowjetisches
Staatswesen hinter dem Ural aufgebaut (S.75-76).
England: Ablehnung des Friedens mit Deutschland
(S.59)
12.9.1940
Berlin: Himmler lässt nach individueller Überprüfung die
"Eindeutschung" von Russen, Tschechen und Weissrussen zu
zur Festigung des deutschen Volkstums (S.100).
Herbst 1940
Kontinentaleuropa: Schlechte Ernte in Europa - Abbau der
Fleischproduktion
Folgen der schlechten Ernte:
-- Angreifen der Lebensmittelreserven
-- Abnahme der eigenen Produktion (S.60).
Massnahme: Abbau der Fleischproduktion und Umschichtung auf
Brotgetreide und v.a. Kartoffelerzeugung (S.60)
Wilhelm Kube: meldet sich freiwillig zur Waffen-SS
(S.161)
Sep-Nov 1940
England: Abwehr der deutschen Luftoffensive
(S.59)
1.10.1940
Berlin: Neueinteilung des Amts Generalquartiermeister
in zwei hauptsächliche Abteilungen: Heeresordnung und
Kriegsverwaltung (S.151).
Curt von Gottberg wird Chef des Erfassungsamtes im
SS-Hauptamt (bis 21.7.1942) (S.162).
ab Okt 1940
Die Abteilungs-Generalquartiermeister im OKH arbeiten am
Versorgungsplan eines einzusetzenden Ostheeres
und stossen auf grosse Schwierigkeiten:
-- enormes Nachschubproblem
-- Plan, den Lebensmittelnachschub einzusparen zugunsten von
Munition und anderen Versorgungsgütern wie Benzin für die
Panzervorstösse
-- Planung von Versorgungsbasen alle 500-700 km (S.72).
Nov 1940
Drittes Reich: Die Schlacht um England ist gescheitert
(S.63)
Berlin: Suche nach Personal für die
Wirtschaftsorganisation gegen Russland
für die zu besetzenden sowjetischen Gebiete. Suche
über die Wirtschaftsgruppen, Industrie- und Handelskammern,
Reichsnährstand und die Deutsche Arbeiterfront DAF.
Teilweise Geheimhaltung, so dass das Unterpersonal erst
später gesucht wird, so dass bis Juli und August noch
Landwirtschaftsführer in der BSSR fehlen. Aufstellen von
Wirtschaftskommandos (S.145) für Mittelrussland durch die
Rüstungsinspektionen IV (Hamburg) und X (Sachsen) (S.146).
Nov 1940-Jan 1941
Berlin: Planung der Wirtschaftsorganisation Ost,
Schwerpunkt Rüstung
auf Befehl des Chefs des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes,
General Thomas. Durchführung der Planung durch den
Abteilungsleiter Industrielle Rüstung des Heeres im
Heereswaffenamt, Generalleutnant Erich Stud (S.142).
Nov/Dez 1940
Berlin: Backe will eine dramatisch dargestellte
Ernährungslage
Backe dramatisiert den Ernährungsbericht absichtlich für
Hitler, weist den Bericht seiner Mitarbeiter zweimal ab,
weil der Bericht nicht dramatisch genug sei (S.69).
ab Anfang Dez 1940
Berlin: Planung der Heeresgruppe Mitte des OKH für den
Russlandfeldzug: nur Effizienz und Schnelligkeit
garantieren den Sieg
Taktik: mit konzentrierten motorisierten Verbänden an
mehreren Stellen Durchbrüche erzielen, sowjetische Truppen
einkesseln und vernichten und in drei "Marschsäulen"auf
Leningrad, Moskau und die Ukraine zu. Der Hauptstoss soll
von der Heeresgruppe Mitte geführt werden, die den
russischen Einheiten an militärischen Besprechungen als
überlegen eingeschätzt wird, die Heeresgruppe Nord wird
gleich stark, die Heeresgruppe den dortigen Einheiten der
Roten Armee unterlegen eingeschätzt.
Insgesamt: 145 Divisionen, 19 Panzerdivisionen, 14
motorisierte Divisionen (S.128) und die Luftflotte unter
Generalfeldmarschall Kesselring (S.129, Anm.5).
Die Rote Armee ist material- und zahlenmässig überlegen, was
nur ausgeglichen werden kann durch
-- gute Führung
-- Taktik
-- Kampferfahrung
-- z.T. Qualität des Kriegsmaterials (S.128).
5.12.1940
Berlin: Planung von "Pufferstaaten" - "Dekomposition"
Halder und von Brauchitsch legen Hitler den Plan
vor, die BSSR und die Ukraine als neue Pufferstaaten zu
bilden, die Politik der "Dekomposition", von der UdSSR
Randgebiete abzuspalten (S.94).
14.12.1940
Berlin: dramatische Lagebeurteilung der
Ernährungswirtschaftlichen Forschungsstelle "Die erste
Kriegsernte in Kontinentaleuropa"
Ohne die Sowjetunion fehlen in "Kontinentaleuropa"
21,7Mio. Tonnen Getreide, weil 13,3 Mio. Tonnen weniger
geerntet und 8,4Mio. Tonnen weniger importiert wurden als im
Durchschnitt zuvor (S.69).
18.12.1940
Berlin: Hitlers Weisung Nr. 21 zum Überfall auf die
Sowjetunion
(S.69) mit Hauptzielen Moskau und Leningrad, erst dann die
Ukraine und die russische Rüstungsindustrie, die nicht
zerstört werden soll wegen allfälliger Übernahme (S.71).
24.12.1940
Berlin: Backe schreibt den dramatisierten
Ernährungsbericht für Hitler selbst
so dramatisch wie möglich
(S.69).
ab Ende 1940
England: Blockade des europäischen Kontinents und
Ernährungskrieg Englands gegen ganz Kontinentaleuropa
(S.60)
Berlin: Planung des Russlandfeldzugs als "letzter Ausweg"
gegen England und die "USA"
Kriegsziele:
-- russische Rohstoffe
-- russische Ernten
-- Vernichtung der Weltbewegung des Kommunismus
-- Expansionsziele verwirklichen (S.45).
1941
BSSR: 6,5 % Juden
(S.91)
in: Benz, Wolfgang: Dimension des Völkermords. Die Zahl der
jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. München, 1991.
(S.91)
Ost-BSSR: Gerlach-Schätzung, dass sich fast 50 % der
Juden in den 10 grössten Städten aufhalten
Etwa 280.000 Juden verteilen sich auf Minsk,
Witebsk, Gomel, Mogilew, Bobruisk, Pinsk, Orscha, Brest,
Grodno, Polozk.
Ost-BSSR mit Minsk insgesamt ca.
550.000 Juden
gemäss Schätzung von Gerlach (S.93).
Drittes Reich: Broschüre "Der Untermensch" in über 4 Mio.
Exemplaren
ist umstritten und wird z.B. im RSHA und z.B. vom Chef des
Inlands-SD Ohlendorf als sehr kontraproduktiv beurteilt
(S.100-101).
Anfang 1941
KL Dachau: Einzug von Wilhelm Kube, Dienst als
SS-Rottenführer im KL Dachau
unter SS-Zugführer Wildenstein (S.161).
Jan 1941
Berlin: Planszenario "Barbarossa" des
Generalquartiermeisters des Heeres, Wagner
nur mit einer allgemeinen Abhandlung der
Versorgung, viel Nachschub und wenig "Versorgung aus dem
Lande" (S.72).
ab Anfang Jan 1941
Berlin: Panzergruppe 3 studiert 80 m Akten aus dem Ersten
Weltkrieg
um den Russlandfeldzug genau vorzubereiten (S.128).
9.1.1941
Berlin: Hitler kündigt an, "Blockadefestigkeit" werde
erst nach einem Sieg über die Sowjetunion erreicht sein
mit neuem Gliederungsplan im Wehrwirtschafts- und
Rüstungsamt des OKW mit Modifizierung der Hitler-Weisung
"Barbarossa":
Verkleinerung der Gruppe Rüstung, da eine Übernahme der
sowjetischen Rüstungsindustrie vorläufig nicht in Frage
kommen werde (S.71).
10.1.1941
Berlin-Moskau: Zweites Getreideabkommen mit Russland
aber Stalin hat Gegenforderungen. Stalin erhält die
Lieferungen von Deutschland nicht, woraufhin er seine
Lieferungen auch nicht erhöht. Hitler hat einen Grund mehr,
den Krieg gegen Russland vorzubereiten (S.62).
13.1.1941
Berlin: Backe-Vortrag erzeugt Umstrukturierung der
Ernährung im Reich - Rundschreiben von Göring
Backe-Vortrag über die Ernährungslage bei Göring. Göring
kündigt in einem Rundschreiben an alle Staats- und
Parteidienststellen Fleischkürzungen für das ganze Reich ab
Sommer 1941 und andere Massnahmen an, weil die Vorräte stark
angegriffen werden müssen. Das Rundschreiben geht u.a. an
Reichsminister, Hess, das OKW, alle Gauleiter,
Reichsstatthalter, Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten,
Deutsche Arbeiterfront DAF etc.
Weitere Massnahmen:
Weizen wird durch Roggen, Butter durch Margarine und
Schweinefleisch durch Rindfleisch ersetzt. Ausserdem werden
neue Ernährungs-Ausnahmeregelungen nicht mehr ausgegeben
(S.69).
ab 22.1.1941
Hitler und seine Führung unterschätzen Russland
sehen aber gleichzeitig immer das militärische
Risiko. Es entsteht ein grosser Zeitdruck. Das
wirtschaftliche Kriterium beim Russlandfeldzug wird immer
wesentlicher, kombiniert mit dem politischen Ziel der
Vernichtung des Kommunismus (S.63).
28.1.1941
Berlin: General Halder lehnt Russlandfeldzug ab
Halder bei Oberbefehlshaber des Heeres, von
Brauchitsch, sieht in "Barbarossa" keinen Sinn, weil England
dadurch nicht getroffen werde und die wirtschaftliche Basis
sich für Kontinentaleuropa nicht wesentlich verbessern wird
(S.67).
ab Jan 1941
Berlin: Halder-Kriegstagebuch: nur ein Blitzsieg gegen
Russland wird ein Sieg sein
Überwiegende Meinung in der deutschen Führung, alles sei nur
eine Nachschubfrage. Blitzsiege gegen die Masse der Roten
Armee westlich des Dnjepr und der Düna sind notwendig, was
aber grossen Nachschub mit der Bahn erfordert. Somit wird
die Versorgung "aus dem Land" notwendig. Die Weiterführung
des Krieges 1942 gegen Russland ist nicht vorgesehen, weil
1942 England besiegt werden soll und 1943 mit dem Eingreifen
der "USA" gerechnet wird (S.75).
30.1.1941
Berlin: Backe behauptet, Ukraine-Besetzung ergäbe
Überschüsse
Aufzeichnungen des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes (unter
General Thomas): Backe behauptet, dass die Besetzung der
Ukraine das Reich:
Zitat: "von jeder wirtschaftlichen Sorge befreien würde" und
dass nur der Besitz der Ukraine dem Reich Nutzen bringt.
Zitat: "Die Ukraine allein Überschussgebiet, das ganze
europäische Russland aber nicht."
Diese These von Backe ist der Keim einer Separierung zu
einer Süd-Nord-Einteilung Russlands. Backe wirbt für den
Russlandfeldzug, der grosse Vorteile bringe (S.70).
ab Ende Jan 1941
Berlin: Verhandlungen zwischen Heydrich und von
Brauchitsch über "Einsatzgruppen"
Heydrich (Chef der Sicherheitspolizei) und von Brauchitsch
(Oberbefehlshaber des Heeres) verhandeln über die
Einsatzgruppen und ihre "Spezialaufgaben" (Sicherstellung,
Beschlagnahmungen, Verhaftungen der politisch engagierten
Russen u.a.) sowie die Umbildung der Einsatzgruppen in
Polizeikorps in den besetzten Ostgebieten nach dem Blitzsieg
gegen Moskau (S.81)
Jan/Feb 1941
Berlin: Umorientierung der Planung der
Wirtschaftsorganisation Ost auf Ausbeutung der
sowjetischen Landwirtschaft
Hitler beauftragt Göring mit einem Gesamtplan für
die Wirtschaft der zu besetzenden sowjetischen Ostgebiete
(S.142). Göring beauftragt General Thomas mit der
Wirtschaftsverwaltung (S.143).
ab Jan/Feb 1941
Drittes Reich: Lehre der "Dekomposition"
Die Lehre verbreitet sich immer mehr, z.B.
-- im aussenpolitischen Amt der NSDAP
-- bei der Wehrmachtführung
-- im Aussenministerium
-- bei Himmler (S.94).
Feb 1941
Berlin: zweites Planszenario "Barbarossa" des
Generalquartiermeisters des Heeres, Wagner
mit neuer Nachschubregelung: Dem Ostheer soll nur
noch Brot aus dem Reich nachgeliefert werden, alles andere
soll mit Requirierung / "Erfassung" geraubt werden, mit
unterschiedlicher Behandlung der Landesteile, v.a. in der
BSSR, weil sie kriegswirtschaftlich weniger wichtig sei
[will heissen: Weil die BSSR keine Kohle hat, sollen dort
die Menschen am meisten hungern].
Voraussetzung ist die Herstellung von Ruhe und Sicherheit
zur Durchführung der "Erfassung" (S.72). Die entsprechenden
Massnahmen:
-- jeder Widerstand, aktiv oder passiv, soll im Keim
erstickt werden (S.72-73)
-- rücksichtsloses Auftreten soll Vorbeugung sein
-- Gebietssicherung zwischen den Hauptstrassen durch Geheime
Feldpolizei (GFP), Jagdkommandos der Wehrmacht und: Zitat:
"eine besonders gebildete Überwachungsorganisation"
-- Kriegsgefangene sollen als Arbeitskräfte eingesetzt
werden
Somit setzt sich der Backe-Plan der Blockierung Russlands
durch, gegen die Arbeitsrichtlinien der Militärverwaltung
(S.73).
Berlin: Warner vor dem Russlandfeldzug weisen auf zu
erwartende Zerstörungen hin
dass die Kriegszerstörungen die Agrarproduktion
beeinträchtigen könnten und so die Lebensmittelsendungen
Illusion sein werden. Solche Warnungen äussern:
-- der Staatssekretär im Reichsaussenministerium, Ernst von
Weizsäcker
-- der Reichsfinanzminister, Lutz Graf Schwerin von Krosigk
-- die Leitung der Reichsmarine (S.66).
Berlin: Anordnung von Generalquartiermeister Wagner mit
Festschreiben der gewalttätigen Besatzungspolitik in
Russland
(S.83)
Feb 1941
Berlin: Projektierung der rückwärtigen Heeresgebiete
(S.134-135)
Der Generalquartiermeister des Heeres, Wagner, versucht, die
Wirtschaftsverwaltung Ost unter seine Leitung zu bekommen,
akzeptiert dann General Thomas am 6.2.1941 (S.143).
Berlin: Hitler setzt Kube als Generalkommissar für
Weissruthenien fest
Göring und Rosenberg verhindern, dass Hitler Kube als
Reichskommissar in Moskau einplant (S.161).
12.2.1941
Berlin: Neues Konzept des Reichsnährstandes
Studie für Konsumreduktion in der Sowjetunion,
Modellrechnung, die einem Getreideüberschuss Russlands von
vier Mio. Tonnen ergibt (S.70).
13.2.1941
Berlin: Dritte Warnung von General Thomas vor weiterem
Krieg: Denkschrift an Göring
v.a. mit Warnungen vor den grossen zu erwartenden
Zerstörungen, die wehrwirtschaftlich kaum kompensiert werden
könnten:
-- Thomas schliesst sich aber der Abriegelungsthese an
-- Thomas schlägt eine kleine Senkung des
Pro-Kopf-Verbrauchs vor
-- der daraus resultierende Überschuss könne den Fehlbedarf
in Europa decken (S.66).
21.2.1941
Berlin: Aufstellen der Wirtschaftsverwaltung Ost unter
General Thomas
unter dem Decknamen "Wirtschaftsstab zur besonderen
Verwendung [z.b.V.] Oldenburg", die die gesamte Wirtschaft
der zu besetzenden sowjetischen Gebiete umfasst (S.143).
26.2.1941
Berlin: Vortrag von General Thomas bei Göring
über seinen Vorschlag zur Senkung des Lebensmittelverbrauchs
in Russland für Importe ins Reich (S.66).
Göring überträgt Thomas die gesamte wirtschaftliche
Verwaltung der zu besetzenden sowjetischen Gebiete
(S.66-67), die er selbst von Hitler übertragen bekommen
habe. Beide kommen zu folgenden Schlüssen:
-- mit dem deutschen Einmarsch wird der bolschewistische
Staat der Sowjetunion zerfallen
-- die Vernichtung von Vorräten wird bei der Invasion nicht
eintreten
-- wichtig sei es: Zitat: "die bolschewistischen Führer zu
erledigen".
General Thomas nimmt an, eine Senkung des
Lebensmittelverbrauchs in Russland um 10 % reiche aus, um
Europa genügend versorgen zu können (S.67).
März 1941
Berlin: Planung des Russlandfeldzugs: Hungerplan und
geplante "Blockadefestigkeit" gegen England
Hungerplan gegen Russland setzt sich in der gesamten
Militärführung durch. Der Hungerplan ist gemäss Gerlach
"quasi deutsches Regierungsprogramm" (S.1129), betroffen
sind 30 Millionen Menschen der russischen Bevölkerung, worin
die 5 Millionen sowjetischen Juden enthalten sind, in der
BSSR 750.000 Juden (S.1147).
Plan des Russlandfeldzugs, um die Seeblockade zu umgehen und
an kriegswichtige Rohstoffe zu kommen, um den Krieg gegen
England erfolgreich zu beenden (S.1144), um so eine
"Blockadefestigkeit" für das Reich zu erreichen (S.1149).
Berlin: Beginn des Aufstellens von Orts- und
Feldkommandanturen
in "Vorläufigen Dienstordnungen", wobei sich der
Generalquartiermeister dadurch Positionen sichert mit dem
wahrscheinlichen Zweck, die Frontversorgung effizient zu
"organisieren" (S.135)
Frühjahr 1941/März 1941 ca.
Name für BSSR: "Weissruthenien"
Das Ostministerium gibt den Namen "Weissruthenien" für
Weissrussland aus, um damit die Verbindung mit Russland zu
lösen (S.13).
[Wer steckt dahinter?]
Frühling 1941
Berlin: Generalquartiermeister des Heeres, Wagner, will
keine Verwaltungsaufgaben in Russland
(S.134)
Anfang März 1941
Berlin: Verhandlungen zwischen RSHA Heydrich und OKW von
Brauchitsch um SS-Einsatzgruppen
-- Koordination zwischen SS und Armeen durch einen
Verbindungsoffizier
-- Planung von Exekutionen abseits der Truppen
-- Planung einer eigenen SS-Gerichtsbarkeit (S.82).
3.3.1941
Berlin: Hitlers Anweisung zum Krieg zwischen zwei
Weltanschauungen
(S.68)
Befehl zum Aufstellen von Sicherungsdivisionen im
rückwärtigen Heeresgebiet
ohne Hinweise auf Mordaktionen (S.138).
5.3.1941
Berlin: Einigung zwischen Halder und
Generalquartiermeister Wagner auf "Sonderaufgaben" des
Reichsführer-SS
(S.84)
Jodl-Anweisungen zur Landeinteilung und Andeutung zum
Einsatz zum Einsatz von SS-Verbänden
-- mit einer eigenen SS-Gerichtsbarkeit
-- zur Ermordung sowjetischer Kommissare und Funktionäre
(S.84).
ab 12.3.1941
Berlin: Berlin: Wirtschaftsverwaltung Ost / "Oldenburg":
Eingliederung der Landwirtschaft
nach Gespräch zwischen General Thomas und Backe
(S.143).
13.3.1941
Berlin: Herausgabe der "Richtlinien auf Sondergebieten
zur Weisung Nr.21 (Barbarossa)"
-- Festlegen des Kriegs der Systeme
-- Festlegen der "Sonderaufgaben" für den Reichsführer-SS
ohne Störung des Heeres
-- Unterstellen der Polizei unter die Reichskommissare
-- keine Mordbefehle (S.84).
ab 13.3.1941
Berlin: Verhandlungen und Zusammenarbeit zwischen
Sipo-Chef Heydrich und Generalquartiermeister Wagner
(S.84)
14.3.1941
Berlin: Ernährungsminister Darré an Backe: Die Erbeutung
der Produkte Russlands sei erst die Voraussetzung zum
"Endsieg"
(S.65)
Warner vor dem Russlandfeldzug weisen darauf hin, dass die
Ukraine keine Kornkammer sei. Es sei ein Irrglaube.
Gerlach:
"Wie schon erwähnt, war ja auch die Ukraine keineswegs das
Land, in dem Milch und Honig flossen oder zwei Ernten
möglich waren; die Hektarerträge waren höchstens halb so
gross wie ein Deutschland. Die zu erwartenden Überschüsse
waren selbst bei einer gewaltsamen Senkung des Verbrauchs
der Sowjetbevölkerung für die (angeblichen) deutschen
Interessen nicht gross genug." (S.66)
Moskau erfährt vom deutschen Vernichtungsplan
durch Informationen eines deutschen Majors an einen
sowjetischen Militärattaché: Die Sowjetunion werde besetzt
werden, damit das Dritte Reich mit Russlands Rohstoffen den
Krieg weiterführen könne. Stalin besitzt sogar
Detail-Informationen: Ohne ukrainisches Getreide, die
Donezkohle und kaukasisches Erdöl könne das Reich den Krieg
gegen England nicht weiterführen (S.76).
Frühjahr 1941
Berlin: GeQu: Koordination der Einsatzgruppen
durch GeQu-Chef General Eduard Wagner und Sipo-Shef
Heydrich
(S.153)
Frühling-Sommer 1941
Generalgouvernement: Umsiedlungsplan polnischer Juden
nach Osten
Die Zivilverwaltung plant die grossräumige Aussiedlung
polnischer Juden nach Osten (S.97) zur Realisierung des
dritten Nahplans: Ansiedlung Volksdeutscher im Warthegau
(S.97, Anm. 369).
17.3.1941
Berlin: Planung von "Pufferstaaten": Hitler spricht von
"Kerenski-Republiken"
darunter die BSSR (S.94).
Berlin: Hitler gegenüber Halder, Wagner und Heusinger,
dass die sowjetische Intelligenz ermordet werden müsse
-- Halder, General
-- Wagner, Oberquartiermeister
-- Heusinger, Chef der Operationsabteilung des Generalstabs
des Heeres (S.84).
21.3.1941
Berlin: Aufstellen von Ausbildungsrichtlinien für die
Sicherungsdivisionen
ohne Hinweis auf Mordaktionen (S.138).
25.3.1941
Berlin: General Wilhelm Schubert wird Chef des
Wirtschaftsstabs Ost
ehemaliger deutscher Militärattaché in Moskau 1918-1924 und
Antibolschewist, 1930-er Jahre in Rüstungsindustrie tätig.
Schubert verschlampt aber seine Arbeit (S.145).
25./26.3.1941
Berlin: Treffen Wagner-Heydrich
Wagner legt die Übereinkunft von Brauchitsch vor
(S.84).
26.3.1941
Vereinbarung über Einsatzgruppen zwischen OKH (von
Brauchitsch) und RSHA (Heydrich)
Die SS soll in SS-Einheiten unabhängig von
Feldpolizei organisiert sein und eigene Aktionen unternehmen
können (S.81).
27.3.1941
BSSR: sei ein ländliches Proletariat, durch mangelnde
Ernährung und Inzucht geschwächt
krankheitsanfällig (S.103) und unfähig, sich selbst
zu ernähren (S.103-104).
in: Militärgeographische Angaben über das Europäische
Russland, Mappe E: Weissrussland - Textheft. Abgeschlossen
am 27.März 1941, S.54 (S.103)
Diese Feststellung rechtfertigt die Überbevölkerungstheorie
und den Hungerplan (S.103).
28.3.1941
Analyse zu "Barbarossa" des Stabsamts des
Reichsbauernführers: 12 % Verbrauchssenkung in Russland
reicht aus, Warnung vor Zerstörungen - Formulierung der
"Richtlinien"
Thesen:
-- bei 12 % Getreideverbrauchssenkung von 250 auf 220
Kalorien täglich ergibt sich für die russische Bevölkerung
ein Überschuss von 8,7 Mio. Tonnen
-- bei Umschwung und grossen Zerstörungen wird es im zweiten
Kriegsjahr eine schwere Produktionskrise geben (S.67)
-- allfällige Zerstörungen werden auf Jahre hinaus die
landwirtschaftliche Produktion herabsetzen.
Zitat:
"Zweifellos werden kriegerische Ereignisse zunächst und
vielleicht - je nach den Zerstörungen - für Jahre hinaus die
Erzeugung herabsetzen." (S.68)
Auf diese Spekulation werden die wirtschaftlichen
Richtlinien für die deutsche Besetzung der russischen
Ostgebiete ausgearbeitet (S.67).
30.3.1941
Berlin: Hitler-Rede vor der Wehrmachtspitze: Vernichtung
der Kommissare
gemäss Bock- und Halder-Tagebuch vor rund 250
hochrangigen Offizieren (S.87):
-- Planung von Protektoraten, darunter die BSSR (S.94)
-- Hitler verkündet Vernichtung von Kommissaren und
Intelligenz Russlands, die:
Zitat: "Vernichtung der bolschewistischen Kommissare und der
bolschewistischen Intelligenz".
Hitler bezeichnet sie als "asoziales Verbrechertum", das
"eine ungeheure Gefahr sei". Die Rede wird von den
Offizieren grösstenteils positiv aufgenommen.
Gerlach:
"Viele der Offiziere fanden seine Pläne eher 'gigantisch'
als kritikwürdig." (S.87)
31.3.1941
Berlin: Beginn der Ausarbeitung von "Richtlinien betreffs
Behandlung politischer Hoheitsträger usw." als
Vorbereitung zum Kommissarbefehl
zur Ermordung der politischen kommunistischen Funktionäre,
um die Herrschaft und die Ausbeutung besser vollziehen zu
können. Die Tötung ist in allen Führungsgremien des Reichs
unbestritten, aber es entspannt sich eine grosse Diskussion
um den Personenkreis, wer als Kommissar anzusehen ist und
wer nicht (S.90).
ab März 1941
Hitler gibt Vernichtungsanweisungen
(S.81)
März/April 1941
Berlin: Entstehen der wesentlichen verbrecherischen
Befehle nach der Hitler-Rede vom 30.3.1941
-- innerhalb der Vorbereitungen der "Richtlinien auf
Sondergebieten"
-- innerhalb der Vorbereitung der Kriegsgerichtsbarkeit mit
Entwürfen
oo der Abteilung Landesverteidigung im
OKW unter Warlimont
oo des Quartiermeisters der Abteilung
Landesverteidigung im OKW unter Oberstleutnant von
Tippelskirch
oo der Wehrmachtsabteilung im OKW unter
Dr. Lehmann
oo des Generals zur besonderen
Verwendung (z.b.V.) beim Oberbefehlshaber des Heeres, Eugen
Müller (S.87).
März/April 1941
Berlin: Umschwung der Planung von Pro-Kopf-Senkung zu
einem Blockadeplan
und Plan des herbeigeführten Massentods durch Hunger in
Russland, Planung der Raubzugspolitik in Russland (S.68).
April 1941
Berlin: Wirtschaftsverwaltung Ost: General Thomas wird
ersetzt
durch die Staatssekretäre der
Vier-Jahres-Planbehörde und der wichtigsten Ministerien.
Chef wird General Schubert (S.143).
April-Juni 1941
Rosenberg bereitet das Ostministerium vor
-- Ostministerium in Berlin
-- Reichsministerium Ost im Lande selbst (S.157).
Anfang April 1941
Berlin: Himmler-Entscheid zum Aufstellen von Einheiten
der Waffen-SS im rückwärtigen Heeresgebiet anstelle
weiterer Polizeibataillone (S.86).
1.4.1941
Berlin: Stabsbesetzungen des rückwärtigen Heeresgebiets
steht grösstenteils fest
(S.135)
2.4.1941
Rosenberg-Tagebuch über Treffen mit Hitler: Rosenberg
bekommt Informationen über Ostpläne, schreibt sie aber
nicht nieder
Zitat:
"Der Führer entwickelte dann ausführlich die
voraussichtliche Entwicklung im Osten, was ich heute nicht
niederschreiben will. Ich werde das aber nie vergessen."
(S.47)
Berlin: Plan, die BSSR nach Osten zu verschieben
Denkschrift und Aufzeichnungen des "Reichskommissariat
Baltenland". Plan der Verschiebung der BSSR nach Osten,
eventuell mit Hauptstadt Smolensk. Abtretungen im Westen und
Süden von etwa 55.000 km², Zugewinne im Osten 50.500 km².
Ausser in Grodno sind keine deutschen Siedlungspläne
vorgesehen. Deshalb ist keine Annexion nötig, sondern nur
die Beherrschung zur wirtschaftlichen Ausbeutung (S.95).
3.4.1941
Berlin: Anordnungen zur Versorgung des Ostheers
"Besondere Anordnungen für die Versorgung Teil C" von
General Halder
mit dem Backe-Plan und dem zweiten Szenario "Barbarossa" des
Generalquartiermeisters des Heeres, Wagner, als Basis,
Gerlach: "mit bisher ungekannten völkerrechtswidrigen
Gewaltmassnahmen" (S.73).
Ankündigung in den "Besonderen Anordnungen", dass jedem
Polizeibataillon im rückwärtigen Heeresgebiet eine
Sicherungsdivision zugeteilt werde (S.85). Noch mehr
Soldaten dem rückwärtigen Besatzungsgebiet abzustellen lehnt
Hitler ab (S.86).
7.4.1941
Berlin: Waffen-SS für "rückwärtige Heeresgebiete"
Himmler lässt für die Waffen-SS in den rückwärtigen
Heeresgebieten einen Kommandostab Reichsführer-SS aufstellen
und richtet den Posten eines Höheren SS- und Polizeiführer
(HSSPF) ein (S.86).
10.4.1941
Berlin-Moskau: Erhöhte Getreidelieferungen Stalins an das
Reich
erst jetzt, gemäss dem Abkommen vom 10.1.1941 (S.62).
11.4.1941
Berlin: geplante "Eingreiftruppe" im rückwärtigen
Heeresgebiet mit "Vollmachten"
Der künftige Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes
(Berück) Mitte, Max Schenkendorf, kündigt die: Zitat:
"Verwendung der 'Eingreiftruppen' zu Sonderaufgaben" an mit
Anweisung an die Kommandeure der Sicherungsdivisionen, dass
sie alle Vollmachten in ihren Gebieten haben sollen. Sie
seien:
Zitat:
"absolute Herren in ihrem Bereich, also selbständig
arbeiten. Sie sind dafür verantwortlich, für die
Durchführung meiner Befehle! Also Überwachung auch der
anderen Formationen (SD, SS, Polizei pp)." (S.138).
12.4.1941
Berlin: 4-Jahres-Plan-Chef Körner gibt Vollmachten über
russische Gebiete an Backe ab - Geheimhaltung der
Ausbeutung
Backe erhält vom Staatssekretär für den 4-Jahres-Plan,
Körner, Vollmachten für die landwirtschaftliche Ausbeutung
der zu besetzenden sowjetischen Gebiete (S.70-71), die
Zitat: "unter allen Umständen strengstens geheim zu halten"
waren (S.71).
17.4.1941
Hitler befürwortet eine regional abgestufte Gewaltpolitik
vor allem gegen die russische Intelligenz, aufgezeichnet in
Halders Kriegstagebuch: Zitat: "brutalste Mittel notwendig".
(S.73-74)
28.4.1941
Von Brauchitsch unterschreibt das Anordnungspapier von
Generalquartiermeister Wagner betreffs der
SS-Einsatzgruppen
Aufgabe: Zitat: "Erforschung und Bekämpfung der staats- und
reichsfeindlichen Bestrebungen, soweit sie nicht der
feindlichen Wehrmacht eingegliedert sind"
-- Einsatz von Sonderkommandos in den rückwärtigen
Armeegebieten
-- Sicherstellung von Schriftgut und: Zitat: "besonders
wichtigen Einzelpersonen (Führende, Emigranten, Saboteure,
Hetzer usw.)"
-- Einsatz von Einsatzkommandos in den rückwärtigen
Armeegebieten
-- Sonder- und Einsatzkommandos haben das Recht zu
eigenmächtigen Erschiessungen im Rahmen ihres Auftrags.
Zitat: "berechtigt, im Rahmen ihres Auftrages in eigener
Verantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung
Exekutionsmassnahmen zu treffen." (S.84)
-- SS-Kommandos sind den Armeen in Sachen Marsch,
Verpflegung und Unterbringung unterstellt, aber nicht
einsatzmässig (S.84-85)
-- die Kommandos sind dem jeweiligen Befehlshaber
rückwärtiges Heeresgebiet nur dann befehlspflichtig, wenn
sie "Störungen der Operationen" verursachen oder "Gefahr im
Verzuge" ist
-- Vorschrift einer engen Zusammenarbeit der Kommandoführer
mit den Abwehroffizieren der Armeen und des Befehlshabers
rückwärtiges Heeresgebiet (S.85).
29.4.1941
Berlin: Offizielle Ankündigung der Fleischkürzung von 500
auf 400 Gramm pro Woche
erregt in der Bevölkerung des Reichs "grosses
Aufsehen" (S.61).
30.4.1941
Berlin: Unterstellung der Geheimen Feldpolizei (GFP)
unter die Berück und unter die Sicherungsdivisionen
begrenzt auf das militärisch verwaltete Gebiet (S.141).
Mai 1941
These Gerlach: sowjetische Lieferungserhöhungen, um
Hitler vom Krieg abzuhalten
(S.76)
Berlin: Sitzung der Wirtschaftsorganisation Ost:
Besprechung des Hungerplans für Russland
-- Hungerplan
-- Einsetzen von "Rayonkommandaturen" (S.139-140)
-- Diskussion der Dichte der Belegung mit Sicherungstruppen
-- Diskussion der Dichte des Militärverwaltungsnetzes, denn
das Aushungern sollte nur wenig Verwaltungsaufwand erfordern
-- General Schubert, Chef des Wirtschaftsstabes "Oldenburg"
und als Chef des Wirtschaftsstabes Ost vorgesehen, fordert
eine gleichmässige Belegung (S.140).
Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsstab Ost und
Generalquartiermeister
Der Chef des WiStabs Ost, Gen. Schubert, bekommt neben GeQu
Wagner ein Zimmer. Das WiStabOst dient in erster Linie dem
Ostheer, der vorgesehenen "Versorgung aus dem Lande"
(S.143). Der Wirtschaftsführungsstab Ost steuert die
wichtigsten Reichsministerien und Zentralstellen, sogar den
Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes. Ständige
Mitglieder:
-- General Thomas
-- Staatssekretär Körner (Vier-Jahres-Plan und Vorsitzender)
-- Backe (Ernährung)
-- von Hanneken (Wirtschaft)
-- Alpers (Forstwirtschaft)
-- Syrup (Arbeit)
-- Kleinmann (Verkehr)
-- Reichsbank-Vizepräsident Puhl
-- ein Vertreter des Aussenministeriums (S.144)
-- Inspekteur des Wirtschaftsstabes Ost, General Hans Nagel,
Leiter der Ausarbeitung der "Grünen Mappe" und der
Wirtschaftsrichtlinien (S.145)
-- Beamte geringerer Dienstränge jeweils an den Sitzungen
(S.144)
Mai 1941
Berlin: Entscheidung, dass BSSR verwaltungsmässig ans
Baltikum angeschlossen wird
Die Formulierung von Reitlinger 1963 S.184, dass
dies eine "Verlegenheitslösung" sei stimmt gemäss Gerlach
nur teilweise (S.95).
2.5.1941
Berlin: Besprechung über "Barbarossa" mit den
Staatssekretären über das Aushungern Russlands
Zig Millionen Hungertote beim Russlandfeldzug in Kauf
genommen werden.
Gerlach:
"1. Der Krieg ist nur weiter zu führen, wenn die gesamte
Wehrmacht im 3. Kriegsjahr aus Russland ernährt wird
2. Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen
verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem
Lande herausgeholt wird
3. Am wichtigsten ist die Bergung und der Abtransport von
Ölsaaten, Ölkuchen, dann erst Getreide. [...]"
(S.46)
Berlin: General Thomas fordert Hungerweisung
von Hitler, eine entsprechende "Weisung des
Führers" an den Reichsmarschall, zur Durchführung des
Hungerplans gegen Russland (S.47).
ab 2.5.1941
Berlin: Entwurf der Hungerweisung, aber Hitler
unterschreibt nie
Die Weisung zum Hungerplan für Hitler an den
Reichsmarschall wird entworfen, aber von Hitler nie
unterschrieben (S.47).
4.5.1941
Berlin: Wirtschaftsstab Ost plant 12.000 Beamte für die
Landwirtschaft im Osten
(S.146)
7.5.1941
Berlin: General Schubert fordert Hungerverwaltung auch
für die BSSR
Forderung von General Schubert gegenüber dem
vorgesehenen Befehlshaber der Sipo und SD (BdS), die
Verwaltung der BSSR nicht zu "vernachlässigen":
"Man darf nicht z.B. Weissrussland im wesentlichen aussparen
und dafür [die] Ukraine stärker mit Rayonkommandanturen
ausstatten. Wir brauchen aus Weissrussland -
unübersichtliches, wegearmes Waldgebiet! - das Fleisch, die
Pferde und den Hafer",
ansonsten der Backe-Plan "verwässert" werde (13.5.1941),
Gespräch mit Generalquartiermeister vom 12.5.1941. Schubert
setzt sich mit dem Generalquartiermeister durch, auch die
BSSR flächendecken deutsch zu verwalten (S.140).
8.5.1941
Rosenberg-Instruktionen: BSSR als Abschiebeterritorium
wie im September 1914 bereits einmal vorgesehen. Anweisung
für einen Reichskommissar im Ostland:
Zitat:
"In jedem Falle wird Weissruthenien zunächst die harte
Aufgabe [haben], einen Teil jener Elemente aufzunehmen, die
aus Estland, Lettland, Litauen und aus dem polnischen Teil
des Warthelandes ausgewiesen werden. Es erscheint
zweckmässig, die Polen nicht im Generalgouvernement, sondern
im Osten Weissrutheniens (Smolensker Bezirk) unterzubringen
und dort eine Zwischenschicht gegenüber dem Russentum zu
bilden [...]
aus diesen baltischen Ländern werden wahrscheinlich viele
unsoziale Menschen ausgesiedelt werden müssen, und für diese
unliebsamen Elemente, auch aus dem Generalgouvernement und
dem Wartheland, ist Weissruthenien ein sehr geeignetes
Auffanggebiet."
Aber der SD zeigt keine Reaktion auf diesen Vorschlag
(S.96).
13.5.1941
Berlin: "Kriegsgerichtsbarkeitserlass" von Keitel
(S.87). Vollmacht zum Töten aller Verdächtigen:
-- Aufhebung der Zuständigkeit der Kriegs- und Standgerichte
bei Ermordung von Kommunisten
-- Befehl zur Tötung aller Freischärler und sonstiger
"Angriffe" auch ohne Offiziersbefehl
-- Gebot zu kollektiven Gewaltmassnahmen gegen ganze
Ortschaften, wenn Täter nicht zu ermitteln sind
-- Aufheben des Verfolgungszwangs bei Verbrechen gegen
Landeseinwohner
-- Verfolgung von Straftaten von Wehrmachtsangehörigen nur
bei Verletzung von Vorschriften zur "Aufrechterhaltung der
Manneszucht" und "Sicherung der Truppe" (S.88).
ab 13.5.1941
Diskussion in den Führungsetagen der Wehrmacht um
Kollektivstrafe
(S.88)
15.5.1941
"Einweisung" der Spitze der Wirtschaftsorganisation Ost
im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt (WiRüAmt)
(S.88)
15./16.5.1941
Zossen: Einweisungsveranstaltung von
Oberkriegsgerichtsrat Lattmann, Leiter der Gruppe
Rechtswesen, für die Funktionäre des Ostheers: kein
Abbrennen von Dörfern vorgesehen
darunter Versorgungsoffiziere (Ib), Oberquartiermeister,
Abwehroffiziere (Ic) der Heeresgruppen und Armeen,
Stabschefs der Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes
(Berücks), Führungsoffiziere (Ia) und Abwehroffiziere (Ic)
der Sicherungsdivisionen, Chefs des Wirtschaftsstabes Ost
mit deren Abteilungsleitern und Wirtschaftsinspekteuren
sowie die Direktoren der Geheimen Feldpolizei (GFP) bei den
Sicherungsdivisionen Aufzeichnungen des Abwehroffiziers (Ic)
der 2.Armee: kein Abbrennen von Dörfern:
Zitat:
"Kollektive Gewaltmassnahmen z.B. gegen Ortschaften, aus
denen geschossen wird (Nicht anstecken, 30 Mann
erschiessen." (S.88)
Vorträge vom Leiter der Abteilung Kriegsverwaltung beim
Generalquartiermeister des Heeres, Schmidt von Atenstadt:
Einsatzkommandos zur Bekämpfung feindlicher politischer
Bestrebungen
über "Sicherung des Operationsgebiets" und "Vollziehende
Gewalt im Operationsgebiet" mit Beschreibung der Rolle der
Einsatzkommandos im rückwärtigen Heeresgebiet:
Zitat:
"Bekämpfung politischer Bestrebungen p.p. [usw.], soweit sie
Staats- und Reichsfeinde sind." (S.88)
19.5.1941
Herausgabe der Richtlinie für das Verhalten der Truppe in
deutsch besetztem sowjetischem Gebiet
mit Anleitung zur Judenvernichtung:
Zitat:
"I.1. Der Bolschewismus ist der Todfeind des
nationalsozialistischen deutschen Volkes. Dieser
zersetzenden Weltanschauung und ihren Trägern gilt
Deutschlands Kampf.
2. Dieser Kampf verlang rücksichtsloses und energisches
Durchgreifen gegen bolschewistische Hetzer, Freischärler,
Saboteure, Juden und restlose Beseitigung jedes aktiven oder
passiven Widerstandes." (S.91, Fussnote 334)
21.5.1941
Berlin: Himmler-Befehl: Die Polizeibataillone sollen den
Sicherungsdivisionen unterstellt werden
(S.86)
23.5.1941
Berlin:
Herausgabe der "Wirtschaftspolitischen Richtlinien für
Wirtschaftsorganisation Ost, Gruppe Landwirtschaft"
unter
Leitung von Herbert Backe, Staatssekretär im
Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, genaue
Autorenschaft unbekannt, zum Teil als "Backe-Plan"
bezeichnet, u.a. unter Mitarbeit des Stabsamts des
Reichsbauernführers.
Inhalt:
-- die Bevölkerung der Sowjetunion ist von 1909-1939 um 30
Mio. gewachsen, ausschliesslich in den Städten
-- der Getreideüberschuss der Sowjetunion ist von 11 Mio.
Tonnen Getreide jährlich 1909/13 auf 1-2 Mio. Tonnen
zurückgegangen
-- durch die deutsche Besatzung soll der Zustand von 1909/13
wieder hergestellt werden, z.B. durch eine Rationierung
(S.48), damit Kontinentaleuropa durch die englische Blockade
nicht hungern muss (S.49)
-- das Szenario der Besetzung Russlands wird offen gelassen
und die Rechnung des Stabsamts des Reichsbauernführers vom
28.3.1941 nur als "Beispiel" bezeichnet
-- die Senkung des Pro-Kopf-Verbrauchs wird in einen
Massenmordplan an 30 Mio. Sowjetbürgern der "Waldzone"
umgewandelt (S.68)
-- die Abriegelungsthese ist von höchsten Stellen bewilligt
-- die Abriegelungsthese steht im Einklang mit den
politischen Tendenzen: Erhaltung der Randstaaten,
Zurückdrängung des Grossrussentums (S.71).
Vorgehen: Das Hauptüberschussgebiet Südrussland und
Südostrussland/Schwarzerdegebiet kann vom
Hauptzuschussgebiet Nordrussland / Waldzone des Nordens"
abgetrennt werden
Zitat:
"Die Konsequenz ist die Nichtbelieferung der gesamten
Waldzone einschliesslich der wesentlichen Industriezentren
Moskau und Petersburg." (S.49)
-- Plan, die "Waldzone des Nordens" zur Selbstversorgung zu
zwingen, zur: Zitat: "geschlossenen Hauswirtschaft"
-- die Marktproduktion von Flachs und Hanf wird aufhören
-- die Viehwirtschaft wird mangels Futtermitteln
zusammenbrechen
-- die Treibstoffzufuhr für Traktoren wird gesperrt
-- Pferderaub für die Schwarzerdezone
-- Raub des Fleischviehs und des Flachs in einem "einmaligen
Eingriff"
-- die Waldzone wird zum Hungergebiet, mit deutschen
Truppen, die sich zusammen von dort zu versorgen haben,
wofür eine "Erfassung" der Lebensmittel gut
durchzuorganisieren sei
-- es wird grösste Hungersnot in den Städten entstehen, die
russischen Industriezentren der Waldzone sollen aussterben
-- Planung von Umsiedlungen nach Sibirien, wobei: Zitat:
"Eisenbahntransport nicht in Frage kommt", womit
Todesmärsche einkalkuliert sein dürften
-- nur die Bevölkerung der Industriezentren des
Transkaukasusgebiets soll wegen der Ölquellen und der Kohle
des Donezbeckens überleben
(S.49)
-- dies seien Massnahmen für eine:
Zitat: "Blockadefestigkeit" Europas,
mit: Zitat: "Einbeziehung der Ernährungswirtschaft Russlands
in den europäischen Rahmen. Daraus folgt zwangsläufig ein
Absterben sowohl der Industrie wie eines grossen Teils der
Menschen in den bisherigen Zuschussgebieten", mit
inbegriffen: die BSSR
-- das Baltikum ist vom Hungerplan aus rassischen Gründen
ausgenommen und wird nur mit Viehplünderungen und
Beschlagnahmung von Flachs betroffen sein (S.50)
-- Treibstoffe der russischen Landwirtschaft sollen der
Wehrmacht zugeteilt werden (S.68).
Die Ernährung des Ostheeres aus sowjetischer Erzeugung ist
das Minimalziel, was eine Entlastung Mitteleuropas in der
Ernährung in der Stärke des Ostheeres von 3 Mio. Menschen
bedeutet. Hauptziel ist die Selbstversorgung des Ostheeres
und erst in zweiter Linie sollen Ernten aus der Ukraine nach
dem Reich gehen. In der Folge haben die Versorgungsstellen
und vor allem Quartiermeister grossen Einfluss auf die
Heeresführung, denn die Ukraine ist gar nicht Hauptpunkt der
Getreideüberschüsse, produziert nur geringe Überschüsse
(S.51).
Spannung in der deutschen Führung:
-- Thomas und Backe schätzen die Gefahr der Zerstörungen
beim Russlandfeldzug am realistischsten ein. Je unsicherer
Überschüsse werden, desto brutaler muss das Vorgehen sein
-- Aussicht auf Entschärfung der deutschen
Lebensmittelversorgungslage besteht nur bei grosser
Gewaltanwendung, die mit Zerstörungen verbunden ist
-- der Russlandfeldzug wird gemäss Gerlach zum
"Vabanquespiel" (S.68).
Berlin: Der Wirtschaftsstab Ost plant 23.000 Beamte für
die Landwirtschaft im Osten
mit Aussicht auf einen Bedarf von 500.000 Beamten
(S.146) [nach dem "Blitzsieg" gegen
Moskau].
ab 23.5.1941
Berlin: Wirtschaftsanweisungen der "Grünen Mappe": Göring
unterschreibt nie
Göring unterschreibt auch die Wirtschaftsanweisungen der
"Grünen Mappe" nicht (S.47).
24.5.1941
Berlin: Disziplinarerlass von von Brauchitsch
zur "Wahrung der Manneszucht" und "Straftaten
geringer Art", unbeteiligte Fronttruppen an Suchaktionen
"Straftaten geringer Art" sollen durch
Offiziersbefehl mit Hungerhaft,
Zwangsarbeit oder Anbinden geahndet werden.
Die Fronttruppen sollen mit Such- und Säuberungsaktionen
nichts zu tun haben:
Zitat:
"Bewegung und Kampf mit der feindlichen Wehrmacht sind
eigentliche Aufgabe der Truppe. [...] Besondere Such- und
Säuberungsaktionen scheiden daher im allgemeinen für die
kämpfende Truppe aus." (S.89)
Versendung von Kriegsgerichtsbarkeitserlass Keitels vom
13.5.1941 zusammen mit dem Disziplinarerlass von von
Brauchitsch vom 24.5.1941 in einem
[an die Generäle und Offiziere] (S.89)
ab 25.5.1941
Kaum Proteste der Generalität gegen die
Kriegsgerichtsbarkeit mit Kollektivstrafen
Stabsoffiziere, General Bock und Generalfeldmarschall Kluge
erarbeiten Änderungen und Ergänzungen aus, die ebenfalls
verteilt werden, die Vorschriften aber nicht wesentlich
verändern:
-- Milderungen betreffs Truppendisziplin
-- Einschränkung der kollektiven Gewaltmassnahmen
-- Ausweitung des "Freischärler"-Begriffs
-- neue, geschicktere Begründung der
Völkerrechtsverletzungen.
Die Führung der Heeresgruppe Mitte fechtet das Prinzip der
Gewalt der Wehrmacht- und der Heeresführung nicht an (S.89).
ab Mai 1941
Berlin: Herausgabe weiterer Befehle zur
völkerrechtswidrigen Behandlung der sowjetischen
Zivilbevölkerung
gegen Kriegsgefangene und gegen Juden,
wenig Quellen vorhanden (S.91).
Berlin: Verbindungsoffizier zwischen GeQu
Abt.Kriegsverwaltung und RSHA ist Walter Bussmann
(S.153-154), der auch das Kriegstagebuch der Abteilung
Kriegsverwaltung des Generalquartiermeisters führt (S.154).
Juni 1941
BSSR: gilt als ärmstes Land im europäischen Raum
(S.101)
Zusammenfassung der wirtschaftspolitischen Richtlinien
und die "Grüne Mappe"
-- Industrie abtransportieren
-- deutsche Industrie soll die deutsch besetzten Ostgebiete
dominieren:
Zitat:
"Vom einfachsten Wasserglas angefangen beinahe alles an
Industriefabrikaten."
-- der Plan stelle ein altes deutsches Expeditionsziel seit
Ende des 19. Jh. dar
-- Konzentration des Imports v.a. auf Getreide, Ölsaaten,
Erdöl, z.T. auch Mangan und Leichtmetalle (S.65).
Berlin: Die Reichsbank billigt den Hungerplan für
Russland
(S.51). Die Zahl von 30 Mio. verselbständigt sich
und spukt in allen deutschen Stellen herum. Die BSSR ist im
"Waldgürtel" und in die geplante: Zitat: "systematische
Verkleinerung des slawischen Volkes" eingebunden. Himmler
nimmt die Millionen Toten der russischen Bevölkerung in Kauf
(S.52).
Moskau: drohender deutscher Aufmarsch wird als
politischer Druck interpretiert
Stalin interpretiert dieses Gehabe als provisorische
Massnahme und vermeidet jede Antwort, um keinen Vorwand für
einen Krieg zu liefern. Ein allfälliger deutscher Angriff
soll schnell zurückgeworfen werden.
in: Shukow: Erinnerungen und Gedanken 1976, Ost-Berlin 1987.
Deutsches Feindbild: Russen und Juden sollen alle
Kommunisten sein
-- über Jahrzehnte gewachsener Antisemitismus
-- Hass auf alles Sowjetische, das mit den Juden
gleichgesetzt wird
führt zur Bereitschaft, Russen verhungern zu lassen und
Juden zu töten (S.1135).
BSSR: Deutsche Schätzungen des
jüdischen Anteils [mit oder ohne Bialystok, Wilna?]
Schätzung von Seraphim und Engelhardt: 827.000-950.000 Juden
Schätzungen des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des
SD Minsk gehen bis zu 1,5 Mio. Juden in der BSSR, weil die
sowjetischen und polnischen Volkszählungen nach Sprachen und
nicht nach Religion gewertet hätten (S.92).
Bialystok: ca. 120.000 Juden
(S.92)
In: Turonek, Jerzy: Bialorus pod akkupacja niemiecka
(Weissrussland unter deutscher Besatzung), Warschau 1993,
S.76
Ganze BSSR: 700.000-750.000 Juden
(S.92)
In: Turonek, Jerzy: Bialorus pod akkupacja niemiecka
(Weissrussland unter deutscher Besatzung), Warschau 1993,
S.76
BSSR: Über 80 % der weissrussischen Juden wohnen in
Städten, in der Ost-BSSR 86 %
(S.93)
In: Altshuler, Distribution (sic), S.38,69
BSSR: Juden arbeiten meist in Bereichen, die die deutsche
Führung vernichten will
Gerlach:
"Das bedeutete, dass der Grossteil der jüdischen
Erwerbstätigen [in Handwerk, Verwaltung, Fabrikarbeiter,
Facharbeiter in Metall-, Textil- und Holzindustrie und
politische Funktionäre (S.93)] gerade in denjenigen Teilen
von Wirtschaft und Gesellschaft arbeitete, die in der
deutschen Planung zum 'Absterben' bestimmt waren" und in
diesem Sinn in mehrfacher Weise "überflüssig" werden.
Verfolgung der jüdischen Bevölkerung
-- weil sie Berufsgruppen angehören, die von der deutschen
Besatzung eliminiert werden
-- aus politischer Verfolgung
-- aus rassistischer Verfolgung
-- wegen der Überbevölkerungstheorien (S.93).
[nicht erwähnt: Wohnungsnot durch
Zerstörungen!]
ab Anfang Juni 1941 ca.
Berlin: Organisation antijüdischer Hetzpropaganda, dass
Juden die Urheber des sowjetischen Systems seien
was zum Schlagwort des "jüdischen Bolschewismus" führt.
Juden in der UdSSR werden alle angegriffen, verleumdet und
zum Schluss verfolgt.
Behauptung, die BSSR sei das "zweitgrösste Judenreservoir
der UdSSR mit völlig verjudeten Städten."
Im Zusammenspiel mit der Überbevölkerungstheorie, die den
Juden die Schuld für die angebliche Überbevölkerung
zuschiebt, ist die Propaganda derart manipulativ, dass sie
die Bereitschaft hervorruft, Juden zu töten, v.a. in den
Städten, wo die Wehrmachtsdienststellen die Verfolgung
zulassen (S.92).
1.6.1941
Kriegsgerichtsbarkeitserlass und Kontroverse
(S.1115)
2.6.1941
Drittes Reich: Rationierungen wegen erneut schlechter
Ernte
-- Fleischration wird von 500 auf 400 Gramm pro
Woche gesenkt
-- Einführung der Lebensmittelkarte für Kartoffeln und erste
erhebliche Engpässe, "Sommerkrise 1941"
-- Backe startet eine Aktion zur Senkung des
Geflügelbestandes wegen hohem Futtermittelverbrauch mit dem
offiziellen Motto: "Merzt die schlechten Hühner aus": Alle
Hühner, die weniger als 100-120 Eier jährlich legen, sollen
getötet werden
-- Kampagnen zur Ernte, um Versorgungsengpässe zu
überwinden, denn die Ernte muss lückenlos sein, weil sie
schon schlecht ist (S.61).
5.6.1941
Himmler-Ziel: "Deutsche Sphäre" bis über den Ural
Die deutsche Sphäre soll weit über den Ural hinausgeschoben
werden. Russland soll in einzelne Staaten zerschlagen werden
(S.1116).
6.6.1941
Kommissarbefehl: auch alle Verdächtige sollen getötet
werden
-- kommunistische Kommissare sollen auf Offiziersbefehl
"unauffällig" getötet werden
-- alle Zivilpersonen, die sich: Zitat: "einer feindlichen
Handlung schuldig machen oder einer solchen verdächtig
sind", sind zu töten
-- die deutschen Sonderkommandos bleibt die Entscheidung
über Todesstrafe bei zivilen Kommissaren und verbliebenen
"Funktionären" vorbehalten (S.90).
8.6.1941
Ergänzung von von Brauchitsch zum Kommissarbefehl,
Endfassung des Kommissarbefehl
Formulierung, dass die Todesstrafe jede Zivilperson
betreffe, die:
Zitat:
"durch eine besonders erkennbare Handlung oder Haltung sich
gegen die deutsche Wehrmacht stellt oder stellen will."
(S.90)
ab 8.6.1941
Kriegsgerichtsbarkeiserlass und Kommissarbefehl sind die
gesamte Grundlage für die deutsche Invasion
um jeglichen Widerstand bei der russischen
Bevölkerung zu brechen:
-- exzessive Vergeltungsmassnahmen
-- Straffreiheit für die Täter gegenüber beschuldigten
Zivilisten
-- Präventiver Mord am politischen Gegner (S.91).
9.6.1941
Berlin: Umbenennung der Wirtschaftsverwaltung Ost in
"Wirtschaftsstab Ost" (WiStabOst)
unter General Schubert, der dem
"Wirtschaftsführungsstab Ost" untersteht (S.143).
9.6.1941-15.7.1942
Wirtschaftsinspektion Mitte: unter Kommandeur
Generalleutnant Wolfgang Weigand
(S.146)
10.6.1941
Berlin: Backe bittet Himmler um die Zuweisung von
2000-3000 Bessarabiendeutschen
zur Verwaltung grosser Landgüter in der Sowjetunion, was
Himmler am 11.6.1941 zusagt (S.146).
10.6.1941
Berlin: General Müller: Die Wehrmacht wolle "keine
Metzeleien"
behauptet General Müller in einer Besprechung mit
dem Oberbefehlshaber des Heeres in Allenstein (S.89).
11.6.1941
Warschau: Vortrag von General Müller über
Kriegsgerichtsbarkeit: Befehl zum Abbrennen ganzer Dörfer
als Kollektivstrafe
Aufzeichnungen des Abwehroffiziers (Ic) der Panzergruppe 3:
Zitat:
"Kollektive Gewaltmassnahmen durch Niederbrennen.
Erschiessen einer Gruppe von Leuten usw." (S.88)
Berlin: General Müller: Definition der zu erschiessenden
"Freischärler"
Zitat:
"der als Zivilist die deutsche Wehrmacht behindert oder zur
Behinderung auffordert (z.B. Hetzer, Flugblattverteiler,
Nichtbefolgen deutscher Anordnungen, Brandstifter, Zerstören
von Wegweisern, Vorräten usw.)." (S.89)
Berlin: Idee von von Gersdorff, der Schonung von
Eisenbahnbeamten
Anregung von Gersdorffs an General von Schenckendorff,
Eisenbahnbeamte zu schonen, damit die Bahnbetriebe
weiterlaufen (S.1117).
13.6.1941
Kommissarbefehl
zur sofortigen Erschiessung der kommunistischen politischen
Kommissare, der gemäss Gerlach ohne Widerspruch bleibt und
in der Heeresgruppe B den Korps und Divisionen
weitergeleitet wird (S.1118-1119).
14.6.1941
Berlin: General Bock plant Selbstversorgung des Ostheeres
"aus dem Land"
Zitat Bock-Tagebuch: "so seien Ernährung und
Rohstoffversorgung für Deutschland auf absehbare Zeit
gesichert." (S.75)
19.6.1941
Ostheer: Von Tresckow, Führungsoffizier der Heeresgruppe
Mitte, befielt die Unterstellung des Kommandostabs
Reichsführer-SS unter seine Einheiten
(S.86-87).
Zitat:
"in jeder Beziehung einschliesslich Einsatz", unter den
Befehl des 42. Armeekorps der 9.Armee, zum: Zitat: "Einsatz
im Sicherungs- und Säuberungsdienst" im Raum von Bialystok.
(S.87)
20.6.1941
Berlin: Rosenberg kündigt vor seinen engsten Mitarbeitern
"brutalste Mittel" gegen die russische Intelligenz an
(S.74)
20.6.1941
Rosenberg-Rede: über BSSR: viele Möglichkeiten der
Entwicklung
-- Vorschlag: BSSR als Auffanggebiet für "unsoziale
Menschen"; ob Juden gemeint sind, bleibt unklar. Der SD
zeigt keine Reaktion (S.96). Heydrich ist scheinbar anwesend
(S.97).
-- Vorschlag, BSSR zu einem grossen Naturschutzpark zu
machen (S.96)
-- BSSR soll nur "gewisse Autonomie" erhalten (S.94).
20.6.1941 ca.
Das Ostheer bekommt 20 Tagessätze Vorrat, mehr nicht
-- kein Lebensmittelnachschub wegen fehlender
Kapazität der russischen Eisenbahnnetze
-- die Rote Armee zerstört das Schienennetz
-- die Spurbreiten sind unterschiedlich
-- Hitler sieht den Ostfeldzug weiter als ein "grosses
militärisches Risiko" an
-- die gesamte militärische und politische Führung
unterschätzt die Stärke der Roten Armee und die Tiefe des
Raumes
-- Stärke der Heeresgruppe Mitte am 22.6.1941: 1.308.308
(S.74).
ab 22.6.1941
BSSR: Gerlach-Schätzung: Flucht oder Evakuierung von
150.000-180.000 weissrussischen Juden
mit der Roten Armee nach Osten.
Gerlach:
"Etwa 150.000-180.000 weissrussische Juden retteten sich im
Sommer 1941 durch Evakuierung oder Flucht nach Osten."
(S.92, Fussnote 338)
Und dann brach der kalkulierte "Blitz" los, mit williger
Unterstützung der rassistischen "US"-Industrie...
und der "Blitz" wurde länger und länger, 3 Jahre und 10
Monate lang...