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Nachkriegszeit in Deutschland mit Hunger, Vergewaltigung und Massenmord durch die Alliierten 1945-1950

James Bacque: Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945


Kapitel 1: Ein wohltätiger Piratenstaat

Herbert Hoover und seine Leute als Retter in Europa und in der Gulag-"Sowjetunion" sind wie Piraten in Europa 1917-1923

James Bacque: Verschwiegene Schuld. Die alliierte
                  Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945.
                  Buchdeckel
James Bacque: Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945. Buchdeckel

Präsentation
von Michael Palomino (2013)

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[Der zivilisierende Genius bis 1914]

In dem Jahrhundert vor 1914 setzten die Demokratien des Westens eine Reihe von Reformen in Gang, wie die Welt sie nie gesehen hatte. Sie alle schafften grausame Institutionen ab - das Duell, die Sklaverei, religiöse Diskriminierung und Kinderarbeit. In Ontario wurde das erste universale, freie, obligatorische länger dauernde Erziehungssystem der Welt eingeführt und innerhalb von 40 Jahren perfektioniert. In den USA und Grossbritannien wurden Heilmittel für Krankheiten entwickelt, wurde die Elektrizität nutzbar gemacht und das Flugzeug erfunden, wurden Millionen Menschen vom Hunger befreit. Sämtliche Demokratien setzten Wahlreformen ins Werk, die bis zum Jahr 1925 allen Bürgern das gleiche Wahlrecht verliehen

[mit Ausnahme der kriminellen Bankgeheimnis-Geldwäsche-Schweiz, wo Frauen erst 1970 und im Kanton Appenzell Innerrhoden erst 1992 wählen durften].

In Landwirtschaft, Industrie und Wissenschaften wurden Fortschritte erzielt, die der grossen Mehrheit der Menschen einen Wohlstand bescherten, wie ihn die Welt zuvor nie gekannt hatte. Die Demokratien taten dies, ohne von Feinden bedroht zu sein und ohne die Absicht, andere Gesellschaftsformen zu überflügeln. Vielmehr geschahen diese Dinge aufgrund eines zivilisierenden Genius, der den Menschen innewohnte und der auf ihren überlieferten Anschauungen beruhte [ausser in der kriminellen Schweiz, wo die Bergvölker weiter auf Mord und Totschlag beharrten, was man zum Beispiel in der NZZ der 1930er Jahre nachlesen kann].

[Neue Religionen ab 1870: Darwin, Marx, Freud und Wettbewerb]
Die fulminante Verbesserung der Lebensqualität, die um 1900 unaufhaltsam voranschritt, wurde durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts auf ein quälendes Schritttempo verlangsamt. Diese [S.20] Katastrophen wurzelten allerdings grösstenteils im vorangegangenen Jahrhundert. Darwin, Marx und Freud hatten der Menschheit neue Religionen gegeben, denen allen der Gedanke gemeinsam war, dass die Menschen einander auf ewig bekämpfen müssen. In der Gesellschaft der Kampf der Klassen, in der natürlichen Welt der Wettbewerb der Einzelwesen untereinander und innerhalb der individuellen Seele das Ich gegen die Libido oder der Instinkt gegen das anerzogene Verhalten.

Alle diese Ideen zogen nicht in Betracht, dass der eigentliche Sinn der Gesellschaft das Zusammenwirken der Menschen zum Erreichen eines höheren Zieles ist. Allein die Zusammenarbeit ermöglicht der Gesellschaft das Überleben, doch Ideen wie permanenter Klassenkampf, Ödipuskomplex [krankhafte Liebe des Sohnes zur Mutter] und Überleben der Stärksten [rassistische Ideologie der "Auslese"] zerstörten zwischenmenschliche Beziehungen und erzeugten politische Revolutionen, Kriege zwischen den Völkern und erbhygienische Programme, die einen grossen Teil der gesellschaftlichen Katastrophen dieses Jahrhunderts darstellen.

[Ergänzung: Neue Religion: Der aggressive Zionismus
Ausserdem entstand 1896 als Folge des Dreyfus-Prozesses in Paris die aggressive Religion des "Zionismus". Eine Gruppe finanzkräftiger Juden machte es sich zum Ziel, die ganze Welt so zu manipulieren, dass Gross-Israel wieder entstehen würde, vom Nil bis zum Euphrat, frei gemäss der Prophezeiung im 1. Buch Mose, Kapitel 15, Satz 18. Das Buch "Der Judenstaat" des zionistischen Messias Theodor Herzl beschreibt das geplante Vorgehen, in Palästina Land zu kaufen und die bis dahin waffenlosen Muslime wie die Ureinwohner in den "USA" zu  vertreiben. Ab 1915 wurden die Muslime jedoch gegen die Türken bewaffnet und der Zionismus landete in der militärischen Katastrophe. Seit 1933 manipulierten die Zionisten in Zusammenarbeit mit dem NS-Regime einen Antisemitismus in Europa herbei, um möglichst viele Juden nach Palästina zu treiben, und seit 1948 haben wir die militärische Katastrophe in Palästina. Die Zionisten benutzen das Judentum für ihre Zwecke und sind nicht bereit, einen Mittelweg mit Jordanien zu suchen. Für orthodoxe Juden sind Zionisten sogar Nichtjuden. Einen Judenstaat braucht es für sie nicht, sondern der Friede mit den Muslimen von vor 1896 war viel besser].

[Diktaturen zur Durchsetzung von Reformen mit Gewalt]
Der Geist hochherziger Reformen, der im 19. Jahrhundert in England, Kanada, Frankreich und den Vereinigten Staaten geherrscht hatte, lebte auch im 20. Jahrhundert fort. Doch nun wurde die Staatsmacht von den Reformen selbst erheblich ausgeweitet, um ihre hochherzigen Ideale auch durchsetzen zu können. Bei den Faschisten und Kommunisten übernahm der Staat die reformerischen Passionen, die animierten ihn und wurden von ihm kontrolliert. Der brillante Philosoph Michael Polanyi [1891-1976, Naturwissenschaften und Theologie] formulierte den Satz: "Die hochherzigen Leidenschaften unseres Zeitalter konnten nun innerhalb der Motoren einer mitleidslosen Maschinerie der Gewalt heimlich explodieren."

1) aus: K.A. Jelinski: History and Hope: Progress in Freedom; London 1962, S.29

Was die westlichen Demokratien vor dem Schicksal der anderen Staaten bewahrte, das war die protestantische Reformation, die zuvor den Glauben der Menschen an eine zentrale Macht, sei es in Gestalt der Kirche, der Feudalmonarchie oder des modernen Staates, in Worte gekleidet und eingeschränkt hatte. Die Menschen hatten ihr individuelles Gewissen von Priestern, Aristokraten [S.21] und Bürokraten befreit, die sie durch ein umfassendes System gönnerhafter, moralischer Herablassung, durch das Klassensystem, durch die heuchlerische Unterstellung einer grundsätzlichen Sündhaftigkeit des Menschen sowie durch Gewalt unter Kontrolle gehalten hatten.

[Reformiertes "Christentum" bringt mehr Freiheiten]
In Italien, Spanien und Russland, wo die protestantische Revolution nie stattgefunden hatte, oder in Deutschland, wo sie von älteren, autoritären Traditionen überlagert worden war, hatte der Totalitarismus ein leichteres Spiel. Die besonderen Traditionen, welche die weltlichen Demokratien vor dem Totalitarismus bewahrten, waren die Gewissensfreiheit, die in der Redefreiheit zum Ausdruck kam, die Bildung der Massen, die Freiheitsgarantie durch den Habeas Corpus, das erweiterte Wahlrecht und die verschiedenen anderen verfassungsmässigen Bestimmungen zum Schutz der individuellen Rechte, die ihre Wurzel zum grössten Teil in der Reformation und der Aufklärung hatten.

[1917: Churchill will Deutschland jetzt schon aushungern - der Streit um die Hilfe für Belgien mit Herbert Hoover]
Zwei Männer, Repräsentanten dieser beiden Kräfte der Reform und Repression, lieferten sich am 18. April 1917 in London einen Kampf um die Seele der Demokratien. Der Aristokrat Winston Leonard Spencer Churchill [damals britischer Marineminister], der die zentralisierende, autoritäre, aggressive, konservative Macht des Britischen Empire vertrat, wollte die Deutschen durch eine Blockade aushungern, durch die auch Tausende von belgischen Kindern in Mitleidenschaft gezogen würden. Churchills Mitstreiter, die sich in ihren Morgenmänteln im britischen Kabinett versammelt hatten, führten an, dass die Deutschen für die Ernährung der Belgier zuständig seien, weil sie Belgien besetzt hielten. Ein Import von Lebensmitteln nach Belgien würde den wirtschaftlichen Druck mindern, den die Blockade auf die Deutschen ausüben sollte.

Churchills Gegner, ein damals noch unbekannter Bergbauingenieur namens Herbert Hoover [später Handelsminister der "USA"], vertrat den reformerischen, hochherzigen, unabhängigen Geist der Vereinigten Staaten von Amerika, der in seinem naiven Glauben an das Gute in den [S.22] demokratischen Völkern allen Welt- und Staatsmachtgelüsten ablehnend gegenüberstand.

Hoover hielt nicht viel von traditionellen, britischen Förmlichkeiten. Seine aufdringlichen Moralpredigten hatten ihm bereits ernsthafte Schwierigkeiten mit dem Vorgänger Lloyd Georges, dem aristokratischen, britischen Premierminister Herbert Asquith, eingebracht, als Hoover diesen im Jahr zuvor gebeten hatte, ihm 20.000 Tonnen kanadischen Weizens zu überlassen, die in England gehortet wurden. Die wollte er nach Belgien verschiffen, wo sieben Millionen Menschen "von einem Ring aus Stahl umgeben und völlig ausserstande waren, sich aus eigener Anstrengung zu retten". Wie Hoover selbst zugab, klärte er Asquith "mit einiger Schroffheit" darüber auf, dass die Belgier wegen der britischen Blockade Hunger leiden müssten, während die Briten behaupteten, Belgien retten zu wollen. Er wolle das kanadische Mehl nicht geschenkt haben, sondern bitte um die Erlaubnis, es zu kaufen. Falls er das Treffen ohne Mehl verliesse, sähe er sich gezwungen, dies publik zu machen, was die öffentliche Meinung in Amerika, ansonsten gegenüber Grossbritannien positiv eingestellt, empören werde. Worauf Asquith bemerkte, dass er es nicht gewohnt sei, in einem solchen Ton angeredet zu werden. Hoover entschuldigte sich umgehend; er habe sich durch die Vorwegnahme der Emotionen hinreissen lassen, die eine Ablehnung von Seiten Asquiths hervorrufen würde.

2) aus: George H. Nash: Theo Life of Herbert Hoover, Band 2, S.70

Es geschah entgegen Churchills Wünschen, dass Hoover später das ausserordentliche Privileg erhielt, dem britischen Kabinett die Gründe dafür vorzutragen, warum er seine Belgienhilfe ausweiten wollte. Er schlug vor, seine Schiffsflotte durch den britischen "Ring aus Stahl" zu senden, um den hungernden Zivilisten Lebensmittel zu bringen.

Laut David Lloyd George, dem britischen Premierminister, selbst ein grosser Redner, war Hoovers Rede "in der Tat die deutlichste Darlegung, die er je zu irgendeinem Thema gehört hatte". Hoover stand am 18. April 1917 vor dem Kabinettstisch, eine [S.23] Hand in der Hosentasche, mit der anderen leicht gestikulierend, während er flüssig sprach, ohne ein Wort zu viel oder zu wenig.

3). Die Beschreibung der Haltung und Redeweise Hoovers stammt von Nash (The Life of Herber Hoover, Band 2, S.84). Die hier paraphrasierte Passage bezieht sich allerdings bei Nash auf eine frühere Kabinettssitzung, auf der Hoover ebenfalls sprach.

Er sagte, die Alliierten führten den Krieg, um die Rechte der kleinen Demokratien wie Belgien zu schützen. Ein Sieg verdiene diesen Namen nicht, wenn aufgrund der alliierten Blockade viele Belgier verhungerten. Er bat die Minister, eine Grossmut an den Tag zu legen, die "alle Bitternis dieses Krieges überdauern würde". Am Ende rief Lloyd George aus: "Ich bin überzeugt. Sie haben meine Erlaubnis."

Die Gründe, die Hoover zur Rettung der Belgier anführte, bezeichnete man in damaliger Zeit als "sentimental", weil man meinte, dass sie in trivialen Gefühlen ihren Ursprung hätten, die man normalerweise dem schwächeren Geschlecht zuschrieb. Für viele aggressive Weltreich-Erbauer wie Churchill war man "schlecht beraten", danach zu handeln. Wie Hoover beobachtete, glaubte Churchill, dass der "Begleitumstand einer Hungersnot unter Frauen und Kindern gerechtfertigt war, wenn sie zu einer früheren Beendigung des Krieges durch Sieg beitrug."

4) Herbert Hoover: An American Epic, Band IV: The Guns Cease Killing and the Saring of Life from Famine Begins, S.17

Das gesamte Programm der Belgienhilfe hing "an einem dünnen Faden der Gefühlsregungen", wie Hoover sich ausdrückte.

5) Herbert Hoover: Memoirs, Band 1: Years of Adventure

[Churchill hatte Hoover schon 1915 der "Spionage für Deutschland" beschuldigt - Hoovers Humanität besiegt Churchill]
Dieser dünne Faden war es, den Churchill zu durchtrennen gedachte. Bereits 1915 hatte er als Erster Seelord (Marineminister) damit begonnen, indem er Hoover der Spionage für Deutschland bezichtigte. Der Fall ging zur Untersuchung an die King's Bench, die Erste Kammer des Obersten Gerichtshofs, wo Hoover nicht nur völlig rehabilitiert, sondern von dem vorsitzenden Richter auch noch belobigt wurde.

Das war Churchill jedoch egal, der sich jetzt mit Lord Kitchener zusammentat, um sich Hoovers Rettungsplan entgegenzustellen. Und wiederum erhielt er eine Abfuhr. Das Kabinett beschloss, Hoover mit der gewichtigen Summe von einer Million Pfund Sterling pro Monat zu unterstützen, die als Spende an den "Hoover Fonds" gehen sollten.

6) Herbert Hoover: Memoirs, Band 1: Years of Adventure, S.168

Doch auch jetzt war die Opposition noch nicht zum Schweigen gebracht: Weitere Diskussionen [S.24] folgten; das Kabinett konnte sich über die tatsächliche Zahlung der Mittel nicht einigen. Deutsche wie Belgier produzierten Probleme statt Lösungen, so dass ein Geringerer als Hoover hätte verzweifeln können.

Er verfügte über Dutzende hingebungsvolle Helfer, die seine Anweisungen buchstabengetreu ausführten und für die er einfach der "Chief" war. Der Ausschuss für die Belgienhilfe war "ein Piratenstaat zu Wohlfahrtszwecken", wie ein britischer Regierungsbeamter es ausdrückte. Der Ausschuss führte seine eigene Flagge, verfügte über eine Schiffsflotte, die 1919 in die Hunderte ging, sowie über ihr eigenes Kommunikationssystem; er verhandelte mit europäischen Staaten, als ginge es um internationale Verträge, er sammelte riesige Geldsummen und gab sie aus, er entsandte Emissäre, die mit einem passartigen Dokument ausgestattet waren, über Frontgrenzen, und wenn die Ausschussmitglieder fürchteten, sie könnten bespitzelt werden, dann kommunizierten sie untereinander in ihrem eigenen Geheimcode: amerikanischem Slang.

7) George H. Nash: The Life of Herbert Hoover, Band 2, Kap. 4; Herbert Hoover: Memoirs, Band 1, S.152ff.

Hoover hatte all dies bereits organisiert, als er in jenem April zu der Kabinettssitzung ging. Ohne es zu wissen, hatte er die Idee der universalen "Menschenrechte" erfunden. Dieser Begriff, der uns heute so vertraut ist, war am Konferenztisch des britischen Kabinetts noch unbekannt,

8) Minutes of British War Cabinet Meeting (Sitzungsprotokoll des britischen Kriegskabientts) Nr. 122, 18. April 1917, auf Mikrofilm in NAC [National Archives of Canada]

wenn auch ein freiwilliger, unverbindlicher Gnadenakt zur Rettung von Menschenleben nicht verworfen wurde, wenn er nicht gerade bolschewistisch angehaucht oder gegen imperiale Interessen gerichtet war.

Dass Hoover eingeladen wurde, zu Kriegszeiten in einer Sitzung des britischen Kabinetts das Wort zu erheben, war an sich schon erstaunlich. Der Krieg befand sich in der Defensive, und was Hoover vorschlug, konnte das Kriegsglück nicht wenden. Doch die Alliierten hatten gesagt, sie führten den Krieg für genau die Ideale, die Hoover vertrat. Die rebellierenden, alliierten Truppen wurden gedrängt, weiter gegen einen barbarischen Feind zu kämpfen [S.25], von dem es jetzt hiess, er verbrenne Bibliotheken und mache sich einen Sport daraus, in Belgien kleine Kinder auf Bajonette zu spiessen. Mit Hoover diskutierten die britischen Minister darüber, welchen Sinn der Krieg überhaupt habe, so wie er den eigenen Truppen gegenüber dargestellt worden war. Hoovers "sentimentale", humanistische Argumente waren gerade eben stark genug, inmitten des schrecklichsten Konfliktes, den die Menschheit bis dahin vom Zaun gebrochen hatte, ausnahmsweise einmal der Barmherzigkeit zum Sieg zu verhelfen. Das Kabinett setzte sich über Winston Churchill hinweg, und Hoovers Samariterschiffe dampften gen Belgien.

[Hoovers Hilfe für Notleidende in den "USA", in Polen, russische Kriegsgefangene in Deutschland ab 1918]
Dies war eine Phase in der Karriere eines grossen Retters. Hoover war ein amerikanischer Bergwerksingenieur, der damals in London lebte und ehrenamtlich amerikanischen Landsleuten half, die durch den Ausbruch des Krieges 1914 in Europa auf dem trockenen sassen. Hoover vernachlässigte sein profitables Geschäft, um sein Geld und Organisationstalent dafür einzusetzen, Transportmöglichkeiten, Kredite, Visa, Genehmigungen, Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung und Unterkunft für die zahlreichen Amerikaner zu beschaffen, die Europa verlassen und ins friedliche Nordamerika zurückkehren wollten, das damals noch nicht am Krieg beteiligt war. Im Verlauf jener wenigen Wochen des Jahres 1914 wurde in Hoover eine Leidenschaft geboren, die ihn nie mehr verliess, und auf die auch die hungernden Millionen immer bauen konnte, die sich an ihn wandten, wenn alle anderen versagt hatten.

Nach den gestrandeten Amerikanern kamen die Polen an die Reihe. Sie baten ihn um Mithilfe bei der Beschaffung von Lebensmitteln nach der deutschen Invasion 1914. Hoover bildete einen Ausschuss aus grosszügigen Amerikanern, darunter vielen Polen-Experten. Sie sammelten Geld und Hilfsgüter, beschafften Auslandskredite und Genehmigungen für den Transit durch Drittländer und setzten die Operation in Gang [S.26].

Hoover hatte sich während dieser und der belgischen Hilfekampagne als so verlässlich, tatkräftig, ehrlich, diskret, gut organisiert, phantasievoll, verständig und wohlwollend erwiesen, dass sich im Jahr 1918 der Präsident der Vereinigten Staaten Woodrow Wilson, seiner inzwischen nicht nur zur Organisation von Lebensmittel- und anderen Hilfeleistungen bediente, sondern sich auch von ihm hinsichtlich der Konsequenzen solcher Hilfsaktionen beraten liess. Zum Beispiel befanden sich nach Kriegsende noch Millionen russischer Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft. Bis der Frieden von Brest-Litowsk im März 1918 den russisch-deutschen Krieg beendete, hatten auch die Russen viele deutsche Gefangene gehabt. Beide Seiten behandelten ihre Gefangenen relativ gut, solange dieses gegenseitige Geiselsystem funktionierte, doch mit der Rückkehr der deutschen Gefangenen nach dem Friedensschluss brach das System zusammen, und die Russen, die noch in Deutschland interniert waren, begannen zu hungern.

[Die Hungersnot in Deutschland 1918 - von den Westalliierten so gewollt - und die russischen Kriegsgefangenen in D hungern]
Nachdem der Waffenstillstand von Compiègne im November 1918 auch die Kämpfe im Westen beendet hatte, erhielten die Westmächte die Seeblockade aufrecht, was die Deutschen nicht nur der Möglichkeit beraubte, Nahrungsmittel zu importieren, sondern auch durch Übersee-Exporte die zum Kauf ausländischer Lebensmittel notwendigen Devisen zu verdienen. Nun begannen auch deutsche Frauen und Kinder zu hungern, was genau der Absicht der Westalliierten entsprach, denn sie wollten den Druck auf die Deutschen aufrechterhalten, um sie zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages zu zwingen.
[Gleichzeitig stand die französische Armee an der Grenze und drohte laufend mit einem Marsch nach Berlin].

Die Westalliierten scherten sich nicht im geringsten darum, dass die Deutschen das Waffenstillstandsabkommen auf der Grundlage von Wilsons Vierzehn-Punkte-Programm unterzeichnet hatten, das auch die Aufhebung der Blockade beinhaltete. Die Vierzehn Punkte sollten den Rahmen des Friedensvertrages bilden, so dass auf der Pariser Friedenskonferenz, an der neben Wilson auch Hoover teilnahm, nur noch Einzelheiten der Friedensbedingungen auszuarbeiten [S.27] gewesen wären, auf die sich die Kriegsgegner im Prinzip schon geeinigt hatten.

Deshalb also begannen die russischen Kriegsgefangenen zu hungern, während sich die Alliierten fragten, was sie dagegen tun könnten. Ernährten sie sie, so würde der Druck auf die Deutschen verringert. Führte man die Gefangenen nach Russland zurück, so würden sie möglicherweise mehr oder weniger freiwillig in die Rote Armee rekrutiert, und dieser Gedanke entsetzte die Westalliierten. Unternahmen die Alliierten nichts, so würden die Russen sterben, lange nachdem die Kämpfe beendet waren.

Im Februar 1919 unterbreitete Hoover Präsident Wilson einen Plan, der eine Möglichkeit bot, die gesetzlichen Restriktionen zu umgehen, die der amerikanischen Hilfe für die russischen Gefangenen im Wege standen. die Russen verhungerten inzwischen "massenhaft, durch Vernachlässigung", wie Hoover an Wilson schrieb.

9) Hoover an den Amtierenden (US-)Aussenminister, Paris, 25. Dezember 1918; In: Paris Peace Conference, 1919, Band II, S. 477f.; Zitiert in: E.F. Willig: Herbert Hoover and the Russian Prisoners of World War I, S.22

Da sein Hilfsfonds durch amerikanisches Gesetz auf wohltätige Zwecke beschränkt war und da die Gefangenenhilfe nach internationaler Gepflogenheit bereits dem Roten Kreuz und der gefangenhaltenden Macht - also Deutschland - oblag, war es nicht ganz legal, wenn Hoover amerikanische Hilfe lieferte. Doch Hoover setzte dem Präsidenten auseinander, Gegenstand der Fürsorge für die Gefangenen sei "es, zu verhindern, dass sie mitten im Winter nach Russland zurückkehren und in die bolschewistische Armee eintreten, und das ist dann ausschliesslich ein militärischer Zweck". Er fragte sich, ob nicht die US-Armee eigentlich verpflichtet sei, Vorräte zur Verfügung zu stellen, um die Russen sowohl vor dem Verhungern als auch vor dem Bolschewismus zu bewahren - was in Hoovers Augen ein und dasselbe war. Die Army hatte mehr als genügend Vorräte, ihre Kommunikationswege waren wesentlich für die Verteilung, und es würde keine Fragen geben, nachdem die Entscheidung einmal gefallen war. Die Lebensmittel gingen also auf die Reise, und viele Leben wurden gerettet. Dies war der erste einer langen Reihe von amerikanischen Samariterdiensten an den Sowjets trotz [S.28] deren erklärtem Ziel, den amerikanischen Kapitalismus mit Gewalt auszurotten.

[Hoovers Geldsammlung 1919 und Speisungen in Polen 1920 - eine polnische Kinderparade zu Ehren Hoovers]
Hoover rettete die Kommunisten nicht, weil er ihre Politik billigte, sondern weil es weise war. Er hatte keinen Zweifel, dass das kommunistische System bald "unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrechen" würde, weil der Kommunismus in seinen Augen eine ausgesprochen dumme Ideologie war. In der Zwischenzeit konnte er die haushohe Überlegenheit der kapitalistischen Demokratie unter Beweis stellen und gleichzeitig die Leben derer retten, die bald zur richtigen Einsicht kommen würden. Er reiste durch die Vereinigten Staaten und trieb in Lichtgeschwindigkeit dringend benötigtes Geld auf. Bei einem einzigen Dinner kassierte er über eine Million Dollar (15-20 Millionen Dollar nach heutiger Kaufkraft [1995]) bei einigen von Amerikas reichsten Männern, die 1000 Dollar pro Gericht bezahlten, um ihn reden zu hören, während sie auf die Portion Reis und Kartoffeln auf ihren Tellern starrten, mit der sich die Kinder in Polen für einen ganzen Tag begnügen mussten. Hauptsächlich seinen Überredungskünsten war es zu verdanken, dass die US-Regierung Polen über 159 Millionen Dollar an Subventionen und Krediten gewährte, was etwa 2-2,5 Milliarden heutigen Dollar entspricht.

Im Jahr 1920 speiste die American Relief Administration, deren Mitarbeiter zumeist ehrenamtlich oder für ein Taschengeld tätig waren, täglich über eine Million polnische Kinder an 7650 Verteilungspunkten. All dies brachte Hoover mit einem Minimum an Regierungshilfe und unter grosser Beteiligung der Öffentlichkeit zuwege. Wie er Kriegsminister Robert Patterson im Jahr 1946 erklärte, gab es 1919 eine derartige öffentliche Zustimmung zu seinen Massnahmen, dass überhaupt keine Notwendigkeit bestand, dem amerikanischen Volk mit dem Schreckgespenst deutscher Hungeraufstände zu drohen. 1919 und 1946 war die Reaktion der Öffentlichkeit die gleiche: Speise die Hungernden. Und Hoover war bereit, ihrem Wunsch Folge zu leisten.

Als Hoover 1919 Polen besuchte, hielten etwa 30.000 Kinder [S.29] auf einem grasbewachsenen Sportplatz in Warschau ihm zu Ehren eine Parade ab.
"Sie trugen dieselben Blechtassen und -teller in der Hand, aus denen sie an diesem Tage ... dank der von Hoover organisierten und geleiteten Wohltätigkeit Amerikas ihr spezielles Gericht für diesen Tag gegessen hatten, und sie hielten die kleinen Papierservietten, auf welche die Flagge der Vereinigten Staaten aufgedruckt war und die sie über dem Kopf schwenken konnten ... Diese Tausende dem Hungertod entkommener Kinder marschierten in fröhlichen, endlosen Reihen an dem Podium vorbei, auf dem der Mann sass, der sie gerettet hatte ... Sie marschierten und marschierten und jubelten und jubelten .. bis plötzlich ein verschrecktes Kaninchen aus dem Gras hüpfte und die Laufbahn entlanghoppelte. Da löste sich die Marschordnung auf, und die Kinder jagten wie verrückt hinterher, jauchzend und schreiend."

10) Vernon Kellog; Zitiert in: Geroge J. Lerski: Herbert Hoover and Poland, S.20

Neben Hoover stand der Leiter der französischen Mission, General Henrys, ein hartgesottener Soldat und Weltkrieg-I-Veteran, dem die Tränen herunterliefen, bis er schliesslich überwältigt das Podium verliess. Als er sich später verabschiedete, sagte er zu Hoover: "Noch nie in der Geschichte hat es eine Ehrenparade gegeben, die ich lieber für mich selbst hätte, als die, welche Ihnen heute dargebracht wurde." Auch Hoover konnte sich angesichts dieser Menge fröhlicher Kinder Tränen der Freude nicht verkneifen.

11) Hoover: Memoirs, S.360

[Versailles 1919 bringt nur noch mehr Konflikte - Nationalitäten und 6 Millionen Juden in Osteuropa in Gefahr - der Bolschewismus wird bald zusammenbrechen, dachten sie alle]
In der Arbeit, die Hoover so tatkräftig und mit riesigem Erfolg in Angriff nahm, zeichneten sich viele der Probleme ab, die uns bis zum heutigen Tag [1995] verfolgen. Die rachsüchtigen Friedensbedingungen von Versailles, die er gern vernünftiger gestaltet hätte, führten direkt zum Zusammenbruch der Weimarer Republik und [S.30] zum Aufstieg Hitlers; die Nationalitätenkonflikte unter Serben, Bosniern, Kroaten usw., die dem Ersten Weltkrieg vorausgingen, dauern bis zum heutigen Tage fort; die Grausamkeiten und Fehlleistungen Sowjetrusslands finden erst jetzt ein Ende; die Kommunisten, die 1949 in China triumphierten, drangsalieren weiterhin ein Viertel der Menschheit; Berichte über angebliche antisemitische Ausschreitungen in Osteuropa warfen ihren Schatten auf Hitler und das Schicksal der europäischen Juden voraus, bis hin zu Berichten über "einen Holocaust ..., in dem sechs Millionen Menschen [Juden] von einem grausamen, schonungslosen Schicksal dem Grab entgegengewirbelt werden".

12) Martin H. Glynn: The Crucifixion of Jews Must Stop; In: The American Hebrew, 31. Oktober 1919, S.582. Glynn war 1913-14 der 40. Gouverneur des Staates New York.

Als Hoover diese Berichte von Übergriffen in Polen zu Ohren kamen, riet er Präsident Wilson, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Unter den von Hoover empfohlenen Mitgliedern dieses Ausschusses befand sich Henry C. Morgenthau, der den Bericht an Wilson vorbereiten half, durch den "Unwahrheiten aufgedeckt und eine allgemein gesündere Atmosphäre geschaffen wurden."

13) Francis William O'Brien (Hrsg.): Two Peacemakers in Paris, S.166-167; Und: Hoover: Memoirs, S.358

Hoover kümmerte sich persönlich um alle diese Schwierigkeiten. Er sah die Konsequenzen und sagte akkurat voraus, wie alles enden würde. Auf die Hauptbedrohung Europas, den Bolschewismus, hatte er ein besonders scharfes Auge geworfen. Im März 1919 teilte er dem Präsidenten mit:

"... der Bolschewik hat in einem Grade zu Terror, Blutvergiessen und Mord Rekurs genommen, wie ihn selbst die reaktionärsten Tyrannen seit langem aufgegeben haben. Er ist dabei, seinen verbrecherischen Instinkten in noch stärkerem Masse gefolgt, um seine Doktrinen zu verbreiten, als es unter autokratischen Regimen üblich war. Indem er die Schreie der Hilflosen und Unterdrückten in seine Doktrin einhüllte, hat er sich einen hohen Grad an Emotionalismus zu eigen gemacht und seiner Propaganda hierdurch eine Triebkraft verliehen, die sich nur mit der Triebkraft grosser, spiritueller Bewegungen [S.31] vergleichen lässt ... Ich fürchte mich nicht vor ihrer Propaganda in den Vereinigten Staaten."
Bolschewistische Propaganda beeindruckte ihn nicht, weil er wusste, dass das System mit Defekten behaftet war, die es auch ohne äusseren Druck zerstören würden. Wilson erklärte er: "Früher oder später wird die bolschewistische Regierung unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbreche, oder sie wird weit genug nach rechts geschwenkt sein, um in einer ordnungsgemäss repräsentativen Regierung aufzugehen."

14) O'Brien (Hrsg.): Two Peacemakers in Paris, S.186

Hoover sprach sich für eine "grosszügige, finanzielle und moralische Unterstützung durch die alliierten Regierungen" aus, um in der Sowjetunion eine neue Regierung etablieren zu helfen.

15) O'Brien (Hrsg.): Two Peacemakers in Paris, S.186-187

In jedem Detail seiner Analyse des bolschewistischen Problems und der zukünftigen Entwicklung lag Hoover absolut richtig; seine Vorhersage erfüllte sich in jeder Beziehung. Lediglich stalinistische Greueltaten, wie die Welt sie sich niemals hatte vorstellen können, das Ausbleiben christlichen Widerstandes und die von Europäern und Nordamerikanern begangenen Fehler hielten das Regime Jahrzehnte länger an der Macht, als Hoover vorausgesagt hatte.

[Hoover idealisiert die "USA" - Hoovers Hungerhilfe für die Welt im Krieg 1919]

Er sah die Hoffnung der Welt in seinem eigenen Land. An Wilson schrieb er:
"Mir wird täglich von neuem klar, dass die Vereinigten Staaten heutzutage die einzige, grosse moralische Reserve der Welt darstellen und dass wir uns diese Freiheit des Handelns, durch welche diese  Reserve bewahrt werden soll, nicht erhalten können, wenn wir uns über mehrere Jahre hinweg in detaillierte, europäische Verwicklungen hineinziehen lasse. Nach meiner Sicht sollten wir uns, wenn die Alliierten nicht dazu gebracht werden können, auf der Grundlage der 14 Punkte Frieden zu schliessen, mit Sack und Pack aus Europa davonmachen und unsere wirtschaftliche und moralische Stärke der gesamten Welt zur Verfügung stellen, sonst wird die Welt in einem Meer [S.32] des Elends und der Katastrophen versinken, schlimmer, als es im Mittelalter war ..."

16) Hoover an Wilson, März und April 1919; In: O'Brien (Hrsg.): Two Peacemakers in Paris, S.115

Zu Deutschland meinte er in düsterer Vorahnung, dass
"die Blockade aufgehoben werden sollte ... [Es] sollte diesen Menschen erlaubt werden, die Produktion wiederaufzunehmen, nicht nur, um sie vor Hunger und Elend zu bewahren, sondern damit in ihnen eine gewisse Entschlusskraft zur Fortsetzung ihres nationalen Lebens erwacht ... Die Menschen befinden sich schlicht in einem Zustand moralischen Zusammenbruchs ... Wir vertreten seit einem Monat die Ansicht, dass es jetzt zu spät ist, die Lage noch zu retten."

17)
Hoover an Wilson, März und April 1919; In: O'Brien (Hrsg.): Two Peacemakers in Paris, S.129
Unter dem mächtigen Druck, den Hungernden Lebensmittel zu bringen, der manch anderen veranlasst hätte, einseitig zu handeln, um Zeit zu sparen, beachtete Hoover stets gewissenhaft die Beschränkungen des ziemlich nebelhaften Mandats, das Woodrow Wilson ihm erteilt hatte. Wann immer er meinte, sich einer Grauzone seiner Macht zu nähern, warnte er Wilson, dass er im Begriff stehe, an die Grenzen seines Mandats zu stossen und ohne weitere Vollmacht oder Hilfe nicht mit dem ihm zur Lösung anvertrauten Problem fertig werden könne. Anschliessend wies er auf die Konsequenzen der Untätigkeit hin und gab Ratschläge zur Lösung des Problems. Sehr oft nahm Wilson seinen Rat einfach an, ohne erst Rücksprache mit anderen zu halten. Dann zeichnete er Hoovers Briefe mit einem schlichten "Genehmigt, Woodrow Wilson" ab.

18)
Hoover an Wilson, März und April 1919; In: O'Brien (Hrsg.): Two Peacemakers in Paris, S.xlii

Henry L. Stimson zufolge, der in den frühen dreissiger Jahren Präsident Hoovers Aussenminister gewesen war, besass Hoover "unter allen Männern, die ich jemals kannte, das grösste Talent zur Assimilierung und Organisation von Material."

19) ebenda

Bei alledem verfolgte Hoover keinerlei persönliche Interessen, sondern sah ausschliesslich die Interessen der Leidenden und [S.33] Unterdrückten, der unter den Ketten der kaiserlichen Panzer Zermalmten. Er war in erster Linie ein Menschenfreund, zugleich aber auch von ganzem Herzen Amerikaner. Zum Teil beruhten seine Gefühle für die Vereinigten Staaten auf deren Fähigkeit, die eigenen Sorgen beiseite zu lassen, um sich dem Wohle der Welt zu widmen.

Aufgrund seiner supranationalen Zielsetzungen rettete er Millionen Menschenleben, während andere führende Staatsmänner, zumal die Teilnehmer an der Pariser Friedenskonferenz, keinerlei Ahnung hatten, wie es nach dem Zusammenbruch weitergehen sollte, und sich darauf beschränkten, ihre Wunden zu lecken. Sie hielten sich für Praktiker und Realisten; ein brillanter Beobachter der Konferenz jedoch, der britische Aussenminister Arthur James Balfour, bezeichnete sie als "diese drei allmächtigen, allunwissenden Männer, die da sitzen und ganze Erdteile aufteilen, und nur ein Kind sitzt dabei, um für sie Protokoll zu führen".

20) A.J. Balfour; Zitiert in: Nigel Nicolson: Porträt einer Ehe; Frankfurt am Main - Berlin 1993, S.180

Das "System", das sie ausarbeiteten, war so primitiv wie eine Steinaxt: entweder Waffenstillstand, oder es gibt ein Gemetzel. Der Waffenstillstand dauerte dann auch nur so lange, wie die Furcht von Groll überwog. Hoover sah die Folgen ihrer Entschlüsse voraus, er beschrieb sie in aller Deutlichkeit, und er setzte seine Ansichten innerhalb des ihm übertragenen Mandats erfolgreich in die Tat um. Dies konnte er tun, weil er vor allen anderen erkannte, dass es damals im nationalen Interesse lag, sich über das nationale Interesse emporzuschwingen.

[Ein Dankschreiben aus Moskau an Hoover 1923 - Hoover und Wilson haben 1919-1923 die "Sowjetunion" gerettet]

1923 erhielt Hoover ein Dankschreiben für seine Arbeit, das von dreien der höchsten sowjetrussischen Regierungsvertreter unterzeichnet war. Der Brief aus dem Kreml, datiert Moskau, 10. Juli 1923 und unterzeichnet von L. Kamenew, Amtierender Präsident des Rats der Volkskommissare, sowie von N. Gorbunow und L. Fotiewa, Mitgliedern des Rats, lautete:
"Uneigennützig kam die A.R.A. [American Relief Administration] dem Volk zu Hilfe und organisierte auf breiter Basis [S.34] die Lieferung und Verteilung von Nahrungsmitteln und anderen Gütern des lebensnotwendigen Bedarfs.

Dank den ungeheuren und völlig uneigennützigen Anstrengungen der A.R.A. wurden Millionen Menschen aller Altersstufen vor dem Tod bewahrt, und ganze Bezirke und sogar Städte wurden vor der schrecklichen Katastrophe errettet, von der sie bedroht waren.

Nun, da die Hungersnot vorüber ist und sich die kolossale Arbeit der A.R.A. ihrem Ende nähert, betrachten es die Kommissare des Volkssowjets als ihre Pflicht, im Namen der Millionen geretteten Menschen und im Namen der gesamten Arbeiterschaft Sowjetrusslands und der Föderierten Republiken, vor der gesamten Welt dieser Organisation, ihrem Leiter, Herbert Hoover, ihrem Vertreter in Russland, Colonel Haskell, und allen Mitarbeitern ihren tiefsten Dank auszusprechen und zu erklären, dass die Bewohner der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken niemals die ihnen vom amerikanischen Volk durch die A.R.A. geleistete Hilfe vergessen werden, die sie als Unterpfand der zukünftigen Freundschaft zwischen den beiden Nationen betrachten."

21) O'Brien (Hrsg.): Two Peacemakers in Paris, S.156

Und in der Tat, die Freundschaft dauert bis heute an [1995]. Siebzig Jahre später benötigen sie noch immer Lebensmittel, und wir im Westen haben uns mit den Amerikanern zusammengeschlossen und schicken sie ihnen. Jetzt, im Jahre 1995, verstehen wir, dass Hoover 1920 die Wahrheit aussprach, als andere stumm blieben. Offenbar war er in jenen Tagen, vor so langer Zeit und unter ganz anderen Umständen, ein Prophet der heutigen Zeit. Dabei befolgte er lediglich die christlichen Grundsätze unserer westlichen Gesellschaft, dem Feind zu vergeben und dem Gutes zu tun, der einem Leid zugefügt hat. Man könnte sagen, dass gar keine Voraussicht im Spiel war. Hoovers Ideen sind, wie Gandhi von seinen eigenen Ideen sagte, so alt wie die Berge und ebenso dauerhaft [S.35].

[Hoovers Programm für deutsche Frauen und Kinder 1919 - die Alliierten erpressen Deutschland 1919 - britische und französische Beamten blockieren Hoovers Hungerhilfe für Deutschland - Massenmord an 1 Million Deutschen durch Briten und Franzosen]

1919 nahm Hoover an einer Konferenz in Brüssel teil, um den Deutschen eine von ihm selbst erdachte Formel zur Lösung des Blockadeproblems zu präsentieren. Ein britischer Admiral, der engstirnige, arrogante Sir Rosslyn Wemys, war der Leiter der britischen Delegation. Eines Tages begegnete er Hoover im Hotelfoyer und sagte brüsk zu ihm: "Junger Mann, ich verstehe nicht, warum ihr Amerikaner die Deutschen speisen wollte." Worauf Hoover sofort entgegnete: "Alter Mann, ich verstehe nicht, warum ihr Briten [die deutschen] Frauen und Kinder auch noch hungern lassen wollt, nachdem sie bereits Prügel bezogen haben."

22)
Hoover: Memoirs, S.345

Von Brüssel fuhr Hoover weiter nach Paris, wo er Präsident Wilson half, die Einzelheiten des Friedensvertrages mit Deutschland auszuarbeiten. Dabei hatte er sich immer noch mit dem Racheengel Winston Churchill auseinanderzusetzen, der sich im Unterhaus energisch für eine Fortsetzung der Blockade aussprach. "Deutschland ist nahe am Verhungern. ... Unter dem Druck von Hunger und Unterernährung besteht die grosse Gefahr eines Zusammenbruchs der gesamten Struktur des sozialen und nationalen Lebens in Deutschland. Daher ist jetzt der Zeitpunkt für eine Einigung gekommen."

23) Hoover: Memoirs, S.341

Nicht nur Hoover und Wilson widersetzten sich Churchill, sondern auch dessen ehemaliger Verbündeter Francesco Nitti, Ministerpräsident von Italien, der sagte:
"Es wird für immer ein schrecklicher Präzedenzfall in der modernen Geschichte bleiben, dass entgegen allen Zusagen, allen Gepflogenheiten und Traditionen die Vertreter Deutschlands nicht einmal angehört wurden; nichts anderes blieb ihnen übrig, als einen Vertrag zu einem Zeitpunkt zu unterzeichnen, als Hunger und Erschöpfung und drohende Revolution es unmöglich machten, ihn nicht zu unterzeichnen."

24) Hoover: Memoirs, S.341

Hoover legte beim britischen Premierminister, Lloyd George, Protest ein, der seinerseits Hoover umgehend dafür kritisierte [S.36], dass dieser die Lebensmittel noch nicht auf den Weg gebracht hatte. Da bekam er aber etwas von Hoover zu hören! In einem "Redeschwall, an den er sich noch in seinem Grab erinnern sollte", geisselte er die britischen und französischen Beamten, die sein Rettungswerk behinderten. Hunderttausende Tonnen Lebensmittel, erklärte er Lloyd George, warteten auf den Docks von Rotterdam darauf, rheinaufwärts nach Deutschland befördert zu werden, während Deutschland hungerte, und er wies darauf hin, dass die britische Marine sogar die deutschen Fischerboote am Auslaufen hindere [Verbot des Fischfangs]. Zwischen einer halben und einer Million Deutsche verhungerten in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.

Dem Premierminister mitten ins Gesicht sprach Hoover von der "zugreifenden Art Ihrer gaunerhaften Lakaien". Wie er später trocken bemerkte, war Lloyd George ein zwar überarbeiteter, aber vernünftiger Mann.

25) Hoover: Memoirs, S.342

Lloyd George zitierte Hoovers Worte später in einer Rede, in der er nun seinerseits speziell die Franzosen aufforderte, ihre Obstruktionspolitik aufzugeben; sie würden sich sonst "mit Lenin und Trotzki in die Reihe derer stellen, die den Bolschewismus in Europa verbreitet haben." [S.37]

26) Hoover: Memoirs, S.344

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