Melanie* aus Deutschland besucht Anfang Juni diesen Jahres ihren Freund, der an der Fachhochschule Nordwestschweiz studiert. Sie kommt mit dem Auto und parkiert dieses in der Nähe des Campus. Am nächsten Tag - die junge Studentin will wieder nach Hause fahren - findet sie ihren Wagen, durch die Nummernschilder gut als deutsch identifizierbar, beschädigt auf dem Parkplatz vor.
Auf der Beifahrertür prangt ein 30 Zentimeter grosses Hakenkreuz. Die zu Hilfe gerufene Polizei, die die Anzeige wegen Sachbeschädigung bestätigt, geht von einem Schaden im Wert von 3000 Franken aus.
Die Sachbeschädigung an Melanies Wagen ist kein
Einzelfall. Wie die Studentin durch einen privaten
Zeugenaufruf erfuhr, hatte sich unlängst ein nahezu
identischer Vorfall ereignet. Andere Deutsche
erzählen, dass sie in Restaurants nicht bedient
werden, dass sie beschimpft und bei der Wohnungssuche
diskriminiert werden.
«Keine Deutschenfeindlichkeit»
«Es gibt Klagen von deutschen Touristen», bestätigt
Véronique Kanel, Sprecherin bei Schweiz Tourismus.
Dabei handle es sich aber um Einzelmeinungen, wie sie
auch von anderen Gästen geäussert würden. «Man kann
nicht davon sprechen, dass Touristen in der Schweiz
auf irgendeine Art von Deutschenfeindlichkeit stossen
würden», beschwichtigt Kanel.
Anders sieht es Michael Engler, der in Zürich eine
Selbsthilfegruppe für Deutsche gegründet hat. Er
berichtet etwa von Rentnern, die sich aus Angst vor
Anfeindungen kaum noch vor die Tür trauen. Gemäss
Engler hat sich die Entwicklung in den letzten Monaten
nochmals verschärft. Er sieht auch die Politik in der
Verantwortung. Gewisse politische Kreise würden das
vergiftete Klima noch fördern. «Ausserdem schlagen
sich alle politischen Auseinandersetzungen zwischen
beiden Staaten sich auf das Verhältnis von Schweizern
und Deutschen nieder.»
Streitthemen gibt es genug: Steuerabkommen,
Steuer-CDs, Flughafenlärm, um nur drei zu nennen. «Ich
finde es scheinheilig, wenn Politiker jetzt sagen,
dass die Beziehung zwischen Deutschen und Schweizern
wunderbar sei», sagt auch Renate Schwarzer, Gründerin
einer Selbsthilfegruppe für Deutsche in Bern. Die
Fronten seien verhärtet, bestätigt sie Englers
Eindruck. Aus ihrer Sicht gingen vor allem die
Schweizer auf Abstand. Allerdings geht es auch
umgekehrt: Wie die Zeitung «Der Sonntag» berichtete,
kursieren in Berlin unterdessen derbe
schweizerfeindliche Witze.
«Schäme mich in Grund und Boden»
Daher wollen weder Schwarzer noch Engler ihre
Landsleute uneingeschränkt verteidigen. «Deutsche tun
sich schwer, ihren Statuswechsel zu akzeptieren», sagt
Schwarzer. «Sie sind plötzlich Ausländer - weil ihrer
Meinung nach in der Schweiz alles ähnlich ist wie in
Deutschland, erkennen sie das nicht.»
Auch Engler äussert ein wenig Verständnis für die
zornigen Schweizer: «Wenn ich manchmal Landsleute von
mir erlebe, schäme ich mich in Grund und Boden.» Doch
der laute, arrogante und dominante Deutsche sei ein
Einzelfall. Sinn der Zürcher Gruppe, sagt er, sei
daher auch, die Vorurteile und Klischees zu bekämpfen,
indem man ganz persönlich auf den jeweils anderen
zugehe und lerne, ihn als Individuum wahrzunehmen.
Besser Englisch sprechen
Studentin Melanie lässt ihr Auto nun an der Grenze
stehen, wenn sie ihren Freund besucht. Bei jedem
Aufenthalt in der Schweiz plagt sie ein ungutes
Gefühl. «Es ist mir unangenehm, Deutsche zu sein.» Sie
vermeide es, auf der Strasse deutsch zu sprechen und
unterhalte sich mit ihrem Freund in Englisch. «Dann
sind die Schweizer viel freundlicher.»
* Name der Redaktion bekannt.