Portugal Meldungen
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(ab 27.11.2015)
27.11.2015: Zinswette verloren:
Portugal muss 40% Zinsen zahlen: Spekulative Zinsswaps
Pakt mit dem Teufel? Portugal verliert riskante Zinswette
- Der Preis: 40 Prozent Zinsen! -- 11.1.2016:
Kontenraub in Italien und Portugal, um Banken zu retten:
Bail-in in Italien und Portugal -- 9.8.2016:
Waldbrände in ganz Portugal - keine Vorsorge, keine
Pflege: Portugal in Flammen – sieht so die Hölle aus? --
12.8.2016: Waldbrände: Madeira brennt ab: Flammendes
Inferno -- 6.2.2018: Wirtschaftliche Erholung --
Meldungen
präsentiert von Michael Palomino
27.11.2015: Zinswette
verloren: Portugal muss 40% Zinsen zahlen
Spekulative Zinsswaps Pakt mit dem
Teufel? Portugal verliert riskante Zinswette - Der Preis: 40
Prozent Zinsen!
http://www.wallstreet-online.de/nachricht/8156409-spekulative-zinsswaps-pakt-teufel-portugal-verliert-riskante-zinswette-preis-40-prozent-zinsen
Portugal
steht Anfang der Jahrtausendwende finanziell das Wasser bis
zum Hals. Um die Zinslast zu drücken, lässt es sich auf ein
hochspekulatives Zinsswap-Geschäft ein. Ein schwerer Fehler,
der aus 4,76 Prozent Zinsen unglaubliche 40,6 Prozent macht.
Wir schreiben das Jahr 2005. Einige Euro-Länder, darunter
Portugal, sitzen finanziell in der Klemme. Wenige Jahre
später werden diese Staaten die Euro-Zone in eine
gigantische Schuldenkrise stürzen. Doch noch ist es nicht
soweit. Noch suchen sie nach Auswegen aus der finanziellen
Misere.
Spekulative Zinsswaps: Pakt mit dem Teufel? Portugal
verliert riskante Zinswette - Der Preis: 40 Prozent Zinsen!
| wallstreet-online.de - Vollständiger Artikel unter:
http://www.wallstreet-online.de/nachricht/8156409-spekulative-zinsswaps-pakt-teufel-portugal-verliert-riskante-zinswette-preis-40-prozent-zinsen
<Portugal steht Anfang der Jahrtausendwende finanziell das
Wasser bis zum Hals. Um die Zinslast zu drücken, lässt es sich
auf ein hochspekulatives Zinsswap-Geschäft ein. Ein schwerer
Fehler, der aus 4,76 Prozent Zinsen unglaubliche 40,6 Prozent
macht. Wir schreiben das Jahr 2005. Einige Euro-Länder,
darunter Portugal, sitzen finanziell in der Klemme. Wenige
Jahre später werden diese Staaten die Euro-Zone in eine
gigantische Schuldenkrise stürzen. Doch noch ist es nicht
soweit. Noch suchen sie nach Auswegen aus der finanziellen
Misere.
An diesem Punkt kommen die Banken ins Spiel. Sie eilen den
Staaten zur Hilfe und bieten ihnen Zinsgeschäfte an,
sogenannte Zinsswaps. Die Idee: Den (zu hohen) Zinssatz eines
alten Kredits gegen ein neues (günstigeres) Zinsgerüst
tauschen. Klingt super, denkt sich auch die Metro do Porto
(MdP), Portugals staatlich gestützte Eisenbahngesellschaft.
Also begibt sie sich auf die Suche nach einem geeigneten
Vertragspartner, um eine alte Schuldenlast in Höhe von 89
Millionen Euro und einem halbjährigen Zinssatz von 4,79
Prozent umzuschichten. Zwei Jahre später, 2007, wird sie
fündig. Die Banco Santander bietet der MdP ein vermeintlich
lukratives Zinsgeschäft an. Sie willigt ein. Was sie nicht
weiß (oder nicht wissen will): In Wahrheit lässt sie sich
gerade auf eine hochspekulative Wette ein, die ihr in den
kommenden Jahren einen unglaublichen Zinssatz von 40,6 Prozent
bescheren wird.
Die verflixte Euribor-Klausel
Dem „Business Insider“ liegt jene Vertragspassage vor, die das
fatale Schicksal der MdP besiegelt. Darin vereinbaren die
beiden Parteien, den alten Zinssatz von 4,79 auf 1,76 Prozent
zu senken. Klingt super. Doch jetzt kommt’s. Der neue Zinssatz
gilt nämlich nur so lange, wie sich der Euribor – der
Referenzzinssatz für Euro-Termingelder im Interbankengeschäft
– im Bereich zwischen zwei und sechs Prozent bewegt. Fällt
oder steigt dieser aber, so addiert sich die doppelte
Differenz zwischen dem aktuellen Euribor zur besagten Spanne
auf den Zinssatz dazu, und zwar in jedem Quartal. Klingt
kompliziert? Ist es auch. Hier ein (fiktives) Beispiel:
Im ersten Quartal liegt der Euribor bei 3 Prozent. Damit ist
alles gut, die portugiesischen Eisenbahner müssen lediglich
1,76 Prozent Zinsen zahlen. Im zweiten Quartal fällt der
Euribor allerdings auf 1,7 Prozent. Das ist schlecht für die
MdP, denn jetzt wird die Differenz (0,3) zwischen aktuellem
Euribor (1,7) zur Spanne (2) verdoppelt (macht 0,6) und auf
den Zinssatz des vorherigen Quartals addiert (1,76 plus 0,6).
Im zweiten Quartal muss die MdP demnach 2,36 Prozent Zinsen
zahlen. Bleibt der Euribor im darauffolgenden Quartal
unverändert, so addieren sich wiederum 0,6 Prozent dazu, der
Zinssatz steigt auf 2,96 Prozent. So geht das Spiel Quartal
für Quartal weiter…
Zinssatz steigt auf über 40 Prozent
Bis die MdP im Jahr 2013 schließlich einen unglaublichen
Zinssatz von 40,6 Prozent zahlen muss. Was war passiert?
Zunächst lief die Wette zugunsten der Portugiesen. Doch dann
brach die Finanzkrise über die Welt herein und die
Zentralbanken senkten weltweit die Zinsen. Entsprechend ging
auch der Euribor nach unten und fiel unter die vereinbarte
Zwei-Prozent-Hürde. Für Santander ein Glücksfall, für die MdP
ein Desaster.
Die Zinslast entwickelte sich zu einem Schneeball, der einen
Hang hinunterrollt und dabei immer größer und größer wird,
schreibt der „Business Insider“. Die ursprüngliche
Schuldenlast von 89 Millionen war 2013 auf sagenhafte 459
Millionen Euro angewachsen. Und das alles nur, weil die MdP
günstigere Zinsen wollte und sich dafür auf eine riskante
halsbrecherische Wette einließ.
Spekulative Zinsswaps – Ein lukratives Geschäft für Banken
Doch die Banco Santander steht nicht allein. Vielmehr waren
solche spekulativen Zinsgeschäfte unter den führenden Banken
gängige Praxis. Und die Staaten, ihre Schuldenlast vor Augen,
ließen sich bereitwillig darauf ein. Dem Bericht zufolge soll
Portugal ähnliche Deals auch mit Goldman Sachs sowie der
Nomura-Bank abgeschlossen haben. Anders als im Fall Santander
hätten sich die Parteien aber gütlich geeinigt und den Vertrag
aufgelöst. Davon will Santander jedoch nichts wissen. Die
spanische Großbank fordert die ihrer Ansicht nach rechtmäßigen
Zinszahlungen ein und zog vor Gericht.
„Wir wussten nicht, was wir da unterschreiben“, sagt die
portugiesische Regierung, welche den Kredit inzwischen von der
MdP übernommen hat, heute. Der Fall wird inzwischen vor dem
britischen High Court verhandelt, seit 2013 liegt der Vertrag
still – bei einem Zinsstand von über 40 Prozent. Santander
pocht auf die Einhaltung des Vertrags, Portugal sagt Nein, die
Bank habe unzureichend über die möglichen Folgen informiert
und der Vertrag daher nichtig. Entscheidet das Gericht
zugunsten von Santander, könnte der Zinssatz laut „Business
Insider“ angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase bis 2018
auf unvorstellbare 100 Prozent ansteigen. Mit einem Urteil
wird Anfang des kommenden Jahres gerechnet.>
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11.1.2016: Kontenraub in Italien und Portugal, um
Banken zu retten
Bail-in in Italien und Portugal
http://www.heise.de/tp/artikel/47/47083/1.html
Die europaweite Enteignung nimmt ihren Lauf
Fast unbemerkt von der internationalen
Öffentlichkeit ist es in den vergangenen Wochen bei
Bankenrettungen in Italien und in Portugal zur Anwendung des
sogenannten "Bail-in", also der Enteignung von Sparern,
Aktionären und Anlegern, gekommen. In Italien waren vier
Volksbanken in der Toskana (vergleichbar den deutsche
Raiffeisenbanken) mit mehr als 1 Mio. Kunden betroffen.
130.000 Aktionäre und etwa 12.500 Anleihegläubiger – unter
ihnen viele Kleinsparer und Rentner – verloren insgesamt ca.
750 Mio. Euro.
Die vier Volksbanken (Banca delle Marche,
Banca Popolare dell’Etruria, Cassa di Risparmio di Ferrara
und Cassa di Risparmio di Chieti) wurden unter Führung der
italienischen Zentralbank (Banca d’Italia) mit Geldern der
UniCredit, der Intesa Sanpaolo, der Ubi Banca und durch
Mittel der staatlichen Einlagensicherung mit einer
Geldspritze in Höhe von etwa 3,6 Mrd. Euro gerettet. Nach
der Bündelung ihrer faulen Kredite in einer Bad Bank sollen
die vier Geldinstitute nun an Investoren weiterverkauft
werden.
Die Maßnahme selbst wie auch die Tatsache,
dass die europäischen Medien sie weitgehend totschwiegen,
sollte allen Menschen in Europa als Warnung und als Weckruf
dienen: Am 1. Januar 2016 ist nämlich die europäische Bankenabwicklungs-Richtlinie
(BRRD – Bank Recovery and Resolution Directive) in Kraft
getreten. Damit ist das Prinzip des "Bail-in" innerhalb der
gesamten Eurozone geltendes Recht.
Vom Bail-out zum Bail-in: Statt in die linke
wird in die rechte Tasche gegriffen
Als das globale Finanzsystem 2008 wegen der
Subprime-Hypothekenkrise in den USA in sich
zusammenzustürzen drohte, wurden die größten
Finanzinstitutionen der Welt von ihren Regierungen mit dem
Geld der Steuerzahler gerettet. Der Transfer von Geldern in
dreistelliger Milliardenhöhe - nichts anderes als eine
gigantische Vermögensumverteilung von der arbeitenden
Bevölkerung zu den wohlhabenden Inhabern großer
Finanzeinrichtungen - wurde als "Bail-out" bezeichnet.
Da die dafür erforderlichen Summen riesige
Löcher in die Staatshaushalte rissen, suchten Politik und
Finanzwirtschaft nach einer Möglichkeit, das marode System
im Falle eines weiteren Crashs erneut am Leben zu erhalten.
Hierzu erfanden sie das sogenannte "Bail-in". Es besagt,
dass große Finanzinstitutionen von nun an im Problemfall
zuerst auf das Geld von Anleihegläubigern, Aktionären und
Sparern zurückgreifen müssen.
Der Öffentlichkeit wird der Schwenk vom
Bail-out zum Bail-in als Maßnahme zum "Schutz der
Steuerzahler" präsentiert. Das hat mit der Wirklichkeit
allerdings nicht viel zu tun. Ein Bail-in in Kraft zu
setzen, heißt nichts anderes als: Die durch Spekulation
entstandenen finanziellen Schäden nicht etwa denen, die sie
verursacht haben, in Rechnung zu stellen, sondern zu ihrer
Beseitigung auf die Vermögenswerte arbeitender Menschen
zurückzugreifen und deren argloses Vertrauen in die
Finanzinstitute zu ihrem Nachteil auszunutzen.
Im Klartext: Sowohl das Bail-out, als auch das
Bail-in sind nichts anderes als die durch die Politik
herbeigeführte Enteignung von Anlegern zugunsten der
Finanzelite – nur dass den Betroffenen in einem Fall in die
linke, im anderen Fall in die rechte Tasche gegriffen wird.
Vorsätzlicher Betrug und menschliche Tragödien
Es war kein Zufall, dass die Rettung der vier
toskanischen Volksbanken noch kurz vor dem Jahreswechsel
stattfand. Die italienische Regierung hat auf diese Weise
ganz bewusst die am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen
Bail-in-Bestimmungen der EU umgangen, um auch an das Geld
von Kleinanlegern mit weniger als 100.000 Euro heranzukommen
und so ganz gezielt diejenigen zu treffen, die sich am
wenigsten wehren können – Kleinanleger, Sparer und Rentner.
Die neue EU-Richtlinie sieht nämlich einen Schutz von
Einlegern unter 100.000 Euro vor. D.h.: Viele der Sparer und
Kleinanleger in Italien wären nach dem 1. Januar 2016 von
einer Enteignung ausgenommen gewesen.
Besonders verwerflich ist die Tatsache, dass
Behörden und betroffene Banken die Anleger zu großen Teilen
wissentlich und vorsätzlich in ihr Unglück schickten: So
segneten die italienische Zentralbank und die italienische
Börsenaufsicht die Anleiheprospekte der Banca Etruria ohne
Widerspruch ab. Das seit Februar 2015 unter staatlicher
Zwangsverwaltung stehende Institut verkaufte die Anleihen
noch das ganze Jahr 2015 hindurch an Kleinkunden und
versprach ihnen darauf 4 Prozent Zinsen. Viele Anleger
hatten nicht die geringste Ahnung, welche Risiken sich in
den ihnen von ihnen gekauften Anleihen verbargen. Wohl kaum
einem dürfte bekannt gewesen sein, dass es "vorrangige" und
"nachrangige" Anleihen gibt und dass im Fall des Bail-in die
Halter nachrangiger Anleihen denen vorrangiger Anleihen
(meist institutionelle Großanleger) den Vortritt lassen und
selbst auf eine Entschädigung verzichten müssen.
Pikantes Detail am Rande: Der Vizechef der
Banca Etruria ist Vater der seit 2014 dem Kabinett Renzi
angehörenden und der Finanzindustrie sehr gewogenen
Ministerin für Verfassungsreformen, Elena Boschi. In Italien
wird seit Längerem gemunkelt, dass die Kurse der Banca
Etruria kurz vor der Erstellung der Sanierungspläne nicht
zufällig in die Höhe geschossen sind, sondern dass
Insiderwissen im Spiel war.
Am 28. November 2015 kam es Civitavecchia zu
einer folgenschweren Tragödie: Der Rentner Luigino d'Angelo
beging Selbstmord und hinterließ einen Abschiedsbrief, in
dem er erklärte, dass er seine Lebensersparnisse in Höhe von
110.000 Euro auf Anraten der Banca Etruria in deren Produkte
investiert und durch den Bail-in sein gesamtes Vermögen
verloren habe. Dass die Arglosigkeit eines alten Mannes, der
"seiner Bank" seit einem halben Jahrhundert die Treue
gehalten hatte, auf solch schamlose Weise ausgenutzt worden
war, entfachte in ganz Italien einen Sturm der Entrüstung.
Um die Wogen zumindest vorübergehend zu
glätten, sah sich die Regierung Renzi zum Eingreifen
gezwungen. Sie hat mittlerweile angekündigt, einen "privat
finanzierten Ausgleichsfonds" von bis zu 100 Millionen Euro
auf die Beine zu stellen. Diese "humanitäre Lösung" für
Kleinsparer, die mehr als 50 Prozent ihrer Ersparnisse
verloren haben, erspart den Banken immer noch die Zahlung
von 650 Mio. Euro - vom kaufmännischen Standpunkt aus also
trotz der in Aussicht gestellten Entschädigungszahlung ein
lohnendes Geschäft für die Finanzindustrie.
Auch Portugal ist vom Bail-in betroffen
Auch in Portugal ist es vor wenigen Tagen zu
einem Bail-In gekommen. Er unterscheidet sich zwar in seinen
Einzelheiten von dem in Italien, zeigt aber ebenfalls,
welche Entwicklung sich bei Bankenrettungen in Europa
abzeichnet.
Im Sommer 2014 war die in Schieflage geratene
Banco Espirito Santo, der größte Kreditgeber des Landes, in
eine gute ("Novo Banco") und in eine Bad Bank aufgespalten
worden. Im November 2015 entschied die Europäische
Zentralbank (EZB) im Rahmen eines Stresstests der Banken,
dass die Novo Banco mindestens 1,4 Mrd. Euro an zusätzlichem
Kapital benötigte.
Die portugiesische Zentralbank reagierte,
indem sie fünf Anleihen von der Novo Banco in die Bad Bank
verlagerte und damit für wertlos erklärte. Die Halter dieser
Anleihen, unter anderem eine Reihe von Mittelständlern in
ganz Europa, verlieren auf diese Weise insgesamt etwa 2 Mrd.
Euro. Zwar sind in diesem Fall keine Einleger unter 100.000
Euro betroffen, aber viele der größeren institutionellen
Anleger werden die Verluste an Anleger und Sparer
weitergeben. Außerdem hat die Auswahl der fünf Anleihen und
damit die Ungleichbehandlung von Anlegern durch die
portugiesische Zentralbank eine Welle der Empörung in ganz
Europa hervorgerufen: Sie zeigt, dass auch vorrangige
Einleger heute voll und ganz der Willkür der Zentralbanken
und des Staates ausgeliefert sind.
Die beiden angeführten Beispiele belegen, wie
weit das diktatorische Regime von EZB und Zentralbanken
inzwischen fortgeschritten ist. Dass das seit dem 1. Januar
gesetzlich verankerte Prinzip des Bail-in ab sofort zum ganz
alltäglichen Handwerkszeug des Staates und der
Finanzindustrie gehört, sollte jedem Europäer als Warnung
dienen: Wer in Zukunft Bankaktien kauft, Anleihen zeichnet
oder auch nur ein Sparkonto bei einem Finanzinstitut
eröffnet, setzt sich schutzlos der Willkür der Zentralbanken
und der Politik aus und kann sein Vermögen jederzeit im
Rahmen eines gesetzlich abgesicherten "Bail-in" verlieren.
Wer jetzt einwendet, Einleger unter 100.000
Euro innerhalb der EU seien doch juristisch geschützt, der
sollte einen genauen Blick auf den Ablauf der Ereignisse in
Italien werfen: Da die EU-Richtlinie Anfang Dezember noch
nicht galt, brachte Ministerpräsident Renzi die Maßnahme per
Sonderdekret auf den Weg. Weil Italien der EU angehört,
konnte er das nicht ohne die Zustimmung der EU-Kommission
tun. Wie reagierten die EU-Bürokraten? Sie brauchten nicht
einmal 24 Stunden, um Renzis Ansinnen zu billigen!
Die EU-Kommission hat auf diese Weise eine
Verfügung unterstützt, die in direktem Widerspruch zu dem
von ihr und den EU-Gremien beschlossenen und nur wenige
Wochen später in Kraft getretenen EU-Recht steht. Die
EU-Bürokraten haben wissentlich zahllose Rentner, Familien
und eine Reihe mittelständischer Bestriebe in der Toskana in
den finanziellen Ruin und wie im Falle Luigi d'Angelos sogar
in den Tod getrieben. Kann irgendjemand glauben, dass diese
Bürokraten im übrigen Europa anders verfahren oder auch nur
die geringste Hemmung zeigen werden, wenn es darum geht, die
selbst gesteckten Grenzwerte durch Notverordnungen
aufzuheben?
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9.8.2016: Waldbrände in ganz Portugal - keine
Vorsorge, keine Pflege
Portugal in Flammen – sieht so die
Hölle aus?
https://www.contra-magazin.com/2016/08/portugal-in-flammen-sieht-so-die-hoelle-aus/
<Portugal ist ein einziges Flammenmeer. Eine
langanhaltende Hitzewelle mit Temperaturen von über 40°C,
große Trockenheit und Winde aus Süden und Osten haben die
Wälder ausgedorrt und so genügt ein Funke und alles Brennt
danieder. Tatsächlich aber gab es hunderte „Funken“ und
ganz Portugal steht in Flammen…
Von Rui Filipe Gutschmidt
Auch wenn die Portugiesen die jährlichen Waldbrände
(leider) gewohnt sind, so ist das aktuelle Szenario doch
ungewöhnlich. Das ganze Land scheint in Flammen zu stehen.
Autobahnen und Landstraßen sind gesperrt, Wälder, Busch- und
Grasland brennen genauso wie die landwirtschaftlichen
Flächen und selbst urbane Gebiete stehen in Flammen. Der
Rauch verdunkelt den Himmel über einem Land, das schon seit
einiger Zeit unter der großen Hitze stöhnt. Dabei brennen
inzwischen immer mehr Häuser, Lagerhallen und Fabriken ab
und die Menschen verlieren nicht nur ihre Habe, sondern
oftmals auch ihren Arbeitsplatz oder ihr Geschäft.
Doch die kleinen Unternehmer bilden mit ihren Angestellten
oftmals eine eingeschworene Gemeinschaft und wenn ihre
gemeinsame Lebensgrundlage in Rauch aufgeht, dann rauft man
sich zusammen und baut alles wieder auf. Dass dieser
Zusammenhalt auch nötig ist, sieht man schon daran, dass
alle TV-Sender und die Medien insgesamt mit den Feuern im
Land aufmachen und in Live-Schaltungen selbst Fußball oder
die Olympischen Spiele in den Hintergrund stellen. In dem
sportbegeisterten Land ist das ein Zeichen dafür, dass die
Lage Ernst ist.
[Militär wird erst aktiviert, wenn die Lage "ausser
Kontrolle" ist (!) - Madeira: Evakuierung eines ganzen
Stadtteils]
Die Regierung hat inzwischen auch das Militär aktiviert,
da seit Sonntag die Lage außer Kontrolle geraten ist. Über
400 Feuer von Nord- bis Südportugal überfordern Feuerwehr
und Zivilschutz. Selbst die Atlantikinsel Madeira kämpft mit
Großfeuern und hat mit ungewöhnlich hohen Temperaturen eine
eher seltene Wetterlage, die das Ausbrechen von Feuern
begünstigt. Die Hauptstadt Funchal ist von der Bucht aus den
Berghang hinauf gewachsen und dabei sind viele Häuser von
Wald umgeben. Da normalerweise die Gefahr eher von
Erdrutschen und Schlammlawinen herrührt, ist Bepflanzung
eigentlich erwünscht. Daher wundert es auch nicht, dass
viele Häuser bereits abgebrannt sind und seit heute früh
wird ein ganzer Stadtteil evakuiert. Selbst ein kleines
Krankenhaus hat alle Kranken vorsichtshalber ins städtische
Zentralkrankenhaus verlegt und die Verzweiflung, die Angst,
die Ohnmacht gegenüber der Furie der Naturgewalten ist in
den Gesichtern der Menschen gut sichtbar.
Schon vor drei Tagen hatte es ein anderes Inselparadies
vor der Atlantikküste Marokkos getroffen, als ein Deutscher
Tourist „sein Toilettenpapier verbrannte“ und dabei ein
Großfeuer auf der Kanareninsel La Palma auslöste. Die
Regierenden in Portugal – wie auch in Spanien und vielen
anderen Ländern – haben hier ein Problem, das es
schnellstens zu lösen gilt. Dabei darf nicht auf
Defizitgrenzen oder gar Wirtschaftsinteressen Rücksicht
genommen werden. Der Rauch sorgt für schwere Atemnotprobleme
und in vielen Städten füllen sich die Krankenhäuser derzeit
mit den Opfern der Hitze und des Feuers. Menschen sterben,
wenn nicht gleich, dann später an den Folgen der hohen
Rauchbelastung. Auch die Umwelt ist auf lange Sicht
geschädigt und Portugals größter Reichtum, seine Schönheit,
seine Natur, werden nach und nach in Asche verwandelt. Was
für Frankreich und Deutschland der Terrorismus, ist für
Südeuropa die Zerstörungskraft des Feuers. So stellte sich
Dante wohl die Hölle vor und wer das hier hautnah miterlebt,
der versteht auch warum.>
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12.8.2016: Waldbrände: Madeira brennt ab
Flammendes Inferno
http://www.jungewelt.de/2016/08-12/028.php
<Drama mit Ansage. Verheerende Waldbrände in Portugal und
auf der Atlantikinsel Madeira. Brandschutz kaputtgespart
Von Peter Steiniger
Erst der Norden, jetzt auch der Süden. Die portugiesischen
Feuerwehren wissen kaum noch, wo sie zuerst löschen sollen.
Tausende »Bombeiros« sind seit Tagen im Einsatz, um Hunderte
Waldbrände zu löschen oder unter Kontrolle zu bekommen,
welche die Vegetation auffressen, Landwirtschaft und
Ortschaften bedrohen. Satellitenbilder zeigen gewaltige
Rauchsäulen über dem Festland. Über der nördlichen Großstadt
Porto, zweitgrößte Portugals, verdunkelt der Qualm auch am
Tag den Himmel. Am kritischsten ist die Lage im Bezirk
Aveiro mit achtzehn Großfeuern, über tausend Brandbekämpfer
sind allein hier im Einsatz. Die Einwohner mehrerer Dörfer
wurden in Sicherheit gebracht, etliche Straßen sind
unterbrochen, Züge müssen umgeleitet werden.
Von der Berglandschaft am Rio Douro bis hinunter ins
Alentejo gilt nach wochenlanger Trockenheit fast in allen
Distrikten und Kreisen im Binnenland Portugals die höchste
Warnstufe. Mindestens 40.000 Hektar Wald fielen hier im
August bereits den Flammen zum Opfer, fünfmal soviel wie im
gesamten Juli. Auch das Nachbarland Spanien ist betroffen.
Über Vigo, der zweitgrößten Stadt seiner nordwestlichen
Provinz Galicien, lag am Donnerstag dichter Rauch, über den
Wäldern warfen Löschflugzeuge ihre Wasserladungen ab. Auch
dem Wallfahrtsort Santiago de Compostela kommt das Feuer
immer näher. Dort betet man für Regen, doch auch für die
kommenden Tage ist warmes Wetter ohne Niederschlag
vorhergesagt. Brände loderten am selben Tag auch weiterhin
in Südfrankreich nahe der Hafenstadt Marseille sowie auf den
Kanaren.
Besonders hart hat der Katastrophensommer, in Portugals
Geschichte einer der schlimmsten, die Atlantikinsel Madeira,
eine autonome Region des Landes, getroffen. Zuvor hatten die
Temperaturen hier Hitzerekorde geschlagen. Starker Wind
facht die Feuer an und beschleunigt ihre Ausbreitung. Über
die Hauptstadt Funchal verhängten die Behörden den Notstand.
Nach Angaben der Behörden brannten dort 150 Häuser, zum Teil
historische Gebäude, nieder. in einem Außenbezirk forderten
die Flammen bereits am Dienstag abend drei Menschenleben,
etwa 300 weitere Personen wurden verletzt.
Drei Feuer wüten derzeit großflächig auf dem Archipel vor
der Küste Marokkos, dichter Rauch treibt von dort über das
Meer. Tausende Bewohner mussten evakuiert werden, auch
Krankenhäuser, Altenheime und Hotels wurden geräumt. Auch am
Donnerstag waren die Brände hier nicht eingedämmt, obwohl
Feuerwehr und Zivilschutz Verstärkung vom Festland und den
Azoren eingeflogen hatten. Zum Teil versuchten Einwohner
dort, das Feuer mit Hilfe von Gartenschläuchen vor ihren
Häusern zu bekämpfen. Am Mittwoch besuchten Portugals
Premier António Costa und Staatspräsident Marcelo Rebelo de
Sousa Madeira, um sich ein Bild von der Lage zu machen und
der Regionalbehörde Unterstützung anzubieten. Die Regierung
bat auch die Europäische Union um Hilfe.
Kommunisten (PCP) und Linksblock (BE), welche die Regierung
des Sozialisten Costa im Parlament tolerieren, fordern
Soforthilfen für die von den Waldbränden Geschädigten. Die
BE-Abgeordnete Mariana Mortágua unterstrich am Donnerstag in
Lissabon während einer Pressekonferenz, dass nicht allein
der verschärfend wirkende Klimawechsel für das katastrophale
Ausmaß der Zerstörungen verantwortlich gemacht werden könne.
Sie machte auf das lange bekannte Problem mangelnder
Vorbeugung und fehlender Mittel dafür aufmerksam. Alle
Parteien erklärten ihre Solidarität mit der Bevölkerung der
betroffenen Regionen und sprachen den Feuerwehrleuten und
Zivilschützern Anerkennung für ihre Arbeit aus. Die PCP
beklagte in einer Erklärung, dass neben unzähligen Bäumen
auch »Jahrzehnte von Arbeit und Investitionen« – Wohnhäuser,
öffentliche Gebäude, Arbeitsstätten – im Feuer »binnen
weniger Minuten verloren« gingen.
Dieses Desaster hat viele Ursachen: Die Kommunisten weisen
auf ausgebliebene Investitionen in den Bereich der
Brandbekämpfung hin. Die Pflege und Bewirtschaftung der
Wälder sei sträflich vernachlässigt worden. Als wichtigsten
Grund sehen sie die Politik der konservativen
Vorgängerregierungen, welche die Existenzen der kleinen und
mittleren Produzenten in der Land- und Forstwirtschaft
zerstört habe. Einschnitte bei Bildung und Gesundheit hätten
zur Entvölkerung des Binnenlandes beigetragen. Nötig sei
eine Abkehr von Monokulturen und eine Zurückdrängung der
Eukalyptusplantagen. Die Baumart hat einheimische Gewächse
verdrängt. Für die Feuer wirkt der Eukalyptus wie
Zunder.>
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Portugal 6.2.2018: Wirtschaftliche Erholung OHNE Sparprogramm - Kredite werden zurückgezahlt
Kaputtsparen ist ein Irrweg: Portugal blamiert EZB und EU-Kommission
https://de.sputniknews.com/wirtschaft/20180206319418303-portugal-eu-schaeuble-ezb-iwf-eu-kommission-merkel-arbeitslosigkeit-euro/
<Portugal hat
begonnen, Rettungskredite vorzeitig zu tilgen. Das Land weist
überdurchschnittliche Wachstumsraten auf und hat historisch niedrige
Arbeitslosenquoten und Haushaltsdefizite – obwohl es sich dem Spardiktat
von EU und EZB frühzeitig verweigerte. Taugt Portugal als Vorbild oder
Blaupause?
Es
könnte peinlich werden für die Hohepriester der Austeritäts-Politik.
Jahrelang predigten sie: Nur strenges Sparen bei den Ärmsten und Armen,
nur das Verscherbeln öffentlichen Eigentums an „Investoren“, nur
niedrigere Steuern für Reiche und Unternehmen könnten eine kränkelnde
Nationalökonomie wieder gesunden lassen.
Doch
Portugals Linksregierung hat das Gegenteil bewiesen und damit die
Spardiktatoren in Brüssel, Berlin und anderenorts bis auf die Knochen
blamiert. Deshalb war auch die Wahl des portugiesischen Finanzministers
Mário Centeno zum neuen Euro-Gruppen-Chef im Dezember 2017 ein Triumph –
auch wenn so getan wird, als sei das ein völlig normaler Vorgang. Das
ist er nicht. Es ist das erste Eingeständnis einer Niederlage
derjenigen, die mit aller Gewalt eine Änderung
europäischer Finanzpolitik verhindern wollen.
Eines darf als sicher gelten, selbst wenn die Neigung zu
Proporzentscheidungen innerhalb von EU-Gremien berücksichtigt wird. Wenn
im Dezember 2017 bei der Wahl Centenos die gleichen erschreckenden oder
noch schlimmere Werte bei Wachstum, Haushaltsdefizit, Arbeitslosigkeit,
Staatsverschuldung usw. vorhanden gewesen wären, die Portugal vor dem
effektiven Wirken der Linksregierung plagten, wäre die Wahl eines
portugiesischen Finanzministers zum Euro-Gruppen-Chef gewiss nicht so
geräuschlos vonstattengegangen.
Das Beispiel Portugal lässt sich nicht länger kleinreden
Die aktuellen Basisdaten der portugiesischen Nationalökonomie (mit
Ausnahme der immer noch enorm hohen Staatsverschuldung) sind
beeindruckend. Die Wachstumsrate
betrug im vergangenen Jahr 2,5 Prozent – deutlich mehr als der
EU-Durchschnitt und nach über minus 4 Prozent im Jahr 2012. Die Arbeitslosenquote
lag letztes Jahr bei 9,7 Prozent – nach über 16 Prozent im Jahr 2013.
Teile der Rettungskredite konnten vorfristig zurückgezahlt werden. Das Haushaltsdefizit
konnte im dritten Jahr in Folge abgebaut werden und lag 2016 bei nur
noch 2,0 Prozent – nach 12,4 Prozent im Jahr 2014, und das, obwohl seit
2015 die rigiden Sparauflagen nicht mehr befolgt wurden.
Diese erstaunlichen Erfolge wurden nicht mit dem stoischen Spar-,
Kürzungs- und Privatisierungsmantra von EU und IWF erreicht, sondern
erst nachdem sich die Regierung in Lissabon entschloss, diesen Kurs
ausdrücklich nicht mehr zu verfolgen. Prompt wurde sie von Politikern
und Medien, gerade auch aus Deutschland, mit herablassender Kritik,
Warnungen, Beschimpfungen und Häme überschüttet.
Einhaltung der Sparauflagen führte ins Chaos
Sowohl der damalige sozialdemokratische Regierungschef José Sócrates,
der inzwischen wegen Korruptionsverdachts in Haft sitzt, als auch sein
konservativer Nachfolger Pedro Passos Coelho befolgten alle Auflagen,
die 2011 als Bedingung für Notkredite genannt wurden. Die Konservativen
gingen dabei sogar noch gnadenloser vor als von den Geldgebern
gefordert.
Die Ergebnisse waren verheerend. Das Wirtschaftswachstum brach von
1,9 Prozent im Jahr 2010 auf minus 1,8 Prozent im Jahr 2011 ein, gefolgt
von minus 4 Prozent im Jahr 2012. Ein ähnliches Bild zeigte die
Arbeitslosenquote, die sich von 2009 bis 2013 auf 16,1 Prozent fast
verdoppelte.
Die Arbeitslosenquote unter jungen Portugiesen erreichte dabei mit
mehr als 40 Prozent Größenordnungen, die anderswo zu Revolten führen
würden. Von einer Gesundung der Staatsfinanzen konnte keine Rede sein,
weil Steuereinnahmen wegbrachen. Die portugiesischen Staatsschulden
wuchsen weiter. Doch die Verarmung großer Teile der portugiesischen
Bevölkerung schien die Apologeten des Kaputtsparens nicht im Geringsten
zu rühren.
Portugals Wähler entschieden sich für radikalen Wechsel
Sehr
wohl aber die portugiesischen Wähler, die im Oktober 2015 „Schluss“
sagten und die Konservativen bei der Parlamentswahl demütigten. Diese
hatten zuvor noch verzweifelt versucht, die Gunst der empörten
Portugiesen wiederzugewinnen, indem das Land den Rettungsschirm der EU
verließ und Lissabon erste Raten der Notkredite vorzeitig zurückzahlte.
Doch das konnte das Debakel der Konservativen und neoliberalen
Vorbeter im Land nicht mehr aufhalten. Sie verteidigten ihre Position
als stärkste Kraft, aber sie waren trotzdem erledigt. Denn ein
Linksbündnis wurde aus dem Stand heraus wahrer Sieger der Wahl. Der Chef
der portugiesischen Sozialisten, António Costa, weigerte sich, eine
konservative Regierung zu unterstützen. Stattdessen verständigte er sich
mit dem siegreichen Linksbündnis und der Kommunistischen Partei.
Die Verteidiger des Sparkurses in der EU waren entsetzt. Nach Syriza
in Griechenland und Podemos in Spanien drohte nun in einem dritten
südlichen EU-Staat eine Erosion des bisherigen Parteiensystems, mit dem
sich der neoliberale EU-Kurs bequem hatte durchwinken lassen. Prompt
drohte Brüssel im Januar 2016 der neuen portugiesischen Regierung mit
einem Defizitverfahren. Dieses wurde später allerdings sang- und
klanglos beerdigt.
Linksregierung ignorierte Sparauflagen – IWF, EU und deutschen Medien protestieren
Die neue Linksregierung in Lissabon vollzog eine Kehrtwende. Die
Kürzungsorgien der konservativen Regierung wurden abgemildert. Die
Menschen hatten wieder mehr Geld und reanimierten so die
Binnenkonjunktur. Kluge Steuergesetze, die den kleinen und
mittelständischen Betrieben der Tourismusbranche nutzen, taten ein
Übriges. Öffentliche Investitionen wurden wieder aufgenommen, der
Einstellungsstopp im Staatsdienst gelockert, der Ausverkauf der
öffentlichen Infrastruktur gestoppt.
Alles unter vehementer Kritik vor und nach der Wahl durch IWF, EU-Troika, und bundesdeutsche Medien. In der Süddeutschen Zeitung erschien beispielsweise eineinhalb Monate vor den Parlamentswahlen ein Artikel,
der klang, als sei er in der Presseabteilung des IWF verfasst worden.
Es wurde gemahnt, bloß nicht vom Sparkurs abzuweichen. „Andernfalls
droht das Land in Stagnation zu verharren.“ Und geradezu beschwörend
schrie es den Lesern entgegen: „Linke Gruppierungen, die das gesamte
Gesellschafts- und Wirtschaftssystem umbauen möchten, haben dennoch bei
der Wahl im Oktober wenig Chancen.“
Es kam anders. Das Land stagnierte nicht, und der Sieg des
Linksbündnisses war auch eine schallende Ohrfeige für alle angeblich
unparteiischen Medien. Nur ein Jahr später, im September 2016,
veröffentlichte der IWF eine „Bewertung“, mit der die des Vorjahres ad
absurdum geführt wurde. Der IWF teilte nun ungerührt mit, dass die
Notkredite in Portugal nur „bedingten Erfolg“ gezeigt hätten.
Minderheitsregierungen funktionieren, wenn der Wille da ist
Ein vielleicht gerade für Deutschland lehrreicher Aspekt der jüngsten
Erfolgsgeschichte der portugiesischen Linksregierung ist die Tatsache,
dass sie eine Minderheitsregierung ist. Toleriert von Parteien, die
keinen Hehl aus ihren höchst unterschiedlichen Grundüberzeugungen
machen, aber ihre Befindlichkeiten zurückstellen, um dem Land zu dienen.
Es mag sein, dass Portugal den Vorteil hatte, dass nach dem Sieg des Linksbündnisses fast unmittelbar der Brexit-Schock
folgte. Das veranlasste Brüssel zu einer gewissen Mäßigung, um
EU-feindliche Stimmungen nicht mit einem mitleidlosen Kurs gegen eine
verhasste Linksregierung in Lissabon anzuheizen, wie es zuvor gegen die
linke Syriza-Regierung in Athen zelebriert wurde.
Portugal zeigt, woran Griechenland gehindert wurde
Vielleicht
ist dieser Tage deshalb auch viel davon zu lesen, dass Portugal und
Griechenland nicht miteinander zu vergleichen seien. Anderenfalls
müssten die Verfechter der Sparpolitik zugeben, dass die
Syriza-Regierung mit Drohungen und Erpressungen daran gehindert wurde,
zu beweisen, was die portugiesische Linksregierung vormachte: Ein Land
kann nicht vorankommen, wenn es kaputtgespart wird.
Es war übrigens wieder einmal der IWF, dessen damaliger Chefökonom
Olivier Blanchard im Sommer 2015 im Fall Griechenland kleinlaut zugeben
musste, dass die erbarmungslosen Spar- und Privatisierungsdiktate der EU
nur einen Effekt hatten: „Die Finanzierung für Griechenland wurde benutzt, um ausländische Banken zu bezahlen.“
Portugal hat diesen Kreislauf des Irrsinns gestoppt und
Beispielhaftes erreicht. Offen bleibt die Frage: Wann werden die EU und
die Bundesregierung von ihren hohen Rössern herabsteigen und anerkennen,
dass sie sich geirrt haben?>
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