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Drittes Reich: Bunkerbau im Dritten Reich
Das unterirdische Reich. Die geheimen Welten der Nazis
Textbuch ohne Bilder von Michael Palomino. Die Anzahl Opfer ist bis heute unbestimmt.
Präsentation von Michael Palomino (2005 / 2015)
http://www.hist-chron.com/judentum-aktenlage/hol/bunkerbau-SpiegelTV2003_das-unterirdische-reich.htm
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aus: Spiegel TV history: Film von Michael Kloft.
Autoren: Michael Kloft, Michael Foedrowitz. Mitarbeit: Lars. T. Andersen, Frank Gensthaler; Sprecher: Peter Buchholz, Kay Siering, Robert Wortmann; Tonmischung: Jens Burfeind; u.a. ; Spiegel TV 2003 (Auskunft über die Mitarbeiter gibt die Pressestelle von Spiegel TV, Tel. 0049-(0)40-30 10 80); Bezug des Films auf DVD (ISBN-Nr.: 3-937163-35-2) bei Polarfilm (02542-95 13 13), oder über Internet http://www.polarfilm.de.
Kapitel
1. Einleitung
2. Unterirdische Flugzeugfabrik in Oberammergau (Bayern): Deckname "Neustadt" - Stollenwärter Heinz Rabe
3. Die Dimension des Bunkerbaus: 340 Baustellen, 400 Decknamen, 800 Projekte
4. Unterirdische Flugzeugfabrik Neckarzimmern am Neckar
5. Die Dimension des Bunkerbaus: 80 Prozent der Kriegsindustrie einbunkern
6. Unterirdisches Treibstofflager nahe Bremen: heute noch in Betrieb
7. Die Dimension des Bunkerbaus: "Hochdruck"
8. Unterirdische Flugzeugfabrik: Walpersberg bei Kahla, Deckname "Lachs"
9. Dimension des Bunkerbaus: 100.000e Häftlinge bis zuletzt zurück ins Reich transportiert
10. Unterirdische Flugzeugfabrik: Mühldorf am Inn: ca. 2000 Tote
11. Dimension des Bunkerbaus: Letzter Transport in KZs April/Mai 1945, z.B. nach Dachau
12. Unterirdische Stollenanlage im Doggerwerk bei Hersbruck für BMW-Motorenproduktion; Deckname: "Esche 1" - ca. 3500 Tote
13. Unterirdische Raketenproduktion nach der Bombardierung von Peenemünde: für V2 (A4): Nordhausen: Kohnstein: 10.000e Tote
14. Unterirdische Raketensilos (Raketenabschussrampen) für die V2 in Watten
15. Unterirdische Raketensilos (Raketenabschussrampen) für die V2 in Viserne: "La coupole" - britische "Tallboy"-Bomben
16. Bunkerbau: Unterirdische Raketensilos für die V3 in Mimoyecques
17. Falkenhagen bei Berlin: Chemiefabrik mit dem Ziel der Sarin-Produktion
18. Unterirdische Raketenfabrik für Interkontinentalrakete A9: Ebensee bei Salzburg, Deckname: "Zement"
19. Die einbetonierte und dann gesprengte Wolfsschanze - ein Tisch rettet Hitler das Leben
20. Bunkerbau im Eulengebirge für ein neues Führerhauptquartier: Beispiel: Gluszyca: "Säuferhöhen"
21. Bunkerbau im Eulengebirge für ein neues Führerhauptquartier: Beispiel: Wolfsberg
22. Eulengebirge: Verdacht, dass noch weitere Bunkersysteme existieren
23. Bunkerbau im Eulengebirge für ein neues Führerhauptquartier: Beispiel: Waldenburg: Schloss Fürstenstein
24. Die deutsche Bevölkerung weiss von den Stollenbauten nichts - lebt selbst in Trümmern
25. "Achsenkreuz" und Strassentunnel in Berlin - Nutzung als Bunker und Fabrikationshalle
26. Bunkerstadt unter Dortmund
27. Kaiseroda / Merkers (Thüringen): Raubgut in Bunkersystemen gelagert - der geheime Abtransport durch die Alliierten
28. Bunkeranlage Stuttgart: Killesberg
29. Bunkersystem am Obersalzberg: "Berghof": fast 6 km Bunkersystem gebaut
29.1. Bunker am Obersalzberg: Familie Bormann
29.2. Bunker am Obersalzberg: Bunker für Eva Braun
29.3. Bunker am Obersalzberg: Vorbereitungen für Hitlers letzten Kampf
29.4. Bunker am Obersalzberg: Eva Brauns Gemächer
1.
Einleitung
Sprecher:
Es war eines der gigantischsten Bauvorhaben der Menschheitsgeschichte: Bombensichere Produktionsstätten für das Dritte Reich [Bild: Raketenrest im überschwemmten Stollen]. So genannte "Wunderwaffen" sollten Tod und Verderben über die Feinde bringen, riesige unterirdische Fabriken den Nachschub für die Wehrmacht liefern [Bild: Raketenproduktion].
Rüstungsminister Speer hatte das monströse Vorhaben für seinen "Führer" begonnen [Bild: Rüstungsminister Speer mit Arbeitsgruppe]. Die Reste des Mammutprojekts dürfen heute nur von wenigen betreten werden [Bild: Stollenwärter in einem Stollen].
100e Millionen Reichsmark wurden aufgewendet, um ganze Berge zu unterhöhlen. Fertigungsanlagen für kriegswichtige Rüstungsgüter sollten in kilometerlangen Stollensystemen installiert werden [Bild: Stollenwärter in einem Stollen mit Wasserbecken].
Hunderttausende Sklavenarbeiter mussten das Werk für die Nazis vollbringen. Wie viele dabei ihr Leben liessen, ist ungewiss. Bis zum letzten Tag des Krieges wurde fieberhaft in den Tunneln gearbeitet [Bild: Tunnelarbeiter mit Pickel und Schaufel am Entfernen von Gestein in einem Stollen].
Doch wie nah waren die Nazis dran am Erfolg des wahnwitzigen Projekts? Was wäre gewesen, wenn die Rüstungsproduktion unter Tage auf vollen Touren gelaufen wäre? Hätte Hitlers Vernichtungskrieg noch Millionen weitere Opfer gefordert? [Bilder: Stollen, Rüstungsproduktion, z.B. Patronen; ausbetonierte Halle].
Texteinblendung des Filmtitels:
"Das unterirdische Reich - Die geheimen Welten der Nazis.
Ein Film von Michael Kloft."
2.
Unterirdische Flugzeugfabrik in Oberammergau (Bayern): Deckname "Neustadt" - Stollenwärter Heinz Rabe
Sprecher:
Ein Berghang unweit der bayerischen Gemeinde Oberammergau [Bild: Berghang]. Vor den Blicken Neugieriger verborgen liegt hier eines der mysteriösen Stollensysteme, das von den Nazis [und von den Häftlingen] angelegt wurde. Der einzige Zugang ist mit einer Betonplombe verschlossen. Nur der bergtechnische Sachverständige des Bundes darf sie öffnen. Denn alle paar Jahre muss er drinnen nach dem Rechten sehen [Bild: Öffnung der Betonmauer vor dem Eingang mit Zylinderbohrungen im Kreis angeordnet, so dass am Ende ein grosses Stück herausfällt und ein Loch entsteht].
Für etwa zwanzig unterirdische Tunnelsysteme in Süd- und Ostdeutschland ist Heinz Rabe zuständig. Er muss prüfen, ob die Sicherheit der Anlagen noch gewährleistet ist, mit deren Bau vor sechzig Jahren begonnen wurde [Bild: Heinz Rabe betritt den Stollen].
Nach Kriegsende hatten die Amerikaner auch hier in Oberammergau alles durchsucht.
[Besser: Sie haben alles geklaut und für die eigene Rüstungsentwicklung weiterverwendet].
Seitdem stehen die Stollen leer. Die Holzverkleidungen sind morsch. Steine können jederzeit aus der Decke brechen.
Heinz Rabe, Stollenwärter in S- und O-Deutschland:
"Die Anlage gehörte der Messerschmitt AG während des Krieges und diente als bombensichere Fertigungs- und Entwicklungsstelle für den Flugzeugbau. Den Plänen nach gab es hier 3 oder 4 Zugänge in die Anlage. Einen haben wir jetzt wieder geöffnet, die restlichen wurden bei Kriegsende zugesprengt. Und es sind hier zwei handparallele Stollen von ungefähr 80, 90 m Länge, die durch Querstollen verbunden sind, die dann als Fertigungs- und bombensichere Produktionsstätten dienten." [Bild: ehemalige Produktionshalle im Berg; Stollen im Rohbau]
3.
Die Dimension des Bunkerbaus: 340 Baustellen, 400 Decknamen, 800 Projekte
Sprecher:
340 Baustellen waren den Alliierten schon vor Kriegsende bekannt. Im 3. Reich hatten über 400 Anlagen bereits Decknamen erhalten. Von etwa 800 ist in den Planungen des Rüstungsministeriums die Rede.
Lange Zeit hatte die Nazi-Führung gezögert, den Bau unterirdischer Fabriken zu beginnen.
[Ergänzung:
weil die halbe Welt 1942 und 1943 noch mit einem schnellen Sieg der NS-Truppen gegen die Rote Armee rechnete, weil man sich von dem schwachen Bild der Roten Armee gegen Finnland nicht trennen wollte; In: Valentin Falin: Zweite Front].
Erst als im Sommer 1943 alliierte Bomberstaffeln immer erfolgreicher über Deutschland operierten, gab Hitlers Rüstungsminister Albert Speer de Befehl, die Waffenproduktion systematisch unter Tage zu verlegen. Zunächst sträubte sich die Industrie gegen die Verlagerung, obwohl die horrenden Kosten vom Reich übernommen wurden. Zu unausgereift schienen die Pläne, zu chaotisch die Durchführung [Bilder: Albert Speer auf Besprechungen].
4.
Unterirdische Flugzeugfabrik Neckarzimmern am Neckar
Sprecher:
Zunächst liessen die Nazis v.a. bestehende Bergwerke ausbauen [Bild: Berghang am Neckar].
Am Ufer des Neckar wurde 1943 eines der ersten Projekte durchgeführt, Deckname "Neustadt". 120 m tief unter Weinberghängen liegt hier bis heute ein riesiges unterirdisches Stollensystem verborgen.
In Neckarzimmern wurde schon vor über 150 Jahren Gips abgebaut. Im Ersten Weltkrieg war in den Stollen eine Sprengstofffabrik untergebracht. Ab 1937 wurde dort Munition gelagert [Bild: Stollenwärter im Stollen].
Ob die Latrinen der Arbeiter noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammen, ist unklar, denn das Tunnelsystem gehört zu den wenigen, die immer noch benutzt werden [Bild: 2 Latrinen in einem Stollen im Rohbau].
Die Eisentür führt in eine unterirdische Stadt [Bilder: Ausbetonierte, weiss gestrichene Tunnels mit geteerten Fahrbahnen]. Den Berg durchzieht ein 34 km langes, befahrbares Strassennetz. Auf 130.000 m2 sollte hier eine gigantische Waffenschmiede entstehen, und wurde im Frühjahr 1944 sogar teilweise in Betrieb genommen. Heute erstreckt sich die Anlage auf einer Gesamtfläche von 170.000 m2 [Bild: Abgestellte Fahrräder im beleuchteten Tunnel].
Seit Jahrzehnten sind in Neckarzimmern Einheiten der Bundeswehr stationiert.
Holger Glatz, Oberammergau: [Situation 1939-1943, ab 1957, heute]:
"Während des Zweiten Weltkriegs wurden hier zwei Produktionsstätten ausgelagert: Einmal Munitionsverpackungsmittel einer nahe gelegenen Munitionsfabrik, und darüber hinaus eine Kugellagerherstellung aus einer Fabrik, die ursprünglich in Schweinfurt angesiedelt war. Als begonnen wurde, 1957 diese Anlage auszubauen, befanden wir uns in der Situation des Kalten Krieges, wo aufgrund der möglichen Konfrontation hier Anlage-Einrichtungen gesucht wurden, die z.B. auch atombombensicher sind, und dort eben Lagerung von Hochwertteilen und entsprechenden Instandsetzungsarbeiten durchgeführt werden können, auch unter den verschärften Bedingungen eines hier stattfindenden Krieges."
Sprecher [Situation heute]:
720 Menschen arbeiten hier [heute] unter Tage und sorgen für den Nachschub von Waffen und Ersatzteilen. 1,6 Millionen Euro lässt sich das Bundesverteidigungsministerium den Unterhalt der Anlage jährlich kosten [Bilder: fensterlose Werkstätten].
Holger Glatz [Situation heute]:
"Heute geht es darum, hier diebstahlgefährdetes Material, besonders schutzwürdiges Material in dieser Unter-Tage-Anlage zu lagern und instandzusetzen. Und der grosse Vorteil - wenn ich das noch anfügen darf - ist, dass wir hier besondere klimatische Bedingungen haben, nämlich eine konstante Lufttemperatur, konstante Luftfeuchte, so dass wir also einen sehr geringen Aufwand im Bereich Konservierung und Verpackung haben. Darüber hinaus ist die Anlage mit einigen wenigen Zu- und Abgängen und Frischluftstollen auch sehr einfach zu schützen, so dass also auch der Bewachungsaufwand für diese sehr gross dimensionierte Anlage vergleichsweise gering ist." [Bilder: fensterlose Produktionsstätten, fensterlose Lagerhallen].
Wo heute Material für die deutschen Friedensmissionen im Kosovo und in Afghanistan lagert, sollten vor 60 Jahren kriegswichtige Rüstungsgüter produziert werden.
Mindestens 50 Millionen Reichsmark sollte der Ausbau kosten. Knapp die Hälfte wurde bis Kriegsende fertig.
5.
Die Dimension des Bunkerbaus: 80 Prozent der Kriegsindustrie einbunkern
Sprecher:
Vor allem die Kugellagerfabriken in Schweinfurt waren das Ziel alliierter Bomberstaffeln. Trotz schwerer Verluste gelang es den Amerikanern, die Fabriken in Schutt und Asche zu legen. Das Ziel aber, den Nachschub für Hitlers Wehrmacht lahmzulegen, wurde zunächst nicht erreicht [Bilder: Bombardierung].
Bis zu 80 Prozent der kriegswichtigen Schlüsselindustrien sollten unter Tage verlegt werden. Neben den Kugellagerfabriken waren es Produktionsstätten für Flugzeugmotoren, sowie Treibstofflager und das geheime Raketenprogramm der SS. Nur etwa 20 Prozent wurden in Betrieb genommen [Bilder: beschädigte Hausfassade, ausgebrannte Motorhalle, ausgebrannte Treibstoffhalle, ausgebrannte Panzerhalle].
6.
Unterirdisches Treibstofflager nahe Bremen: heute noch in Betrieb
Sprecher:
Anlagen, die als "kriegsentscheidend" galten, waren besonders gut getarnt, um sie den Blicken alliierter Aufklärungsflugzeuge zu entziehen. So wurden die riesigen Treibstoffvorräte Nazideutschlands schon ab Mitte der 30-er Jahre unterirdisch eingebunkert. In der Nähe von Bremen ist ein solches Lager auch über 60 Jahre später noch in Betrieb.
Regelmässig müssen die staatseigenen Anlagen gewartet werden. Nur geschultes Personal darf in die Tanks hinabsteigen. 4000 m3 Treibstoff fassen die riesigen Behälter aus 12 mm starkem Schiffbaustahl, umhüllt von ein Meter dickem Beton. 80 Stück sind es insgesamt.
7.
Die Dimension des Bunkerbaus: "Hochdruck"
Sprecher:
Überall im 3. Reich wurden die Bauarbeiten unter Tage mit Hochdruck vorangetrieben.
NS-Propagandafilm 1944:
"Die Absicht der Feinde, durch planmässigen und massierten Bombenwurf die deutsche Rüstung zu zerschlagen, ist gescheitert. Rechtzeitig und mit deutscher Gründlichkeit wurden kriegsentscheidende Fertigungen unter die Erde verlagert."
Sprecher:
"Waffen - Hände - Herzen" heisst dieser Propagandastreifen, der einige der seltenen Filmaufnahmen enthält, die die unterirdischen Baustellen zeigen. Gedreht wurden die Szenen im Thüringischen Kahla, wo eine Flugzeugfabrik entstehen sollte. Deckname: "Lachs".
8.
Unterirdische Flugzeugfabrik: Walpersberg bei Kahla, Deckname "Lachs"
Vor allem ausländische Zwangsarbeiter mussten in den Stollen die Drecksarbeit verrichten, unter unmenschlichen Bedingungen.
Paul Baert, ehem. belgischer Häftling (Übersetzung):
"Am ersten Tag wurden wir eingeteilt. Ein deutscher Offizier hielt eine Ansprache und sagte zu uns: <Ihr werdet arbeiten, bis ihr tot umfallt>. In den Stollen mussten 3 Leute mit der Bohrmaschine, Löcher bohren, 3 schaufelten, und einer brachte die gefüllten Loren nach draussen.
Von einem Gerüst aus wurden zweieinhalb bis drei Meter tiefe Löcher in die Decke gebohrt und mit Dynamit gefüllt. Dann explodierte alles, und sofort danach mussten wir weiterarbeiten und schaufeln. Vor lauter Staub und Gasen konnten wir einander nicht sehen. Doch es gab keine Gnade, wir mussten weitermachen."
Sprecher:
Nach 12 Stunden im Berg bekamen 10.000 Sklavenarbeiter eine kärgliche Essensration. Anfang Februar 1945 wurden sogar 14- bis 16-jährige Schüler abkommandiert, um bei den Bauarbeiten zu helfen [Bilder: Stollenlabyrinth im Rohbau].
Herbert Römer, ehem. Häftling in Walpersberg bei Kahla:
"Das technische Konzept war sicher ein rational durchdachtes und im Hinblick auf die Luftherrschaft der Alliierten über Deutschland unabweisbar. Die Methoden waren natürlich die des hellen Wahnsinns. Die Maschine, die ungebremst unter Dampf gehalten wurde, obwohl sie absehbar dem Abgrund, nämlich dem Ende des 1000-jährigen Reiches, zuraste, und die Unmenschlichkeiten, die dann vollzogen wurden noch, kann man eigentlich als normal denkender und fühlender Mensch nicht mehr nachvollziehen." [Bilder: Stollenlabyrinth im Rohbau]
NS-Propagandafilm 1944:
"Die deutsche Führung verkündete: Der deutsche Himmel muss und wird wieder freigekämpft werden [Bilder: Düsenjäger]. Unsere Erfinder und Konstrukteure werden der Masse der feindlichen Terror-Bomber Flugzeuge entgegenwerfen, die in Abwehr und Angriff unbedingt siegen werden." [Bild: Bombe]
[Ergänzung: Der Düsenjäger wurde auf Hitlers Befehl zu einem Düsenbomber umgebaut. Dies kostete 1 1/2 Jahre Entwicklungszeit.
In: Nicolaus von Below: Als Hitlers Adjutant 1937-1945, Mainz 1980, S.355]
Sprecher:
Eine der geheimsten Neuentwicklungen der Luftwaffe wurde in Kahla gebaut: der Düsenjäger [Düsenbomber] Me-262. Die erste Maschine war Mitte Februar 1945 startbereit [Bild: Flugfeld mit Düsenjägern].
[Ergänzung: Der Düsenjäger stand schon 1939 zur Verfügung, wurde von Hitler aber nicht eingesetzt, weil Hitler meinte, die hohe Beschleunigung könnte bei den Piloten Hirnschäden verursachen;
In: Nicolaus von Below: Als Hitlers Adjutant 1937-1945; Hase & Koehler-Verlag, Mainz 1980; Pour le Mérite - Verlag für Militärgeschichte, Postfach 52, D-24236 Selent, 1999].
Paul Baert, belgischer Häftling in Walpersberg bei Kahla (Übersetzung):
"Das Flugzeug sah aus wie ein Fisch. Es war sehr modern gebaut, sehr schlank und wohl sehr schnell. Wir hatten Gerüchte aufgeschnappt, dass hier jeden Monat 1200 Flugzeuge gebaut werden sollten. Das konnten wir einfach nicht glauben. Aber es spielte sich vor unseren Augen ab. Wir hatten grosse Angst davor, denn uns war klar: Wenn der Krieg noch länger dauert, werden wir nicht überleben."
Sprecher:
1945 macht die US-Airforce bei Kahla diese Luftaufnahmen. Deutlich erkennbar sind die verbunkerten Zugänge und ein Lastenaufzug an der Seite des Berges [Bild: Bergrücken mit Lastenaufzug]. Innen wollte man eine Gesamtstrecke von 30 km ausbauen. Bei Kriegsende war knapp die Hälfte in den Fels gesprengt [Bild: Stollenwärter läuft durch Stollen].
Die nicht mehr ausgebauten Stollen führten in das eigentliche Herzstück der Anlage: 4 riesige unterirdische Hallen, wo auf 27.000 m2 gearbeitet werden sollte.
Heinz Rabe, Stollenwärter in S- und O-Deutschland:
"Wir sind hier in einer der grossen Hallen, die für die Endfertigung der Strahlflugzeuge, also der Me-262, vorgesehen waren. Hier konnte das Flugzeug komplett zusammengebaut werden und dann in diesen grossen Stollenquerschnitt bis nach über Tage transportiert werden, von wo es dann auf den Berg hochgezogen wurde mittels eines Aufzugs, und dann starten konnte."
Sprecher:
Auf dem völlig unterhöhlten Bergrücken hatten die Deutschen offenbar eigens eine Startbahn angelegt. Die Serienproduktion der Düsenjäger war nur eine Frage der Zeit. Doch nur wenige sind hier noch gestartet [Bild: Bergrücken mit Startbahn].
Herbert Römer, ehem. Häftling in Walpersberg bei Kahla:
"Ich erinnere mich noch an zwei Starts der Me-262. Wir waren ja im Aussenbereich auch in Sichtweite des Schrägaufzuges eingesetzt und konnten also sehen, was über Tage vor sich ging. Wir schauten alle in die Höhe, und da zeigten einige schon gen Horizont. Und dann sahen wir dieses eigenartig schnell fliegende Gerät. Und man konnte es schon als - na - Wunderwaffen-Kategorie einstufen."
9.
Dimension des Bunkerbaus: 100.000e Häftlinge bis zuletzt zurück ins Reich transportiert
Sprecher:
Grosse Hoffnungen hatte die Naziführung auf den Einsatz dieser vielbeschworenen "Wunderwaffe" gesetzt. Doch letztlich konnten auch die hochmodernen Düsenjäger nichts gegen die Übermacht der alliierten Luftstreitmacht ausrichten.
[Ergänzung: wegen Treibstoffmangel].
Trotzdem wurden bis zuletzt noch Hunderttausende KZ-Häftlinge aus den Todeslagern im Osten ins Reich verbracht, um binnen weniger Monate neue Flugzeugfabriken zu errichten.
10.
Unterirdische Flugzeugfabrik: Mühldorf am Inn: ca. 2000 Tote
Sprecher:
Max Mannheimer kam im Februar 1945 aus Auschwitz nach Mühldorf am Inn.
Max Mannheimer, Ex-Auschwitz-Häftling in Mühldorf am Inn:
"Wir wussten, dass da eine unterirdische Flugzeugfabrik gebaut werden soll. Und - eh - das war schon bekannt. Und es war auch bekannt der Grund: weil eben die oberirdischen Rüstungsbetriebe alle bombardiert wurden.
[Ergänzung: Die Alliierten bombardierten nur einige Rüstungsbetriebe, sonst immer die Zivilbevölkerung].
Dann hat man sich entschlossen, alles unter die Erde zu legen. Hier zum Beispiel sollten 3 Stock unter der Erde, 3 Stock über der Erde sein. Also, es kam mir vor wie im alten Ägypten beim Pyramidenbau: Eine Menge Menschen, hin- und hergelaufen, angetrieben von Kapos. Denn es war ein Projekt, das sehr schnell fertiggestellt werden sollte." [Bild: Baustelle mit breitem Steinwall]
Sprecher:
Auf 400 Metern Länge sollte die 5 Meter dicke Stahlbetonschale die Produktionshallen überwölben. Etwa 2000 Häftlinge kamen bei den Bauarbeiten ums Leben.
Max Mannheimer, Ex-Auschwitz-Häftling in Mühldorf am Inn:
"Die Hauptarbeiten bestanden in Erdbewegungen, Eisen tragen und Zement tragen. Das war eigentlich das schlimmste Kommando, und es war gefürchtet. Damals berechneten die SS-Ärzte, dass ein Häftling, von dem man diese Leistung verlangt, und diese Arbeit zu leisten hat, eine Lebenserwartung zwischen 60 und 80 Tagen hat. Und das hat auch der Wahrheit entsprochen."
Sprecher:
37 kg wog Max Mannheimer bei Kriegsende. Viele seiner Leidensgenossen erlebten die Befreiung nicht mehr.
11.
Dimension des Bunkerbaus: Letzter Transport in KZs April/Mai 1945, z.B. nach Dachau
Sprecher:
In Güterwagons gepfercht waren sie noch kurz zuvor aus Mühldorf und anderen Lagern evakuiert und Richtung Dachau gebracht worden. Die Bilder der Toten und der Überlebenden schockieren die freie Welt [Bilder: Lager mit Leuten in Häftlingsuniform, kochen auf der Strasse, durchsuchen Fässer]
12.
Unterirdische Stollenanlage im Doggerwerk bei Hersbruck für BMW-Motorenproduktion; Deckname: "Esche 1" - ca. 3500 Tote
Sprecher:
In einem Wald nordöstlich von Nürnberg: Ein versteckter Tunneleingang, normalerweise von einer Betonwand verschlossen. Bergbauingenieure haben ihn eigens geöffnet, um Sicherungsarbeiten durchzuführen.
Schild über dem Tunneleingang: "Feldhaus Bergbau <Glückauf>"
Sprecher:
Das Doggerwerk bei Hersbruck zählt zu den grössten unterirdischen Anlagen, die von den Nazis [von den Häftlingen] gebaut wurden. Bis heute ist selbst in den umliegenden Ortschaften auf der fränkischen Alb nicht bekannt, wie gross das mysteriöse Tunnelsystem im Berg wirklich ist. Die Stollen waren teilweise fertig ausbetoniert, doch offenbar wurden sie nie benutzt [Bild: Baumaschine im Stollen].
Einmal im Jahr untersucht Heinz Rabe die Anlage. Besonders während des Winters stürzen immer wieder Stollen teilweise ein und müssen dann mit grossem Aufwand verfüllt werden. Der bergtechnische Sachverständige weiss nur zu genau, wie gefährlich die Arbeit unter Tage ist. Vor allem in den Bereichen, die von den Nazis [von den Häftlingen] nicht mehr ausgebaut wurden, können jederzeit Steinblöcke herunterstürzen.
Heinz Rabe, Stollenwärter in S- und O-Deutschland:
"Ja, hier kommen wir jetzt von den gesicherten Stollenbereichen in die ungesicherten Stollen. Sie sehen, es ist alles in Sandstein, ohne Sicherung. Und hier haben wir die grössten Gefahren, dass Sandsteinpacken sich von der Firste - sagt der Bergmann - von der Decke lösen, nach unten fallen und dann Verbrüche hervorrufen, die bis nach über Tage gehen können."
Sprecher:
Von den Nazi-Behörden wurde die Anlage unter dem Decknamen "Esche 1" geführt.
Heinz Rabe, Stollenwärter:
"Wir kommen jetzt hier in den Bereich des Streckenvortriebs. Hier sollte also dieser Stollen weiter vorgetrieben werden. Wir sehen das daran, dass die Bohrlöcher - Sie sehen hier die schwarzen Punkte - für die Sprengung schon hergestellt worden sind. Und wenn man Glück hat, findet man auch noch neben dem Bohrgestänge, das noch drinsteckt - das ist also das Original - findet man auch noch in den Bohrlöchern - hier haben wir eine - Sprengstoffpatronen. Also, die Bohrlöcher waren schon geladen. Es war also fertig zum Absprengen, und es hörte vom einen Tag zum andern auf, und man liess alles stehen und liegen."
Sprecher:
Über 9000 Häftlinge aus dem KZ Flossenbürg wurden hier unter menschenunwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen, um die Stollen schnellstmöglich fertigzustellen. Etwa 3500 kamen dabei ums Leben.
Heinz Rabe, Stollenwärter in S- und O-Deutschland, zeigt einen Plan mit Stollen in Rechtecken angeordnet:
"Von diesen vorgesehenen rund 100.000 m2 Grundfläche sind ungefähr 15.000 m2 fertig geworden. Die ganze Anlage hätte nach hier noch weitergeführt werden sollen. Man sieht das an diesen Streckenansätzen. Die Strecken liegen alle 20 m auseinander und sollten dann als Produktionsstätten dienen.
Diese Anlage wurde begonnen im März 1944, und der Vortrieb wurde bis Mai '45 durchgeführt, und man hat ungefähr 7,5 km Strecken, Stollen, aufgefahren, einen Teil, ungefähr 10 Prozent der Stollen, auch schon betoniert, und der Rest ist praktisch noch im Rohbau.
Die Anlage sollte für die Motorenproduktion, für BMW-Motorenproduktion für Flugzeuge hergerichtet werden, um die Produktion von über Tage in bombensichere Unter-Tage-Räume zu verlegen."
Sprecher:
Eine halbe Million m3 Dogger-Sandstein brachen die Sklavenarbeiter aus dem Berg. Doch Flugzeugmotoren wurden hier nie gebaut.
Sprecher [über die Situation nach 1945]:
Auf Befehl der amerikanischen Besatzungsmacht hat man die Stolleneingänge nach dem Krieg vermauert. Die verlassene Anlage geriet in Vergessenheit. Ab und zu kommen ehemalige KZ-Häftlinge hierher, um ihrer ermordeten Kameraden zu gedenken.
[Es stellt sich die Frage, wieso die alliierten Medien die Todesstätten des Bunkerbaus haben in Vergessenheit geraten lassen].
13.
Unterirdische Raketenproduktion nach der Bombardierung von Peenemünde: für V2 (A4): Nordhausen: Kohnstein: 10.000e Tote
Sprecher:
Vor allem von einer Waffengattung erhoffte sich die Nazi-Führung die entscheidende Wendung des Kriegsverlaufs. Im Propaganda-Jargon des Dritten Reichs hiess sie V2, V für "Vergeltung" [Bilder: aufgestellte Rakete V2]. Der Raketentechniker Werner von Braun hatte in Peenemünde den neuartigen Flugkörper vom Typ A4 entwickelt und zur Produktionsreife gebracht [Bild: Werner von Braun auf Besprechung].
Mit der V2 wollte man vor allem Ziele in England zerstören und so die britische Zivilbevölkerung terrorisieren [Bild: startende Rakete]. Trotz vieler Fehlversuche - die V2 war ab Sommer '44 einsatzbereit.
[Bilder: Eine Rakete startet nicht, fällt um und explodiert bei der Startrampe].
Ein unscheinbarer Bergrücken im Harz [Bild: ein Bergrücken]. Mitte April 1945 haben amerikanische Truppen die Stadt Nordhausen erreicht. Im Schatten des Kohnstein finden sie ein KZ mit ausgemergelten Häftlingen und viele Leichen [Bilder: GIs betreten ein Lager; Männer sitzen in der Sonne, bei denen man die Rippen sieht; ca. 8 Menschenkörper auf Bahren, mit Leinen oder Decken überdeckt, z.T. schauen die Köpfe heraus].
Überlebende des Lagers Mittelbau-Dora berichten den Befreiern von mysteriösen Stollen im Berg, von einer streng geheimen Raketenfabrik, wo sie als Sklavenarbeiter der SS arbeiten mussten [Bilder: GIs in den Fabrikationswerken].
Doch die Sieger wissen längst, dass sich hier eine der wichtigsten Waffenschmieden des Dritten Reiches befand. Nach einem verheerenden Bombenangriff der Briten auf die Entwicklungsstelle in Peenemünde hatten die Nazis die Raketenproduktion im August 1943 kurzerhand in ein dort bereits vorhandenes Treibstofflager verlegt. KZ-Häftlinge mussten sofort mit dem Ausbau beginnen - unter grausamsten Bedingungen [Bilder: Stollen im Rohbau mit Holz-Zwischenboden].
Jens-Christian Wagner, Historiker der Gedenkstätte Mittelbau-Dora:
"Die 10.000 Häftlinge waren in 4 Querkammer-Stollensystemen untergebracht. Das heisst: Sie waren dort untergebracht, wo sie auch arbeiten mussten. Die Häftlinge waren völlig inadäquat gekleidet für das, was hier unten passierte an Zwangsarbeit. Sie hatten ihre dünne, gestreifte Häftlingsuniform an in der Kälte. Es war sehr feucht. Das führte natürlich sehr schnell zum Ausbreiten von Lungenkrankheiten. Und es ist kein Wunder, dass - em - viele von den 3000 Toten der ersten 5 Monate an TBC und anderen Lungenkrankheiten zugrunde gingen, alle anderen [der späteren Zeit, als die Häftlinge nicht mehr im Stollen essen und schlafen mussten] - em - an den Folgen von Erschöpfung, von Entkräftung, von Verhungern, von Erfrieren, und - nicht zu schweigen - von den Misshandlungen durch das SS-Personal, aber auch durch zivile Angestellte des Mittelwerkes."
Sprecher [Situation heute]:
Das 250.000 m2 grosse Tunnelsystem des Kohnstein ist heute weitgehend gesperrt, denn der Aufenthalt in den ungesicherten Stollen ist lebensgefährlich. Nur die Männer von der Bergsicherung gehen ab und zu hinein, um die Anlage zu überprüfen. Doch immer wieder versuchen Schatzgräber oder kriminelle Souvenirjäger hier unten einzudringen. Denn Originalteile aus dem Raketenberg sind bei Sammlern besonders begehrt [Bilder: Stollen mit rostenden Raketenteilen, z.T. im Sickerwasser].
Peter Wolff wurde aus Auschwitz nach Mittelbau-Dora gebracht. Als jüdischer Häftling bekam er die Lagernummer 105.065. Die Stollen mag er nicht mehr betreten. Zu schrecklich sind die Erinnerungen.
Peter Wolff, Ex-Auschwitz-Häftling:
"Wir Häftlinge, die wir in der Kaserne Nordhausen jeden Morgen mit der Bahn zu den Stollen gebracht wurden, wir wurden als das "Todeskommando" anerkannt angesehen und nannten uns auch so. Die Arbeit draussen, die war etwas - sagen wir mal - eh - leichter - eh - als drinnen, weil man drinnen mehr unter der Aufsicht der SS war, unter der dauernden Aufsicht der SS. Die Leute wurden andauernd geschlagen.
Vor unserer Zeit haben die Leute ja auch gar kein Tageslicht gesehen, denn die waren also 24 Stunden in dem Stollen eingeschlossen. Die schliefen, die assen, die arbeiteten im Stollen. Die Bedingungen waren mörderisch. Die Brutalität der SS, die kann man gar nicht in Worten wiedergeben. 'Sind also viele, viele umgekommen."
Sprecher:
Vom unsagbaren Leid der SS-Sklaven zeugen die Erinnerungen. Das Innere des Berges ist ein Trümmerfeld. Kaum vorstellbar, dass hier eine ganze Fabrik untergebracht war [Bild: Stollen mit Trümmern].
200 Millionen Reichsmark hatte das Rüstungsministerium veranschlagt, um auf insgesamt 600.000 m2 ein gigantisches unterirdisches Industriegebiet zu schaffen. Die V-Waffen-Produktion blieb das Herzstück.
1000 Stück, so der ehrgeizige Plan, sollten pro Monat gefertigt werden. Im April 1944 lag die Kapazität bei 450 Raketen. Doch selbst diese Zahl wurde kaum erreicht, denn die Produktion verlief selten reibungslos [Bilder: Raketentrümmer und Anlagentrümmer im Stollen, z.T. im Sickerwasser].
Jens-Christian Wagner, Historiker der Gedenkstätte Mittelbau-Dora:
"Es war keine normale Fabrik insofern, als hier ein Produkt hergestellt wurde, das noch nicht serienreif war. Das heisst: Es wurden nahezu täglich von Peenemünde aus - vom Entwicklungswerk der A4-Rakete - Produktionsänderungen befohlen, die in den laufenden Produktionsprozess eingefügt wurden, was zur Folge hatte, dass natürlich weit mehr als die Hälfte der Raketen nicht funktionsbereit waren."
Sprecher: .
Seltene Farbfotos, aufgenommen von Hitlers Kameramann Walter Frentz [Bilder: Häftlinge bauen Raketenteile zusammen]. Unter Anleitung deutscher Techniker setzten ausgewählte Häftlinge die Raketen aus etwa 45.000 Einzelteilen zusammen.
Die fertigen V2 wurden in Stollen 41 gebracht, zur Endkontrolle. Der 15 Meter hohe Prüfstand steht heute fast ganz unter Wasser. Von hier aus wurden die Raketen auf Eisenbahnzüge verladen und zu den Abschussbasen in Norddeutschland und im besetzten Holland gebracht.
Sprecher [über den Raub der Technik durch die Alliierten]:
Nach Kriegsende haben zunächst die Briten und Amerikaner alles Brauchbare aus dem Kohnstein geschafft. Dann kamen die Sowjets und holten sich, was noch übrig war. Doch in Stollen 29 finden sich bis heute Relikte der unterirdischen Raketenproduktion. Triebwerke und andere Bauteile der V2 rosten im Wasser vor sich hin [Bild: rostende Raketenteile im Sickerwasser].
Es sind die letzten Überreste der wahnwitzigen Idee, die Rüstungsproduktion des 3. Reiches in weiten Teilen unter die Erde zu verlegen. Ob eine grosse Zahl von einsatzfähigen Raketen den Fortgang des Krieges noch hätte beeinflussen können, ist ungewiss. In Kohnstein jedenfalls war die Produktion nahezu unangreifbar [Bilder: rostende Raketenteile im Sickerwasser].
[Ergänzung aus: Das unterirdische Reich - Teil 1:
Sprecher:
Bei Nordhausen im Harz kamen 10.000e Sklavenarbeiter ums Leben].
Jens-Christian Wagner, Historiker der Gedenkstätte Mittelbau-Dora:
"Die alliierten Dienste waren sehr weitgehend und sehr detailliert unterrichtet darüber, was hier passiert, und das im Wesentlichen durch die Auswertung von Luftaufnahmen. Da wurden z.B. die Luftschächte des Kohnsteins bis auf den Meter genau erkundet, und man hat - eh - sehr lange und intensiv darüber nachgedacht, ob man nicht z.B. Phosphor oder ähnliche brennbare Gegenstände durch die Luftschächte abwerfen könnte, um die Unter-Tage-Anlage - em - zu bombardieren und unbrauchbar zu machen."
Sprecher:
Filmaufnahmen der US-Army vom 12. April 1945. In der bei einem britischen Bombenangriff schwer beschädigten Bölkle-Kaserne offenbart sich den Befreiern das ganze Grauen des Lagersystems von Mittelbau Dora [Bilder: Die Bölkle-Kaserne und Häftlinge in Häftlingskleidung, zum Teil wohlernährt aussehend].
Hierher wurden die ausgemergelten SS-Sklaven zum Sterben gebracht. Vernichtung durch Arbeit.
Peter Wolff, ehem. Häftling:
"Die vielen Toten, die man sieht [Bild: menschliche Körper am Boden, z.T. stark durchscheinende Rippen, offensischtlich tot] man gewöhnt sich irgendwie daran. Frühmorgens musste man also blockweise zum Appell antreten. Da mussten natürlich alle - und es sind über Nacht viele gestorben - die musste man alle danebenlegen. Die wurden alle mitgezählt, nicht? Man war immer froh, dass man den Abend erlebte. Ich war oft gefragt: <Warum habt ihr keinen Widerstand getrieben gegenüber den SS-Leuten?> und so. Da muss ich immer sagen: <Wenn wir abends noch am Leben waren, dann haben wir den ganzen Tag über genug Widerstand geleistet>."
Die V2 treffen England - die Goebbels-Logik gegen England
NS-Wochenschau 1944:
"Wir bringen die ersten Aufnahmen von V2 auf ihrem Flug nach England. Sie wurden aus Gründen der Geheimhaltung aus grösserer Entfernung gemacht und geben nur einen schwachen Begriff vom wirklichen Grössenverhältnis der V2. In rasender Geschwindigkeit steigt der schlanke Stahl leicht in die Stratosphäre." [Bilder: Rakete am Himmel, dazu dramatische Orchestermusik]
Sprecher:
Ziel der todbringenden Waffe war vor allem London. Am 7. September 1944 schlug die erste V2 im Zentrum der britischen Hauptstadt ein [Bild: Trümmer und Rettungen in London]. Nach dem Willen der Nazi-Führung sollten 10.000e folgen. Propagandaminister Joseph Goebbels triumphierte. An der Heimatfront wurden die ersten Erfolge der Wunderwaffe skrupellos instrumentalisiert.
Goebbels-Rede in einem Stadion 1944:
"Ich habe damals nach den schweren Angriffen auf die Reichshauptstadt in Berlin erklärt: <Es wird die Stunde kommen, wo wir das den Engländern heimzahlen werden>. Die englische Presse hat mich am anderen Tag auf das massivste angegriffen und die höhnische Frage aufgeworfen, ob die neue Waffe, die ich doch angekündigt hätte, etwa im Propagandaministerium statt im Rüstungsministerium erfunden worden wäre. Ich habe es damals nicht für meine Aufgabe gehalten, die Engländer eines Besseren zu belehren, sondern ich war der Überzeugung: Je länger, dass sie glauben, dass sie nicht kommt, um so besser ist es. Denn die Überraschung ist auch eine Waffe."
14.
Unterirdische Raketensilos (Raketenabschussrampen) für die V2 in Watten
Sprecher:
Ursprünglich hatte die Nazi-Führung geplant, die V-Waffen aus riesigen Abschussbunkern abzufeuern. So entstand im nordfranzösischen Watten ab Mai 1943 ein 40 m breiter und 75 m langer Betonkoloss. Die deutschen Ingenieure glaubten, dass die 5 m dicke Stahlbetondecke undurchdringlich sei. Britische Spezialeinheiten bewiesen im Sommer 1944 das Gegenteil [Bilder: Betontrümmer]. Die unvollendete Anlage wurde von Bomben schwer beschädigt und für V-Waffen-Abschüsse unbrauchbar. Das Innere der Mammut-Anlage hat man nach dem Angriff umgebaut und für die Treibstoffproduktion genutzt [Bild: hohe Hallen aus Beton mit Zwischenböden aus Holz, der Boden steht z.T. unter Wasser]. An die ursprüngliche Bestimmung erinnert heute ein massstabgetreues Modell der V2 [Bild: zweidimensionales Modell der V2, an einer Wand befestigt, der Boden steht unter Wasser].
Aus Sicht der Wehrmacht war die Zerstörung von Watten ein taktischer Fehler der Alliierten, denn so regten sie Überlegungen zu neuen Konstruktionen an. Die Raketen, so der von Professor Braun unterstützte Plan, würden von einer Vielzahl mobiler Lafetten abgefeuert. Diese leicht zu tarnenden Abschussbasen konnten vom Gegner nicht rechtzeitig erkannt werden. Für die Bomberpiloten waren solche Ziele nur schwer zu bekämpfen [Bilder: Transport von V2-Raketen auf Eisenbahnwagen und auf Einzellafetten].
Bob Knight, britischer Bomberpilot der Spezialeinheit "Dambusters" (Übersetzung):
"Wir wussten über die Gefahr genau bescheid, vor allem als die V2 kam. Die wurden vom Kontinent abgefeuert und schlugen irgendwo in England ein [Bild: aufgerichtete V2 auf einer Lafette abschussbereit]. Das war wirklich furchtbar. Für die Leute, die mehr darüber wussten - z.B. Winston Churchill - war es entscheidend, denn die mussten sich auch die Moral in der Bevölkerung Sorgen machen. Für uns war das einfach ein Job, den wir machen mussten. Wir kannten die Bedeutung, wussten aber nichts von den weitreichenden Auswirkungen [Bild: britische Bomberstaffel].
Sprecher:
Die so genannten "Dambusters", die 617. Schwadron der Royal Air Force, wurde immer dann eingesetzt, wenn der britische Geheimdienst militärische Punktziele, so auch die Abschussbasen der V-Waffen, identifiziert hatte.
15.
Unterirdische Raketensilos (Raketenabschussrampen) für die V2 in Vizernes: "La coupole" - britische "Tallboy"-Bomben
Sprecher:
Im nordfranzösischen Vizernes steht die wohl spektakulärste unterirdische Bunkeranlage, von der aus die so genannten "Vergeltungswaffen" in grosser Zahl abgefeuert werden sollten. "La coupole", "die Kuppel", nennen die Einheimischen die gigantische Dachkonstruktion [Bild: Kuppel und Bauplan der Kuppel].
Innen sollten wie am Fliessband Sprengköpfe auf die Raketen montiert werden. Die einsatzbereiten Flugkörper konnten - so der Plan der Nazis - anschliessend nach draussen in einen ehemaligen Steinbruch transportiert und sofort abgeschossen werden. Die Lagerkapazität war auf 500 Raketen ausgerichtet [Bild: Ausbetonierter Stollengang].
1000e Zwangsarbeiter mussten von einem alten Steinbruch aus kilometerlange Stollen in den Berg sprengen, unter unmenschlichen Bedingungen [Bilder: Lange Stollen, Stollen im Rohbau, frisch gefüllte Loren, Stollen mit Holzverschalung]. Das Herz der Anlage sollte von der 5 m dicken, 55.000 Tonnen schweren, Betonkuppel überwölbt werden. Die Ausbrucharbeiten im Inneren hatten begonnen. Hier sollten die Raketen zur Endmontage der Sprengköpfe aufgerichtet werden. Die 8-eckige Halle ist 13 m hoch [Bild: Der begonnene Bau der Halle: Der Kern der Halle ist noch in Stein vorhanden].
Doch bereits kurz nach Baubeginn hatte der britische Geheimdienst von der Anlage erfahren und die "Dambusters" mit der Zerstörung beauftragt.
Bob Knight, britischer Bomberpilot der Spezialeinheit "Dambusters" (Übersetzung):
"Es war notwendig, dass wir diese Anlage unschädlich machten [Bild: Kuppel und Betontrümmer, Aussenansicht], bevor sie von dort aus diese furchtbaren Waffen auf uns abschiessen konnten. Wir wurden intensiv auf den Einsatz vorbereitet, mit allen verfügbaren Informationen versorgt. Die Grundidee war, das Ziel 'umzupflügen'. So konnte man einen zweifachen Effekt erzielen. Bei einem direkten Treffer zerbarst das Ziel in 1000 Stücke. Gleichzeitig wurden die Grundfesten der Anlage zerstört."
Sprecher:
Eine ganz besondere Bombe hatten britische Waffentechniker zu diesem Zweck entwickelt: Die 12.000 Pfund schweren "Tallboys" konnten auch meterdicke Bunkerdecken durchschlagen. Am 17. Juli 1944 kamen sie auch über Vizernes zum Einsatz [Bilder: Transport von "Tallboy"-Bomben auf Lastwagen].
Dem 617. Bomberschwadron gelang zwar kein direkter Treffer auf die Kuppel. Die Anlage aber war nach dem Angriff unbrauchbar [Bilder: Rechteckige, metertiefe Bombenkrater um die Kuppel].
Bob Knight, britischer Bomberpilot der Spezialeinheit "Dambusters" (Übersetzung):
"Informationen darüber, wie ein Angriff verlaufen war, gab es ziemlich schnell, denn die Aufklärungsflugzeuge waren meistens schon kurz danach vor Ort und brachten Fotos mit. Dann wurde uns gesagt, ob wir erfolgreich waren oder ob wir noch einmal hinmussten. Aber wenn die Tallboys getroffen hatten, war das normalerweise nicht mehr nötig."
16.
Bunkerbau: Unterirdische Raketensilos für die V3 in Mimoyecques
Sprecher:
Elf Tage zuvor hatten die "Dambusters" auch den kleinen Ort Mimoyecques angegriffen, wenige Kilometer entfernt von der Kanalküste, südlich von Calais. Auf Befehl von Rüstungsminister Speer war auch hier im Sommer 1943 mit dem Bau einer unterirdischen Anlage begonnen worden, für eine Waffe, die - wie die V2 - London direkt erreichen sollte [Bild: Betontrümmer].
Um Hitlers Traum von der so genannten "England-Kanone" zu beenden, genügte eine einzige "Tallboy"-Bombe. Sie durchschlug die 6 Meter dicke Betondecke und explodierte im Inneren des Berges.
Dort hatten Zwangsarbeiter 100 m lange Schächte schräg in den Berg gesprengt [Bild: Plan] für ganze Batterien neuartiger "Hochdruckpumpen". Diese auch "V3" oder "Fleissiges Lieschen" genannten Kanonen sollten Granaten bis zu 200 Kilometer weit schiessen. Welche Art von Granaten die England-Kanone mit einer Geschwindigkeit von einem km pro Sekunde abfeuern sollte, ist unklar. Von biologischen oder chemischen Kampfstoffen ist die Rede. Beweise dafür gibt es nicht [Bild: Stollen, ausbetoniert und im Rohbau].
Nach dem erfolgreichen Bombenangriff war die Anlage zwar unbrauchbar, aber nicht vollständig zerstört. Heute sind noch ein paar der 60 Jahre alten Stollen begehbar. Ein Modell des so genannten "Tausendfüsslers" erinnert daran, welch perfide Idee die Nazis hier ins Werk zu setzen versuchten [Bild: schräger Stollen mit Pumpleitungssystem].
Die Gefahr für England war offensichtlich so gross gewesen, dass der britische Premier Winston Churchill sich noch 8 Monate nach der Befreiung Frankreichs mit Mimoyecques befasste [Bilder: Big Ben; Churchill spaziert mit Gefolge]. Er könne nicht zulassen, dass diese Anlage die Sicherheit des Landes weiter bedrohe, schrieb er in einem geheimen Memorandum. So wurden die noch intakten Schächte der V3 von britischen Pionieren gesprengt [Bild: Churchill fährt im Auto vor dem Buckingham-Palast].
Wusste Churchill mehr darüber, was die Nazis planten, als bis heute bekannt ist?
17.
Falkenhagen bei Berlin: Chemiefabrik mit dem Ziel der Sarin-Produktion
Ein totes Gleis führt ins Niemandsland: Falkenhagen, südöstlich von Berlin . Die britischen Akten über den kleinen Ort in der brandenburgischen Provinz sind bis heute teilweise unzugänglich, denn hier sollte eine der gefährlichsten Massenvernichtungswaffen der Kriegsgeschichte produziert werden [Bild: Bahngleis endet auf Pflasterstrasse; Ansatz einer Weiche].
NS-Propagandafilm 1944: "Kampfstoffe":
"Unter Gas verstehen wir jene Erzeugnisse der chemischen Industrie, die als chemische Kampfstoffe bei Kampfhandlungen eingesetzt werden können mit dem Ziel, auf den Gegner einzuwirken und ihn kampfunfähig zu machen. So hat sich die chemische Waffe - von hunderten von Geistern und Kräften geschmiedet - schon im Ersten Weltkrieg zu einem wirkungsvollen Kampfinstrument entwickelt. Wir müssen daher auch im gegenwärtigen Völkerringen jederzeit mit ihrem Einsatz durch den Gegner rechnen." [Bilder: Chemiewerkstätte mit Schüttelanlagen].
Sprecher:
Ein Schulfilm der Wehrmacht. Man zeigt Hitlers Soldaten die Wirkung der Chemiewaffen "Lost" und "Blausäure" am lebenden Objekt [Bild: Ein Affe in einem Glaskasten: In den Glaskasten wird etwas hineingegeben, der Affe schnappt bald nach Luft und bricht zusammen].
Grossbritannien, die USA und die Sowjetunion verfügten während des Zweiten Weltkrieges über grosse Mengen dieser Kampfstoffe. Auch Nazi-Deutschland besass etwa 55.000 Tonnen. Eingesetzt wurden diese tödlichen Waffen nicht. Zu furchtbar waren die Erinnerungen an die Schrecken des Gaseinsatzes im Ersten Weltkrieg [Bild: Katze bekommt Ausfluss aus dem Maul].
Dr. Hoffmann, einst Physiker an der Akademie der Wissenschaften der DDR hat sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte Falkenhagens beschäftigt [Bild: Dr. Hoffmann öffnet rostiges Eisentor]. Vor neugierigen Blicken geschützt hatte das Heereswaffenamt 1938 die Anlage in einem ausgedehnten Waldstück versteckt. Unter dem Decknamen "Seewerk" wurden hier vor allem Brandstoffe entwickelt. Unvollendete Gebäudeteile zeugen von einem Projekt, das hier 1944 begonnen wurde [Bild: langer Hallenbau mit grossen Fensternischen, nur einstöckig, Gras wächst auf dem Dach].
Das Oberkommando des Heeres hatte das Gelände der IG Farben überlassen, um hier einen völlig neuartigen, chemischen Kampfstoff zu produzieren. 44 Millionen Reichsmark wurden für den Bau veranschlagt. Ein riesiges Heizkraftwerk war schon im Rohbau fertig [Bild: Betonbau, ca. 15 m hoch]. Die Chemiker hatten ihre Labors bereits nach Falkenhagen gebracht.
Dr. Hoffmann, Heimatforscher:
"Es gab eine neue Verfahrensentwicklung: Das war der Kampfstoff Sarin. Und dieser Kampfstoff sollte hier in Falkenhagen in einer Grossanlage produziert werden [Bild: Innenansicht des unvollständigen Produktionsgebäudes, der Rohbau des Heizkraftwerks im Hintergrund]. Sarin wirkt speziell auf das Atemsystem. Wer mit diesem Kampfstoff in Berührung kommt - und zwar genügt es zum Beispiel, wenn ein Tröpfchen in ein m3 Luft verdunstet - dass man dort innerhalb von 6 Minuten bei schlagendem Herzen erstickt. Die Atmung wird ausser Gefecht gesetzt."
Sprecher:
Die bis dahin bekannten chemischen Waffen waren für die Soldaten auf beiden Seiten erkennbar gewesen. So wurde der rechtzeitige Einsatz von Gasmasken immer wieder geübt. Sarin jedoch war anders. Man konnte es weder sehen, noch riechen oder schmecken. Der Tod kam ohne Vorwarnung [Bild: Kampfszene mit Gaseinsatz; Soldaten mit Gasmasken].
Hitler, so heisst es, habe den Einsatz von Gas verboten, weil er selbst im Ersten Weltkrieg fast erblindet wäre. Die Produktion von Sarin aber hat er persönlich befohlen. Hätte er auch den Einsatz dieser neuartigen Waffe gescheut, wenn sie zur Verfügung gestanden hätte? Mit einer Monatsproduktion von Sarin wären die Nazis in der Lage gewesen, eine Grossstadt wie London zu entvölkern [Bilder: Hitler mit Gefolge, Besprechung im Stehen; ein Gefolgsmann übergibt einem anderen Gefolgsmann mit Nazi-Armbinde ein Kästchen].
Als die Rote Armee Anfang 1945 die Grenzen des Dritten Reiches erreichte, packten die deutschen Chemiker in Falkenhagen ihre Ausrüstung zusammen. Nichts sollte die Sieger an das Vorhaben erinnern [Bild: leere Halle mit grossen Fensternischen, an der einen Längsseite ohne Aussenwand]. Sarin wurde hier nie produziert. Die sowjetischen Eroberer nutzten den Fabrikationstrakt für die Schweinezucht.
Dr. Hoffmann, Heimatforscher:
"Nach dem Krieg fiel man aus allen Wolken, als man sah, was für eine Katastrophe hier in Vorbereitung gewesen ist. Dieser Kampfstoff war eine reine deutsche Entwicklung, die den anderen Alliierten in keinster Weise bekannt war. 500 Tonnen pro Monat sind sehr viel, und das wäre für Granat oder Bomben, hätte man damit ganze Flächen ausrotten können. Und da macht man keinen Unterschied, ob Zivilisten oder Soldaten.
Sprecher:
Ein 80 m langer, unterirdischer Gang ist der Rest der halbfertigen Abfüllanlage für Sarin. Als Termin für den Produktionsbeginn hatte die IG Farben ihren Auftraggebern den Sommer 1945 avisiert. Wie realistisch das war, Wie realistisch das war, lässt sich heute nicht mehr klären [Bild: halb unterirdischer Gang in Betonmauern].
18.
Unterirdische Raketenfabrik für Interkontinentalrakete A9: Ebensee bei Salzburg, Deckname: "Zement"
Sprecher:
Amerikanische Panzerverbände auf ihrem Vormarsch in Österreich Anfang Mai 1945. Die traurigen Reste der Wehrmacht haben sich der Übermacht ergeben und gehen in Gefangenschaft. Bilder vom Kriegsende bei Salzburg, gedreht von einem Kameramann der US-Army.
Am 8. Mai erreichen die Kriegsberichterstatter das zwei Tage zuvor befreite KZ Ebensee und dokumentieren die Leiden der Überlebenden. KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter aus Ebensee waren unweit des Lagers in einem geheimen Stollensystem der SS eingesetzt. Decknahme: "Zement" [Bilder: Häftlinge mit stark herausstehenden Rippen; Häftlinge überdecken Tote, tragen Tote weg].
Sprecher [Situation heute und 1943]:
Einmal täglich fährt heute eine Diesellok in den Berg, um den dort geförderten Kalk abzufahren. Vor 60 Jahren hatte man den Familienbetrieb enteignet und der SS für die Produktion der spektakulärsten Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Waffentechnik überlassen. Die Anlage wurde nie in Betrieb genommen. Doch vor allem im ehemaligen Stollen "A" ist die ursprüngliche Bestimmung noch zu erkennen [Bild: Eine rote Diesellok fährt in einen zweispurigen Stollen ein und wird an Güterwagen angekoppelt].
30 m hoch sind die Hallen, in denen man unter der Leitung von SS-Obergruppenführer Hans Kammler sogar Interkontinentalraketen montieren wollte [Bild: ausbetonierte, 30 m hohe Halle]. Denn das neueste Modell, die 26 Meter hohe A9, würde, so der ehrgeizige Plan der Nazis, sogar die USA erreichen.
20 Stück pro Monat sollten in Ebensee gebaut werden [Bild: Güterzug im Stollen]. Die A9 wurde nicht einmal mehr getestet. Ihr Erfinder Werner von Braun kam nach Kriegsende unbehelligt in die USA, um dort seine Raketenforschung "neuen Herren" zu widmen. Die genaue Zahl der Opfer seiner Arbeit im Dienste Hitlers ist unbekannt [Bild: Der Güterzug fährt aus dem Stollen].
19.
Die einbetonierte und dann gesprengte Wolfsschanze - ein Tisch rettet Hitler das Leben
Sprecher:
Wochenschauaufnahmen aus der Wolfsschanze bei Rastenburg im Sommer 1944. Hitler verabschiedet den italienischen Diktator Bennito Mussolini [Bild: Wochenschau: Mussolini im Zug]. Auf 250 Hektar waren in Ostpreussen das Führerhauptquartier und der Wehrmachtführungsstab untergebracht, von drei schwer bewachten Sperrkreisen geschützt. Die Bahngleise, auf denen einst die Verbündeten des 3. Reichs zu Besuch des Hauptquartiers einfuhren, sind zugewachsen [Bild: zugewachsene Bahngeleise].
Die ehemalige Wolfsschanze ist ein Trümmerfeld [Bild: grosse Betontrümmer neben dem Bahngeleise]. Vor ihrem Abzug haben die Deutschen alle Gebäude gesprengt. Den Rest besorgte die Rote Armee. Hitlers Privatbunker ist ein unförmiger Klotz, denn noch 1944 wurden alle wichtigen Gebäude im innersten Sperrkreis mit massiven Stahlbetonbauten überwölbt [Bild: gesprengte Betonbunker].
Seit Ende 1944 ist Rochus Misch nicht mehr in Rastenburg gewesen. Als Mitglied des so genannten Führerbegleitkommandos war er auch in der Wolfsschanze fast immer an der Seite Hitlers [Bild: Herr Misch begibt sich in die Trümmerlandschaft]. Die Rückkehr nach 60 Jahren verläuft anders, als der ehemalige Leibwächter des Diktators es sich vorgestellt hat. Es fällt ihm schwer, in den Ruinen etwas wiederzuerkennen.
Rochus Misch, Leibwächter Hitlers:
"Mein Gott, das ist ja mächtig. Die waren... Die früheren Wohnbaracken, die waren ja vielleicht zwei, höchstens drei Meter, und jetzt ist so ein Koloss da. Ich bin erschüttert, was daraus geworden ist, weil mir das alles in guter Erinnerung ist, wie das normal ausgesehen hat, hier alles [Bild: gesprengte Betonbunker]. Das ist in einem Ruck-Zuck-Verfahren passiert, unglaublich, aber wahr. Wie schnell die das gemacht haben. In ein paar Wochen hat, hat sich das gesamte Gelände hier verändert, innerhalb von ein paar Wochen. Da waren vorher diese Flachbaracken. Wenn man da reinkam, da waren ein [unverständlich] nach rechts. Da war das grosse Zimmer, wo die Lagebesprechungen waren, ein grosser Tisch da drin, und das war ziemlich eingeengt. Das war nicht gross. Das Gewaltige ist erst nachher entstanden." [Bild: Führerbaracke].
Sprecher:
Als Hitler Mitte Juli 1944 mit seinem Tross aus Berchtesgaden in das Hauptquartier nach Ostpreussen kam, war sein Privatbunker noch nicht fertiggestellt. So logierte der Diktator im Gästebunker [Bild: eine hohe Betonwand]. Die Lagebesprechungen fanden vorübergehend in einer nahe gelegenen Holzbaracke statt, so auch am Mittag des 20. Juli 1944 [Bild: Erdboden]. Hitler hatte sich Generäle zum Vortrag gebeten. Einige Adjutanten und Diener waren ebenfalls im Raum. Um 16 Minuten vor Eins beugte sich der Oberbefehlshaber [Hitler] an dieser Stelle über einen grossen Kartentisch [Bild: Erdboden mit Fundamenteinsatz]. In diesem Moment explodierte eine Bombe, die Oberst von Stauffenberg unter dem Tisch deponiert hatte. Der Sprengsatz tötete vier Personen und verletzte sieben weitere schwer. Die Baracke wurde fast völlig zerstört [Bild: zerstörte Holzbaracke]. Hitler, vom massiven Kartentisch geschützt, wurde nur leicht verletzt. Der Staatsstreich in Berlin scheiterte noch in derselben Nacht. Nach dem Attentat wurden die Sicherheitsvorkehrungen nur unwesentlich verschärft.
Rochus Misch, Leibwächter Hitlers:
"Wir haben nie Angst gehabt. Wir haben nie gemerkt, dass da irgendwelcher Angst hat. <Mir wird schon nichts passieren> [Bild: Hitler besucht Verletzte im Krankenhaus]. Wenn er [Hitler] darauf aufmerksam gemacht worden ist, aus dem und dem Grund. - <Naja>, sagt er, <aber mir wird schon nichts passieren>. Das war keine Veränderung als solche, gar nichts. Das lief weiter wie vorher, wie Tage vorher. Der 20. Juli ist passiert, und die nächsten Tage dann ging's normal weiter. Da wurde Mussolini empfangen, dann gingen andere Empfänge weiter, also, als wär' überhaupt nichts mehr passiert."
20.
Bunkerbau im Eulengebirge für ein neues Führerhauptquartier: Beispiel: Gluszyca: "Säuferhöhen"
Längst hatte der Diktator befohlen, möglichst bald die Wolfsschanze durch ein neues Hauptquartier zu ersetzen. Es sollte gegen feindliche Fallschirmjäger geschützt und völlig bombensicher sein. Das Projekt war selbst engsten Mitarbeitern nicht bekannt [Bild: riesige Betontrümmer der Wolfsschanze].
Das Eulengebirge [Bild: Eulengebirge von fern], ein Landstrich im ehemaligen Niederschlesien. In den Bergrücken nahe dem polnischen Städtchen Gluszyca verbergen sich die wohl ungewöhnlichsten Hinterlassenschaften des Dritten Reiches [Bild: Landschaft].
Ein polnischer und ein deutscher Hobbyhistoriker haben es sich zur Aufgabe gemacht, die merkwürdigen unterirdischen Anlagen zu erforschen. Irgendwo im Wald der so genannten "Säuferhöhen" führt ein mysteriöser Schlund 48 Meter in die Tiefe. Ein Fahrstuhlschacht im Rohbau sei dies, so glauben die Experten [Bild: Abseilen durch ein Loch im Fels in eine riesige unterirdische Halle].
Der polnische Lehrer Jacek Duszczak und Jürgen Müller vom Verein der Berliner Unterwelten kommen seit vielen Jahren hierher, um neue Erkenntnisse zu sammeln. Und nicht nur die riesige mit Holz verkleidete Halle beweist, dass die Nazis hier Grosses planten [Bild: Halle im Berg, mindestens 8 m hoch, mit Holz verkleidet].
"Säuferhöhen": 7 [!] Höhlensysteme - und der plötzliche Abtransport - Deckname: "Riese"
Jürgen Müller, Verein "Berliner Unterwelten":
"Insgesamt sind es ja 7 unterirdische Stollenanlagen. Davon war nur ein ganz kleiner Teil - vielleicht so ein Achtel - irgendwie betoniert. Der Rest sind alles Stollen, die z.T. mit Holzstämmen und Balken abgestützt sind. So um die 40.000 Menschen sind hier in diesem gesamten Gebiet im Eulengebirge praktisch zur Zwangsarbeit eingesetzt gewesen.
Hier in den Stollen [Bild: Stollengang] herrscht eine Temperatur um rund 8 Grad, und Zwangsarbeiter haben ja im Schnitt zwischen 12 und 16 Stunden am Tag gearbeitet. Dann können Sie sich vorstellen, dass bei schlechter Ernährung - eh - dass es da sehr viele Tote gab."
Sprecher:
Als die Sowjets Ende April 1945 Niederschlesien eroberten, fanden sie die gigantische Baustelle verlassen vor. Sinn und Zweck der Anlagen blieben ihnen zunächst verborgen [Bild: niedriger Stollen, mit Holzbalken abgestützt].
Jacek Duszczak, Heimatforscher (Übersetzung):
"Dieses Objekt ist eigentlich die ganze Zeit seit Kriegsende zugänglich gewesen. Alle Zeugen, die schon hier waren, als die Deutschen abzogen, haben übereinstimmend erzählt, dass es ausgesehen hat, als ob die Arbeiter gerade eine Mittagspause machen. In den Wänden stecken noch die Bohrgestänge. Überall lagen Spaten herum. Loren und Waggons waren mit gefördertem Material gefüllt. Alles sah so aus, als habe man sich nur eine kleine Verschnaufpause gegönnt, nach deren Beendigung die Arbeiter weitermachen würden."
"Säuferhöhen": Häftlinge aus KZ Grossrosen und aus Auschwitz - 50 % Todesrate
Sprecher
Ausbetonierte Räume für Wachmannschaften und Schiessscharten für gepanzerte Maschinengewehrstände zeugen von der Bedeutung der Anlage. Denn unter strengster Geheimhaltung wurde hier ab November 1943 ein neues Führerhauptquartier gebaut. Deckname: "Riese" [Bilder: ausbetonierter Raum mit Gewehren; ausbetonierte Luke].
Die "Wolfsschanze" war Hitler nicht mehr sicher genug erschienen. Um im Eulengebirge eine bombensichere Unterwelt für 20.000 Menschen zu schaffen, bewilligte Rüstungsminister Speer 130 Millionen Reichsmark. Im August 1945 sollten 40.000 m2 bezugsfertig sein [Bild: Hitler mit Gefolge an Lagebesprechung an einem Tisch].
Viele der Sklavenarbeiter für den Bau von "Riese" wurden aus dem KZ Grossrosen abkommandiert [Bild: Territorium mit mannshohem Stacheldraht umzäunt]. Anfang 1945 zählte das Lager über 75.000 Insassen. Etwa 13.000 waren in den Aussenlagern im Eulengebirge untergebracht, zumeist jüdische Häftlinge aus Auschwitz. Etwa die Hälfte überlebte den mörderischen Einsatz für die Sicherheit des Diktators nicht [Bilder: Stacheldraht, Lautsprecher, Baracke, Galgen, Aussenansicht einer Toreinfahrt mit der Überschrift: "ARBEIT MACHT FREI"].
21.
Bunkerbau im Eulengebirge für ein neues Führerhauptquartier: Beispiel: Wolfsberg
Sprecher:
Drei Kilometer Stollen hatten die Zwangsarbeiter schon in den Wolfsberg gegraben, dem grössten Komplex der im Eulengebirge geplanten Anlagen. Heute steht das verzweigte Tunnelsystem teilweise unter Wasser [Bild: Fahrt im Stollensystem mit Schlauchboot].
Im November 1944 waren etwa 55 % des Planungsstandes erfüllt. Mit dem Ausbau der Anlagen sollte unverzüglich begonnen werden. Die Original-Baupläne für das Projekt "Riese" sind bei Kriegsende verloren gegangen [Bild: Fahrt mit dem Schlauchboot].
22.
Eulengebirge: Verdacht, dass noch weitere Bunkersysteme existieren
Jacek Duszczak und Jürgen Müller sind überzeugt, dass es iim Eulengebirge noch viele unentdeckte Bunkeranlagen gibt. Denn den wenigen verbliebenen Aufzeichnungen der Nazis zufolge war auch vorgesehen, dass dort in einer riesigen unterirdischen Fabrik so genannte "Wunderwaffen" gebaut werden sollten. Doch 60 Jahre danach ist es schwer, Fakten von Gerüchten zu trennen.
Jacek Dusczcak, Heimatforscher (Übersetzung):
"Wir haben Informationen, dass alle Gefangenen bei Kriegsende evakuiert wurden, bis auf diejenigen, die die Anlagen tarnen sollten. Von denen ist jede Spur verloren gegangen, und auch von denjenigen, die damals die Aufsicht führten. Natürlich sind das unbestätigte Informationen [Bild: niedriger Stollen im Rohbau, mit Stämmen abgestützt]. Die Nazis hatten sehr viel Zeit, die Stollen zu tarnen. So ist es heute sehr schwierig, die geschickt verschlossenen Zugänge zu finden. Sie wurden zugeschüttet, Bäume wachsen darauf. Alle Spuren wurden verwischt."
23.
Bunkerbau im Eulengebirge für ein neues Führerhauptquartier: Beispiel: Waldenburg: Schloss Fürstenstein
Auf Schloss Fürstenstein bei Waldenburg [poln.: Walbrzych] residierten einst die Fürsten von Pless [Bild: Schloss]. 1940 war der umfangreiche Besitz der Churchill-Verwandten unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Vier Jahre später begannen dort umfangreiche Umbauarbeiten. Ein Gästehaus der Reichsregierung, so hiess es, sollte in dem barocken Kleinod entstehen. In Wirklichkeit war es für Adolf Hitler und seine Getreuen vorgesehen.
So arbeiteten 35 Architekten aus dem "Baustab Speer" unter strengster Geheimhaltung an einem unterirdischen Bunkersystem mit direktem Zugang zum Schloss [Bild: Schloss, prunkvolle Innenansicht]. Bei Gefahr sollte ein Fahrstuhl den Führer aus seinen Privatgemächern 50 Meter tief in den Berg bringen. 3200 m2 Nutzfläche waren allein für den Diktator und seine engste Umgebung eingeplant [Bild: Stollen, zum Teil im Rohbau, z.T. ausbetoniert].
Jürgen Müller, Verein "Berliner Unterwelten":
"Die Grundidee war, dass es unter anderem Hitlers letztes Führerhauptquartier werden sollte. Also, man hat für die führenden Persönlichkeiten des 3. Reiches, hatte schon jeder seine eigene unterirdische Stollenanlage. Zum Beispiel für Goebbels sollte es eine eigene Anlage geben. Für Himmler sollte es eine eigene Anlage geben. Natürlich sollte dann auch Oberkommando der Wehrmacht - eh - sollte dann hier einziehen: mit Keitel, mit Jodl. Also, es gab schon - em - genaue - m - Aufteilungspläne, wer wie viel - eh - m3 [?] bekommen hat.
24.
Die deutsche Bevölkerung weiss von den Stollenbauten nichts - lebt selbst in Trümmern
Sprecher:
An der Heimatfront waren diese Aktivitäten völlig unbekannt [Bild: ausgebombter Strassenzug].
Die Volksgemeinschaft bekam ihren Führer kaum noch zu Gesicht [Bild: zerbombte Strasse mit ausgebrannter Strassenbahn]. Fast jeden Tag und jede Nacht flüchteten die Menschen vor alliierten Bombenangriffen in die Bunker. Denn systematisch wurden die Städte in Schutt und Asche gelegt [Bild: Trümmerfrauen].
Für die Kamera der Propaganda demonstriert Gauleiter Josef Goebbels in den Ruinen der Berliner Hedwigs-Katedrale Zuversicht [Bild: Goebbels mit Anhang in Ruinen]. Berlin ist ein bevorzugtes Ziel der Luftschläge. Vom Glanz des 3. Reiches ist dort kaum mehr etwas übrig. Die Arbeiten zur Neugestaltung der Reichshauptstadt hat man längst eingestellt. Die wenigen fertigen Anlagen wurden kriegsgerecht umfunktioniert [Bild: Kreuzung in Berlin und Häuser in Trümmern].
25.
"Achsenkreuz" und Strassentunnel in Berlin - Nutzung als Bunker und Fabrikationshalle
Irgendwo im Tiergarten findet sich heute der sorgfältig verborgene Einstieg in einen Strassentunnel von Hitlers Welthauptstadt "Germania" [Bild: Öffnung eines Schachtdeckels]. Seit Jahren ist niemand mehr darin gewesen. Dietmar Arnold vom "Verein Berliner Unterwelten" wagt den gefährlichen Abstieg, denn unten können sich giftige Gase bilden [Bild: Abstieg auf Leiter mit Helm und Lampe].
Dietmar Arnold:
"Ja, wir sind jetzt hier knapp 9 m unter dem Tiergarten im so genannten westlichen Tunnel des Achsenkreuzes, geplant als Schnellstrasse oder Autobahntunnel, knapp 90 m lang, 14 m breit, 4,8 m hoch. Das sind also Überreste von "Germania". Das Achsenkreuz ist der so genannte Schnittpunkt der geplanten Ost-West- und der Nord-Süd-Achse gewesen. Fertig geworden ist ja zu grossen Teilen die Ost-West-Achse. Die besteht heute aus der Strasse 17. Juni / Unter den Linden, und die Nord-Süd-Achse, die ist ja nie fertiggestellt worden. Ja, und das ist davon übriggeblieben von dieser hochtrabenden Planung [Bild: Tunnel, der ca. 20 cm unter Wasser steht].
1967 ist dieser Tunnel wiederentdeckt worden erst. Die Decke ist 'mal saniert worden. Das kann man hier auch sehen. Man kann sich ausrechnen, es ist billiger, wenn man das Bauwerk erhält, als wenn man es zuschüttet.
Sprecher:
Autos sind nie durch diesen Tunnel gefahren. Während des Krieges wurde irgendwann offenbar eine Zwischenwand eingezogen. Rüstungsbetriebe sollen hier unten ihre Produktion bombensicher weitergeführt haben. Eine verrostete Lampe ist alles, was daran noch erinnert [Bild: verrostete Lampe an der Decke].
In der hintersten Ecke des Tunnels hat Dietmar Arnold Hinweise darauf gefunden, dass der Tunnel auch von der Berliner Bevölkerung genutzt wurde, als Luftschutzraum während der Bombenangriffe.
Dietmar Arnold, Verein "Berliner Unterwelten":
"Das ist die Zugangstreppe, wo die Leute hier früher runtergekommen sind. Interessant finde ich dabei besonders, wie stark diese Treppenstufen ausgetreten sind. Da müssen also wirklich Massen an Leuten über diese schmalen Stufen hier in die Räumlichkeiten hinuntergekommen sein. Das Ganze könnte hier sogar eine Luftschutztür mal gewesen sein." [Bild: Treppe, am Ende ein grosser Metallrahmen]
Sprecher:
Gemäss eines so genannten Führer-Sofortprogramms waren ab Oktober 1940 in allen grösseren Städten Luftschutzbauten für die Bevölkerung errichtet worden [Bild: Bevölkerung läuft durch Trümmer neben ausgebombtem Strassenzug]. Sie sollten den Durchhaltewillen stärken. Und trotz der sich abzeichnenden Niederlage standen die meisten Deutschen auch 1944 noch in Treue fest zu ihrem Führer.
[Bild: Plakate auf Häusertrümmern:
-- "Unsere Mauern brachen - unsere Herzen nicht"
-- "Die Kriegsstadt Berlin grüsst den Führer!"
-- "Führer befiehl - wir folgen!"
-- "Unsere Mauern brachen, aber unsere Herzen nicht."
26.
Bunkerstadt unter Dortmund
Sprecher:
In Dortmund ist die wohl grösste unterirdische Luftschutzanlage des 3. Reiches erhalten geblieben. Die Zugänge sind getarnt, denn für ungebetene Besucher wäre es hier viel zu gefährlich. Ein Team des Bergamtes untersucht von Zeit zu Zeit die Anlage.
Ulrich Recklinger, Staatliches Bauamt Dortmund:
"Nun, in diesem Bereich hier [Bild: Luftschutztür nach der Treppe], da ist ein typisches Erkennungsmerkmal von Luftschutzanlagen: diese Gasschleusen. Die sind immer mit einem Führungsschloss [?] ausgestattet. Man konnte in der Anlage einen Überdruck fahren, und wenn draussen ein Gasereignis anlag, dann konnte man damit verhindern, dass [unverständlich gesprochen]."
Sprecher:
Nach den ersten Grossangriffen der Alliierten auf Dortmund hatte sich herausgestellt, dass die öffentlichen Luftschutzräume nur ungenügenden Schutz boten. Und so begann man mit dem Ausbau eines riesigen Stollensystems unter der Innenstadt. Bis zu 16 m unter der Erde sollten sich 80.000 Menschen vor den Bomben in Sicherheit bringen können. 5 km der Anlage wurden fertigggestellt [Bild: ausbetonierte Stollen mit Kreuzung].
Ulrich Recklinger, staatliches Bauamt Dortmund:
"In diesem Bereich hier sollte ein Eingang nach über Tage aufgefahren werden [Bild: unfertiger Stollen mit Steigung]. Man hat das von unten vom Stollen als Aufbruch nach oben gemacht. Wie man sieht, ist hier der Ausbau nicht eingebracht. Hier ist der Originalfelsen, wie er nach dem Sprengen zurückgeblieben ist. Den kann man so erkennen und der steht jetzt schon fast 60 Jahre so."
Frage von unbekannter Seite:
"Wann wurde das aufgegeben hier?"
Ulrich Recklinger:
"Direkt Ende des Krieges. Also, man hat bis zum Kriegsende weitergearbeitet an der Anlage, das heisst: April �45 haben wir noch Abrechnungsunterlagen aus der Zeit, wo man das noch erkennen kann, dass da noch Arbeiten liefen. Man kann hier auch sehen, dass hier noch das Werkzeug teilweise zurückgelassen wurde. Man hat also die Baustelle so verlassen, wie man sie hier sieht." [Bild: verrosteter Maurerspachtel, verrostete Schaufel].
Sprecher:
Seit November 1943 waren es vor allem Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter gewesen, die hier zum Einsatz kamen. Unter den Arbeitskräften haben sich auch Häftlinge einer Aussenstelle des KZs Buchenwald befunden [Bild: haufenweise ausbetonierte und befahrbare Stollen mit Kreuzungen].
Nach Kriegsende sollen sich manchmal Kriminelle vor der Polizei in die Unterwelt geflüchtet und das verlassene Stollensystem als Lagerraum für Hehlerware genutzt haben. In den 60-er Jahren wurde eine Wiederverwendung im Rahmen des zivilen Luftschutzes diskutiert und verworfen. Heute steht die Anlage leer.
Ulrich Recklinger, Staatliches Bauamt Dortmund:
"Wir kommen jetzt in den Bereich des Grossraums "Kölner Platz" [Bild: Stollen]. Da haben wir einen schönen Plan [Bild: Plan] aus dem Jahr 1943. Da kann man 'mal sehen, wie die Anlage ausgebaut worden wäre, wenn es denn einmal dazu gekommen wäre im Endausbau. Dieser Raum [Bild: Stollen] sollte also zweigeschossig ausgebaut werden [Bild: Plan des Stollens mit hölzerner Zwischendecke], mit Holz verkleidet, um die Feuchtigkeit ein bisschen abzuhalten und das Ganze wärmer zu gestalten, dann in Fluren aufgeteilt und einzelnen Kabinen, Frischluft- und Abluftkanälen. Zu diesem Ausbauzustand ist es dann aber wohl nicht mehr gekommen. Da hat das Kriegsende die Bauarbeiter wohl eingeholt. Ja, ich denke, wir gehen hier mal weiter. Da vorne [unverständlich gesprochen]."
Sprecher:
Eine öffentliche Nutzung ist nicht vorgesehen. Die staatlichen Stellen sorgen dafür, dass die Tunnelröhren nicht einstürzen.
27.
Kaiseroda / Merkers (Thüringen): Raubgut in Bunkersystemen gelagert - der geheime Abtransport durch die Alliierten
Film: Universal Newsreel [Allgemeine Nachrichten]: Titel: "German Loot Discovered" ["Deutsches Raubgut entdeckt"]; by / von Ed Herlihy.
[Bild: Eingangstor zu einem Lagerbereich. Aufschrift: "Gemeinschaftslager Merkers der Wintershall Aktiengesellschaft Kaiseroda"]
Untertitel in Deutsch:
"In Merkers, Deutschland, enthielt die Salzmine eines der merkwürdigsten Geheimnisse des Krieges. Die Entdeckung versetzte Deutschland einen vernichtenden finanziellen Schlag kurz vor Ende des Krieges. Hier haben GIs einen fantastischen Schatz aus Juwelen, Silber, Banknoten, Goldbarren und Kunstwerken entdeckt. Vieles davon ist Diebesgut aus 5 Jahren Krieg.
Fast jedes Museum in Europa ist mit seinen Meisterwerken vertreten, darunter Raffael, Rembrandt, Van Dyck und die Bilder vieler anderer Meister. Jetzt sind sie 400 m unter der Erde begraben, nach Meinung der Nazis in einem geeigneten Versteck, einem bombensicheren Luftschutzraum [Bilder von Schmuck, Besteck, Bilder, aber kein Gold, keine Banknoten].
Sprecher:
Die Stollen der ehemaligen Kali-Salzbergwerke von Kaiserroda durchziehen weite Teile Süd-Thüringens. Im Lauf der Jahrzehnte haben sich die Bergleute 100e km auf mehreren Ebenen durch das salzhaltige Erdreich gegraben. Das weit verzweigte Stollensystem gleicht einem Labyrinth. Wer hier etwas verstecken will, muss kaum damit rechnen, dass man es findet [Bild: Ein Fahrer fährt in einem Geländewagen durch die Gänge der Salzmine an Salzbergen vorbei].
Salz wird nach dem Ende der DDR in Merkers kaum noch abgebaut [Bild: ein grosser, gelber Bagger mit der Schaufel voller Salz], denn vom Tourismus erhoffen sich die Eigentümer inzwischen grösseren Profit. Die Geschichte vom sensationellen Goldfund 1945 soll die Phantasie der Besucher beflügeln. Vielleicht ist ja doch noch etwas hier verborgen. Die Geschichte der spektakulären Einlagerung wurde jedenfalls zweifelsfrei rekonstruiert.
Hartmut Ruck, Minenfahrer von K+S Merkers:
"In den Monaten Februar und März des Jahres 1945 war diese Strecke, die wir jetzt zurücklegen [Bild: Salzstollen] Zeuge der Einlagerung der Gold- und Devisenreserven Nazi-Deutschlands. Nach dem verheerenden Bombenangriff am 3. Februar 1945 auf Berlin wurde bei Hitler - nach den Akten - der damalige Reichsbankpräsident Funk vorstellig und verlangte praktisch die Auslagerung an einen sicheren Ort. Die Wahl fiel auf die damalige Grube Kaiserroda 2,3, also heute Merkers. Und hier wurden mittels Reichsbahntransporten bis Anfang März diese Reserven hier eingelagert.
Die damalige Grube bestand zum grossen Teil in der Belegschaft auf Fremdarbeitern. Mindestens drei Viertel für die sicherheitsrelevanten Dinge waren noch von deutschen Arbeitern besetzt, so dass an und für sich das relativ bekannt sein musste unter den Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen, die hier tätig waren, so dass die Amerikaner recht schnell nach ihrer Besetzung von Merkers am 4. April dieser Einlagerung auf die Spur kamen und sie praktisch hier diese Goldkammer öffneten." [Bild: weitere Salzstollen im Geländewagen, am Schluss alte, verrostete Loren].
Sprecher:
Finanzexperten und Kunstsachverständige der Amerikaner begannen sogleich damit, die Schätze zu begutachten. Rasch stellte sich heraus, dass es sich um die Gold- und Devisenreserven des Dritten Reiches, sowie das Inventar Berliner Museen handelte [Bild: Goldbarren werden aus Transportsäcken ausgepackt]. Der Anteil gestohlener Kulturgüter war in diesem Fall gering.
In Bergwerken Süddeutschlands und Österreichs fanden sich später viele der von den Nazis in ganz Europa zusammengerafften Kunstwerke. Manches Wertvolle gilt bis heute als verschollen [Bild: Banknoten in Paketen].
28.
Bunkeranlage Stuttgart: Killesberg
Nach und nach besetzten die alliierten :Armeen ganz Nazi-Deutschland. Am 22. April 1945 eroberten amerikanische und französische Einheiten Stuttgart [Bild: militärische Fahrzeuge in Strasse mit Oberleitung]. Die verbliebenen deutschen Truppenverbände hatten die Stadt nicht mehr verteidigt und vor der Übermacht kapituliert [Bild: Ein deutscher Soldat sitzt still in einem Panzer].
Tief im Killesberg [Bild: Bunkeranlage, Aufschrift an der Wand: "Lotsenfunkstelle Kommandostab mit Pfeilen] ist eine Bunkeranlage erhalten geblieben, die von letzten Gefechten zeugt. Von diesem Befehlsstand aus [Bild Befehlsstand, Aufschrift an der weiss gestrichenen Wand: "Nachrichtendienst"] koordinierte offenbar die Wehrmachtsführung in Stuttgart ihren sinnlos gewordenen Einsatz. Nachrichtenhelfer und Funkmelder nahmen Befehle entgegen, die nur wenige Soldaten überhaupt erreichten [Bild: Aufschrift an der Wand: "Befehlsraum Verbindungsführer", "Kommandostab Lotsendienst Nachrichtendienst", roter Pfeil].
Die Räume wirken so unberührt, als sei der Krieg hier erst gestern zu Ende gegangen [Bild: ausbetonierter Tunnel, Aufschrift an Mauer: "In diesen Räumen muss Ruhe und Ordnung herrschen"].
Der Tresor wurde offenbar gewaltsam geöffnet [Bilder: eine grossen Öffnung mit vier Schlossvorrichtungen; Aufschrift auf verrosteter Tür: "Lotsenfunkstelle. Eintritt verboten"].
Die Reste einer Gasmaske liegen auf dem Boden [Bild: rostige Gasmaske ohne Scheiben].
Die Tür zum Büro der Schutzpolizei ist von Einschüssen durchsiebt. Hat es hier noch einen letzten Schusswechsel mit den Schergen des Regimes gegeben? [Bild: rostige Tür mit Löchern, Einschüsse und Mauerschäden an der hinteren Wand]. Wollte jemand, als alles längst verloren war, trotzdem noch für den Führer sein Leben geben?
29.
Bunkersystem am Obersalzberg: "Berghof": fast 6 km Bunkersystem gebaut
Sprecher:
Lange Zeit hatten die Alliierten befürchtet, Hitler habe sich mit seinem letzten Aufgebot auf dem Obersalzberg verschanzt, wo die Naziführung seit den 30-er Jahren ein hermetisch abgeriegeltes Refugium unterhielt [Flugbilder und idyllische Bilder von der Region um den Obersalzberg].
Auch während des Krieges war der Diktator mit seinem Gefolge immer wieder nach Berchtesgaden gekommen, und wenn der Führer hier oben weilte, wurde er von Hundertschaften aus Sicherheitskräften und SS bewacht [Bild: Hitler mit Gefolge in den Bauten auf dem Obersalzberg, Wachen mit Hitler-Gruss].
Abstieg in die Unterwelten des Nazibergs [Bild: Leute bereiten das Abseilen vor]. Ein Team von Vermessungsingenieuren erforscht und vermisst dort systematisch die unterirdischen Bunkeranlagen. Direkt im Dokumentationszentrum Obersalzberg führt ein Schacht 30 Meter in die Tiefe. Was genau sich dort unten verbirgt, weiss niemand. Die Holztreppe ist schon vor Jahrzehnten eingestürzt [Bild: Die Leute seien sich durch den Schacht ab, die Holztreppe ist nur noch teilweise vorhanden].
Mit einem kompliziert gesicherten elektrischen Abseil-Aufzug werden Team und Ausrüstung vorsichtig heruntergelassen. Am Fuss des Schachts vermuten die Experten den Eingang zu einer halbfertigen Bunkeranlage der SS [Bild: Abseilen in den Schacht].
350 Meter unfertige Stollengänge finden die Männer. Erste Kavernen waren schon mit Ziegeln verkleidet, die Kabelschächte teilweise betoniert. Der Vortrieb endet sechzig Meter tief im Fels [Bilder von Stollen im Rohbau, von ausgeziegelten Stollen, Kabelschächte].
Florian Beierl ist einer der besten Experten in Sachen Obersalzberg. Seit seiner Jugend erkundet er dessen Geschichte und hat viele Zeitzeugen befragt. Wie ein Kaninchenbau, so weiss Beierl, sieht das Innere des braunen Berges aus. Fast 6 Kilometer lang ist das Stollen- und Bunkersystem. Und noch grössere Anlagen waren offenbar in Planung.
Fieberhaft wurde im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet, bis kurz vor Kriegsende. Die Bohrer der Bergleute wurden rund um die Uhr nach geschliffen, um dem Zeitdruck standzuhalten. So viele Arbeitskräfte waren im Einsatz, dass einer den anderen behinderte. Und wer sich vor Sonntagsarbeit drücken wollte, dem drohte der Bauleiter mit dem Sicherheitsdienst.
Florian Beierl, Obersalzberg-Experte:
"Das ist jetzt eigentlich das letzte, noch nicht dokumentierte und erfasste Teilstück der Obersalzberger Bunkeranlagen. Es handelt sich um einen SS-Bunker, der in einer enormen Tiefe - weit unter dem bestehenden Stollensystem - angelegt wurde und deswegen, aufgrund dieses langen Schachts, der hier runter gebaut wurde, nicht zugänglich war [Bild: Vermessungsarbeiten, Plan mit Text: "SS-Bunker (unerforscht)"].
Durch die digitale, genaue Vermessung wird jetzt erstmals das komplette Bild des ganzen Obersalzbergs unterirdisch gezeichnet [Bild: Plan, elektronisch in einem Laptop].
Wenn man die letzten Dokumente der Verwaltung Obersalzberg hinsichtlich der Stollenbauten studiert und die Zeitzeugenaussagen damit verschmelzt, dann - eh - kommt man zu dem Schluss, dass dieser ganze Bunkerbereich hier für circa 400 Mann SS gedacht waren als Schutzstollen, zugleich aber auch in diesen riesigen Hallen, die wir heute hier entdeckt haben, wären relativ grosse Munitionsdepots zur Verteidigung dieser vermeintlichen Alpenfestung angelegt worden." [Bild: Stollen mit den abziehenden Ingenieuren, der Stollen ist ca. 4-5 m hoch]
Sprecher:
Die Messungen ergeben zudem, dass das Bunkersystem von Hitlers Berghof kaum 10 Meter entfernt beginnt. Sollte also die SS auch unter Tage zur Verteidigung des Führers eingesetzt werden?
Florian Beierl, Obersalzberg-Experte:
"Es waren ja 3000 Arbeiter insgesamt mit den Stollenarbeiten am Obersalzberg beschäftigt. Wenn man also diesen Abschnitt hier betrachtet [Bild: Laptop mit Plan], dann findet man - eh - Ausbaustufen vom Rohausbau, das heisst also der brüchige Fels, der hier noch vorherrscht, bis hin zur halbfertigen Endausbaustufe, wie es hier um uns herum zu sehen ist mit den Entwässerungsziegeln [Bild: Gewölbe mit Ziegelausbau]. Man hätte hier mit gleicher Arbeiterzahl sicherlich noch vier bis fünf Monate hinarbeiten müssen, dass dieses Stollensystem benützbar gewesen wäre als fertiger Luftschutzbunker.
Sprecher:
Hitlers berüchtigter Sekretär, Martin Bormann, leitete den Bau der unterirdischen Luftschutzanlagen für den Führer am Obersalzberg [Bild: Hitler und Bormann auf der Terrasse des Obersalzberg]. Auch für seine vielköpfige Familie liess Bormann einen ausgedehnten Bunker errichten, der heute nur mit einer Sondergenehmigung betreten werden darf [Bild: Bormanns Kinder spielen mit Schnee]. 77 Stufen führten damals direkt aus dem Bormann-Haus in die Unterwelt hinab [Bild: Treppe]. Über einen fast 60 Meter langen Gang erreichte man die Privaträume. Zur Sicherung gegen feindliche Eindringlinge wurden auch hier verbunkerte Maschinengewehrstände eingebaut [Bild: Gewölbe-Gang, weiss gestrichen].
Florian Beierl, Obersalzberg-Experte:
"Der gesamte Bunker-Komplex des Obersalzbergs war autark, und zwar absolut autark, von der Versorgung her: Es waren eigene Wasservorräte, es gab 'ne giftgassichere Belüftungsanlage, Lebensmittelvorräte waren eingelagert, und es wäre möglich gewesen, hier längere Zeit auszuharren. Das Problem wäre nur das gewesen: Man hätte die Eingänge nicht von aussen beschützen können, sondern nur von innen nach aussen. Es gab aussen keine Festungsanlagen. Das heisst: Der Feind konnte den Belagerungszustand in die Bunker bis zu den MG-Nestern eindringen und hätte dann von dort aus abgewehrt werden müssen [Bilder: Gewölbe-Gänge-Labyrinth, weiss gestrichen].
29.1.
Bunker am Obersalzberg: Familie Bormann
In diesem Bereich war jetzt die Familie Bormann untergebracht. Drei verschiedene Kammern - kann man sagen - für die Kinder: Stockbetten waren drin untergebracht. Die Kammern waren belüftet. Das Interessante ist es, dass zum Beispiel hier bewusst eine relativ warme Farbe verwendet worden ist [Bild: Raum, unten beige, oben weiss gestrichen], um diese, dieses Dasein unter Tage nicht - eh - nicht ganz so öde zu gestalten. Eh - die Lichtschalter für die Kinder waren bewusst tiefer untergebracht. Man hat also hier, ist man um 50 cm fast tiefer gegangen wie sonst wo [Bild: tief angebrachter Lichtschalter in Schwarz]. Es gab Holzböden. Man muss sich vorstellen: Hier sind die Stockbetten gestanden. Und wie man sieht: Es waren sogar Bilder aufgehangen hier. Man sieht noch die Nägel.
[Vielleicht hing da auch etwas anderes...]
Und die Familie Bormann war hier in diesem Bunkerbereich wochenlang, natürlich nicht nur herunten. Die waren im Haus und hier. Aber die Luftsituation, also die Gefahr am Obersalzberg durch feindliche Bomber hat zugenommen, Ende '43 extrem. Und die Familie Bormann hat sich also richtig eingerichtet hier unten." [Bilder: Gänge, Zimmer, herausgerissene Mauern, Kachelwände mit weissen Kacheln]
Sprecher:
Bormanns Panzerschrank liessen die Amerikaner bei Kriegsende herausschaffen. Die Umrisse sind noch zu erkennen [Bild: Weisse Wand mit grauem Rechteck und Ziegelfundament davor].
Eine mit modernsten Geräten ausgestattete Nachrichtenzentrale lieferte die neuesten Funksprüche und Meldungen von den Fronten [Bild: alte Nachrichtengeräte, Aufschrift: "Endstufe 20, Endstufe 10, Endstufe, Empfänger, ...lautspre...", z.T. verrostet, "Netzspannung", "Netz"].
29.2.
Bunker am Obersalzberg: Bunker für Eva Braun
Auch für Hitler selbst und seine Geliebte Eva Braun hatte der Sekretär [Bormann] eine eigene unterirdische Stadt anlegen lassen. Der gesamte Tross des Diktators sollte sich vor Bombenangriffen unter dem Berghof in Sicherheit bringen können [Bild: Besprechung von Hitler mit Eva Braun u.a. im Stehen].
29.3.
Bunker am Obersalzberg: Vorbereitungen für Hitlers letzten Kampf
Anfang April 1945 wurden Vorräte in die Bunker geschafft. Auch alliierte Geheimdienste wähnten den Diktator schon am Obersalzberg.
US-Wochenschau, deutsche Untertitel:
"Die vermeintliche Sicherheit Berchtesgadens [Luftbild Gebirge], von wo aus man einen so grossen Teil dieser Welttragödie geplant und durchgeführt hatte, wurde im April von der Macht alliierter schwerer Bomber erschüttert. Sie kamen bei Tagesanbruch und griffen Hitlers berüchtigtes Bergversteck sowie ein Anwesen im Tal mit 12.000-Pfund-Bomben an, die sich tief in die Erde bohren können [Bild: Bombenabwurf].
Auch den nahe gelegenen SS-Baracken wurde die notwendige Aufmerksamkeit zu teil." [Luftbild Baracken im Rechteck angeordnet; Bilder von Explosionen, mit Streichermusik untermalt]
Sprecher:
Die Bomben zerstörten die meisten Gebäude. Der Berghof wurde unbewohnbar. Der traurige Rest von Hitlers Hofstaat überlebte in den Bunkern. Dann kamen die Amerikaner.
US-Befehlshaber Omar Bradley auf Besichtigungstour am Obersalzberg [Bild: drei Soldaten marschieren im Gleichschritt]. Der zerstörte Berghof wurde zur Attraktion für die Sieger [Bilder: Weisse Tafel an Balken befestigt, Aufschrift: "HITLER'S HOME", deutsch: "Hitlers Zuhause"; Soldaten geniessen die Aussicht und stehen Wache].
Auch die mysteriösen Bunkeranlagen gehören zum Besichtigungsprogramm der Soldaten. Neugierig betritt ein GI für die Kamera der US-Army den Führerbunker [Bild: Soldat in Gewölbe-Gang]. Auf 1800 m2 hätten Hitler und seine letzten Getreuen hier noch wochenlang ausharren können [Bilder: fensterlose Räume, weiss gestrichen, mit hölzernen Türrahmen].
Florian Beierl, Obersalzberg-Experte:
"Am Obersalzberg hat man damit gerechnet, dass Hitler kommt, und zwar bis zum letzten Tag. Man war bereit, die Bunker waren alle eingeräumt soweit, und - eh - es kam ja auch schon die Vorhut aus der Reichskanzlei Berlin. Und man kann also sicherlich behaupten: Wenn Hitler hierher gekommen wäre, dass sich unter Umständen der Krieg noch etwas verlängert hätte. Er hätte von hier aus - logistisch gesehen - die Möglichkeiten gehabt, den Trümmerhaufen, der noch übrig war zu dem Zeitpunkt, weiter zu lenken und leiten."
Als der Rundfunk am 1. Mai 1945 den Tod Hitlers meldete, plünderten vor allem Sicherheitsbeamte die verbliebenen Besitztümer ihres Chefs. Mit der Erlaubnis der Amerikaner bedienten sich Berchtesgadens Bürger später aus den dort angehäuften Vorräten [Bild: Ein Soldat schreitet durch Gänge an einem Büchergestell vorbei]. Hitlers Privatarchiv war von einem seiner Adjutanten noch rechtzeitig verbrannt worden. Die im Bunker verbliebene Bibliothek, Schallplatten und Gemälde, wurden von den Amerikanern konfisziert [Farbbilder: fensterlose Gewölbe, weiss gestrichen, Holzboden, kleine Steinhaufen und Bruchhölzer auf dem Boden; altes Schwarzweiss-Bild: viele Gemälde in Abstellraum mit GI; derselbe GI in einem anderen Zimmer mit einer Schallplatte].
29.4.
Bunker am Obersalzberg: Eva Brauns Gemächer
Auch in Eva Brauns Schlafzimmer hatten sich bei Kriegsende zunächst offenbar Unbefugte eingenistet und wilde Partys gefeiert [Bild: Zimmer mit Möbeltrümmern, GI].
Die Kaverne war im April 1945 bezugsfertig gewesen, angefüllt mit der umfangreichen Garderobe und dem Porzellan [Bild: Zimmer mit Stehlampe am Boden, Bücher am Boden, GI, Sektflasche und Sektglas auf einer Kommode, der GI "testet" das Doppelbett, keine Garderobe, kein Porzellan].
Auf besonderen Wunsch der Führer-Geliebten war eigens ein Badezimmer mit Wanne eingebaut worden [Bild: GI geht ins Badezimmer, keine Wanne gezeigt].
Heute gibt es hier nicht mehr viel zu sehen [Bild: Gewölbe, weiss gestrichen, schöne Kacheln im unteren Bereich]. Die Räume sind wie leergefegt. Trotzdem brechen immer wieder kriminelle Schatzsucher in die Anlage ein, um das geheimnisvolle Labyrinth zu durchsuchen.
Gleich neben Eva Brauns Kaverne befand sich die des Führers. Spartanisch soll sie eingerichtet gewesen sein. Das Inventar haben die Amerikaner weggeschafft. Der Rest fiel Touristen in die Hände. Sogar die Kacheln aus dem Badezimmer [aus Hitlers Badezimmer] wurden als zweifelhafte Souvenirs mitgenommen [Bild: Gewölbe-Raum ohne Kacheln]. Hitler selbst ist nur ein einziges Mal hier unten gewesen. Er entschied sich für den Untergang in Berlin.
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