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Jesus lebte und starb in Kaschmir. Jesu Grab in Srinagar?

4. Das Jesuskind und Jesus Christus: Ein und dieselbe Person?

4. 2. Die Entdeckung von Nikolai Notowitsch

Die Suche nach Schriften über Jesus in Kaschmir - Missionars-Tagebücher von Dr. Marx und Dr. Francke - Klöster Moulbek, Lamieroo und Hemis bei Leh - Schriften über Buddha Issa (Buddha Jesus)

Lamakloster Hemis, 38 km südöstliche der Stadt
                Leh (Hauptstadt von Ladakh)
Lamakloster Hemis, 38 km südöstliche der Stadt Leh (Hauptstadt von Ladakh)

von Andreas Faber-Kaiser 1976 / 1986; Keller & Co AG, Druckerei und Verlag, 6002 Luzern

präsentiert von Michael Palomino (2008)

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Bei unserem ersten Besuch im Haus des Professors Hassnain in Srinagar (Foto 3)

Professor Hassnain und Frau Faber
Professor Hassnain und Frau Faber

erzählte uns dieser, wie und warum er sich für das Thema der Reisen Jesu nach Kaschmir zu interessieren begann.

Als er sich in einem rauen Januar in Ladakh, einem bergigen Grenzgebiet zwischen Kaschmir und Tibet befand, hielt ihn der Schnee in dessen Hauptstadt Leh fest.

[Die Tagebücher der deutschen Missionare Dr. Marx und Dr. Francke: Die Angaben "San Issa" und "Nikolai Notowitsch" - Manuskripte im Lamakloster Hemis bei Leh]

Um die Zeit totzuschlagen, beschäftigte sich Professor Hassnain mit der Durchsicht alter Texte und Manuskripte, die in den Bibliotheken der Lamaklöster von Leh aufbewahrt wurden.

So stiess er auf die 40-bändigen Tagebücher der deutschen Missionare Dr. Marx und Dr. Francke, die einer religiösen Gruppe angehörten, die die abgelegenen Orte der Welt bereisten. Sie gingen nicht in die Hauptstädte wie Neu Delhi oder Srinagar, sondern zu entfernteren Punkten wie z.B. Leh in Ladakh. Das Tagebuch datierte aus dem Jahr 1894. Doktor Hassnain, der kein Deutsch, die Sprache, in der das Tagebuch geschrieben war, lesen konnte, wurde dennoch neugierig auf dieses Manuskript und begann es durchzublättern. Dabei stiess er auf einen Namen, der in Rot geschrieben war: San Issa. Ausserdem fiel ihm der Name Nikolai Notowitsch auf. Da Professor Hassnain den Text nicht lesen konnte, entschloss er sich dazu, die beiden Seiten des Manuskripts, auf dem diese Namen erschienen, zu fotografieren. Wie auf der Fotografie 43 zu erkennen ist, sind es die Seiten 118 und 119 des Manuskripts.

Tagebuch der deutschen Missionare Dr. Marx und Dr.
                Francke, Seiten 118 und 119
Tagebuch der deutschen Missionare Dr. Marx und Dr. Francke, Seiten 118 und 119

Nach seiner Rückkehr nach Srinagar liess sich Professor Hassnain diese beiden Blätter übersetzen. Auf diese Weise (S.43)

erfuhr er, dass sich die Missionare Dr. Marx und Dr. Francke in ihrem Tagebuch auf Manuskripte bezogen, die Notowitsch in dem Lamakloster Hemis, 38 Kilometer südöstlich von Leh gelegen, gefunden hatte (Foto 44).


Lamakloster Hemis, 38 km südöstliche der Stadt Leh
                (Hauptstadt von Ladakh)
Lamakloster Hemis, 38 km südöstliche der Stadt Leh (Hauptstadt von Ladakh)

Nach diesen von Notowitsch gefundenen Manuskripten ist Jesus in Indien und in den nördlichen Regionen von Tibet und Ladakh gewesen, und zwar genau während der 18 Jahre, in denen die Bibel keine Auskunft über seinen Verbleib gibt. Die deutschen Missionare schenkten den Berichten Notowitschs keinen Glauben. Ebensowenig glauben die Verantwortlichen der Ahmadija-Bewegung an diese erste Reise Jesu nach Indien. Im Gegensatz dazu ist Professor Hassnain von der Echtheit des Zeugnisses von Notowitsch überzeugt und glaubt, dass Jesus - nach der Rettung vom Kreuzestod [[nach der Rettung vom Kreuz in Ohnmacht]] - gerade deshalb nach Kaschmir geflüchtet sei, weil er dort schon einmal gewesen war.

[Die Neugierde von Nikolai Notowitsch in Kaschmir]

Aber gehen wir zu Notowitschs Text über. Nikolai Notowitsch war ein russischer Reisender, der gegen Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Nordgebiete Indiens erforschte und dabei bis nach Kaschmir und Ladakh - auch bekannt als das "kleine Tibet" - vorstiess. Nachdem er Leh, die Hauptstadt Ladakhs, besucht hatte, setzte Notowitsch seine Reise zu dem Lamakloster von Hemis fort, einem der wichtigsten der Region, das ausserdem eine umfassende Bibliothek von heiligen Schriften beherbergt. Aber lassen wir Notowitsch selbst seine Motive darstellen, die ihn ursprünglich dazu bewegten, auf asiatischem Boden zu reisen:

"Nach der Beendigung des russisch-türkischen Krieges (1877-1878) unternahm ich eine Reihe von Reisen durch den Orient. Nachdem ich alle mehr oder weniger interessanten Orte auf der Balkanhalbinsel besucht hatte, überquerte ich den Kaukasus in Richtung Zentralasien und (S.44)

Persien und zog 1887 nach Indien, dem aussergewöhnlichsten aller Länder, für das ich mich schon von jüngsten Jahren an interessiert habe."

"Das Ziel meiner Reise war es, Kenntnisse über die Einwohner zu sammeln und ihre Sitten, ihren Charakter, ihre grosse und mysteriöse Archäologie und die grossartige und prachtvolle Natur des Landes zu studieren."

"Als ich ohne einen vorgefassten Plan von einem Ort zum anderen wanderte, gelangte ich schliesslich in das bergige Afghanistan; von dort aus machte ich mich über die malerischen Pässe von Bolan und Guernia nach Indien auf den Weg. Nachdem ich dem Indus stromabwärts bis Rawalpindi gefolgt war, durchquerte ich das Punjab, das Gebiet der fünf Flüsse, und besuchte den Goldenen Tempel von Amritsar und in der Nähe von Lahore das Grab von Ranjit Sing, des Königs von Punjab. Dann begab ich mich nach Kaschmir, dem "Tal des ewigen Glücks". Um meine Neugierde zu befriedigen, begann ich wieder unstet herumzuwandern, bis ich nach Ladakh kam, wo ich beschloss, über den Karakorum und das chinesische Turkestan wieder nach Russland zurückzukehren."

[Notowitsch-Herausgeber Virchard R. Ghandi: Notowitsch folgte der Spur vorheriger Wanderer: Bon Valot, Capus und Pepin - die Wanderung nach Kaschmir - die Bezirkshauptstadt Karghil - streitlose Menschen]

[[Virchard R. Ghandi ist auch Sekretär der Jaina-Gesellschaft, siehe S.54]].

Virchard R. Ghandi, Herausgeber und Kommentator des Werkes von Nikolai Notowitsch, führte im Juni 1894 im einzelnen aus, wie Nikolai Notowitsch auf die Manuskripte stiess, die von Jesu Leben auf dem Boden des Himalajas erzählen. Hier sein Bericht:

"Am Morgen des 27. Oktober 1887 verliess Herr Notowitsch Srinagar, um sich nach Tibet zu begeben. Zu seinem Gefolge gehörte auch ein grosser Hund, den er gekauft hatte und der diese Reise vorher als Begleiter der berühmten Entdeckungsreisenden Bon Valot, Capus und Pepin gemacht hatte."

"Nachdem sie [[Notowitsch und sein Gefolge]] bei der Bergkette angelangt waren, die das Kaschmir-Tal und das Sind-Tal voneinander trennt, sah sich die Gruppe gezwungen, fast den ganzen Weg - bis zu einem 1000 Meter hohen Gipfel - auf allen Vieren zu kriechen; die Träger waren aufgrund der Last und wegen der Angst, den steilen Abhang hinunterzurutschen, völlig erschöpft."

"Beim Abstieg kamen sie durch die Dörfer Chokodar, Dras, Karghil usw., in denen sie nur anhielten, um sich auszuruhen, oder um Ersatzpferde zu besorgen. Karghil ist eine Bezirkshauptstadt und sein Panorama ist wirklich malerisch. Sie liegt dort, wo sich die beiden Flüsse Suru und Wakha vereinigen, deren linkes Ufer dem Reisenden eine sehr überraschende Aussicht bietet."

"Hier konnte Herr Notowitsch Ersatzpferde bekommen und setzte seinen Marsch über eine Route fort, die ausserordentlich beschwerlich war. Manchmal musste er sehr gefährliche Wege gehen, eine wacklige Brücke überqueren, die, wie so viele in Kaschmir, aus zwei Bündeln langer Stämme gebaut war, die in Felsspalten befestigt wurden, über eine Reihe Steine klettern, die im Fluss lagen, oder über Baumstämme balancieren, die über den Fluss gelegt und mit Erde bedeckt waren."

"Beim Überqueren dieser Stellen musste der Reisende zittern, wenn er nur daran dachte, dass einer der Steine sich möglicherweise bewegen oder einer der Stämme abgleiten könnte, denn dies hätte sicherlich die gesamte Konstruktion in den Abgrund gestürzt, der sich darunter auftat."

Die Gruppe von Wanderern überquerte die Grenze von Ladakh oder Klein-Tibet und war sehr überrascht, dort sanftmütige, glückliche Menschen anzutreffen, die weder wussten, was ein Streit ist, noch Gefallen daran fanden."

[Hochlandstämme: Vielmännerei]

"Die Stämme der Hochländer, die die Vielmännerei praktizieren, sind isolierte Lebensgemeinschaften, die keine (S.47)

soziale Bindung zu den Hindus haben. Auch in den Regionen des Transhimalaja wird diese Sitte seit Menschengedenken gepflegt. Die Polyandrie gab es bereits, lange bevor der Buddhismus im Land aufkam. Diese Religion verdrängte schrittweise diese Praktiken, die heute in den höheren und gebildeten Klassen kaum noch vorkommen. Aus den von Herrn Notowitsch gegebenen Beschreibungen geht deutlich hervor, dass er sich, wie andere ausländische Reisende auch, seine eigene Meinung über die Leute bildete, wobei er sich auf die Personen stützte, mit denen er in Kontakt kam. Ich weiss zu gut, wie schwierig es für einen Ausländer ist, Zugang zu den höheren Schichten der orientalischen Gesellschaft zu bekommen."

"Nur wenn man die Beziehungen zu einem Einheimischen oder einem Mitglied der Oberschicht hat, ergibt sich die Gelegenheit, diese Gesellschaftsschicht kennenzulernen, was ausserordentlich selten der Fall ist."

[Ortschaft Surghol - Kloster Moulbek - Gebetsmühlen und Gebetssprüche - europäische und muslimische Besucher - der echte und der falsche Dalai Lama der Christen - Wer ist Issa (Jesus)? - ein Prophet der Buddhisten, und die Bibel schweigt dazu]

"Aber lassen wir die Polyandrie und begleiten wir unseren Wanderer auf seiner Reise. Von Karghil aus wandte er sich nach Surghol, was zwanzig Meilen davon entfernt an den Ufern des Wakha liegt."

"Nachdem er Surghol mit frischen Pferden verlassen hatte, machte er als nächstes in der Stadt Wakha Halt. Auf einem vereinzelten Felsen, der die Stadt überragt, erhebt sich das Kloster Moulbek, zu dem er sich in Begleitung eines Dolmetschers und eines schwarzen Dieners aufmachte und die engen, in den Stein geschlagenen Stufen hinaufkletterte. Man konnte dort die kleinen Gebetsmühlen sehen, die, senkrecht in Felsnischen aufgebaut, wie kleine fellbespannte Trommeln aussahen. Diese werden in der Senkrechten von einer Achse durchquert, und sie fangen bereits an sich zu drehen, wenn die leichteste Brise sie streift. Im allgemeinen werden mehrere Mühlen in einer Reihe aufgestellt, die grösseren etwas getrennt von den anderen, (S.48)

aber alle mit einem ähnlichen Fellbezug bespannt, der den mystischen Spruch "Om mani padme hum" enthält, was so viel bedeutet wie: "Om, Juwel der Lotusblüte, Amen."

Am Kloster angekommen, wurde der Reisende von einem Lama[[-Mönch]] begrüsst, der die übliche gelbe Mönchskleidung und eine Kopfbedeckung aus dem gleichen Stoff trug. Er hielt in seiner rechten Hand eine Gebetsmühle aus Kupfer, die er von Zeit zu Zeit in Drehung brachte, ohne die Unterhaltung zu unterbrechen. Der Lama führte den Besucher durch längliche und niedrige Gemächer und Säle, bis sie zu einer offenen Terrasse gelangten, wo sie sich setzten und mit Erfrischungen bewirtet wurden.

Dort wurde Tibetisch gesprochen, eine Sprache, die nur in den Klöstern ihre ganze Reinheit behält. Die Lamas haben lieber Europäer als Mohammedaner zu Besuch. Der Grund für diese Bevorzugung wurde dem Reisenden so erklärt:

"Die Mohammedaner haben keinen gemeinsamen Nenner mit unserer Religion. In ihrer kürzlichen und erfolgreichen Kampagne zwangen sie viele Buddhisten mit Gewalt dazu, sich zum Islam zu bekehren. Nun wird eine grosse Anstrengung notwendig sein, um den Nachkommen ehemaliger Buddhisten den Glauben an den wahren Gott zurückzugeben. Bezüglich der Europäer liegt die Sache völlig anders: sie bekennen sich nicht nur offen zu den grundlegenden Prinzipien des Monotheismus, sondern sie gehören auch - fast mit dem gleichen Anspruch wie die tibetischen Mönche - zu den Bewunderern Buddhas. Der einzige Fehler der Christen ist, dass sie sich, nachdem sie die grosse Lehre Buddhas angenommen hatten, völlig von ihr lösten und einen anderen Dalai Lama schufen. Nur der unsrige hat die göttliche Gunst, Buddha von Angesicht zu Angesicht (S.49)

zu sehen, und die Fähigkeit erhalten, als Mittelsmann zwischen Himmel und Erde zu dienen."

"Wer ist dieser Dalai Lama der Christen, von dem sie soeben gesprochen haben?" fragte Herr Notowitsch den Lama, "wir haben einen Sohn Gottes, an den wir unsere frommen Gebete richten, und an ihn halten wir uns, damit er für uns bei unserem einzigen und unteilbaren Gott Fürbitte einlegt."

"Das ist nicht unser einziges Problem, Sahib. Wir respektieren auch denjenigen, den die Christen als Gottes Sohn anerkennen, aber wir betrachten ihn nicht als solchen, sondern als den Besten aus allen Auserwählten, Buddha ist mit seinem Geist in der heiligen Person Issa wahrhaftig Fleisch geworden. Und Issa kam ohne die Hilfe von Feuer und Schwert auf die Welt, um unsere grosse und wahre Religion zu verbreiten. Aber ich beziehe mich auf euren Dalai Lama, den, der sich als Vater der Kirche bezeichnet. Darin liegt die grosse Sünde: kann er die Sünder retten, die sich auf dem Irrweg befinden?" sagte der Lama und setzte dabei seine Gebetsmühle in Gang.

"Sie haben mir gerade erzählt, dass eigentlich ein Sohn Buddhas, nämlich Issa, auserwählt wurde, um seine Religion in der Welt zu verbreiten. Und ich frage: wer ist er?" antwortete Herr Notowitsch.

Den Lama verwunderte die Frage, aber er antwortete: "Issa ist ein grosser Prophet, einer der ersten nach den zweiundzwanzig Buddhas. Er ist grösser als alle Dalai Lamas, weil er einen Teil von Gottes Geistigkeit ausmacht. Er ist derjenige, der ihnen gepredigt hat; der die verlorenen Seelen auf den rechten Weg bringt, Gott kennenzulernen; der (S.50)

sie würdig macht, die Segnungen des Schöpfers zu empfangen; der jedes Wesen mit der Kenntnis des Guten und des Bösen ausgestattet hat. Sein Name und seine Taten sind in unseren Heiligen Schriften aufgezeichnet, und wenn wir von seinem grossen Leben lesen, das er zwischen irrenden Leuten verbracht hat, dann beklagen wir die schlimme Sünde jener Heiden, die ihn umbrachten, nachdem sie ihn den grausamsten Foltern unterzogen hatten."

Herr Notowitsch war von diesen Worten des Lama und den Kenntnissen seitens der Buddhisten über das Christentum beeindruckt. All das liess ihn mehr an Jesus Christus denken, und er bat den Dolmetscher, kein Wort seines Gesprächspartners auszulassen. Dann fragte er den Lama, wo denn diese Heiligen Schriften zu finden seien, und wer sie geschrieben habe.

"Die wichtigsten Schriftstücke", sagte der Lama, "wurden in Indien und in Nepal in unterschiedlichen Epochen - je nach dem Verlauf der Ereignisse - zusammengestellt und sind in Lhasa zu finden. Ihre Anzahl kann auf einige Hundert beziffert werden. In einigen der grossen Klöster gibt es auch Kopien, die von den Lamas, auch in unterschiedlichen Epochen, während ihres Aufenthalts in Lhasa angefertigt wurden. Sie nahmen sie als Erinnerung an ihren Aufenthalt in Begleitung des grossen Meisters zu ihren Klöstern mit."

"Besitzen Sie keine der Kopien bezüglich des Propheten Issa?"

"Nein, wir haben keine. Unser Kloster ist von geringer Bedeutung, und seit seiner Gründung haben die nachfolgenden Lamas nur einige hundert Werke zum Eigengebrauch zusammengetragen. Die grossen Klöster haben Tausende davon, (S.51)

aber es handelt sich um heilige Gegenstände, und sie würden sie Ihnen nicht zeigen."

Sie führten ihre Unterhaltung noch einige Zeit fort, und dann zog sich Herr Notowitsch zu seinem Lager zurück und dachte gründlich über die Worte des Lama nach. Issa, der Prophet der Buddhisten! Wie war das möglich? Aufgrund seines jüdischen Ursprungs lebte er in Palästina und Ägypten, und die Schriften enthalten weder ein einziges Wort noch die allergeringste Anspielung darauf, welche Rolle der Buddhismus in Jesu Kindheit gespielt haben könnte.

Er entschloss sich, alle Klöster des Tibet zu besuchen, in der Hoffnung ausführlichere Informationen über den Propheten zu erlangen und vielleicht Kopien der Dokumente zu finden, die man ihm angedeutet hatte.

[Notowitsch in Lamieroo - das Kloster auf einem Felsvorsprung - Gebetsmühlen am Weg - die Frage nach Manuskripten über Issa (Jesus)]

So setzte unser Reisender [[Notowitsch und sein Gefolge]] also seine Reise fort und überquerte den Namikulapass in 4300 Metern Höhe. Er kam in der Stadt Lamieroo an und bezog in einer Herberge Quartier, die genau unter den Fenstern eines Klosters gelegen war. Sofort besuchten ihn mehrere Mönche und bedrängten ihn mit Fragen bezüglich der Route, der er gefolgt war, seines Reiseziels usw.

Lamieroo war - und das einige Jahre lang -, wie der Name schon anzeigt, das Hauptquartier der Lamas und ihrer Religion. Auf dem höchsten Teil eines vorstehenden Sattels auf einem Felsvorsprung erhebt sich das alte Kloster. Der eigenartige Steinbau ragt über der Stadt hervor, die sich mehr als hundert Meter darunter befindet, mit ihren hie und da verstreuten, mit Felszinnen hochaufgeschossenen Häusern. Einige Bauten säumen den Weg und stehen - im Stile eines grossen Monuments - in Gruppen von bis zu zwölf oder vierzehn zusammen. Sie sind etwa zwei Meter hoch und, nach Aussage ihrer Bewohner, auf (S.52)

den Gräbern von verstorbenen Lamas und anderen buddhistischen Heiligen errichtet. Aus diesem Grund sind sie in den Augen der Gläubigen Heilig, die sich auf sie nur mit respektvollen Ehrerweisungen und unzähligen "Om mani padme hum" beziehen.

Nach einer kurzen Unterredung luden die Mönche Herrn Notowitsch zu einem Besuch in ihrem Kloster ein, worauf der Fremde sofort einging und ihnen auf dem steilen, in den nackten Felsen eingeschnittenen Pfad folgte. Auch hier stand eine Gebetsmühle nach der anderen, die so ausgerichtet waren, dass sie sich beim geringsten Kontakt drehten, was unvermeidlich ist, wenn man einen derartig schmalen Weg hinaufgeht.

Der Reisende wurde in ein Zimmer geführt, dessen Wände mit Büchern, Gebetsmühlen und zahlreichen Buddhastatuen ausgeschmückt war. Er fragte nach dem Manuskript bezüglich des Issa, von dem ihm der Lama im Kloster von Moulbek erzählt hatte, aber man antwortete ihm, dass sie in Lamieroo keine der Schriftstücke besitzen. Dennoch gab einer der Mönche zu, viele Kopien eines solchen Manuskripts in einem Kloster in der Nähe von Leh gesehen zu haben, wo er einige Jahre verbracht hatte, bevor er nach Lamieroo geschickt wurde. Trotz dieser Darstellung gelang es dem Besucher nicht, von dem Mönch den Namen des Klosters, wo die Schriftstücke aufbewahrt werden, zu erfahren.

[Die Mönche halten wegen schlechten Erfahrungen mit Muslimen und "christlichen" Missionaren die heiligen Schriftstücke geheim]

"Die Europäer haben die Beweggründe noch nicht verstanden, warum sich die Mönche und andere Hüter der heiligen Literatur des Orients so widerspenstig zeigen, vollständige Auskünfte über ihre Manuskripte zu geben, während sie mit Vergnügen die Bedeutung anderer heiliger Gegenstände erklären. Ebensowenig verstand Herr Notowitsch, warum die Mönche von Lamieroo sich weigerten, ihm die gewünschte Information über die Schriftstücke bezüglich (S.53)

Jesus Christus zu geben. Dr. Peterson, ein Professor für orientalische Sprachen, machte eine ähnliche Erfahrung. In Cambay (Indien) gibt es eine berühmte Bibliothek von Jaina-Manuskripten. 1885 wollte Dr. Peterson die Manuskripte der besagten Bibliothek untersuchen. Deshalb bat er die dafür Verantwortlichen um Erlaubnis; die Existenz einer solchen Bibliothek wurde jedoch kategorisch geleugnet. Professor Roth aus Tübingen wollte wissen, ob es in der brahmanischen Bibliothek von Gualior ein Manuskript des Atharva Veda gebe, erhielt aber auch keine Auskunft, obwohl der politische Abgeordnete der Region seinen gesamten Einfluss einsetzte, um ihm ein Exemplar des Dokuments zu besorgen. Dr. Bandarkar vom Poona-Kollegium des Dekkan gelang es nur, einige wenige Manuskripte der Jaina-Bibliothek von Patan zu untersuchen, und das nur durch den Einfluss des regierenden Prinuen, seiner Hoheit Gaikwar von Baroda. Dr. Buhler und Dr. Kielhorn aus Wien bzw. aus Leipzig sind so  naiv zu glauben, dass sie die komplette Sammlung von Jaina-Manuskripten von Jesalmer untersucht haben; ich weiss jedoch mit Sicherheit, dass die wichtigste Sammlung niemals einem Ausländer gezeigt worden ist. Wie ich bereits gesagt habe, können die Europäer die Gründe dafür, dass sie bei der Suche nach alten Manuskripten auf soviele Hindernisse stossen, nicht verstehen. Für mich jedoch, als Sekretär der Jaina-Gesellschaft Indiens, ist der Grund sehr einfach. Erstens haben die Mohammedaner, die Indien überfielen, zu Hunderten und Tausenden unsere heiligen Manuskripte verbrannt, und zweitens bemächtigten sich die ersten christlichen Missionare einiger solcher Manuskripte, um sich über sie lustig zu machen und ihre Bedeutung herabzuspielen, so wie es selbst heute noch aus dem vielen Unsinn zu entnehmen ist, den sie im Land selbst über die Religionen der Leute veröffentlicht haben. So ist es nicht verwunderlich, (S.54)

dass Hinduisten und Jainas immer dagegen waren, ihre Manuskripte mit den Ausländern zu teilen.

Der Tibet, und im besonderen Ladakh, haben die gleichen Erfahrungen gemacht. Ein alter tibetischer Herrscher namens Landar, auch Langdharma genannt, versuchte im Jahre 900, die buddhistische Lehre abzuschaffen. er ordnete an, dass alle Tempel und Klöster niedergerissen, alle Bilder zerstört, und alle Bücher verbrannt werden sollten. Die Entrüstung, die diese frevelhafte Anordnung hervorrief, war so gross, dass er noch im selben Jahr ermordet wurde. Im 16. Jahrhundert wurden die auf Ladakh bezogenen Geschichtsbücher von den Fanatikern aus Skardu zerstört, die das Land überfielen und dabei Klöster, Tempel und religiöse Monumente abbrannten und den Inhalt mehrerer Bibliotheken in den Indus warfen. Ist es also verwunderlich, dass der Lama des Klosters von Lamieroo gegenüber der ständigen Fragerei des Herrn Notowitsch misstrauisch war?

[Notowitsch in der Festung von Khalsi - Notowitsch in Leh - die Frage nach Manuskripten über Issa (Jesus)]

Nach Lamieroo richtete Nikolai Notowitsch seine Aufmerksamkeit voller Entschlossenheit auf Leh, um die fraglichen Dokumente zu bekommen. Falls nicht, würde er nach Lhasa gehen. In der Folge passierte er wieder schwierige Schluchten, gefährliche Pässe und wunderschöne Täler, und kam dabei auch an der berühmten Festung von Khalsi vorbei, die zu Zeiten der Mohammedanerinvasion gebaut worden war. Dies war der einzige Weg, um von Kaschmir nach Tibet zu gelangen. Durchkreuzt man das Saspula-Tal, kann man - bereits in der Nähe der Ortschaft gleichen Namens - zwei Klöster sehen. Unser Reisender war überrascht, als er beobachtete, dass auf einem der beiden eine französische Fahne wehte, ein Geschenk - das erfuhr er später - eines französischen Ingenieurs, das die Mönche zur Dekoration benutzten. (S.55)

Herr Notowitsch verbrachte die Nacht in dem Ort und besuchte dann die Klöster. Die Mönche zeigten ihm freudig ihre Bücher, Schriftrollen, Bildnisse von Buddha und Gebetsmühlen und erklärten ihm in aller Höflichkeit und Geduld die Bedeutung der geheiligten Gegenstände. Auch hier erhielt Herr Notowitsch die gleichen Antworten auf seine Fragen; dass zum Beispiel nur die grossen Klöster Kopien besitzen, die von dem Propheten Issa handelten.

Der Reisende machte sich jetzt eilig nach Leh auf; jetzt nur noch mit dem einzigen Ziel, eine Kopie der buddhistischen Schriften über das Leben Jesu Christi zu erlangen. Vielleicht geben diese Auskunft über das gesamte Leben des Besten unter den Menschen und enthalten die Einzelheiten, die uns die Heilige Schrift nur in einer sehr verwirrenden Weise überliefert hat, dachte er.

In Leh angekommen, quartierte sich Herr Notowitsch in einem Bungalow ein, der speziell für die Europäer gebaut wurde, die dort über die Indienroute in der Jagdsaison ankamen.

Leh, die Hauptstadt von Ladakh, ist eine kleine Stadt mit 5000 Einwohnern und ist auf Felsgipfeln gebaut. Von weitem gesehen macht sie vor allem wegen ihres auf einer Erderhebung errichteten Palastes einen überwältigenden Eindruck. Seine siebenstöckige Front misst seitlich 83 [[?]]. Oberhalb des Palastes steht auf einem felsigen Gipfel ein Kloster mit bemalten, mit Fahnen geschmückten Zinnen. Im Stadtzentrum befindet sich der Marktplatz, wo Händler aus Indien, Turkestan, China, Kaschmir und Tibet ihre Waren gegen tibetisches Gold eintauschen.

Der Gouverneur von Ladakh, Vizier Surajbal, der in London den Titel für Philosophie erlangt hat, lebt in einem grossen zweistöckigen Gebäude mitten im Stadtzentrum. Zu Ehren des ausländischen Gastes organisierte er auf dem (S.56)

Marktplatz eine Polopartie und am Nachmittag andere Spiele und Tänze, gegenüber seiner Terrasse.

[Das Kloster von Hemis - religiöse Dramen Tambin Shi]

Am nächsten Tag besuchte Herr Notowitsch das berühmte Kloster von Hemis, das - etwa 32 Kilometer von Leh entfernt - von einem hohen Felsen mitten im Tal über den Indus herausragt. Hemis ist eines der wichtigsten Klöster des Landes und besitzt eine umfangreiche Bibliothek heiliger Schriften.

Die Eingangstür ist etwa zwei Meter hoch und man muss ein paar Treppen zu ihr hinaufsteigen. Die breiten, massiven und mit lebendigen Farben bemalten Türen öffnen sich zu einem mit Steinplatten gepflasterten Hof. Im Inneren befindet sich der Haupttempel mit einer grossen Buddhastatue und einigen kleineren Statuen. Links eine Veranda mit einer riesigen Gebetsmühle und rechts - einer neben dem anderen - die Wohnräume der Mönche, die mit heiligen Malereien und Gebetsmühlen geschmückt sind.

die Fenster des obersten Stockwerks haben an der nach aussen zeigenden Seite keine Fenster, sind aber durch schwarze Gardinen verschlossen, auf die Figuren in Form des lateinischen Kreuzes genäht sind, die aus zwei Stoffstreifen bestehen. Das Kreuz wird in verschiedenen Formen von allen antiken Völkern als mystisches Symbol anerkannt.

Als Herr Notowitsch ankam, fand er alle Mönche des Klosters mit ihrem Vorgesetzten in einer kreisförmigen Aufstellung um die grosse Gebetsmühle herum vor. Unterhalb der Veranda waren einige Musiker mit Trommeln und Trompeten zu sehen. Alle Anwesenden warteten sehnsüchtig und in Ruhe auf den Beginn des grossen Mysteriums - ein religiöses Drama -, das gefeiert werden sollte. Diese religiösen Dramen werden von den Lamas an bestimmten Tagen des Jahres aufgeführt, und sie nenne sie Tambin (S.57)

Shi, "das Glück der Lehre". Manchmal wird die Vorführung zu Ehren von vornehmen Gästen des Klosters gegeben. Die maskierten Schauspieler stellen ein Traumbild der verschiedenen Stadien der Existenz dar: Geist, Mensch, Tiere usw. Das Fest mit seinen Gesängen, Musik und Tänzen dauerte mehrere Stunden. Am Ende lud der oberste Lama den Besucher ein, ihn auf die Hauptterrasse zu begleiten, wo sie den Chang des Festes tranken (eine Art fades Bier).

Anlässlich dieser Feier erklärte der Lama dem Besucher, dass die gesamte Theatervorführung einem einzigen religiösen Ziel diene, nämlich dem Gläubigen die grundlegenden Prinzipien des Buddhismus nahezubringen. Dies sei ein praktisches Mittel, den Unwissenden zum Gehorsam zu bringen, so dass er seine Liebe dem einzigen Schöpfer schenkt, wie die Eltern ihre kleinen Kinder durch ein Spielzeug in Schach halten. Im Laufe des Jahres feiern diese Klöster mehrere Festspiele, die jeweils in allen Einzelheiten von den Lamas vorbereitet werden. Die Mysterien besitzen eine starke Analogie zur Pantomime, bei der jeder Darsteller fast alle Bewegungen und Gesten nach eigenem Wunsch ausführt, sich jedoch immer nach einer Grundidee richtet. Die Mysterien dieser Pantomimenaufführungen stellen nur die Freude der Götter über die allgemeine Ehrerbietung dar, die den Menschen - als Gegenleistung - die Glückseligkeit ihres Gewissens bringen und von der die Ideen des unvermeidlichen Todes und des zukünftigen Lebens abgeleitet werden. Herr Notowitsch nutzte die erste Gelegenheit, um über die Sache zu sprechen, die ihn interessierte, und sagte dem Lama, dass man ihm bei einem kürzlichen Besuch eines Gonpas von dem Propheten Issa erzählt habe und bat gleich darauf um mehr Information über diese Angelegenheit. (S.58)

[Die Geschichte des Buddhismus - die Geburt des Issa - die Schriften über Buddha Issa (den Buddha Jesus)]

Der Lama antwortete:

"Der Name Issa wird unter den Buddhisten hoch geachtet. Er ist aber, ausser von einigen wenigen Lamas, wenig bekannt. Jene Lamas sind es auch, die die Schriftrollen über sein Leben gelesen haben. Es gibt eine unzählige Menge von Buddhas, die Issa ähneln, und die existierenden Schriftrollen sind voll von Einzelheiten über sie, aber es gibt nur sehr wenige Personen, die auch nur einen hundertsten Teil dieser Dokumente gelesen haben. Es ist ein festgelegter Brauch, dass jeder Schüler oder Lama, wenn er Lhasa besucht, dem Kloster, dem er angehört, eine oder mehrere dieser Kopien schenkt. Unser Kloster besitzt eine ganze Menge davon; einige enthalten Beschreibungen des Lebens und des Werkes von Buddha Issa, der die heiligen Lehren in Indien und unter den Söhnen Israels predigte. Er wurde von den Heiden zum Tode verurteilt, deren Nachfahren dann den Glauben, den er gepredigt hatte, und der ihrer ist, annahmen. Der grosse Buddha, die Seele des Universums, ist die Inkarnation Brahmas. Er bleibt fast immer unbeweglich, schlisst dabei alle Dinge - vom Ursprung der Wesen an - in sich ein, und sein Atem gibt der Welt Leben. Er hat dem Menschen seinen freien Willen gelassen. Dennoch gibt er manchmal seine Untätigkeit auf und verkleidet sich als Mensch, um seine Kreaturen auf die Probe zu stellen und sie vor der unwiderruflichen Zerstörung zu retten. Im Verlauf seiner irdischen Existenz schafft Buddha unter den verirrten Menschen eine Neue Welt, verschwindet dann wieder von der Erde, verwandelt sich erneut in ein unsichtbares Wesen, und kehrt zu seinem Leben voller Glückseligkeit zurück. Vor dreitausend Jahren stellte sich der Buddha als der berühmte Prinz Sakiamuni dar, der die Lehre seiner zwanzig Inkarnationen verteidigte und verbreitete. Vor zweitausendfünfhundert Jahren wurde die grosse Seele der (S.59)

Gautama wieder zu Fleisch und begünstigte die Gründung eines neuen Königreichs in Birma, in Siam und auf einigen Inseln. Danach breitet sich der Buddhismus dank der Ausdauer einiger weiser Männer, die sich der Verbreitung der heiligen Lehre widmeten, bis nach China aus. Während der Herrschaft von Ming-Ti, der Honi-Dynastie - etwa um 2500 vor Christus -, wurden die Lehren von Sakiamuni vom Volk angenommen. Zur gleichen Zeit, wie der Buddhismus in China auftauchte, begann sich die Lehre auch unter den Israeliten auszubreiten. Vor ungefähr zweitausend Jahren kam das vollkommene Sein, da sich noch im Stadium der Untätigkeit befand, in Form eines Neugeborenen einer armen Familie auf die Welt. Es war sein Wille, dass die Lippen dieses Kindes, um es einmal in einem gängigen Bild auszudrücken, die armseligen Menschen über das Leben im Jenseits aufklären und bewirken sollten, dass die Verirrten wieder auf den wahren Weg zurückkehrten. Mit seinem eigenen Beispiel zeigte er ihnen, wie sie am besten zu der ursprünglichen moralischen Reinheit gelangten. Als das heilige Kind ein bestimmtes Alter erreicht hatte, ging es nach Indien, wo es, bis es zum Manne wurde, alle Regeln des grossen Buddha studierte, dessen ewige Ruhestätte der Himmel ist.

Die Schriftrollen bezüglich des Lebens von Issa, die von Indien zum Nepal und von dort nach Tibet gelangt sind, sind in der Pali-Sprache geschrieben. Man kann sie in Lhasa finden, aber es gibt hier eine Kopie in unserer Sprache (tibetisch). Aber das gemeine Volk kennt Issa nicht. Es gibt kaum jemanden, der etwas über ihn weiss, wenn er kein Lama ist, weil diese ihr ganzes Leben damit verbracht haben, die Schriftrollen, in denen von Issa die Rede ist, zu studieren. Da aber seine Lehre keinen kanonischen Teil des Buddhismus darstellt, und da Issas Anhänger, die Christen, (S.60)

die Autorität des Dalai Lama des Tibet nicht anerkennen, wird der Prophet Issa - wie andere - nicht als einer der wichtigsten Heiligen angesehen.

Herr Notowitsch fragte dann, ob es eine sündhafte Tat sei, einem Ausländer aus diesen Kopien vorzulesen, worauf der Lama antwortete:

"Was Gott gehört, gehört auch den Menschen. Wir sind dazu verpflichtet, guten Willens an der Verbreitung seiner Lehre mitzuarbeiten. Ich weiss nur nicht, wo sich diese Schriftrollen in unseren Bibliotheken befinden. Wenn Sei irgendwann einmal wieder unsere Gonpa besuchen, wird es mir ein Vergnügen sein, sie Ihnen zu zeigen."

Darauf erhob sich der Lama und sagte, dass man ihn für die Opfer brauche. Er entschuldigte sich freundlich und verschwand - mit einem Gruss an den Besucher - durch die Tür.

[Notowitschs Rückkehr nach Leh]

Dem enttäuschten Reisenden blieb nichts weiter übrig, als nach Leh zurückzukehren und einen Plan auszuarbeiten, der es ihm unter einem guten Vorwand erlauben würde, in das Kloster zurückzukehren. Zwei Tage später schickte er dem ersten Lama als Geschenk einen Wecker und einen Thermometer mit der Mitteilung, dass er dem Kloster wahrscheinlich einen weiteren Besuch abstatte, bevor er sich nach Ladakh aufmache, und dass er hoffe, bei der Gelegenheit die gütige Erlaubnis zu haben, die Schriftrollen zu untersuchen.

Herr Notowitsch hatte vor, nach Kaschmir zu reisen und erneut nach Hemis zurückzukehren, um so jeglichen Verdacht zu vermeiden, den sein Beharren bezüglich der Schriftrollen über das Leben von Issa hätte erwecken können. Aber das Schicksal zeigte sich ihm wohlgesonnen, (S.61)

denn als er den Berg überquerte, auf dessen Gipfel sich die Gonpa von Pittak befindet, stolperte sein Pferd und riss unseren Reisenden zu Boden, der sich dabei ein Bein brach. Da er nicht nach Leh zurückkehren wollte, befahl er seinen Trägern, ihn zum Kloster nach Hemis zu bringen, wo er freundlich aufgenommen und behandelt wurde.

Herr Notowitsch erzählt:

"Am Morgen schiente ich das Bein mit ein paar Stöckchen, die ich mit einem Band befestigte. Ich versuchte, keine unnötigen Bewegungen zu machen und konnte bald erste Fortschritte feststellen. Zwei Tage darauf war ich imstande, die Gonpa zu verlassen und eine langsame Reise nach Indien zu unternehmen, um einen Arzt aufzusuchen.

Während ein Junge dauernd die Gebetsmühle in Drehung hielt, die sich in der Nähe meines Bettes befand, unterhielt mich der ehrenwerte Alte mit endlosen Geschichten. Oft nahm er den Wecker und meine Uhr, um mich zu fragen, wie man sie aufzieht und benutzt. Schliesslich gab er meinen eindringlichen Fragen nach und holte zwei gebundene Bücher herbei, deren grosse Papierblätter mit der Zeit schon vergilbt waren. Dann las er mir die Biographie Issas vor, die ich mir sorgfältig in mein Notizbuch mitschrieb, so wie sie mir mein Dolmetscher übersetzte. Das eigenartige Dokument ist in getrennten Abschnitten geschrieben, die oft keine Beziehung untereinander haben.

Am dritten Tag hatte sich mein Zustand derartig gebessert, dass ich meine Reise fortsetzen konnte. Mit dem verbundenen Bein durchkreuzte ich auf dem Weg nach Indien noch einmal Kaschmir.

Seit langer Zeit will ich das Leben von Jesus Christus, das ich in Hemis fand und von dem ich bereits gesprochen habe, (S.62)

veröffentlichen, aber meine zahlreichen Beschäftigungen liessen das nicht zu. Jetzt aber, da ich lange Nächte ruhelos mit dem Sortieren meiner Notizen beschäftigt war, und nachdem ich die Verse der Erzählung entsprechend geordnet und dem Ganzen den Charakter einer gewissen Einheit gegeben habe, habe ich mich dazu entschlossen, dieses eigenartige Dokument zu veröffentlichen." (S.63)

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