"Ist aber
Christus nicht auferweckt worden, dann ist
unsere Predigt sinnlos, sinnlos auch euer
Glaube. Dann werden wir sogar als falsche
Zeugen Gottes erfunden; denn wir hätten gegen
Gott bezeugt, dass er Christus auferweckt
habe, den er ja gar nicht auferweckt hat, wenn
angeblich Tote nicht auferweckt werden."
Paulus, 1. Korintherbrief (1514-15) |
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[Die Flucht von Jesus vor
den religiös fanatischen Juden in Palästina - die
"Himmelfahrt" gibt es nicht]
Im weiteren Verlauf werden wir sehen, wie Jesus sich - nach
der Heilung seiner Wunden und dem Verlassen der Grabstätte -
auf den Weg macht, um vor seinen Feinden zu fliehen, womit
er einen neuen Abschnitt seines menschlichen Lebens beginnt.
Die Bibel selbst wird uns beweisen, dass das Bild von Jesus
- nach dem Verlassen des Grabes - das Bild eines physischen,
menschlichen Körpers und nicht das eines göttlichen oder
geistigen Wesens ist.
Wir haben im vorhergehenden Teil bereits gesehen, wie Jesus
auf gar nicht übernatürliche Weise seine Grabstätte
verliess, sondern dass er den Felsbrocken, der den Eingang
verdeckte, beiseite schieben musste, um herauszugelangen.
[Den Felsbrocken haben wahrscheinlich Männer von aussen her
weggerollt oder weggeschoben, wenn es ein mannshohes Grab
mit einem grossen Eingang gewesen ist].
Es handelte sich also um einen physischen Körper, der einen
physischen Raum brauchte, um sich Durchgang zu verschaffen.
Dann wird er zu seinen Jüngern reden, nach Galiläa gehen,
Brot und Fisch essen, die Wunden an seinem Körper zeigen,
heimlich aus Pilatus Machtbereich fliehen, aus diesem Ort
auswandern - wie es unter den Propheten üblich war - und
schliesslich in Richtung Osten reisen. (S.101)
[Jesus muss als Jude vor den religiös fanatischen Juden in
Jerusalem fliehen, und scheinbar haben gemässigte Kräfte
nicht die Macht, die Fanatiker in Jerusalem einzuschränken].
Bevor ich nun fortfahre, ist - meiner Meinung nach - jetzt
der richtige Augenblick, das angebliche Phänomen der
Himmelfahrt in angemessener Ausführlichkeit zu analysieren.
Dazu gehe ich noch einmal die Fundamente durch, auf die das
Christentum sich beruft, um den Wirklichkeitscharakter
besagten Ereignisses darzulegen.
[Die "Himmelfahrt" wird
erst 400 Jahre nach dem Tod von Jesus erwähnt - keine
einheitlichen Datierungen - der wundersame "Sieg" über den
Tod durch die Himmelfahrtslegende]
Damit diese Untersuchung keinen tendenziösen Anstrich
erhält, werde ich das Mysterium von der Himmelfahrt nicht
selbst analysieren, sondern werde wörtlich einige
Paragraphen aus dem "Wörterbuch der Bibel" von Dr. Herbert
Haag zitieren. Dieses Buch wurde in Spanien von dem - sehr
stark christlich geprägten - Herder-Verlag veröffentlicht.
Unter der Überschrift "Himmelfahrt" ist dort zu lesen:
Der sichtbare Aufstieg Jesu zum Himmel vom
Ölberg aus, vierzig Tage nach seiner Wiederauferstehung,
wird von Lukas am Anfang der Apostelgeschichte (12 und folgende 210) erzählt und wird auch in
zusammenfassender Form am Ende seines Evangeliums (Lukas
2451) erwähnt. Es ist nicht
möglich, die erste dieser Erzählungen als eine
nachträgliche Eintragung zu betrachten, wie es einige
Kritiker tun, da der literarische Aufbau der
Apostelgeschichte 11-11, genau dem Original von Lukas übereinstimmt;
es ist auch nicht möglich, aus der Apostelgeschichte 12 und Lukas 2451 die Erwähnung der
Himmelfahrt einfach herauszustreichen, da die
Auslassungen einiger handschriftlicher Fassungen (der
westlichen Familie) nicht ursprünglicher Art sind,
sondern aus Korrekturen des Textes stammen. Damit ist es
also Lukas selbst, der über die Begebenheit am Schluss
seines ersten Werkes und am Anfang seines zweiten
berichtet.
In der zweiten Erzählung
wird jedoch der Zeitraum von vierzig Tagen
hervorgehoben, von dem in der ersten nicht die Rede ist.
Die genaue (S.102)
Ortsangabe in dieser
Szene - auf dem Ölberg (Apostelgeschichte 112), in der Nähe Bethaniens
(Lukas 2450) - lässt klar erkennen,
dass es sich für ihn um ein konkretes geschichtliches
Ereignis handelt. Die ortsansässige Tradition legte die
Erinnerung daran spontan auf den höchsten Punkt des
Ölbergs und errichtet dort im vierten Jahrhundert eine
Grabstätte.
Dennoch ist Lukas im
Neuen Testament der einzige, der Christi Himmelfahrt in
dieser - zeitlich und räumlich - sichtbaren und
erkennbaren Weise darstellt. Die anderen Autoren des
Neuen Testaments stellen lediglich fest, dass Christus,
als direkte Konsequenz aus der Wiederauferstehung, sich
als Wiederauferstandener im Himmel befindet, wo er in
Herrlichkeit zur Rechten Gottes sitzt, an der Seite des
Vaters, und dass er von dort zu seiner glorreichen
Wiederkehr kommen wird. Dieser Verbleib im Himmel nach
einem irdischen Leben lässt natürlich an eine
Himmelfahrt Christi denken, die sich jedoch in aller
Stille abgespielt hat, und selbst diejenigen, die sie
erwähnen, legen eher ein Bekenntnis ihres Glaubens ab,
als ein von ihnen beobachtetes Phänomen zu beschreiben.
Die Einzigartigkeit des
Zeugnisses von Lukas beeinflusst auch die ursprüngliche
christliche Tradition, die zunächst unsicher und
unbeständig zu sein scheint. Erst im vierten Jahrhundert
ist die Erzählung aus der Apostelgeschichte unter den
Vätern allgemein bekannt. Vorher wird das Ereignis von
einigen überhaupt nicht erwähnt (Klemens von Rom,
Didache, Ignazius, Polykarp, Hermas), und selbst
diejenigen, die es erwähnen, stellen es unterschiedlich
dar, und die zeitliche Einordnung ist nicht eindeutig.
Nur einige versuchen wirklich, genauere Angaben über den
Ablauf der Himmelfahrt zu machen, aber dies auch nur
durch (S.103)
Ausführungen, die
keinerlei geschichtlichen Wert besitzen. Zahlreicher
sind die Zeugnisse, die für Christi Himmelfahrt ein
Datum angeben, jedoch zeigen sich auch hier
bemerkenswerte Unterschiede. Schon Lukas 2451 und Johannes 2017 scheinen sie auf den
Ostertag zu legen. Ebenso verfahren (Petrus Evang.
[Petrus-Evangelium] 56, Barn 159; Anhang k zu Matthäus 164; Altes Testament Benj. 95; Apol. Arist., (gr. 15,
sir. 2); für andere jedoch vergehen mehr als 18 Monate
(AscIs 916; Valentianus und Ofitas,
nach Iren. I, 32; 3014) und bis zu 12 Jahren
(Pistis Sophia I, 2; Buch des Yeu). Schliesslich
sprechen einige Väter wie Justinus, Tertullian, Eusebius
und Hieronymus bald von einem Aufstieg zum Himmel am
Tage seiner Wiederauferstehung, bald von einer
Himmelfahrt nach vierzig Tagen.
Dieses Durcheinander in
der ersten christlichen Tradition bezüglich der Art und
Weise und des Zeitpunkts der Himmelfahrt hat vielen
Kritikern einen Vorwand geliefert, sie als eine
nachträgliche Legende zu betrachten, die das Ergebnis
einer Entwicklung ist, die dem Glauben an Jesu Triumph
im Himmel nach und nach eine neue Form gegeben hat.
Dieser wunderbare Sieg
über den Tod ist anfänglich rein geistig verstanden
worden und hat nur Jesu Seele berührt. In diesem Sinne
hat man von einer Himmelfahrt Christi unverzüglich nach
seinem Tod gesprochen (2343, Paulus Evang.). Erst
später hat man aus Gründen der Rechtfertigung versucht,
diesem Triumph eine etwas konkretere Form zu geben, und
man weitete sie auch auf den Körper des Herrn aus; so
erklärt sich die Materialisierung der
Christus-Träumereien durch das Erscheinen des
Wiederauferstandenen, sinnlich wahrnehmbar, in einem
fühlbaren Körper, der ass und trank. Darauf folgte die
Legende von (S.104)
dem leeren Grab und
schliesslich die Szene des sichtbaren Aufstiegs zum
Himmel.
[Die Vorstellung der semitischen Jünger über die "Himmelfahrt" - Seele
und Körper müssen auferstanden sein - die Analyse der
biblischen Texte zur "Himmelfahrt" und die "christliche"
Phantasie]
Diese Theorien werden
jedoch nicht nur dem historischen Wert der Erzählungen
des Neuen Testaments nicht gerecht, sondern ihr
Hauptfehler besteht darin, dass sie eine Vorstellung von
der Unsterblichkeit vermitteln, die sehr viel
griechischer als semitisch ist. Für die Semiten, wie es
die Apostel ja waren, war Christi Sieg über den Tod ohne
den Triumph seines Körpers unbegreiflich, weil der Tod
die Strafe für die Sünde ist, die den Körper genauso
berührt wie die Seele, oder besser, eher die Seele
berührt, aber durch den Körper geschieht; und aufgrund
des Sieges über die Sünde, worin eigentlich Christi Werk
der Erlösung besteht, muss seine ursprüngliche
Zugehörigkeit zum Körper ebenso wie zur Seele
wiederhergestellt werden. Deshalb ist unzweifelhaft,
dass die ersten Jünger, wenn sie von dem Triumph ihres
Meisters über Sünde und Tod völlig überzeugt waren,
ebenso an den Triumph des wiederauferstandenen und in
die göttliche Herrlichkeit eingegangenen Körpers glauben
mussten. Dieser Glaube ergibt sich zwangsläufig aus der
Tatsache, dass er ihnen wahrhaftig und sinnlich
wahrnehmbar erschien. Ausserdem ist der Glaube an die
Erhebung des wiederauferstandenen Körpers Christi in den
Himmel nicht mehr als die notwendige Folge und
unumgängliche Ergänzung des Glaubens an seine
Wiederauferstehung.
Wenn es aber richtig
ist, dass die Unsicherheit der neutestamentlichen und
ursprünglichen christlichen Tradition die negative These
der Kritiker nicht rechtfertigt, so verdient sie doch
unsere Aufmerksamkeit und fordert dann auf, tiefer in
das Mysterium vorzudringen. Dabei sind anscheinend zwei
Augenblicke deutlich zu unterscheiden:
(A) (S.105)
die Erhebung Christi zum
Vater im Himmel und (B) die äusserliche Manifestierung
seines Aufstiegs vom Ölberg.
(A) Die Erhebung oder
die Verherrlichung im Himmel ist der wesentliche Aspekt,
der direkte Inhalt dieses Glaubensdogmas. Der Eingang
Christi Körper in die Herrlichkeit des eschatologischen
Königreichs stellt tatsächlich die Voraussetzungen, den
Pfand und letztlich den Grund für unsere eigene
Verherrlichung dar, folglich unserer letztendlichen
Reinheit. Sie bedeutet den Keim einer durch Christus bis
in ihr physisches Wesen erneuerten Welt. In dieser neuen
Welt stellt Jesu verherrlichter Körper sozusagen die
Urspungszelle, den exemplarischen und wirksamen Grund
dar, der die Erneuerung des Körpers der Christen und
dadurch der gesamten Welt auslöst. Es reicht nicht aus,
dass der Körper von Christus aus dem Grab herauskam. Er
musste in die göttliche Welt eintreten, in die er uns
alle einführt, und diese göttliche Welt gab es schon
immer und sie ist - für unsere menschliche
Vorstellungskraft zwangsläufig - die Welt des "Himmels"
über der Erde. Aber dieser Eintritt in die Herrlichkeit
ist eine ganz und gar übernatürliche Tatsache, die sich
aus der Wahrnehmung durch die Sinne entzieht, weshalb
die Zeugnisse des Neuen Testaments, einschliesslich das
von Lukas, sich auch weigern, es zu beschreiben. Dennoch
handelt es sich um eine wirkliche und "historische"
Tatsache, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt
ereignet hat. Dieser Zeitpunkt ist offensichtlich kein
anderer als der der Wiederauferstehung.
Von dem Moment an, als
Jesu Körper kraft des Geistes aus dem Grab herauskommt,
gehört er der eschatologischen Welt der Herrlichkeit an
und tritt mit vollem Recht in sie ein. So beschreibt es
die Mehrheit der Texte des (S.106)
Neuen Testaments, die
das Wiederauferstehen von Christus und sein Sitzen zur
Rechten des Vaters wie zwei untrennbare Gesichtspunkte
ein- und desselben glorreichen Triumphes darstellen. So
sagt es ausdrücklich Johannes, 2017, wo Christus Maria
Magdalena darüber aufklärt, dass er sich bereits nicht
mehr in dem gleichen Zustand wie vorher befindet, wo sie
ihn einfach anfassen kann und er ihr aufträgt, seinen
Aposteln mitzuteilen, dass seine Himmelfahrt bald
stattfinde, dass sie sogar kurz bevorstehe. Es ist
nämlich eindeutig, dass er den Aposteln nach der
Himmelfahrt erscheint (2019-29), nachdem er einmal kurz
bei seinem Vater war, an dessen Seite er immer leben
wird. Aus diesem Text lässt sich höchstens eine kurze
Zeitspanne zwischen Wiederauferstehung und Himmelfahrt
ableiten, was sich ausreichend mit dem pädagogischen
Ziel der Erzählung erklären lässt, wie durch den Dialog
mit Magdalena angezeigt wird.
(B) Nun, die sichtbare
Manifestierung auf dem Ölberg steht in keiner Weise in
Widerspruch mit dem ersten und entscheidenden Triumph,
der am Ostertag stattfand; denn er gehört einer ganz
andern Ordnung an, wie die Erzählung des Lukas selbst
beweist. Weit davon entfernt, uns einen triumphalen
Eintritt in die himmlische Herrlichkeit zu beschreiben,
wie es einige Legenden über die Himmelfahrt heidnischer
Persönlichkeiten oder Halbgötter tun (Romulus, Herkules,
Mithras usw.) oder wie es bei Christus die Apokryphen
machen, will Lukas lediglich den Abschied des Herrn
schildern, genauer gesagt, seinen letzten Tag. Die
versteckten und traditionellen Merkmale, mit denen diese
Szene beschrieben wird, sollen zeigen, dass die Zeit der
gewohnten Unterhaltungen mit Jesus zu Ende ist, und dass
er bis zu seiner glorreichen Wiederkehr nicht
zurückkehren wird. Die Worte der Engel an die Jünger und
(S. 107)
die Wolke,
traditionelles Gleichnis der eschatologischen
Kundgebungen (Lukas 2127, auch Markus 1464, auch Apostelgeschichte 17; 1414 folgende; siehe Altes
Testament [?] 417 Apostelgeschichte 1112), sollen nichts anderes
bedeuten. Ebenso kann man die Zahl vierzig als ein
traditionelles Element auffassen, und man darf sie nicht
allzu wörtlich interpretieren. Vielleicht denkt Lukas an
die vierzig Tage, die Jesus in der Wüste verbracht
hatte, bevor sein Leben in der Öffentlichkeit begann
(Lukas 42), da auch vierzig Tage nach
seiner Wiederauferstehung vergingen, bis er sich in der
Kirche zeigte. Denn was Lukas bei diesem letzten Gang
des wiederauferstandenen Herrn am meisten kümmert, ist,
dass dieser Aufbruch vor Pfingsten stattfindet und das
Fest vorbereitet; das heisst, er geht der Ausschüttung
des Heiligen Geistes voraus, fünfzig Tage nach der
Wiederauferstehung, mit der das Gottesreich in dieser
Welt beginnt.
So gesehen, steht die -
nur von Lukas geschilderte - Erscheinung auf dem Ölberg
in keinem Widerspruch zu dem ersten und wesentlichen
Aufstieg Jesu in die Herrlichkeit, der am gleichen Tag
wie die Wiederauferstehung stattgefunden haben muss. Sie
ist lediglich ihre Ergänzung oder ihr Siegel. Deshalb
hat die christliche Tradition - vor allem in ihrer
Liturgie - diesen letzten sichtbaren Lebensakt von Jesus
völlig zu Recht als letzte Bestätigung seines Triumphes
über den Tod und seiner Anwesenheit im Himmel
betrachtet, und brachte in dieses Mysterium all die
Verherrlichung des vorangehenden Ostertages ein, sowie
man in ihm auch - dem Gelübde nach - die ganze Gnade
erkannte, die ihm zu Pfingsten zuteil wurde.
Ehrwürden Serafin de Ausejo, Professor für die Heilige
Schrift, der die spanische Ausgabe des "Wörterbuchs der
Bibel" ausgearbeitet hat, aus dem wir soeben einige
Abschnitte (S.108)
auszugsweise gesehen haben, fasst zum Schluss die Meinung
des Autors zusammen. Dort sagt er u.a.:
Der Sachverhalt der Himmelfahrt am Tag der
Wiederauferstehung an sich ist etwas Übernatürliches,
für die menschlichen Sinne nicht wahrnehmbar, aber
absolut wahr, wirklich und historisch.
Von einem objektiven Standpunkt aus schliesse ich daraus,
dass kein menschliches Wesen imstande ist zu behaupten, Jesu
Himmelfahrt sei "wahr, wirklich und historisch", wenn sie
etwas Übernatürliches - für die menschlichen Sinne nicht
Wahrnehmbares - ist.
[Widersprüche und
Implikationen über "Auferstehung" und "Himmelfahrt"]
Andererseits kommt man nach wiederholtem Lesen der Analyse,
die ich soeben über das Mysterium von Jesu Himmelfahrt
dargelegt habe, zu dem Schluss, dass eine solche Himmelfahrt
die logische Folge der Wiederauferstehung darstellt, um das
typisch menschliche Verlangen nach einem "glücklichen" Ende
des von Jesus personifizierten Mysteriums zu befriedigen.
Der nächste auf die Wiederauferstehung folgende Schritt war,
dass man Jesus im Himmel ansiedelte.
Oder anders ausgedrückt: wenn es eine Wiederauferstehung
gegeben hat, dann muss es auch eine Himmelfahrt gegeben
haben. Der erste Schritt hätte nämlich keinen Sinn, wenn es
den zweiten nicht gäbe. Somit scheint die Himmelfahrt nicht
eine wirklich erlebte Tatsache, sondern ein im menschlichen
Geist durch logische Ableitung geschaffenes Phänomen zu
sein.
Folglich ist die Himmelfahrt von der Wiederauferstehung
abhängig, was bedeutet, dass es nur eine Himmelfahrt gegeben
haben kann, wenn es vorher oder gleichzeitig eine
Wiederauferstehung gab. Dass es eine Himmelfahrt (S.109)
von Jesus also nicht gegeben hat, wenn er nicht
wiederauferstanden ist.
Und die Wiederauferstehung von Jesus hat schwerlich
stattfinden können - wie wir bereits gesehen haben und auf
den folgenden Seiten noch sehen werden -, wenn Jesus nicht
am Kreuz gestorben ist, was allem Anschein nach der Fall
war.
Ich will jedoch auch hier nicht tendenziös werden. Deshalb
schliesse ich diese Studie über die Wahrscheinlichkeit der
Wiederauferstehung und der Himmelfahrt ab, indem ich noch
einmal das "Wörterbuch der Bibel" aus dem Herder-Verlag zu
Hilfe nehme und einige Abschnitte bezüglich der
Wiederauferstehung von Jesus zitiere:
Den einzigen - und für das Christentum
entscheidenden - Beweis der Wiederauferstehung von
Jesus, die in der apostolischen Predigt im Mittelpunkt
steht, findet man in christlichen Quellen.
Die vier Evangelien
erwähnen nicht die Wiederauferstehung selbst (diese fand
der Erzählung der Evangelien nach ohne irdische
Augenzeugen statt), sondern dass das Grab leer
vorgefunden wird und, vor allem, dass der
wiederauferstandene Christus seinen Jüngern erscheint.
Die besagten Erzählungen sind lückenhaft, uneinheitlich
und augenscheinlich widersprüchlich.
Der heilige Thomas sagt,
dass sich die Wiederauferstehung selbst den Jüngern nur
anhand der glaubwürdigen Zeichen (das Alte Testament und
der signa evidentia) kundtat, die nicht die
Wiederauferstehung an sich, sondern die Echtheit der
Zeichen selbst bewiesen; der Glaube der Christen
basierte auf der predigt der Apostel. Folglich ist die
Wiederauferstehung eine Tatsache, aber als Mysterium
(S.110)
des Glaubens ist es
keine Tatsache, die mit den Methoden der
Geschichtswissenschaft mit Sicherheit bewiesen werden
kann. Historisch beweisbar ist nur der Glaube der Jünger
an die Wiederauferstehung.
[Der Aufbruch des leiblich
lebendigen Jesus von Palästina nach Indien - umarmte Füsse
- Reden - die Angst vor den religiös fanatischen
Juden - die Flucht in Verkleidung]
Kehren wir jedoch auf Jesu Weg zurück, nachdem er aus dem
Grab entkommen ist. Zunächst trifft er auf Maria Magdalena
und ihre Begleiterin, die seine Füsse umarmen - ein Zeichen
dafür, dass es sich um einen physischen Körper handelte.
Dann trägt er ihnen auf, seinen Jüngern mitzuteilen, dass
sie sich nach Galiläa begeben sollen, wo sie sich mit ihm
treffen würden. Im Matthäus-Evangelium (18
9-10)
heisst es:
"Und siehe, Jesus kam ihnen entgegen und
sprach: 'Seid gegrüsst!' Sie traten hinzu, umfassten
seine Füsse und beteten ihn an. Da sagte Jesus zu ihnen:
'Fürchtet euch nicht! Geht hin und bringt meinen Brüdern
die Botschaft, sie sollen nach Galiläa gehen; dort
werden sie mich sehen'."
Dann wird Jesus von Jakobus und Paulus betrachtet, wie wir
in dem 1. Korintherbrief (15
7-8)
des letzteren nachlesen können:
"Danach erschien er dem Jakobus, dann allen
Aposteln. Als letztem von allen, der Fehlgeburt
vergleichbar, erschien er auch mir."
Jesus trifft sich sporadisch mit seinen Freunden und wagt es
nicht, sich öffentlich zu zeigen; aus Angst, die Juden
könnten ihn wiedererkennen und festnehmen. Wenn man das
Matthäus-Evangelium aufmerksam liest, findet man diese Angst
deutlich beschrieben. Kehren wir also zum Text zurück und
lesen wir noch einmal 28
8: (S.111)
"Da gingen sie elends, in Furcht und grosser
Freude, vom Grab weg und liefen, um seinen Jüngern die
Kunde zu bringen."
Es ist deutlich, dass die beiden Frauen bei all ihrer Freude
zu wissen, dass Jesus am Leben war, grosse Angst davor
hatten, dass man ihn entdecken könnte. Jesus selbst bemerkt
das und versucht, sie zu beruhigen (28
9-10):
"Und
siehe, Jesus kam ihnen entgegen und sprach: 'Seid
gegrüsst!' Sie traten hinzu, umfassten seine Füsse und
beteten ihn an. Da sagte Jesus zu ihnen: 'Fürchtet euch
nicht! Geht hin und bringt meinen Brüdern die Botschaft,
sie sollen nach Galiläa gehen; dort werden sie mich
sehen'."
Da unternimmt Jesus eine Fussreise von ungefähr 100
Kilometern, um nach Galiläa zu gelangen und so seine
möglichen Verfolger zu verwirren.
Schauen wir uns aber noch mehr Beweise dafür an, dass Jesus
in seinem irdischen Körper weiterlebte, und sich nicht
vergeistigte. So steht im Lukas-Evangelium, als Jesus den
Aposteln erscheint (24
37-39):
"Sie aber erschraken und fürchteten sich und
glaubten, einen Geist zu sehen. Und er sagte zu Ihnen:
'Warum seid ihr verwirrt und warum steigen Zweifel auf
in eurem Herzen? Seht an meinen Händen und Füssen, dass
ich selbst es bin; führt mich an und seht, ein Geist hat
doch nicht Fleisch und Gebein, wie ich es habe und ihr
an mir sehen könnt'."
Zwei Verse weiter zeigt Jesus, dass er Hunger hat - etwas
völlig Unbegreifliches für ein göttliches oder geistiges
Wesen. Es heisst dort (24
41-43):
(S.112)
"Da sie aber vor Freude nicht glauben wollten
und staunten, sagte er zu ihnen: 'Habt ihr etwas zu
essen hier?' Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch,
und er nahm und ass vor ihren Augen."
Kommen wir zum Johannes-Evangelium und lesen wir nach, wie
Thomas die Wunden von Jesus berührt. An dieser Stelle wird
deutlich, dass ihnen ein berührbarer Körper aus Fleisch und
Knochen erschien. Es heisst dort (20
20):
"Nach diesen Worten zeigte er ihnen die Hände
und die Seite."
Später (20
27) ist zu lesen:
"Dann sagte er zu Thomas: 'Reich deinen Finger
her und sieh meine Hände und reich deine Hand und lege
sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern
gläubig'."
Es ist jedenfalls klar, dass Jesus aus Palästina
verschwinden musste. Er nahm, wie wir sahen, ein letztes Mal
Kontakt zu seinen Jüngern auf - und das nur kurz, um nicht
entdeckt zu werden. Dann zog er Richtung Osten. Letzten
Endes war er ein Verfolgter. Nach physischer wie seelischer
Verfolgung, Qual und Folter, war er nicht fähig, einer
zweiten Begegnung mit seinen Feinden standzuhalten. Um nicht
entdeckt zu werden, verkleidet er sich sogar während der
letzten Tage seines Aufenthalts in Palästina. Dies zeigt der
Text des Markus-Evangeliums (16
12):
"Dann erschien er in fremder Gestalt zweien von
ihnen auf dem Weg, als sie über Land gingen."
Aber Jesus sah sich jetzt nicht nur zur Flucht gezwungen,
sondern er musste auf jeden Fall noch die Mission erfüllen,
(S.113)
für die er gesandt worden war. Wäre er wirklich am Kreuz
gestorben, hätte er ja nicht den ihm zugeteilten Auftrag
erfüllt. Ich will damit sagen, dass Jesus nicht sterben
sollte, bevor er die vertriebenen Stämme Israels gesucht und
gerettet hatte. (S.114)