<Viele tun sich sehr schwer, die neue Politik der offenen Grenzen zu verstehen, die Angela Merkel ausgerufen hat – nicht zuletzt in ihrer eigenen Partei. Es hilft beim Verständnis, sich die Empfehlungen des George Soros von September genau und kritisch durchzulesen. Nach dessen Drehbuch scheint es zu gehen.

George Soros ist ein Milliardär, der sehr viele Stiftungen überall dort unterhält und finanziert, wo es besonders wichtig ist, die Sichtweise der US-Regierung zu verbreiten und Unterstützung dafür zu generieren.

Er leitet seinen Sechspunkteplan für die europäische Flüchtlingspolitik mit folgenden Überlegungen ein (jeweils meine Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche und dann meine Übersetzung in das Gemeinte und Hinweise auf das, was er wohlweislich nicht sagt):

„Die EU muss die Verantwortung für das Fehlen einer gemeinsamen Asylpolitik akzeptieren, die den diesjährigen wachsenden Zustrom von Flüchtlingen aus einem handhabbaren Problem zu einer weiteren politischen Krise gemacht hat. Jeder Mitgliedsstaat hat sich eigennützig um seine eigenen Interessen gekümmert (…) Die Opfer waren die Asylsuchenden.“

Was wäre, wenn die EU eine gemeinsame Asylpolitik hätte. Dann hätte sie wohl agiert wie die USA und die meisten anderen. Sie hätte die Grenzen dicht gemacht. Aber das meint Soros nicht, denn das Handeln der USA soll sich die EU ja gerade nicht zum Vorbild nehmen. Quod licet Jovis, non licet bovis, wie der Lateiner sagt. Was Jupiter beliebt, geziemt dem Ochsen noch lange nicht.

„Da die gegenwärtige Krise ihre Quelle in Syrien hat, muss das Schicksal der syrischen Bevölkerung Priorität haben.“

Also: Nicht alle Geflohenen sind gleich. Es geht hier schließlich um Geopolitik. Es soll auch keiner auf die Idee kommen, dass man Flüchtlingskrisen lösen oder vermeiden könnte, indem man darauf verzichtet, ungeliebte Regierungen zu destabilisieren und Bürgerkriege anzuheizen.

Dann kommen die sechs Punkte, von denen einige interessanter sind als andere:

„Erstens muss die EU für die vorhersehbare Zukunft jährlich mindestens eine Million Asylsuchende pro Jahr akzeptieren.“

Ein US-Amerikaner mit besten Beziehungen zur Regierung in Washington, die keine Flüchtlinge ins Land lässt, sagt den Europäern ohne nähere Begründung, sie hätten auf Dauer jährlich mehr als eine Million Flüchtlinge aufzunehmen.

„Ausreichende Finanzmittel sind wichtig. Die EU sollte für jeden Asylbewerber für die ersten beiden Jahre 15.000 Euro bereitstellen, um die Kosten für Unterkunft, ärztliche Versorgung und Ausbildung abzudecken -  und um die Aufnahme von Asylbewerbern für die Mitgliedstaaten attraktiver zu machen. Sie kann das Geld dafür besorgen, indem sie langfristige Anleihen ausgibt, unter Nutzung ihrer bisher weitgehend brach liegenden AAA-Verschuldungskapazität.“

Gemeint ist: Dies ist eine prima Gelegenheit, an den widerspenstigen Wählern vorbei Fakten zu schaffen, die EU sich so hoch verschulden zu lassen, dass es gar nicht mehr anders geht, als die Besteuerungsrechte und damit die Regierungsfunktionen in großem Maßstab nach Brüssel zu verlagern. Insbesondere den besonders widerspenstigen deutschen Wählern kann man die Sache so schmackhaft machen, denn Deutschland bekommt  ja (auch per der folgenden Soros-Grundsätze) die weitaus meisten Asylbewerber zugewiesen und würde daher netto Geld von Brüssel bekommen.

„Es ist genauso wichtig, sowohl die Staaten als auch die Asylsuchenden ihre Vorlieben ausdrücken zu lassen, mit mindestmöglichem Zwang. Die Flüchtlinge dorthin zu verbringen, wohin sie gehen wollen – und wo man sie will – ist für den Erfolg unerlässlich.“

Sehr viele Syrer und andere Flüchtlinge möchten viel lieber in die USA oder nach Großbritannien, aber dort will man sie ja nicht, weshalb nur Deutschland als zweite Wahl bleibt, wohin sie auch gern wollen, und wo zumindest die Regierung sie will. Diesem Grundsatz zu folgen, hat zwar nichts mit den althergebrachten Grundsätzen der Asylpolitik zu tun, aber es garantiert im Sinne des vorangegangenen Prinzips, dass Deutschland die mit Abstand größte Last zu tragen bekommt und daher der Widerstand der Deutschen gegen mehr Kompetenzen für Brüssel erodiert werden kann.

Zweitens muss die EU die weltweite Anstrengung anführen, ausreichende Finanzierung für Libanon, Jordanien und die Türkei aufzubringen, um die vier Millionen Flüchtlinge, die gegenwärtig in diesen Ländern leben, zu unterstützen. (…) Die jährlichen Kosten liegen bei mindestens 20 Milliarden Euro. (…) Die EU müsste den Ländern an der Front mindestens jährlich 8-10 Milliarden Euro zusagen, während  der Rest von den USA und dem Rest der Welt kommen müsste.”

Natürlich, es ist ein Skandal, dass die Länder, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen, nicht ausreichend unterstützt werden und selbst das zugesagte Geld nicht ausgezahlt wurde. Aber die Arbeitsteilung, die Soros vorschlägt, ist doch ziemlich possierlich aus europäischer Sicht. Die USA bezahlen die Bomben und sonstigen Destabilisierungskosten, und die EU ist zuständig für den Lebensunterhalt der so produzierten Flüchtlinge. Man bemerke: für die USA hat Soros keine konkrete Finanz-Vorgabe, sie gehen im Rest der Welt unter.

„Viertens müssen sichere Zugangskanäle für die Asylbewerber etabliert werden. Das muss anfangen damit, sie aus Griechenland und Italien in ihre ZIELLÄNDER  zu bekommen. Das ist sehr wichtig, um die Panik zu beruhigen. Der nächste logische Schritt ist, die sicheren Zugänge auch auf die Front-Region auszudehnen, und so die Anzahl der Migranten zu reduzieren, die die gefährliche Überfahrt über das Mittelmehr wagen.“

Wenn wir schon dabei sind, die Asylbewerber einfliegen zu lassen, notfalls auch ohne Papiere, welche Rolle spielt dann noch die Entfernung. Gelten die gleichen Grundsätze auch für die USA? Könnte man sie dann nicht auch in großer Zahl in die USA fliegen lassen, wenn sie dort hin wollen? Ach nein, stimmt ja, dort will die Regierung  sie ja nicht, das widerspräche einem vorgenannten Grundsatz. Nur die deutsche Regierung will möglichst viele Syrien-Flüchtlinge aufnehmen und viele Syrer wollen nach Deutschland. Wenn die sicheren Wege in das Asylland der Wahl, also Deutschland, erst einmal etabliert sind, gibt es gar keine andere Möglichkeit mehr, mit dem Zustrom umzugehen, als Brüssel um Hilfe zu rufen und zu ermächtigen. Und niemand in Deutschland kann mehr dagegen sein.

„Die operationellen und finanziellen Arrangements, die die EU entwickelt, sollten genutzt werden, um globale Standards für die Behandlung von Asylbewerbern und Migranten zu etablieren.“

Hier wird unmerklich alles Vorgesagte auch gleich auf Migranten ausgeweitet, also auf jeden, der aus welchem Grund auch immer ein besseres Leben (in der EU) sucht. Die künftigen globalen Standards würden also etwa lauten: Jeder darf in jedes Land, in das er will und das in haben will, und die EU und insbesondere Deutschland hat sie haben zu wollen, während sich die USA und andere einen schlanken Fuß machen und uns anfeuern, noch größere Anstrengungen zu unternehmen.

„Schließlich muss die EU, um mehr als eine Million Asylbewerber und Migranten im Jahr zu absorbieren und zu integrieren, den privaten Sektor mobilisieren – Nichtregierungsorganisationen, kirchliche Gruppen und Unternehmen – damit sie als Sponsoren auftreten. Das setzt nicht nur ausreichende Finanzausstattung voraus, sondern auch die menschliche und IT-Kapazität, um Migranten und Sponsoren zusammenzubringen.“

Das klingt bizzar und ist es auch. Die zuvorderst  genannten Nichtregierungsorganisationen sind nicht gerade ein Paradebeispiel für den „privaten“ Sektor, beziehen sie doch meist einen Großteil ihres Geldes direkt oder indirekt aus Regierungsquellen. Deshalb sollen sie auch erst finanziell ausreichend ausgestattet werden (sicherlich von den Regierungen oder Brüssel), damit sie als Sponsoren auftreten können. Für die nötigen IT-Kapazitäten bürgen die US-Internet- und Telekom-Giganten mit dem Knowhow  der einschlägigen Informationssammlungs- und -verarbeitungsdienste im Hintergrund, und für die menschlichen Kapazitäten die vielen Nichtregierungsorganisationen, die Soros lenkt und finanziert.

So also stellt Soros sich das vor. Und jetzt überlegen Sie mal, ob die deutsche Flüchtlingspolitik damit konform geht, oder diesen Wünschen zuwiderläuft. Eine Exegese der Neujahrsansprache von Angela Merkel hilft dabei vielleicht.

Zur Diskussion: Gegenrede von links zu meiner Neujahrsgegenansprache