<Ihr Land sei sicherer in der EU –
unter anderem mit diesem Argument will
Großbritanniens Premier David Cameron
sein Volk vor dem Referendum im Juni
davon überzeugen, pro EU zu stimmen.
Doch die Anschläge von Brüssel geben dem
„Brexit“-Lager Auftrieb.
Die
Nachricht von den Terroranschlägen in Brüssel war noch
ganz frisch, aber das störte Mike
Hookem offenbar nicht. „David Cameron
sagt, wir sind sicherer in der EU.
Nun, ich bin gerade mitten in Brüssel
und es fühlt sich nicht sehr sicher
an“, teilte der
verteidigungspolitische Sprecher der
rechtspopulistischen Ukip mit.
Sorgfältige Grenzkontrollen
Premierminister
Cameron antwortete kurz darauf, die
Bemerkung sei „unangebracht“. Das half
ihm in der EU-Debatte seines Landes
aber kaum. Die Frage, ob
Großbritannien durch einen EU-Ausstieg
sicherer würde oder unsicherer,
diskutieren EU-Kritiker gerade
besonders gern.
Die
Briten
gehören nicht zur Schengen-Zone und
kontrollieren recht sorgfältig, wer
auf ihre Insel kommt, ob aus EU- oder
Drittstaaten. Dass Großbritannien auch
dann nicht der weitgehend grenzenlosen
Schengen-Zone beitritt, wenn das Volk
am 23. Juni für den Verbleib in der
Europäischen Union stimmt, versichert
Cameron oft und mit Nachdruck.
Sicherheit gehört Politologen zufolge
zu den entscheidenden Argumenten in
der EU-Debatte.
Abschied von der
EU-Menschenrechtskonvention?
Da
kommt es dem „Brexit“-Lager sehr
gelegen, wenn der ehemalige Chef des
Auslands-Geheimdienstes MI6 sagt, der
EU-Ausstieg könne der nationalen
Sicherheit nutzen. Der Kampf gegen
Terrorismus und Spionage werde in der
Praxis durch bi- der trilaterale
Abkommen geregelt, schreibt Richard
Dearlove im Magazin „Prospect“.
Brüssel habe damit wenig bis nichts zu
tun.
Als
Nicht-EU-Mitglied könne das Land die
Zuwanderung aus EU-Staaten besser
kontrollieren und sich zudem von der
Europäischen Menschenrechtskonvention
verabschieden, was wiederum die
Abschiebung etwa radikaler Prediger
erleichterte, schreibt Dearlove
weiter. Die EU hat die
Menschenrechtskonvention nicht
erdacht, das war der Europarat.
Allerdings sind die Grundrechte der
Konvention „als allgemeine Grundsätze
Teil des Unionsrechts“, wie es im
Vertrag über die Europäische Union
heißt.
Londons
konservativer Bürgermeister Boris
Johnson, der über die vergangenen
Wochen zu einer Art Lautsprecher im
Dauerbetrieb für die „Brexit“-Kampagne
geworden ist, stößt ins selbe Horn:
Der Europäische Gerichtshof behindere
Großbritannien dabei, Terroristen des
Landes zu verweisen und Verdächtige zu
überwachen.
Europolchef und Innenministerin
loben Kooperation mit EU
Für
das EU-Lager spricht etwa Europol-Chef
Rob Wainwright, ein Brite.
Großbritannien verlasse sich in der
Kriminalitätsbekämpfung inzwischen auf
EU-Datenbanken, sagte er dem BBC Radio
4. In den zehn Jahren, die der
ehemalige MI6-Chef nicht mehr im Amt
sei, habe sich die Kooperation unter
den EU-Staaten enorm verbessert.
Innenministerin
Theresa May und Verteidigungsminister
Michael Fallon, die beide Camerons
Drinbleiben-Kurs unterstützen, loben
die Zusammenarbeit mit europäischen
„Verbündeten und Freunden“ ebenfalls.
Und der ehemalige Chef des
Geheimdienstes GCHQ, David Omand,
glaubt: „Großbritannien wäre in Sachen
Sicherheit der Verlierer des Brexit,
nicht der Gewinner.“
Experten sind uneins
So
steht unter Experten und Politikern
Wort gegen Wort. Noch im Januar sah es
aus, als könne das Bleiben-Lager beim
Thema Sicherheit punkten: 35
Prozent der Briten glaubten nach einer
Comres-Umfrage, als EU-Mitglied sei
das Land sicherer, 24 Prozent waren
vom Gegenteil überzeugt. Cameron ist
wichtig, nationale Sicherheit und EU
in den Köpfen des Volkes zu verbinden.
Keine drei Monate vor dem
schicksalsträchtigen EU-Referendum
muss der Premier hoffen, dass die
Brüsseler Anschläge die Briten nicht
vom Gegenteil überzeugen.>