Schwedens Banken
terrorisieren das Land, bis es keinen
Cent Bargeld mehr gibt - um dann die
Gebühren zu erhöhen - Kleinhändler auf
dem Land etc. bleiben auf der Strecke:
+++ Schweden: Bargeldloses Bezahlen
entzweit die Gesellschaft +++
http://www.deutschlandfunk.de/schweden-bargeldloses-bezahlen-entzweit-die-gesellschaft.724.de.html?dram:article_id=363172
<In Schweden sind
heute viele Geschäfte und Restaurants
nicht mehr auf Bargeld eingestellt.
Selbst geringe Summen werden
elektronisch bezahlt oder per Smartphone
überwiesen. Es sind vor allem die
Banken, die die Abkehr von Scheinen und
Münzen forcieren - aus Eigeninteresse.
Von Klaus Betz
"Wir sind hier in Schweden völlig
IT-fixiert. Wir wollen immer die Ersten
sein und die Besten. Obwohl es viele
IT-Lösungen gibt, die nicht oder nicht
gut funktionieren, haben wir ein fast
schon blindes Vertrauen in diese
Technik. Und genau deshalb sagen wir:
Wir müssen auch weiterhin Bargeld haben
und damit arbeiten können."
Viggo Lindgren ist Sprecher des
Småföretagernas Riksförbund. In
Deutschland entspräche das einem
Bundesverband der Einzelhändler und
Kleinunternehmer. Der erfahrene Anwalt
äußert sich – für schwedische
Verhältnisse – ungewöhnlich offen und
direkt. Aus seiner Sicht hat er auch
allen Grund dazu.
"Wir haben bei unseren annähernd 30.000
Mitgliedern eine Untersuchung
durchgeführt. Jeder vierte Befragte
glaubt, seine Firma schließen zu müssen,
falls es künftig kein Bargeld mehr geben
sollte. Nicht überall in Schweden hat
man die entsprechenden Kassen und die
notwendige IT-Routine."
Für Einzelhändler ein Problem
Im Norden mangelt es an der
Mobilfunk-Abdeckung, die nächste Bank
ist weit und viele ältere Menschen haben
weder ein Mobiltelefon, noch bezahlen
sie online. Kurzum: ohne Bargeld stünden
manche Einzelhändler auf dem Land vor
dem Aus – es wäre wie ein K.O.-Schlag.
Die schwedischen Einzelhändler,
Restaurant- und Kioskbesitzer,
Reparatur-Dienste, Frisöre und
Bäckereien haben ein Problem: Sie passen
nicht in die Bemühungen um eine
bargeldlose Gesellschaft, die in
Schweden vor allem durch die großen
Banken des Landes betrieben werden –
schon seit vielen Jahren und auf sehr
subtile Weise.
Die schwedischen Finanzinstitute
besitzen und kontrollieren nämlich –
anders als in Deutschland – durch eine
gemeinsame und ausgelagerte Gesellschaft
alle Geldautomaten des Landes. Ihre
Bankomat Bolaget ist somit
konkurrenzlos. Dadurch konnten die
schwedischen Banken in den vergangenen
Jahren die Anzahl der Geldautomaten um
fast die Hälfte reduzieren und - ebenso
landesweit - die Auszahlungssumme von
einstmals 5.000 Kronen – etwas mehr als
500 Euro – auf häufig nur noch 1.000
Kronen begrenzen.
Damit nicht genug: Inzwischen weigern
sich die meisten Banken, überhaupt
Bargeld anzunehmen. Logischerweise gibt
es deshalb bei den Bankautomaten auch
keine Deposit-Funktion. Es sind also -
wiederum anders als in Deutschland -
keine Einzahlungen möglich. Obwohl die
Schwedische Krone unverändert ein
gesetzlich gültiges Zahlungsmittel ist.
Für die Einzelhändler und
Kleinunternehmer bedeutet dies: Sie
werden ihre Tageseinnahmen kaum noch
los. Es sei denn, sie unterziehen sich
einem mühsamen Deklarations-Prozess, in
dem sie die rechtmäßige Herkunft des
Bargelds nachweisen und versichern, dass
es sich nicht um Schwarzgeld handelt.
Einen ähnlichen Prozess können auch
Privatpersonen erleben. Etwa, wenn eine
Großmutter ihrem Enkelkind 2.000 Kronen
schenken möchte – 200 Euro – oder wenn
ein Verein für den nächsten Ausflug
sammelt oder das Geld bei der Bank
deponieren möchte.
Das Vorgehen der schwedischen Banken
hätte in Deutschland vermutlich längst
schon das Bundeskartellamt auf den Plan
gerufen. In Schweden herrscht an dieser
Stelle indes eine seltsame Funkstille
und die Banken betreiben eine Politik
der verschlossenen Auster: Sie äußern
sich nicht und diskutieren nicht. Weder
mit Medienvertretern noch mit dem
schwedischen Bundesverband der
Einzelhändler und Kleinunternehmer, weiß
deren Sprecher Viggo Lindgren zu
berichten.
"Das Merkwürdige in Schweden ist: Wir
haben die Banken zu unseren Treffen
eingeladen. Und wir hatten ja zum Teil
große Veranstaltungen. Aber die Banken
kommen nicht; sie wollen nicht mit uns
reden. Und das bestärkt uns in unserer
Konspirationstheorie, dass die Banken
vollständig vom Bargeld weggehen wollen,
so dass man nur noch mit Karte bezahlen
kann; um anschließend die Gebühren zu
erhöhen – auf: so viel wie möglich."
Der einzige Banker, der bei diesen
Recherchen ansprechbar ist, arbeitet
nicht als Banker im klassischen Sinn.
Björn Segendorf ist bei der
übergeordneten Schwedischen Reichsbank
tätig. Sein Arbeitsschwerpunkt:
"Finanzielle Stabilität". Die Svenska
Riksbanken sieht sich unter anderem dazu
verpflichtet, so heißt es in ihrer
eigenen Beschreibung, "ein sicheres und
effektives Bezahlwesen zu fördern." Nahe
liegend bei Björn Segendorf
nachzufragen, ob die schwedischen Banken
mit ihrer restriktiven Bargeld-Politik
überhaupt noch mit den Auffassungen der
Reichsbank übereinstimmen. Segendorf
antwortet ruhig und überlegt, während
eine Pressesprecherin jede Frage und
jede Antwort mitschreibt.
"Die Banken formulieren stets ihre
eigene Politik; es sind unabhängige,
Profit maximierende Unternehmen. Es ist
nicht Aufgabe der Reichsbank, die
Politik der Banken festzulegen.
Allerdings denken wir, dass es ein
wachsendes Missverhältnis gibt -
zwischen der Nachfrage und der
Bereitstellung von Bargeld. Etwa 50
Prozent der Banken arbeiten inzwischen
bargeldlos. In diesem Sinne dürften sie
sich etwas zu schnell verändert haben,
schneller als ihre Kunden. Das haben wir
auch schon öffentlich erklärt."
Verändert hat sich dadurch bislang
wenig. Im Gegenteil. Dort, wo der Druck,
ohne Bargeld zu wirtschaften, besonders
hoch ist, bei Einzelhändlern,
Restaurant-Inhabern und Kiosk-Besitzern,
dort versucht man möglichst häufig, die
Kunden zur Zahlung mit der Karte zu
bewegen. Was wiederum dazu führt, dass
ausländische Besucher mitunter
überraschende Erfahrungen machen. So zum
Beispiel die Stockholm-Urlauberin Ute
Villing aus Rottweil:
"Sehr originell finde ich, dass man
sogar die Toilettenhäuschen mit
Mastercard bezahlt oder mit der
Kreditkarte, das ist schon besonders.
Und dass man in vielen Lokalen gar nicht
mehr auf Bargeld eingerichtet ist. Heute
Morgen wollte ich mit einem
500-Kronen-Schein bezahlen, was ja
eigentlich nicht so ein ganz großes
Problem ist, aber – also sie haben's mir
gerade geschafft noch raus zu geben Ich
mein' sie akzeptieren es dann und es
geht, aber man merkt, man ist nicht
geliebt mit Bargeld."
"Mein Gott, da kommst du mit Bargeld
nicht weit hier"
In anderen Fällen ist förmlich
vorgeschrieben, dass man gefälligst mit
Karte zu bezahlen habe. Es ist nur
höflicher formuliert: "Vi är
kontantlös", lauten die drei Worte auf
Hinweisschildern, die nichts anderes
besagen als: "Wir nehmen kein Bargeld."
Und diesen Grundsatz setzt man dann auch
konsequent um – zum nicht geringen
Erstaunen des Schweden-Besuchers Werner
Kunz, aus Aschaffenburg.
"Ich hab' hier nur festgestellt, dass
mehrheitlich alles mit Karte bezahlt
wird. Ob's jetzt ein Kaffee ist oder ein
Bleistift oder sonst was - die wollen
die Karte sehen. Ich war schon im
ABBA-Museum zum Beispiel, die nehmen gar
kein Bargeld; die schicken dich raus,
und Du musst eine Giftkarte kaufen – ist
lachhaft, aber es ist so; mein Gott, da
kommst du mit Bargeld nicht weit hier."
Was wie ein exotisches Urlaubserlebnis
klingt, ist im schwedischen Alltag nicht
nur gang und gäbe, man ist – neben dem
ständigen Bezahlen per Karte - längst
einen Schritt weiter: man "swisht". Was
Besseres, so könnte man glauben, kann
einer eiligen To-Go-Gesellschaft kaum
passieren. Swish ist der Name einer
Bezahl-App, die an ein Bankkonto
gebunden ist und mit der man via
Smartphone Geld überweisen kann. In
Echtzeit. Von Smartphone zu Smartphone,
zur Kasse eines Restaurants, eines
Kaufhauses oder auch zu einem
Autohändler, sofern man genügend Geld
auf dem Konto hat und – solange es
keinen Stromausfall gibt. Swish ist
technisch hervorragend gemacht,
funktioniert einfach und schnell und
gehört wiederum - wen wundert's - den
schwedischen Banken gemeinsam.
Die Gründe, um mithilfe von Swish die
zweite Stufe zur Durchsetzung einer
bargeldlosen Gesellschaft zu zünden,
liegen auf der Hand. Es sind die früher
oder später profitablen Erträge aus den
Transaktionsgebühren, die beim digitalen
Bezahlen von den Banken berechnet werden
können. Niklas Arvidsson, Autor einer
Studie über die cashless society und
Dozent an der Königlich Technischen
Hochschule in Stockholm, mag dies nur
bedingt einräumen.
"Natürlich sind Transaktionsgebühren
ein Bestandteil des Geschäftsmodells der
Banken. Doch bis jetzt haben sie es bei
den Swish-Aktivitäten noch nicht
verwirklichen können. Einerseits, weil
die Konsumenten es gewohnt sind, solche
Dienste kostenlos zu bekommen,
anderseits weil sie hier schon immer
eine jährliche Pauschale an ihre Bank
entrichtet haben. Das hat Tradition. So
gesehen ist es schwierig,
Transaktionsgebühren für
Swish-Anwendungen durchzusetzen.
Indirekt werden wir trotzdem dafür
bezahlen müssen. Auch wenn die Banken
betonen, es gehe ihnen mehr um die
Einsparung von Kosten und weniger um die
Erhöhung der Einnahmen."
Tatsächlich gilt in ganz Skandinavien
jede Tätigkeit, die ein Mensch ausübt,
seit Jahrzehnten schon als der teuerste
Kostenfaktor. Nicht von ungefähr gibt es
in den nordischen Ländern eine
"Selbstbedienungskultur" wie nirgendwo
sonst. Dazu zählen folglich auch das
Online-Banking und alle weiteren Formen
des digitalen Bezahlens. Wer dabei nicht
mitspielt oder nicht mitspielen kann,
muss kräftig löhnen. Wie kräftig, das
schildert eine Dame, die anonym bleiben
möchte, weil sie mit ihrer Meinung nicht
hinterm Berg hält.
"Wenn ältere Menschen – die keine
Kreditkarte haben - ihre Rechnungen
bezahlen wollen, dann sind sie
gezwungen, zu einer jener Banken zu
gehen, die unverändert Bargeld annehmen.
Dort aber müssen sie für jede einzelne
Rechnung 80 Kronen Gebühren bezahlen -
mehr als acht Euro -, das ist für
manchen Rentner viel, viel Geld. Bei
fünf Rechnungen macht das 400 Kronen –
also über 40 Euro - das ist Raub. Ältere
Menschen wagen es kaum, anders
vorzugehen – sie zahlen eben."
Doch sind es nicht nur die älteren
Menschen in Schweden und die sozial
Schwachen, die den Anforderungen einer
bargeldlosen Gesellschaft nicht gerecht
werden können. Benachteiligt sind ferner
die Bewohner von sogenannten
Glesbyggd-Kommunen. Das sind jene dünn
besiedelten Gemeinden im Inland von
Schweden, wo auf einer Fläche des
Saarlandes mitunter nur 8.000 oder
10.000 Menschen leben - während der
Großraum Stockholm allein schon zwei
Millionen Einwohner zählt, hinzu kommen
noch die Großstädte Göteborg und Malmö.
Während die Smartphone-Generation das
Bargeld fast vollständig aus ihrem Leben
verbannt hat und auf die finanzielle
Privatsphäre zu pfeifen scheint,
erfahren die Benachteiligten in diesem
Wandlungsprozess kaum je die angemessene
Berücksichtigung. Nach kurzem Zögern
räumt auch Dozent Niklas Arvidsson ein,
dass die cashless society, also die
bargeldlose Gesellschaft, womöglich zu
einem "Survival of the Fittest" führen
könnte.
"In gewisser Weise, ja. Der schwedische
Durchschnittbürger hat einen Job, ein
Bankkonto und einen Mobilfunkvertrag. Er
lebt meistens in einer Stadt und wird
daher keine großen Probleme haben. Aber
jene Menschen, die das alles nicht
haben, auch kein Bankkonto – das gibt es
in Schweden - all diese Leute werden
unter dieser Entwicklung zu leiden
haben. Staat und Regierung sind in
einzelnen Bereichen deshalb aktiv
geworden. So kann man sein
Arbeitslosengeld inzwischen auf
elektronischem Wege bekommen. Es gibt
also bereits bargeldlose Alternativen -
aber ja, ein Risiko bleibt. Von daher
sollten Staat und Regierung künftig eine
größere Verantwortung übernehmen."
Die Antwort überrascht und ist zugleich
altbekannt. Besagt diese Denkweise doch:
Der Staat möge sich bitte nicht in das
Marktgeschehen einmischen, aber er darf
sich durchaus der Probleme und
Verwerfungen annehmen, die von diesem
Marktgeschehen verursacht werden - es
sei denn, der Markt findet ganz andere
Lösungen.
Ein Beispiel dafür ist ausgerechnet der
wohnsitzlose Juhan. Er steht nahezu
jeden Tag in der unterirdisch
verlaufenden Fußgängerzone beim
Stockholmer Hauptbahnhof. Dort versucht
Juhan, sein Produkt an den Mann oder die
Frau zu bringen. Er lebt vom Verkauf
eines kritischen Stadtmagazins, für das
ihm der Verlag eine Art
Mitarbeiter-Konto eingerichtet hat, auf
das man ihm Geld überweisen kann – per
Swish natürlich.
"Das Magazin heißt "Situation
Stockholm" und kostet 50 Kronen. Ich
stehe hier mitten im Hauptbahnhof-Tunnel
und versuche, die Zeitung zu verkaufen –
hier, wo jeden Tag viele, viele Personen
vorbeikommen, mitten in Stockholm. Die
meisten Menschen sind sehr angenehm; ich
hatte bisher eigentlich nie mit
unangenehmen Menschen zu tun."
Juhan hat ein Schild umhängen, auf dem
seine "Swish"-Nummer steht. Auf die
Frage, ob es wirklich Leute gibt, die
ihm per "Swish" Geld überweisen, meint
der Mittdreißiger:
"Ja, das geht und es ist ganz einfach.
Man muss auf dem Smartphone nur meine
Nummer eingeben, den Betrag und einen
Code, dann bekomme ich das Geld auf mein
Konto. Das sind eben die neuen Zeiten,
weißt Du. Es wird immer weniger mit
Bargeld bezahlt in unserer Gesellschaft
und mehr und mehr mit Karte – tja, in
der bargeldlosen Gesellschaft liegt das
Geld eben auf dem Computer. So ist das.
Neue Zeiten, neue Methoden."
Wenige Schritte weiter liegt einer der
modernsten Supermärkte Stockholms. Dort
gibt es fast nur noch sogenannte
Schnellkassen – Snabbkasserna –, die
ausschließlich per Kreditkarte
funktionieren. Direkt unter dem
Hauptbahnhof gelegen – mit Zugang zu
allen U-Bahn-Linien und Vorort-Zügen -
liegt das hochmoderne
Lebensmittelgeschäft mitten im
Nervenzentrum des täglichen
Pendlerstroms.
"Jeden Tag kommen hier an unserem
Supermarkt zwischen 250 und 400.000
Personen vorbei. Überwiegend Pendler.
Und so haben wir im Schnitt zwischen
6.000 und 10.000 Kunden pro Tag –
zahlende Kunden, mit Quittung. Eine
Quittung, ein Kunde - so rechnen wir
hier."
Mikail Tanhan ist Schichtleiter des
Supermarktes. Er spricht schnell, ist
hoch konzentriert und irgendwie auch
begeistert von dem, was hier vor sich
geht. Er sieht und beschreibt nichts
Geringeres als die Zukunft des
Einkaufens. Sie findet statt in einem
Warenlager, das vom Aussehen her einem
perfekt gestalteten Supermarkt gleicht,
doch die Kunden bedienen sich selbst;
sie übernehmen alle Arbeiten mit großer
Selbstverständlichkeit und -
funktionieren. Genau darauf ist das
Kassenareal des Supermarktes
ausgerichtet."
"Wir haben 21 unterschiedliche
Kreditkarten-Kassen. Das sind
Selbstbedienungskassen, wo die Kunden
zuerst alles einscannen. Brot, Salat und
solche Sachen wiegt man, dann bekommt
man ein Etikett, das man einscannt. Der
Rest ist alles im Computer
einprogrammiert, so dass die Kunden nur
noch auswählen und per Karte bezahlen
müssen."
Da es hier häufig zugeht wie bei Ikea
zu Weihnachten, ist alles auf höchste
Effizienz ausgerichtet. Hauptsache ist:
schnelles Vorankommen, fast forward.
"Die Durchschnittszeiten für das
Bezahlen an der Schnellkasse liegen
zwischen 15 und 45 Sekunden. Das geht
hier sehr, sehr schnell. Selbst wenn es
mal eine Schlange gibt, dann geht das
trotzdem noch schneller als da drüben,
bei unseren drei traditionellen Kassen."
Mit Bargeld bezahlen ist also schon
noch möglich, im Supermarkt der Zukunft.
Doch die Kreditkarten-Kassen bilden eine
erdrückende Übermacht. Wer von solchen
Verhältnissen Tag für Tag umgeben ist
und auch an anderen Orten andauernd vor
Augen hat, dass selbst die geringsten
Kleinigkeiten inzwischen per Karte oder
per Swish bezahlt werden, der muss
erkennen: Bargeld gilt hier nicht länger
als geprägte Freiheit. Im Gegenteil.
Bares wird als etwas Rückständiges
betrachtet und unterschwellig auch noch
mit einem negativen sozialen Image
belegt. Von dieser Form von
Bargeld-Bashing haben die älteren
Schweden allmählich genug. Ende Juni hat
der mitgliederstarke Schwedische
Pensionärsverband PRO,
Verbraucherminister Per Bolund eine fast
140.000 Unterschriften zählende
Protestnote mit dem Titel "Kontanter
behövs" übergeben – "Bargeld wird
gebraucht". Wenn man das auf deutsche
Verhältnisse überträgt, sind das so
viele, als wenn bei uns gut eine Million
Rentner ihre Forderung zum Ausdruck
bringen würden. Unmissverständlich. Und
bereits vor gut einem Jahr hat
ausgerechnet der ehemalige
Reichspolizeichef und
Ex-Regierungspräsident Björn Eriksson,
die Initiative "Kontant Upproret"
gegründet. Wörtlich übersetzt: Der
Bargeld-Aufstand. Björn Eriksson gilt in
Schweden längst als der angry old man,
als der wütende alte Mann. Nicht weil er
gegen Kreditkarten wettert oder gegen
Swish, sondern weil er gegen die
bargeldlose Gesellschaft kämpft und die
aus seiner Sicht absehbaren Folgen.
"Es wird nun mal dazu führen, dass ein
großer Teil der schwedischen Bevölkerung
zurückbleibt. Manche behaupten ja, von
den knapp zehn Millionen Einwohnern
seien eine Million unnütz. Sollten wir
diese Menschen sich selbst überlassen?
Sollten wir uns nicht um sie kümmern? Es
könnten Rentner sein, Leute, die auf dem
Land leben, Flüchtlinge, die um Asyl
bitten etc. – ist das anständig? Das
wären jene, die wir zurücklassen würden.
Doch das wäre nicht meine
Gesellschaft.">
Kommentar: Tauschhandel oder lokale
Währungen auf dem Land
Wenn es gar kein Bargeld mehr gibt,
kommt auf dem Land der alte Tauschhandel
wieder auf. Oder es werden lokale
Währungen auf dem Land eingeführt.
Michael Palomino, 18.8.2016