<BIROBIDSCHAN, umgangssprachlicher Name der Region
(Oblast) in der russischen SFSR. Die offizielle
Bezeichnung lautet "Jüdische autonome Region" [oder auch
"Jüdisch-autonome Region], russisch Yevreyskaya Avtonomnaya
Oblast). Es handelt sich dabei um einen Teil des
Gebiets Chabarowsk (Kol. 1044)
(kray) im
sowjetischen Fernen Osten. Die Region befindet sich
zwischen dem 47° 40'-49° 20' Nord, und 130° 30'-135° Ost.
Gegen den Westen, Süden und Südosten ist die Grenze der
Fluss Amur, der gleichzeitig die Grenze zur chinesischen
Mandschurei darstellt. Das Gebiet der Region umfasst
36.000 km2.
[Man vergleiche: Die Schweiz hat 40.284 km2.
Birobidschan ist also fast so gross wie die Schweiz, aber
mit weniger Bergen].
[Allgemeine
Bevölkerungszahlen von 1959, 1961 und 1970]
Am 1. Januar 1961 betrug die geschätzte Bevölkerung der
Region 179.000 Einwohner. Die Hauptstadt Birobidschan
hatte 49.000 Einwohner. Die jüdische Bevölkerung der
Region betrug im Jahre 1959 14.269 Einwohner (8,8 % der
Gesamtbevölkerung). 83,9 % der Juden lebten in Städten und
städtischen Gemeinden, nur 16,1 % in Dörfern. (Es wird
angenommen, dass die jüdische Bevölkerungsanteil bis 1970
weiter zurückgegangen ist).
Karte von Russland mit der Jüdischen autonomen
Region
Karte von Birobidschan mit der Position an der
Transsibirischen Eisenbahnlinie
|
Karte von der Jüdischen autonomen
Region mit den Nachbarprovinzen Amurskaya und
Chabarowsk, und mit China im Süden
|
Die Fahne der Jüdischen autonomen Region
Birobidschan
|
Das Wappen der Jüdischen autonomen Region
Birobidschan
|
Karte (1930 ca.) der
Jüdischen autonomen Region Birobidschan (so
gross wie die Schweiz) mit Städten, Flüssen
und Kolchosen, und mit der Transsibirischen
Eisenbahnlinie, mit den Ortschaften
Birobidschan, Bira, Londoko, Obluchje, Kuldur,
Smidowitsch, Wolachajewka, Amurzet,
Leninskoje, und die Grenzstadt Chabarowsk, mit
den Kolchosen Birofeld und Valdheim (auch:
Valdgeym), und mit den Flüssen Amur, Bidschan
und Bira.
|
Karte
der
Jüdischen autonomen Region und Birobidschan mit
hebräischen Bezeichnungen und Relief, ca. 1930
|
[Verkehr
und Industrie (1971)]
Die Stadt liegt am Bolschoi-Bira-Fluss (Bolshaya Bira
River) und an der Transsibirischen Eisenbahn, die sich
durch den nördlichen Teil des Landes von West nach Ost
hinzieht. Die Industrien sind u.a. Maschinenindustrie,
Transformatoren, Textilien, Kleider, und Möbelindustrie.
[Das
Klima in Birobidschan (1971)]
Das Klima wird durch den vorherrschenden Monsun und die
umgebenden Berge im Westen und im Norden beeinflusst. Das
Klima ist gegen Süden immer angenehmer. Die günstigsten
klimatischen Bedingungen herrschen am Fluss Amur im
südlichen Teil der Region. Der Winter ist kalt und
trocken, mit nur wenig Schnee. Der Frühling ist mild, der
Sommer ist heiss und feucht, und der Herbst ist trocken
und angenehm.
[Landschaft
(1971)]
Birobidschan hat zahlreiche Flüsse und Seen, und Fisch ist
im Überfluss vorhanden. Der Grossteil der Gegend hat
fette, aber gleichzeitig sehr feuchte Böden. Ein
beträchtlicher Teil ist Sumpf, und etwa ein Drittel ist
bewaldet.
[Bodenschätze
und Landwirtschaft (1971)]
Birobidschan hat einen überreichen Mineralienreichtum, und
der Grossteil ist nicht kommerziell ausgebeutet, ausser
Zinnerz, das die Basis der nationalen Metallwerke ist, die
"Khinganolovo". Landwirtschaftlich werden Getreide,
Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Gemüse und andere Ernten
angepflanzt.
[Die
Umstände in den 1920-er Jahren waren schlecht]
Nun, als die Zeit der jüdischen Siedlungen begann, waren
in der Region aber noch praktisch keine Strassen
vorhanden, und das Land, das für die Landwirtschaft so
geeignet ist, hatte keine guten Einrichtungen.
Gleichzeitig herrschten klimatisch strenge Bedingungen,
die "Gnus" (örtliche Bezeichnung für blutsaugende
Insekten), und auch die sanitären Bedingungen waren nicht
sehr befriedigend.
[Die
Faktoren für die Entscheidung, Birobidschan für die
Juden zu öffnen]
Die sowjetische Entscheidung, Birobidschan für die
jüdische Ansiedlung auszuwählen, wurde durch mehrere
Faktoren beeinflusst. Der entscheidende Faktor war der
Wunsch, die Sicherheit der sowjetischen Grenzen im Fernen
Osten zu verstärken, hinsichtlich der Nähe zu Japan und
der Gefahr einer Invasion von Chinesen. Die Siedlung
Birobidschan wurde nach der japanischen Besetzung der
Mandschurei 1931-1932 für die UdSSR sehr wichtig.
Da die sowjetische Regierung in den späten 1920-er und
frühen 1930-er Jahren versuchte, ihre Beziehungen mit dem
Westen zu verbessern, könnte das Birobidschan-Projekt auch
dahingehend eine Rolle gespielt haben, dort die jüdische
und pro-jüdische öffentliche Meinung zu beeinflussen. Mit
dem Aufbau neuer Siedlungen für Juden in Birobidschan
sollte auch jüdische Finanzhilfe aus dem Ausland verbunden
sein, und so sollte auch die Erschliessung der dortigen
Bodenschätze erleichtert werden.
Darüberhinaus schienen solche Siedlungen auch eine
Teillösung für diejenigen sowjetischen Nationalitäten zu
sein, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren.
Einigen Leuten, die in der *Yevsektsiya aktiv waren (Kol.
1045)
(der jüdische Teil der Kommunistischen Partei), schien
Birobidschan eine ideologische Alternative zur
zionistischen Idee [die Idee eines Gross-Israel].
[Die
politischen Schritte bezüglich Birobidschan:
Untersuchung 1927 - "Jüdisch autonome Region" 1934]
Der erste offizielle Schritt in Richtung der
Verwirklichung des Projekts war im Sommer 1927 die
Entsendung einer wissenschaftlichen Delegation nach
Birobidschan, um die Machbarkeit einer
landwirtschaftlichen Siedlung zu untersuchen. Die
Empfehlungen führten am 28. März 1928 zu einer Resolution
des Präsidiums des Zentralen Exekutivkomitees der
Sowjetunion. Das Komzet (Komitee für jüdische
Landsiedlungen) wurde mit der Überwachung der jüdischen
Siedlung in der Region betraut.
Der "Distrikt Birobidschan" (rayon) wurde im Jahr 1930
eingerichtet. Am 7. Mai 1934 wurde ihm durch ein Dekret
des Zentralen Exekutivkomitees der Statut "Jüdische
autonome Region" (J.A.R.) verliehen.
Die jüdische Einwanderung nach Birobidschan begann im
April 1928, und lief unterschiedlich stark weiter. Die
Kolonisierung schritt unter schwierigsten Bedingungen
voran, speziell zu Beginn. Das erste Jahr war speziell
schwierig, mit schweren Regenfällen, Überschwemmungen, und
dem Ausbruch von Anthrax (eine Pferdekrankheit). In den
folgenden Jahren erreichte eine vergleichsweise grosse
Anzahl jüdischer Siedler Birobidschan.
Aber die unpassenden Integrationseinrichtungen, und die
schwierigen, klimatischen Bedingungen, trugen in
beträchtlichem Ausmass dazu bei, dass nur eine kleinere
Anzahl Siedler sich hier für immer einrichteten. Von den
Siedlern, die zwischen 1928 und 1933 hier ankamen,
verliessen über die Hälfte wieder das Land.
[ab
1928: Das Judentum ist über dem Birobidschan-Projekt
gespalten]
|
Hausbauarbeiten
in
der Kolchose Valdheim (Valdgeym) 1929-1931
|
Das Birobidschan-Projekt provozierte
unter den Juden, die in der UdSSR in der jüdischen
Siedlungstätigkeit engagiert waren, und unter den
Yevsektsiya-Führern, eine Kontroverse. Unter den Kritikern
waren Michael (Juri) *Larin und Abraham Bragin, die beide
in der jüdischen Siedlerbewegung aktiv waren. Larin
argumentierte, dass andere Gebiete der Sowjetunion,
speziell die Krim, für jüdische Kolonisation viel
geeigneter waren.
[Auf der Krim war aber kaum noch Platz].
Das Birobidschan-Projekt fand in Michael Kalinin, dem
titularischen Staatschef, einen brennenden Befürworter. In
einer Rede vor dem Kongress der Gesellschaft für jüdische
Siedlungstätigkeit (Ozet) im Jahre 1926, erklärte er vor
der Gründung des Birobidschan-Projekts:
Michael Kalinin, Portrait 1919
"Das jüdische Volk hat nun die grosse Aufgabe vor Augen,
seine Nationalität zu bewahren. Für dieses Vorhaben muss
sich ein grosser Teil der jüdischen Bevölkerung in eine
kompakte Landwirtschaftsbevölkerung verwandeln, wobei es
sich um mindestens einige 100.000 Seelen handeln sollte.
Bei einem Empfang, der im Mai 1934 den Repräsentanten der
Moskauer Arbeiter und der jiddischen Presse gegeben wurde,
schlug er vor, dass die die Gründung eines
jüdisch-territorialen Zentrums in Birobidschan der einzige
Weg sei, den nationalen Status der sowjetischen Juden zu
normalisieren. Er drückte auch seine Hoffnung aus:
"Innerhalb eines Jahrzehnts wird Birobidschan das
wichtigste und wahrscheinlich das einzige Bollwerk der
jüdisch-nationalen, sozialistischen Kultur sein". Und:
"Die Umwandlung der Region in eine Republik ist nur eine
Frage der Zeit."
|
|
Lazar
Kaganowitsch, Portrait [Er gab Befehl zur
Ermordung von Millionen und zu haufenweise
Kirchenzerstörungen]
|
Der Besuch von Lazar *Kaganowitsch in
Birobidschan vom Februar 1936, ein Jude [ein Massenmörder]
und Mitglied des Politbüro, beflügelte die jüdische
Führung der Region in grossem Masse.
Birobidschan erweckte im weltweiten Judentum grosses
Interesse, (Kol. 1046)
speziell unter jenen, die an einen jüdischen
*Territorialismus glaubten. Die Tatsache, dass die
jüdische Siedlungstätigkeit in Birobidschan mit der
Intensivierung der antijüdischen Repression in
Nazi-Deutschland zusammenfiel, trug ebenso dazu bei, dass
Juden von ausserhalb der Sowjetunion die Idee
unterstützten. Fast alle Teile der zionistischen Bewegung
waren aber dagegen.
Jüdische Organisationen ausserhalb der UdSSR, die an den
jüdischen Siedlungsprojekten in der Sowjetunion beteiligt
waren, wie z.B. der *Agro-Joint (American Jewish Joint
Agricultural Corporation), und die *Jüdische
Kolonisierungsgesellschaft (Jewish Colonization
Association (ICA) nahmen generell einen neutralen
Standpunkt ein. Der *Ort-Verband (Ort-Farband) gab an die
Entwicklung von Industrie und Werkstätten beschränkten
Kredit. Jene jüdischen Organisationen im Ausland, deren
Mitglieder zum grossen Teil aus Kommunisten und ihren
Sympathisanten bestanden, unterstützten den Plan ohne
Vorbehalt.
Unter den Organisationen, die am meisten aktiv waren, war
das Icor (American Association for Jewish Colonization in
the Soviet Union), das eng mit dem Ozet zusammenarbeitete.
Im Jahre 1929 organisierte das Icor eine wissenschaftliche
Delegation aus amerikanischen Landwirtschafts- und
Siedlungsspezialisten, um die Möglichkeiten für eine
weitere Kolonisierung von Birobidschan zu erkunden. Die
Organisation Ambidjan (American Committee for the
Settlement of foreign Jews in Birobidzhan) unterstützte
die jüdische Siedlungstätigkeit in Birobidschan für eine
kurze Zeit Mitte der 1930-er Jahre und nach dem
Zweiten Weltkrieg. Weitere jüdische Organisationen, die
Birobidschan unterstützten, waren in Kanada, Westeuropa,
und in Südamerika. Vertreter der argentinisch-jüdischen
Organisation Procor (Society to assist the
Productivization of the economically ruined Jewish Masses
in the Soviet Union) besuchten Birobidschan im Jahre 1929.
Diese Organisationen propagierten auch die Kolonisation
von Birobidschan mit Juden aus dem Ausland, neben ihrer
Tätigkeit, Sitzungen abzuhalten, Publikationen
herauszugeben und Geldsammlungen zu organisieren.
Feldarbeit in Birobidschan im Jahre 1931
[1930-er
Jahre: 1400 jüdische Einwanderer in Birobidschan]
Also erreichten in den frühen 1930-er Jahren ungefähr 1400
jüdische Einwanderer von Ländern ausserhalb der
Sowjetunion Birobidschan. Es waren Juden aus den USA, aus
Südamerika, aus Europa, aus Palästina, und anderen
Ländern.
[1930-er
Jahre: Das politisch-jüdische Leben in Birobidschan -
Jiddisch und Russisch als Sprachen]
Encyclopaedia Judaica (1971), History, Band 8, Kolonne
742: Birobidschan, Strassenbild der
Stadt Birobidschan in den frühen 1930-er Jahren.
Jerusalem, C.A.H.J.P.
Von Beginn weg - und speziell in der Mitte der 1930-er
Jahre, wurde bei der jüdischen Siedlungstätigkeit alles
unternommen, um den jüdischen Charakter von Birobidschan
auszuprägen. Es wurden jüdische Kollektiv-Bauernhöfe
eingerichtet, und jüdische Dorfräte organisiert. Juden
besetzten die Schlüsselpositionen der Region. Y. Levin,
einst im Parteiapparat in Weissrussland und im Sekretariat
des Ozet aktiv, wurde im Jahre 1930 zum ersten
Parteisekretär des Distrikt Birobidschan bestimmt. Nach
der Errichtung der J.A.R. ["Jewish Autonomous Region"] im
Jahre 1934, wurde ein weitere Jude, M. Khavkin, zum ersten
Sekretär des örtlichen Parteikomitees bestimmt. Joseph
Liberberg, der Kopf der jüdischen Abteilung der
Ukrainischen Akademie der Wissenschaften, wurde zur selben
Zeit zum Vorsitzenden des regionalen Exekutivkomitees
bestimmt. Er war einer jener Intellektuellen, die durch
seine Wohnsitznahme in Birobidschan andere in ihrer
Pionierarbeit inspirierten.
Encyclopaedia Judaica (1971): Birobidzhan, Band 4,
Kolonne 1046: Der Bahnhof
von Birobidschan 1935 ca., ein einfacher Holzbau
Hinsichtlich des Gebrauchs des Jiddischen als offizielle
Regionalsprache wurden einige Resolutionen verabschiedet,
zusammen mit Russisch. Es wurden Schulen eingerichtet, wo
Jiddisch die Lehrsprache war, und es wurden Experimente
gemacht, Jiddisch sogar in nicht-jüdischen Schulen zu
unterrichten. Strassenschilder, Bahnhofsschilder, und
(Kol. 1047)
Synagoge aus Holz in Birobidschan, 1935 ca.
|
Poststempel
von
Birobidschan in Russisch und Hebräisch von 1935,
1947 und 1955 [1955 nur in Russisch]
|
Poststempel wurden zweisprachig gehalten, in Russisch und
Jiddisch [Hebräisch?]. Eine jiddische Zeitung und
Zeitschriften wurden publiziert. Im Jahre 1934 wurde ein
jüdisches Staatstheater eingeweiht. Ebenso wurde in
Birobidschan eine Regionalbibliothek eingerichtet, die
nach Shalom Aleichem [jüdischer Schriftsteller] benannt
wurde. Sie umfasste eine beträchtliche Sammlung von
jüdischen und jiddischen Büchern. Die mittleren 1930-er
Jahre waren eine Zeit der grossen Hoffnung für die
Entwicklung von Birobidschan als ein Zentrum der jüdischen
Siedlungstätigkeit und der jüdischen Kultur in der
Sowjetunion.
[Ergänzung:
Birobidschan wurde vom American Joint Distribution
Committee ausserdem als ein Auswanderungsland für
verfolgte, polnische Juden angesehen. Siehe das Buch von
Yehuda Bauer über das American Joint Distribution
Committee, das Kapitel
über
Birobidschan].
[1936-1938:
Stalin-Säuberungen zerstören die jüdische Führung in
Birobidschan]
Dann aber waren die Säuberungen der Jahre 1936 bis 1938
für die Entwicklung und für die eher schwache Struktur der
aufkeimenden jüdischen Staatlichkeit in der J.A.R. ein
schwerer Schlag. Führende, jüdische Persönlichkeiten der
Region, wie Liberberg, wurden beschuldigt, Nationalisten
und Trotzkisten zu sein. Sie wurden ihrer Posten enthoben
und liquidiert. Die Säuberungen betrafen speziell die
Einwanderer aus dem Ausland. Das Resultat war in den
späten 1930-er Jahren ein vernichtender Rückschlag in der
regionalen Entwicklung. Trotz der optimistischen Pläne für
eine weitere jüdische Siedlungstätigkeit in Birobidschan
blieb nun die Anzahl Juden bis zum Zweiten Weltkrieg unter
20.000.
[1939-1940:
Neue Projekte für die Umsiedlung von Juden von den neuen
Westgrenzen nach Birobidschan]
Die sowjetische Annexion der Baltenstaaten und Teile
Westpolens und der Bukovina in den Jahren 1939-40 [und
Bessarabiens] hatte zur Folge, dass die jüdische
Bevölkerung in der UdSSR stark anstieg. Während dieser
Zeit wurden Pläne geschmiedet, jüdische Siedler von den
annektierten Gebieten nach Birobidschan zu bringen.
[Die Deportationen wurden dann auch durchgeführt, aber nur
halb so weit bis Sibirien und in Konzentrationslager].
[1941-1945:
Die Kriegszeit mit dem Holocaust bringt für Birobidschan
eine neue Bedeutung]
Der Ausbruch des sowjetisch-deutschen Krieges im Jahre
1941 hinwiederum setzte diesen Plänen ein schnelles Ende.
Wenn auch während der Kriegsjahre kein nennenswerter
Anstieg der jüdischen Bevölkerung zu verzeichnen war, so
bekam die eigentliche Idee von Birobidschan als ein
Zentrum der jüdischen Staatlichkeit in der Sowjetunion
eine neue Bedeutung. Der Holocaust und das Anwachsen des
Antisemitismus in der UdSSR in den Kriegszeiten bewirkten
unter den sowjetischen Juden eine Wiederbelebung des
Interesses an der J.A.R. Nach dem Krieg wuchsen die
Gefühle an. Ausserdem hatten sowjetische Juden, die in den
Osten der Sowjetunion geflohen waren und nun in den Westen
in ihre Heimat zurückkehrten, dort sehr grosse
Schwierigkeiten. Diese Faktoren bewirkten eine neue
Hinwendung zu Birobidschan.
[Ergänzung:
Birobidzhan hatte ein riesiges Glück, nicht japanisch
besetzt zu werden
Birobidschan wurde vom Krieg nicht betroffen, weil die
japanische Regierung mit Stalin am 13. April 1941 einen
Nichtangriffspakt abschloss, dem der Hitler-Stalin-Pakt im
August 1939 vorausgegangen war. Wenn Hitlers Plan, die
Sowjetunion von Osten und von Westen gleichzeitig in die
Zange zu nehmen, aufgegangen wäre, dann hätte die die
jüdische Bevölkerung von Birobidschan die harte japanisch
antisemitische Besatzung erleben müssen, wie dies in
Indonesien und in anderen Teilen der japanischen Besatzung
der Fall war. Somit war es ein riesiges Glück, dass
Birobidschan vom japanischen Recht nicht betroffen wurde.
Siehe: Valentin Falin: Zweite Front (1995)].
[1945-1948:
Grosser jüdischer Siedlerstrom nach Birobidschan]
Darüberhinaus hatte sich die Hoffnung auf eine jüdische
Siedlungstätigkeit auf der Krim nicht verwirklichen
lassen. Birobidschan bleib somit die einzige Alternative
für eine kompakte jüdische Siedlungstätigkeit. Die
Behörden der J.A.R. erhielten in den Nachkriegsjahren eine
Fülle von Anfragen für die Einwanderung nach Birobidschan,
und zwischen 1946 und 1948 erreichte ein neuer jüdischer
Siedlerstrom die Region. Artikel in der Zeitung Eynikayt, das Organ
des Jüdischen Antifaschistischen Komitees, betonten die
Idee einer jüdischen Staatlichkeit in Birobidschan. Der
sowjetisch-jüdische Schriftsteller *Der Nister, der einen
Siedlerzug begleitete, schrieb:
"Es gibt da einige Reisende, deren Absichten nur
materialistisch sind, und andere, die weitere Absichten
haben, in Zusammenhang mit einem nationalen Charakter ...
und da sind auch die brennenden Enthusiasten, die bereit
sind, alles aufzugeben, um dort leben zu können ... und
unter diesen ist ein ehemaliger Palästina-Patriot, ...
Obwohl er in den 50-ern ist, ist er während des ganzen
Tages von drängender Natur und kann in der Nacht keinen
Schlaf finden, in der Hoffnung, seine neue Unternehmung
dort verwirklichen zu können. ... "
(Original:
"There are some travelers whose intentions are only
materialistic, and there are others whose intentions are
different, of a national character ... and there are also
burning enthusiasts, ready to give up everything in order
to live there ... and among them a former Palestinian
patriot, ... Although in his fifties, he hustles about
during the day and is sleepless at night, hoping to see
his new enterprise come true. ... ")
Die kleine Nachkriegs-Einwanderungswelle nach Birobidschan
vergrösserte die jüdische, dortige Bevölkerung um einen
Drittel [um die Hälfte, von 20.000 auf 30.000], der
grösste jüdische Bevölkerungsstand, den die Region je
hatte. Die Nachkriegszeit erlebte eine Zunahme der Anzahl
Juden in der örtlichen Verwaltung, und eine Intensivierung
der jüdisch-kulturellen Aktivitäten. Unter den aktiven,
örtlichen, jüdischen Schriftstellern, die in der
"Sowjetischen Schriftstellergesellschaft der J.A.R."
waren, fanden sich Buzi Miler, Israel *Emiot, Hayyim
Maltinski, Aaron *Vergelis, und andere. Ausserdem wurde
wiederum Hilfe von Juden aus dem Ausland zugelassen.
[ab
1948: "Sowjetische" antijüdische Politik unterdrückt das
jüdische Netzwerk in der "Sowjetunion"]
Karte der Jüdischen, autonomen Region (Jewish AO), mit
Birobidschan und anderen Städten und Flüssen, 2000 ca.
Das Revival von Birobidschan als ein jüdisches Zentrum kam
Ende 1948 zum Stillstand, als die sowjetische Politik die
jüdischen Aktivitäten in der gesamten UdSSR zu
unterdrücken begann und Säuberungen durchführte. Während
bei den Säuberungen der späten 1930-er Jahre vor allem
einzelne Juden betroffen gewesen waren, die öffentliche
Posten bekleideten, so war es nun ab 1948 anders. Das Ziel
war nun die Zerstörung jeglicher Art jüdischer Aktivität
in der Region. Somit wurden nun also die meisten der
örtlichen, jüdischen Schriftsteller inhaftiert, das
Jüdische Theater in Birobidschan (Kol. 1048)
wurde geschlossen, der Unterricht auf Jiddisch in den
örtlichen Schulen wurde unterbrochen, und eine grosse
Anzahl jiddischer Bücher wurde aus der
Shalom-Aleichem-Bibliothek entfernt. Die jüdische
Einwanderung nach Birobidschan wurde gestoppt, und die
jüdische Bevölkerung schrumpfte nun beträchtlich.
[Ergänzung:
Die Gründe für die neue, antijüdische Politik in Moskau:
Israel geht mit dem CIA und den "USA"
Der Wechsel der "sowjetischen" Politik kam aufgrund der
jüdischen Regierung in Israel mit Ben Gurion, der mit
seinen kriegerischen Freimaurerfreunden ein Israel ohne
Grenzen ausgerufen hatte (siehe: Israel; In: Encyclopaedia
Judaica, Bd. 8), und zusätzlich hatte dieses Israel den
rassistischen Herzl und das Erste Buch Mose als Grundlage
mit dem Anspruch, ein Gross-Israel bis zum Euphrat zu
schaffen. Die jüdische Regierung machte auch mit dem CIA
der Freimaurer-"USA" gemeinsame Sache, so dass die
"Sowjetunion" sich politisch durch die Freimaurer-"USA"
mit Westeuropa, Israel, Indien und Japan eingekreist
fühlte. Die Situation der Einkreisung wiederholte sich,
denn die Sowjetunion war schon durch Hitlers Drittes Reich
und Japan eingekreist gewesen. Alle Unterstützung des
"sowjetischen" Regimes in der UN für die Gründung Israels,
und alle Hoffnungen, dass Israel ein "sowjetischer"
Satellitenstaat werden würde, waren nun umsonst. Somit
wurden die Juden in der "Sowjetunion" zum kompensativen
Sündenbock. Die Juden in der "Sowjetunion" wurden nun als
nationale Feinde im eigenen Land betrachtet, und
gleichzeitig durften sie aber auch das Land nicht
verlassen (Eiserner Vorhang), denn ihre Arbeitskraft wurde
zum Wiederaufbau der "Sowjetunion" dringend gebraucht. Die
jüdischen Strukturen wurden in der Folge durch die
Sowjetisierung Schritt für Schritt zerstört - mit
antisemitischen Propagandakampagnen, Massenverhaftungen
jüdischer Vertreter, Gulag-Strafen, Schulschliessungen,
Synagogen wurden beschuldigt, als kapitalistische
Spionagezentren zu dienen usw.
Siehe: Benjamin Pinkus: The Soviet Government and the
Jews].
[1953-1970:
Russen übernehmen Birobidschan - Juden werden zu einer
kleinen Minderheit]
|
Bira River
|
Die Zeit nach Stalin brachte für das
jüdische Leben in Birobidschan keine grundlegende
Änderung. Die jüdischen Bewohner machten im Jahre
1959 weniger als 10 % der allgemeinen Bevölkerung
aus. Die Positionen in Partei und Verwaltung wurden nicht
generell von Juden gehalten, und die jüdische
Landwirtschaft war beinahe nicht mehr existent. Die
einzige Kolchose mit einer vergleichsweise grossen,
jüdischen Mitgliederzahl war die Kolchose Valdheim, neben
der Hauptstadt; aber jetzt ist sie zu einem Zweig der
Grosskolchose "Ilichs Wills" geworden, und die jüdische
Bevölkerung nimmt ab. Schlüsselpositionen wie Sekretär
oder Vorsitzender von lokalen oder regionalen
Parteikomitees (die Region hat fünf Verwaltungsbezirke)
werden allgemein nicht von Juden gehalten, auch wenn im
Jahre 1970 Lev Shapiro zum Ersten Sekretär der regionalen
Kommunistischen Partei ernannt wurde. Von den fünf
Abgeordneten im Nationalkongress der UdSSR ist nur eine
Minderheit jüdisch. Der einzige Ausdruck jüdischer
Kulturtätigkeit im Jahre 1970 war eine dreimal pro Woche
erscheinende jiddische Zeitung, die aus zwei Blättern
bestand, Der
Birobidzhaner Shtern, wobei praktisch kein
jüdischer Inhalt existierte, bei einer Auflage von 1000
Exemplaren. Einige Strassenschilder waren noch auf
Jiddisch, und die Shalom-Aleichem-Strasse blieb eine der
Durchgangsstrassen der Hauptstadt. Es gab eine Synagoge,
aber alle offiziellen und öffentlichen Tätigkeiten wurden
ausschliesslich auf Russisch abgewickelt.
N.S. Chruschtschew, der sowjetische Premier und Erste
Parteisekretär, gab in einem Interview für den Figaro an, das am 9.
April 1958 erschien:
"Es muss zugegeben werden, dass, wenn wir eine Bilanz
ziehen wollen, wir zugeben müssen, dass die jüdische
Siedlung in Birobidschan ein Fehlschlag war."
(orig.:
"It must be admitted that if we strike a balance we would
have to state that the Jewish settlement in Birobidzhan
was a failure.")
Im weiteren Verlauf beschuldigte er aber die sowjetischen
Juden, die gemäss Chruschtschew die kollektive Arbeit und
die Gruppendisziplin ablehnen, für den Fehlschlag. Es ist
schwierig, den Fehlschlag des Birobidschan-Experiments auf
einen einzigen Grund zurückzuführen. In der Geschichte des
jüdischen Volkes gehört Birobidschan zu einer Serie von
anderen schiefgegangenen Versuchen für eine planmässige
jüdische Massenansiedlung, die Landwirtschaft als Basis
hatte. Oft wird einfach gesagt, der Fehlschlag sei
absehbar gewesen, weil man die ultimative Rückkehr zum
Zion verneint habe.
Wenn wir aber den Zusammenhang mit der
sowjetisch-jüdischen Realität betrachten, so fällt auf,
dass der Fehlschlag ohne Zweifel auf die Stalinschen
Säuberungen zurückzuführen war, die in den Jahren
1936-1937 und 1948-1949 stattfanden und (Kol. 1049)
dem Projekt und den kurzen Entwicklungszeiten eines
jüdisch-autonomen Lebens und Kultur in Birobidschan ein
brutales Ende setzten.
Tabelle: Juden in der Autonomen
jüdischen Republik (Birobidschan)
|
Jahr
|
Anzahl
Juden
|
xxxxxx1928xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx400xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1929xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx1200xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1930xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx2600xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1931xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx3500xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1932xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx7000xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1933xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx6000xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1934xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx8000xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1935xxxxxx
|
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx14.000xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1936xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx18.000xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1937xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx19.000xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1945xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx20.000xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1948xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx30.000xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
xxxxxx1959xxxxxx |
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx14.269xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
(aus: Birobidzhan; In:
Encyclopaedia Judaica 1971, Bd. 4, Kol. 1049)
|
Bibliographie
-- S. Schwarz: The Jews in the Soviet Union (1951), Index;
-- S. Schwarz, in: J. Frumkin (Hrsg.): Russian Jewry
1917-1967 (1969), 342-95
-- A. L. Eliav (Benami): Between Hammer and Sickle (1969),
176-88
-- S. W. Baron: The Russian Jew under Tsars and Soviets
(1964), Index;
-- J. Lvavi: Ha-Hityashevut ha-Yehudit be-Birobidzhan
(1965)
-- A. G. Duker: Jewish Survival in the World Today (1939),
47-59
-- A. G. Duker, in: Contemporary Jewish Record
(March-April 1939), 24-26
-- J. Emiot: Der Birobidzhaner Inyen (1960); Jews in
Eastern Europe (1966ff.), Index;
-- Z. Katz, in: Bulletin on Soviet Jewish Affairs, 2
(Juli, 1968)
-- C. Abramsky, in: L. Kochan (Hrsg.): Jews in Soviet
Russia since 1917 (1970), 62-75 (incl. bibl.)
[J.Lv. / Shi.R.]>
Sources
|
Encyclopaedia Judaica: Birobidzhan, vol. 4, col.
1044
|
Encyclopaedia Judaica: Birobidzhan, vol. 4, col.
1045-1046
|
Encyclopaedia Judaica: Birobidzhan, vol. 4, col.
1047-1048 |
Encyclopaedia Judaica: Birobidzhan, vol. 4, col.
1049-1050 |
Birobidschan
heute
Heute ist Birobidschan eine Station der Transsibirischen
Eisenbahn.
(http://www.transsib.ru/Eng/city-dvost.htm (2007)
Die Stadt Birobidschan hat 87.000 Einwohner. Die
Durchschnittstemperaturen sind im April +3, im Juli +20,
im Oktober +2, und im Januar -22 Grad Celsius.
(http://www.trans-sib.de/city-dvost.htm (2007)
Bahnhof
von
Birobidschan mit russischem und hebräischem
Schriftzug, 1998
xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
|
Birobidschan, Bahnstation, Lokomotive mit
Kommunistenstern, 2004 ca.
Zentralplatz
von
Birobidschan, 2005 ca.
|
Jiddische Sommerkurse in
Birobidschan, Logo 2007, mit der
Transsibirischen Eisenbahn und Birkenwäldern
|
Karte der Stadt Birobidschan am Fluss Bira im
Jahr 2000 ca.
Sonnenuntergang bei Birobidschan am Fluss Bira
|
Synagoge von Birobidschan, 2002 ca.
Jüdischer
Friedhof
in Birobidschan, 2005 ca.
|
Jüdisches Kulturzentrum in Birobidschan, 2004
ca.
|
Neue Synagoge in Birobidschan von 2004, Fassade
|
Neue
Synagoge in Birobidschan seit 2004, Saal
|
Rabbi Mordechai Sheiner, in Birobidzhan seit
2002, Portrait
|
Wohnbezirk von Birobidschan, 2004 ca.
|
Steppe
in
der Jüdischen autonomen Region
|
Smidowitsch
(Smidovitch),
Bahnhof, 1998 ca. |
Chabarowsk
(Khabarovsk)
mit Brücke über den Fluss Amur, 1998 ca.
|
Meldungen
19.8.2010: Anmerkungen
von Jurij Below zu Birobidschan (JASSR / JSSAR)
E-Mail von Jurij
Below vom 19. August 2010 (europäische Zeit),
redigiert von Michael Palomino
Namenssäule
"Birobidschan" in kyrillischer und hebräischer
Schrift |
Birobidschan in Russland, Karte 2010 |
|
Jurij Below gibt eine
kleine, politische Zusammenfassung über Birobidschan.
Dabei stellt sich heraus,
-- schon die Zaren haben Juden ins Gebiet von Birobidschan
vertrieben
-- Lenin liess dort die jüdischen Strukturen vernichten
-- während des Krieges 1918-1921 flüchteten ca. ein Drittel der Juden nach
Charbin und z.T. bis in die "USA", ein anderer Teil wurde
durch die Weisse und die Rote Armee aufgerieben und zum
Teil getötet, und Juden, die in Charbin geblieben waren,
wurden reportiert und zum Teil ermordet oder in den GULAG
gesteckt
-- 1929 wird unter Stalin eine neue die JSSAR gegründet
und massenweise Juden dorthin verbannt
-- 1949 wird der Gold-Skandal mit dem Gold von Kolyma
aufgedeckt, wo die jüdischen Organisatoren des Gulag
massenweise Gold nach China und Japan abgezweigt haben.
Als Folge werden die Republik Birobidschan aufgelöst, die
Regierung und 30.000 weitere Juden komplett
erschossen und die restlichen Juden in Birobidschan
festgesetzt
-- es folgen drei Wellen der Judenverfolgung mit ca. 1,5
Mio. Opfern
-- dann folgen eine neue Gründung der JSAG unter
Chruschtschow 1961, unter Breschnew wird die Autonomie
wieder gestrichen, unter Jelzin wird eine neue
eingerichtet, unter Putin gleich wieder gestrichen etc.
Der Text von Jurij Below:
[Die
Flüsse Bira und Bidschan]
<Birobidschan ist die Gegend zwischen den
Amur-Zuflüssen Bira und Bidschan, etwa 150 km westlich von
Chabarowsk, der Hauptstadt der einstigen JSSAR (Jüdische
Sowjetische Sozialistische Autonome Republik),
die 1929 bis 1947 so hiess.
[Erste Vertreibung von Juden ins Gebiet von
Birobidschan unter Zar Ivan IV - Juden in Birobidschan
bekommen unter Zar Alexander III das Bürgerrecht]
In der Tat, die ersten
russischen Juden wurden durch den Zar Ivan IV Grozny
(also "der Schreckliche") in dieses Gebiet aus Moskau
und Kernrussland zwangsvertrieben. 1880 hat Zar
Alexander III durch die Abkommen mit dem Gouverneur von
Sibirien, gen. Skobelew, den ungeklärten Status der
Juden, welche zwei mal versuchten, sich als Staat
der Juden dort zu etablieren, zu lösen. Unter der Voraussetzung, dass sie
von diesem Traum Abstand nehmen, wurden sie nun als Bürger des Russischen Imperiums
anerkannt.
[Krieg
von 1904 - Birobidschan mit 300.000 Juden bleibt
russisch]
1904 führte Russland wegen der Mandschurei Krieg gegen Japan (der letzte
Staat der Mandarinen, mit Hauptstadt Harbin und mit dem
letzten Imperator Pui Ji, der Anspruch auf Birobidschan
hatte). Zwar erlitt
die russische Flotte
dort eine grosse Niederlage, aber Zar Nikolaus II
unterschrieb in Port-Arthur mit Pui Ji doch einen
Friedensvertrag, und die "jüdische Provinz
Russlands" blieb weiterhin unter dem
Schutz von Moskau, weil die Chinesen und Japaner
systematisch "Pogrome" gegen die Juden veranstalteten.
In St. Petersburg hat Zar Nikolaus II dann die jüdische
Autonomie garantiert
(damals etwa für
300.000 Juden).
[1917: Lenin lässt jüdische Strukturen in
Birobidschan liquidieren und Hebräisch verbieten]
Am zweiten Tag der Machtübernahme durch die Bolschewiki
im Jahre 1917 liess Lenin
"reaktionäre, jüdische Strukturen in Ostsibirien"
liquidieren, und mit seinem Dekret Nr. 3 verbot er auch
Hebräisch (Iwrith) als "reaktionäre Sprache".
[Judenverfolgungen
1918-1921: Flucht von ca. 100.000 via Charbin in die
USA - Massenmord an den verbliebenen 100.000]
Im Verlauf des "Bürgerkrieges" 1918-1921, also während
des Roten Terrors, wurden
Juden dann durch die
Weisse Armee und durch die Rotarmee systematisch
verfolgt, so dass 1921 dort noch etwa 100.000 Juden
blieben (fast 100.000 flüchteten nach Charbin
[Mandschurei] und dann via Shanghai und Hongkong weiter
in die USA. Der Rest von über 100.000 Juden wurde
zwischen den feindlichen Parteien aufgerieben und
getötet (russische zarentreue Weisse Armee und die
bolschewistische Rote Armee). Man kann durchaus von
einem Willen zur Ausrottung sprechen, der diesen beiden
russischen Armeen innewohnte. Der Oberkommandeur der
Russischen Armee, Admiral Koltschak, wurde durch die
Bolschewiki gefangen genommen, und Lenin telegrafierte
nach Chabarowsk: "Sofort vor Gericht stellen und
erschiessen".
[Sowjetische Besetzung
von Charbin - Rückdeportation der verbliebenen Juden
und Erschiessung oder GULAG]
Die Sowjets besetzten Charbin, und die Juden, die
noch dort geblieben waren, wurden in die UdSSR
zurückdeportiert und wurden entweder als "Spione und
Landesverräter" sofort exekutiert oder mussten für 25 Jahre
in den GULAG.
[Stalin versucht, restliche Juden nach
Kasachstan zu vertreiben - Gründung JSSAR 1929 -
Massenverbannung nach Birobidschan]
Nach Lenins Tod versuchte Stalin die Juden aus dem
Grenzgebiet nach Kasachstan und insbesondere nach
Buchara und Samarkand zu vertreiben, denn er wollte doch
die Stadt Wladiwostok vor Korea sichern und besetzte Te
Tju Che (Wildschwein-Wald). Chabarowsk sollte vor den
Chinesen gesichert werden. Bei Chal Kin
Gol (Ussouri Tiger-Taiga) besetzte Stalin zum
grossen Teil die Mandschurei und auch Port-Arthur
(erst 1961 wurde Port-Arthur durch Chruschtschow an
China zurückgegeben). Der Krieg im Osten unter
Stalin dauerte drei Jahre (1926-1929), und danach wurde
schliesslich die JSSAR gegründet, als Teil der UdSSR.
Iwrith [Hebräisch] blieb verboten, aber Jiddisch
zugelassen. Stalin liess in der Folgezeit viele
Juden nach Birobidschan verbannen, so dass dort 1940 über 600.000 Juden lebten.
1947 wurden jüdische
Organisationen in der ganzen
"UdSSR" verboten. 1948 [nach der
Israel-Gründung und dem Bündnis der Zionistenregierung
mit dem CIA] wurde
die JSSAR, die sich illegalerweise
genannte "Judenrepublik" nannte, aufgelöst und dabei als
"Nest der reaktionären Zionisten und Agenten des
Weltimperialismus" bezeichnet.
[Der Gold-Skandal von
Birobidschan (1949) und die Eliminierung der jüdischen
Republik]
In der zweitgrössten Stadt [der Provinz Birobidschan], Smidowitsch, kam
dann 1949 die "Verschwörung" mit illegalen
Goldtransporten aus Kolyma ans Licht: In der JASSR an der chinesischen
Grenze wurde das Gold von Kolyma, zu 99,999 raffiniert
und in Barren gegossen. Über 10.000 jüdische
Gulag-Angestellte ("Zionisten") überwachten dabei die
russischen GULAG-Sklavenarbeiter. Und die jüdischen
Gulag-Angestellten hatten nun einen erheblichen Teil des
Goldes durch China und Japan an Moskau vorbeigeschafft
bzw. "abgezweigt". Der Skandal hatte Konsequenzen:
Birobidschan wurde aufgelöst. 1949 wurden
in Chabarowsk [an der Ostgrenze von
Birobidschan] 37 Regierungsmitglieder von Birobidschan
und über 30.000 als "Volksfeinde" bezeichnete Leute der
jüdischen Bevölkerung erschossen.
Der Rest wurde offiziell zu Verbannten an Ort
erklärt, und jedes Recht, sich frei zu bewegen, wurde
ihnen abgesprochen. Die russischen Gulag-Häftlinge
dagegen mussten ständig feiern, wenn jeweils eine Gruppe
der jüdischen Regierung nach Chabarowsk zur Erschiessung
abtransportiert wurde.
[Dieser Gold-Skandal in Birobidschan fehlt bei Pinkus].
[1950er Jahre:
Judenverfolgungen in drei Wellen]
Es wurden nun - in
einer wahnsinnigen Sippenhaft-Orgie - die drei letzten
Wellen der Judenverfolgung in Gang gesetzt. Prof. Dmitri
Kurganow (Historiker, kein Jude, war aber auch 25 Jahre
im GULAG wegen antisowjetischer Propaganda) schätzt die
Zahl der Opfer der stalinschen Massnahmen gegen Agenten,
Verräter und Zionisten auf mindestens rund 1,5 Mio.
[Chruschtschow
installiert wieder ein JSAG]
1961 installierte Nikita Chruschtschow wieder ein
"Jüdisch-sowjetisches autonomes Gebiet" (JSAG)
und liess auch gleich Juden zwangsübersiedeln, die
seither in Usbekistan und Kasachstan lebten. Und bald
lebten im JSAG wieder 300.000 Juden.
[Breschnew lässt die
Autonomie wieder abschaffen - es bleibt ein
"jüdisches Kreisgebiet"]
1966 - nach der Absetzung von Chruschtschow und der
Machtübernahme von Leonid Breschnew - wurde die rein
formelle Autonomie auch noch abgeschafft, so dass bis
zum Ende der "UdSSR" nur der Jewrejskaja Oblast
("Jüdisches Kreisgebiet") innerhalb der Provinz
Chabarowsk übrigblieb.
Präsident Medwedew besuchte im Mai
2010 die jüdisch-autonome Republik Birobidschan
und "versprach mehr Engagement für das vergessene
Land der Juden"
("St. Petersburger Nachrichten", Mai
2010)
[1992: Bezeichnung
"Judenrepublik" (JR) und JR-Fahne verboten -
Jelzin gibt neue Autonomie - Putin verbietet
wieder alles - neuer Name und neue Fahne 2001
- Verbot der neuen Fahne 2005 und neueste
Fahne mir Regenbogenfarben]
1992 erklärte sich Birobidschan als "Judenrepublik".
Moskau
hat diese Bezeichnung nicht akzeptiert wegen des
Protestes aus Israel, das behauptete, dieser
Name sei von "Antisemiten" in der Zeit der
Weimarer Republik benutzt worden. Die
JR-Staatsflagge mit Davidstern wurde verboten.
Die Duma (Parlament) hat jedoch unter Boris
Jelzin 1994 das Gebiet den "Juden" wieder
zuerklärt, mit Autonomie. Nach dem Tode Jelzins
machte Wladimir Putin als Präsident wieder eine
Kehrtwende und verbot offiziell die Flagge, die
Insignien und die Hymne und drohte, "die Juden
aus diesem Gebiet endgültig zu vertreiben". Im
Jahre 2001 beschloss die Duma endlich die neue
offizielle Namengebung, und zwar "Jüdisch-autonomes
Gebiet der russischen Föderation" mit
der russischen Staatsflagge mit dem Davidstern
drauf. 2005
wurde die Staatsflagge mit dem Davidstern dann
aber gleich wieder verboten. Die neue
Flagge erinnert nun an die Regenbogenflagge der
Homosexuellen. Der neue Name der Republik heisst
"Jüdisch-autonomes Gebiet".
Die schweigende "offizielle Webseite¨ - Chabarowsk
ist jüdisches Zentrum - Remigration nach
Birobidschan]
Auf der Webseite des
Jüdisch-autonomen Gebiets findet man kein Wort über
Lenins Dekrete, kein Wort des immer wieder
unterbrochenen Status des "Gebiets" und Stalins
Befehl von 1948 über die Liquidierung der
Judenrepublik den "Prozess in Chabarowsk", und
über die Hinrichtung der Regierung in Chabarowsk
1949. Das ist das einzige Gebiet in der UdSSR, wo es
die Begriffe "Stalinka", "Leninogorsk",
"Komsomolskja", "Sowjetsk" und auch "WKP /b/
-Kommunistische Partei" (Bolschewiki) immer noch
gibt. In Chabarowsk dagegen leben über 250.000
Juden.
Ich finde es ganz merkwürdig: Nun
leben dort etwa 48 % Chinesen, 49% Ukrainer
und Russen, und etwa 12.000 Juden. Im Januar
remigrierten aus Israel ca. 600 Juden nach
Birobidschan zurück. Für Moskau selbst ist dieses Gebiet von "grosser,
strategischer Bedeutung" (Wolf Schirinowski).
Die Juden in Birobidschan scherzen
mit der Frage: "Lenin, Stalin, Breschnew,
Schirinowski und auch Netanajahu - alle sind
gegen uns, nur Adolf Hitler hatte uns keine
Schaden angerichtet. Wen sollen wir nun lieben?"
Die Antwort: "Natürlich den... Oder?".
"Ejnigkejt" (Tageszeitung in Jiddisch [der
russischen Juden]) vom 15.08.2010 hat Netanjahu in
eine Reihe mit Stalin eingeordnet.
Also, historisch gesehen ist Birobidschan der erste jüdische Staat seit dem Pogrom
von Kaiser Titus um 70 A.D. Dann kam
Israel hinzu, aber beide jüdische Staaten
sind immer noch nicht zur Ruhe gekommen. Und vor
allem klappt
es immer wieder
nicht, der Region Birobidschan einen dauerhaften
Namen zu geben. Immer wieder wird der Name
abgeändert...
========