Kontakt / contact     Hauptseite / page
                principale / pagina principal / home     zurück / retour / indietro / atrás / back
ENGL

Museum der Primärnationen (Nordamerika Native Museum, "Indianermuseum") Zürich

8. Schmuck - Silberschmuck bei den Primärnationen der Navajo und Zuñi

Armreife mit
                        Türkisstein der Navajo-Primärnation
Armreife mit Türkisstein der Navajo-Primärnation (Abb.4)
Schmuck
                        der Zuñi-Primärnation im Mosaikstil
Schmuck der Zuñi-Primärnation im Mosaikstil (Abb.7)

präsentiert von Michael Palomino (2012)

Teilen:

Facebook






aus:
Prestel-Museumsführer, Text von Denise Daenzer und Tina Wodiunig: Indianermuseum der Stadt Zürich; Prestel-Verlag; München, New York 1996; gefördert durch die Cassinelli-Vogel-Stiftung, Zürich, MIGROS Kulturprozent, Volkart-Stiftung, Winterthur; ISBN 3-7913-1635-4


<Schmuck

[Schmuck aus der Zeit von vor der weissen Invasion: aus Steinen, Knochen, Holz, Zähnen, Horn und Muschelschalen]

Wohl keine andere indianische Handwerks- und Kunstform - ausser vielleicht der Malerei - ist so stark vom kulturellen Austausch zwischen Indianern und Weissen geprägt wie die Gestaltung von Silberschmuck. Vor dem Kontakt mit den Weissen war die Metallverarbeitung in Nordamerika weitgehend unbekannt - mit Ausnahme einfacher Verfahren zur Gewinnung und Bearbeitung von Kupfer. Schmuck wurde damals im wesentlichen aus Steinen, Knochen, Holz, Zähnen, Horn und Muschelschalen gefertigt (Abb. 8), wobei letztere dank früher Handelsbeziehungen auch in weit von den Küsten entfernten Gebieten verarbeitet wurden.

[Der weisse Imperialist bringt den Ureinwohnern die Silberschmiede bei]

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts machten Weisse im Osten Nordamerikas die Indianer erstmals mit der Silberschmiedekunst bekannt. Seither hat sie sich über ganz Nordamerika verbreitet, mit deutlichem Schwerpunkt im Südwesten, woher die heute beliebtesten indianischen Schmuckstücke kommen. Hier erlernte als erster der Navajo Atsidi Sani zwischen 1853 und 1868 dieses anspruchsvolle Kunsthandwerk von einem mexikanischen Silberschmied. Später weihte Atsidi Sani auch seine Söhne und andere Stammesangehörige in das neue Handwerk ein. Man nimmt an, dass diese Kunst seither innerhalb der Familie von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Von den Navajo kam das Silberschmiedehandwerk nach 1870 zu den Zuñi und von diesen zu den Hopi - vermutlich zwischen 1890 und 1895. Eine Pionierrolle kommt aber bis heute den Navajo zu, weshalb hier vor allem über Entwicklungen in ihrer Silberschmiedekunst berichtet wird.

Die ersten im Südwesten hergestellten Stücke entstanden durch Hämmern. Als Rohmaterial dienten anfangs amerikanische Silbermünzen, bis dies um 1890 durch ein Gesetz verboten wurde, worauf man mexikanische Münzen verwendete. Als Werkzeuge standen den indianischen Silberschmieden Meissel, Feilen, Ahlen und Putzhämmer zur Verfügung, die sie von den Spaniern erwarben. Um 1875 wurden die ersten Stücke in Bims- oder Sandstein gegossen. Dazu wurden ornamentale Muster sowie ein Kanal für das flüssige Silber in einen Bims- oder Sandstein eingearbeitet. Auf diese Negativform ist anschliessend ein falscher Stein aufgesetzt worden, worauf man die beiden Formteile fest zusammenschnürte. Danach wurde das Silber durch die Kanalöffnung in die Hohlmuster eingegossen. Nach dem Erkalten wurde das Schmuckstück aus der Steinform genommen und durch feines Schleifen und Polieren in seine endgültige Gestalt gebracht.

[Silberschmuck mit Türkissteinen der Navajo-Primärnation ab 1880]

Für die Fertigung von Fingerringen fassten die Navajo erstmals um 1880 Türkissteine in Silberformen. Seither wurden Türkise sehr populär, vor allem als Verzierung von Armreifen. Dabei werden von den Navajo einzelne, grosse (S.55) Steine bevorzugt, die sie sparsam einsetzen. Ihre Spezialität sind relativ einfache Formen, Perfektion in der Gestaltung sowie im Verfeinern der Silberoberfläche.

Silberschmuck mit Türkissteinen der Navajo
Fingerringe mit Türkissteinen der
                        Navajo-Primärnation
vergrössernFingerringe mit Türkissteinen der Navajo-Primärnation (Abb.3)

Getriebenes Silber mit gefassten Türkisen.


Armreife mit Türkisstein der
                        Navajo-Primärnation
vergrössernArmreife mit Türkisstein der Navajo-Primärnation (Abb.4)

Gegossenes Silber mit eingesetzten Türkisen.

Ketohs (Handgelenkschutz) mit Türkissteinen
                        der Navajo-Primärnation
vergrössernKetohs (Handgelenkschutz) mit Türkissteinen der Navajo-Primärnation (Abb.5)

Getriebene Silberplatte mit Türkisen und Korallenstückchen (links) bzw. gegossene Silberformen (hinten und rechts) mit Mosaik aus Türkisen (rechts), alle auf schwarzem Lederband.

Gürtel mit Türkissteinen der
                        Navajo-Primärnation
vergrössernGürtel mit Türkissteinen der Navajo-Primärnation (Abb.2)

Conchas und "Schmetterlinge" aus Silber, mit Türkisen verziert.

[Der Schmuck "Concha" der Navajo]

Zu den bekanntesten Silberarbeiten der Navajo gehört die "Concha" (spanisch für "Muschel"), eine ursprünglich runde, später auch ovale Silberplatte, die an einem Ledergürtel getragen wird (Abb. 2). Man ist sich bis heute nicht darüber einig, ob der Ursprung der "Concha" in den Plaketten aus "German Silver" (einer Legierung aus Kupfer, Zink und Nickel) zu suchen ist, die im Gebiet der Plains als Haarschmuck oder am Gürtel getragen wurden, oder bei den Mexikanern, die sie als Verzierungen am Zaumzeug ihrer Pferde befestigten. Die frühen "Conchas" wiesen in der Mitte lediglich zwei Löcher auf, durch (S.56) die eine Lederschlaufe gezogen wurden konnte. Später wurde oft ein Metallbügel an die Unterseite gelötet, womit man auf der "Concha" selbst mehr Platz für Verzierungen gewann. Als Verzierung wurden nach der Jahrhundertwende auch Türkissteine verwendet. Oft brachte man an Gürteln zwischen den "Conchas" auch kleinere, verzierte Silberstücke an, die man aufgrund ihrer Form als "Schmetterlinge" bezeichnete (vgl. Abb. 2).

[Handgelenkschutz "Ketoh"]

Zu den Schmuckstücken, die nie in grösserem Umfang in den Handel kamen, sondern nur für den Eigengebrauch oder für benachbarte, indianische Gruppen hergestellt wurden, gehören die "Ketohs" (Abb. 5). Diese rechteckige, in der Form des Handgelenks gebogenen Platten sind früher aus Kupfer, später aus Silber gefertigt worden. Sie dienten den Bogenschützen als Handgelenkschutz und wurden meist auch zu zeremoniellen Anlässen getragen. Die gehämmerten Stücke sind mit eingravierten Mustern und manchmal mit wenigen Türkissteinen geschmückt. Der gegossene "Ketoh" ist meist in S-Form gestaltet oder mit dem Motiv einer stilisierten Maispflanze verziert. Für kommerzielle Zwecke wird der "Ketoh" heute auch als Gürtelschnalle hergestellt (S.57).

[Halsketten der Navajo-Primärnation]



Halskette der Navajo mit Kürbisblüten und
                          Halbmond
vergrössernHalskette der Navajo mit Kürbisblüten und Halbmond (Abb.1)

Silber mit Squashblossoms (Kürbisblüten) und Naja (halbmondförmiger Anhänger)
Halsketten der Navajo mit Türkisen und
                          der Pueblo Santo Domingo mit Korallenperlen
vergrössernHalsketten der Navajo mit Türkisen und der Pueblo Santo Domingo mit Korallenperlen (Abb.8)

Links liegt eine Navajo-Kette mit Türkisen und Muschelscheibchen, rechts eine Kette mit Korallenperlen, Türkisen und Silberperlen.

[Halsketten der Navajo: Kürbisblüten]

An den Halsketten der Navajo sind einige charakteristische Elemente ihrer Silberschmiedekunst zu finden. Zu den schönsten Stücken gehören die "Squashblossoms" (Kürbisblüten), blütenförmige Silberperlen, die neben einfachen Silberperlen an Halsketten getragen werden (Abb.1). Die "Squashblossoms" bestehen aus drei Teilen: einem Ring, einer Hohlkugel in der Mitte und drei bis vier Blütenblättern auf der anderen Seite. Sie sind zweifellos Kopien der mexikanischen Granatapfelblüten, die offenbar im 19. Jahrhundert als Verzierungen an Hosen sehr beliebt waren. Den Namen "Kürbisblüten" erhielten sie irrtümlicherweise, da man annahm, dass sie die für den Südwesten so bedeutende Kulturpflanze darstellten.

[Halsketten der Navajo in weiteren Formen]

Seit den sechziger Jahren findet man an Halsketten auch längliche, den Chilischoten nachempfundene Silberperlen, welche "Piñon" genannt werden. Ein typischer Anhänger ist auch die "Naja", ein halbmondförmiges Stück aus Silber, das oft gegossen, manchmal auch gehämmert und mit einem Türkis versehen ist (Abb.1). Die Navajo haben sie von den Mexikanern übernommen, welche sie auf ihren Zaumzeugen als Schutz der Tiere vor dem bösen Blick verwendet haben. Allerdings fehlt den "Najas", die heute auch von den Zuñi und Hopi gefertigt werden, bei den Indianern des Südwestens diese symbolische Bedeutung (S.57).

[Silberschmuck bei der Zuñi-Primärnation]

Im Unterschied zu ihnen haben sich die Silberschmiede der Zuñi auf die sorgfältige Verarbeitung von Steinen, die sie zuschneiden und polieren, konzentriert. Hierfür haben sie zwei besondere Techniken entwickelt: die Mosaiktechnik und "Channel Work".

Silberschmuck mit Mosaiktechnik und "Channel Work" der Zuñi-Primärnation
Broschen mit Türkisstein der
                          Zuñi-Primärnation
vergrössernBroschen mit Türkisstein der Zuñi-Primärnation (Abb.6)

Silber mit eingelegten Türkisen, die bei der unteren und der rechten Brosche in der Form "Petit Point" zugeschnitten sind.

Armspangen in "Channel Work"
                          der Zuñi-Primärnation
vergrössernArmspangen in "Channel Work" der Zuñi-Primärnation (Abb.9)

Armspangen in "Channel Work" aus Silber mit eingelegten Türkisen.
Schmuck der Zuñi-Primärnation im
                        Mosaikstil

vergrössernSchmuck der Zuñi-Primärnation im Mosaikstil (Abb.7)

Armspange mit der Figur des "Regentänzers", sowie zwei Broschen, welche die Sonne darstellen und mit eingelegten Türkisen, Perlmutt und Jett (Pechkohle) verziert sind.

Bei der Mosaiktechnik werden einzelne, zugeschnittene Steine oder Muschelschalen sorgfältig zu einem geometrischen Muster oder zu einer figürlichen Darstellung zusammengefügt. Als Mosaikträger kann ein gehämmertes Stück Silber dienen, aber auch eine ganze Muschelschale (Abb. 7). Der Mosaikstil ist heute [1990er Jahre] auch bei den Navajo-Frauen sehr beliebt.

"Channel Work" wird seit 1940 praktiziert (Abb. 9). Bei dieser Technik werden dünne Silberstreifen auf der Oberseite eines Schmuckstückes befestigt, so dass ein gitterartiges Muster entsteht. In die Zwischenräume werden anschliessend sorgfältig zugeschnittene Steine oder Muschelstückchen eingesetzt.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnten auch elektrische Geräte verwendet werden. Diese erlaubten es den Zuñi, ihre Steine noch feiner zuzuschneiden und damit noch exaktere Einlegearbeiten zu machen. Für Türkise haben sich zwei Formen herausgebildet, die bei den Zuñi am gebräuchlichsten sind: "Needlepoint" (Nadelspitze), ein an beiden Enden zugespitzter Stein, und "Petit Point" (kleine Spitze), ein Stein in Tropfenform mit einem spitzen und einem runden Ende (Abb.6).

[Der weisse Imperialist lieferte Rohsilber und Werkzeuge - Handel und Profit - weisse Fabriken kopieren den Navajo-Schmuck]

Eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der Silberschmiedekunst kam den weissen Händlern zu. Sie lieferten den indianischen Kunsthandwerkern neben dem Rohmaterial immer bessere Werkzeuge, die feinere Arbeiten ermöglichten.

[Und dann begann der Export des Silberschmucks]:

1899 bestellte die Fred Harvey Company erstmals eine grössere Menge von Navajo-Silberschmuck und betrieb seinen Verkauf an nicht-indianische Kunden. Das gleiche Unternehmen hat auch das System der "Verpachtung" des Silbers eingeführt. Dabei stellen die Händler den Indianern das Rohmaterial zur Verfügung und bezahlen sie lediglich für die Anfertigung des Schmuckes, der anschliessend von dem Unternehmen weitervertrieben wird. Damit war die Grundlage zur Kommerzialisierung des Navajo-Silberschmucks geschaffen. Die verwendeten Türkise waren immer öfter bereits vorgefertigt, und zwischen 1930 und 1940 begannen amerikanische Firmen sogar mit der Massenproduktion von Kopien, wobei Armreife, Fingerringe und Ohranhänger besonders beliebt waren. Zum Schutz der indianischen Silberschmiede wurde 1941 die Navajo Arts and Crafts Guild gegründet, die sich für die Arbeiten der ihr angeschlossenen Kunsthandwerker mit einer Art von Qualitätsgarantie verbürgt (S.56)

[Signaturen]

Armreife, Fingerringe, Ohranhänger und Broschen gehören zu den am meisten gehandelten Schmuckstücken des Südwestens. Bei der Vielfalt an Formen, Motiven und Materialien, die heute angeboten werden, ist es oft nicht einfach, gute Handwerksqualität von billiger Massenproduktion zu unterscheiden. Einige Hopi-Silberschmiede haben deshalb schon in den dreissiger Jahren mit dem Signieren ihres Schmucks begonnen. Meist handelt es sich dabei um Clansymbole, die auf die Innenseite der Schmuckstücke graviert werden. Schliesslich haben sich in den letzten Jahren verschiedene Berufsgilden gebildet, die sich um die Ausbildung der Silberschmiede ebenso wie um den Verkauf ihrer Arbeiten kümmern (S.57).






^