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Bolivien: Takana-Dorf ohne Selbstversorgung und ohne Zukunft

Filmprotokoll von Michael Palomino (2003)


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aus: Film von Jens Schanze: San José - ein Dorf im Regenwald; In: Die Nacht der Indianer; Norddeutsches Fernsehen N3, 14.12.2003, 4:25-5:10

-- die Takana-Indios tragen alle westliche Kleider, sind alle eingekleidet
-- das Takana-Land liegt mitten im Regenwald


Die Zerstörung der Nomadenkultur durch Missionare
-- 1716 wurde eine Missionsstation San José de Uchu Piemonas eröffnet
-- bis dahin lebten die Takana im Wald als Nomaden, der Wald gab alles her, was sie brauchten
-- die Missionsstation  wurde zum "Dorf" ausgebaut, mit 40 [versklavten] Familien
-- da passierte die Katastrophe, dass an den eingeschleppten Krankheiten fast alle starben

-- da wurden die Takana "hergebracht", um das "Dorf" aufzufüllen.


Zerstörung des Bodens durch Sesshaftigkeit
-- die Felder blieben ab der Dorfgründung immer dieselben
-- der Boden wird ausgelaugt, und die Bewohner roden immer neues Land mit Brandrodung
-- die Felder haben keine Erholungsphasen mehr, und bei immer grösseren Feldern trägt der Regen die oberste Schicht auch noch ab.



Sprache
-- die Takana sprechen Ketschua und Spanisch


Hausbau
-- für Hausdächer braucht es 500 Flechtwerke aus Palmenblättern für ein Dach
-- das Dach hält ca. 20 Jahre lang auch gegen tropischen Regen.


Kochen
-- die Takana leben ohne fliessend Wasser und ohne Strom
-- haben aber eine abgedeckte Wasserstelle.

Gemüse
-- Yuka, eine Manjok-Art
-- das Feld wird nur ein paar Jahre angebaut, und das ist genug für den kargen Waldboden
[der Boden ist für eine Dorfkultur nicht geschaffen!]
-- ein alter Blecheimer mit Löchern wird als Raspel für die Yuka-Breiherstellung benutzt
-- geröstet wird Yuka mit Wasser und Zucker zum Chibé-Getränk.

Mais, Reis, Zuckerrohr
-- angebaut werden Mais, Reis, Zuckerrohr

-- Reisernte: Reiskörner werden vom Halm getrennt, indem man auf den trockenen Pflanzen herumtritt, dann besorgt der Wind das Wegwehen der Spelzen

-- Zuckerherstellung: Zuckerrohr mit Zuckerrohrpresse auspressen, den Saft in Eimern auffangen - den Saft stundenlang kochen bis zur Zähflüssigkeit - den zähflüssigen Zuckersaft in Formen giessen - die Formen abkühlen lassen - und so hat man eine feste Zuckermasse.


Holzschlag für Feldanbau
-- die Frauen machen alles, auch Holzschlagen
-- pro Jahr werden 2 ha Wald neu geschlagen und ergeben ein neues Feld, zuerst Rodung, danach feinflächige Brände
-- der Wald schliesst die Lücke innert 15 Jahren, "wenn man ihn lässt"
-- die Asche macht den Boden etwas fruchtbar und hält Schädlinge fern, die Samen werden direkt in die Asche gesteckt.


Ernährungsnotstand: Es gibt kaum noch Tiere im Wald
-- Gemüse und Früchte reichen nicht
-- Fisch und Fleisch sind kaum vorhanden, es hat keine Tiere mehr im Dorf

-- früher gab es wilde Schweine, Klammeraffen und Kapuzineraffen, oder Baumhühner am Weg, das ist heute alles weg

-- das Jagen erfordert heute weite Wege
-- die Jagd findet mit Gewehr statt, nicht mehr mit Pfeil und Bogen
-- früher hat man Wasserschweine gejagt, jetzt die Affen, aber auch die werden immer seltener
-- ganze Gruppen von Affen werden auf einmal erschossen
-- und im Dorf fehlen jegliche Haustiere!


Erziehung
-- die Kinder gehen gerne in die Schule, denn dann muss man nicht auf dem Feld arbeiten
-- Unterrichtssprache ist Spanisch
-- 1945 wurde die erste Schule gegründet, und der Staat hat sie auch passabel ausgebaut mit Mobiliar etc.


Heilkunde

Coca-Strauch
-- der Coca-Strauch ist eine Heilpflanze
-- das Kauen von Coca-Blättern betäubt und stillt etwas den Hunger.

Palmensamen
-- zu Öl gestampfte Palmensamen sind gut für Wunden.


Dorfversammlung des Gemeinderats


Holzfällen: Arbeit mit Machete - Mahagoni schwarz verkauft
-- Mahagonibäume im Wald werden schwarz verkauft
-- der Preis von Mahagoni-Holz hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht
-- in San José gibt es "keine andere Arbeit", als schwarz Holz zu fällen
-- die Indios finden, sie seien arm, und fällen ihren eigenen Wald
-- das Zuschneiden des Holzes in Holzplanken findet im Wald selber statt
-- der Transport der Holzplanken erfolgt auf den Schultern durch die Wälder zu Fuss.


Feste im Namen der weissen "Zivilisation"
-- jährlich erfolgt die Huldigung für das "Vaterland" mit dem bolivianischen Nationalfeiertag im Namen von Revolutionär und Unabhängigkeitskämpfer Bolivar

-- auch die Indios müssen Militärdienst leisten, z.B. in der Kaserne in Rurunabake [die Indios werden dadurch aus der heimischen Kultur herausgerissen, ist eine brutale "Zivilisation"]

-- an den Hauswänden hängen die Ideale der "Zivilisation": Bruce Lee, Fussballmannschaften

-- wenn wieder ein Baum verkauft ist, werden mit dem Geld in Rurunabake "zivilisierte" Lebensmittel eingekauft: Spaghetti, Weizenmehl, Zucker, und die Miete für das Boot muss auch noch bezahlt werden

-- einmal pro Jahr wird ein Fussballwettkampf unter den Gemeinden veranstaltet.


Landflucht
-- erfolgt nach La Paz, Caranabi, für ein "leichteres" Leben
-- viele Leute der jungen Generation kommen nach dem Militärdienst nicht mehr zurück ins Dorf, weil es nur zu Fuss erreichbar ist und weil "nichts los" sei.



Die Kulturzerstörung bei den Takana-Indios
-- die Takana sind voll nach europäischem Muster eingekleidet, Mädchen sitzen stolz im Rüschenkleid mit Panflöte
-- die Takana haben ihre Tänze und Lieder verloren
-- dafür ist ein Radio in der Indianerhütte

-- die Väter träumen von einer Universitätsausbildung des Sohnes, deshalb fällen sie die Bäume, um Geld für die Ausbildung der Kinder zu haben

-- langsam wird das Indio-Dorf mit weisser Ware "zivilisiert", mit weissen Lebensmitteln, wo der Transport auch noch zusätzlich kostet

-- die Pflege der alten Traditionen geht durch die Flucht vor der Armut verloren, Heilkunde gibt es kaum noch


Nähen
-- erfolgt mit stromloser Nähmaschine


Töpfern stirbt aus

-- "Tongefässe werden nicht mehr gebraucht": Früher wurde jede Scherbe gesammelt, zu Pulver zerstossen und mit frischem Lehm neuer Ton hergestellt

-- in den Gefässen wurde Maisbier angesetzt etc.


Vermischung von Blutritus und Technik: Blutopfer für Motorboote, Fest mit Radio

-- am Rio Tuichi wird ein Blutopfer für zwei Motorboote veranstaltet, die von einer Hilfsorganisation gespendet wurden

--
unter Leitung eines alten Schamanen wird eine Kuh geschlachtet, und der Schamane selbst findet keinen Nachfolger mehr
-- die Boote werden mit Rinderblut, mit Schnaps und mit Konfetti geweiht
-- das Einweihungsfest wird mit Radio am Flussufer abgehalten, mit Tanz, aber singen tut niemand, dafür singt das Radio...

Die Kulturelle Identität der Takana-Indios wird vollends verloren gehen.

[Der falsche Glauben an die "Zivilisation" nimmt den Takana die letzten Lebensgrundlagen: den Wald. Statt auf logische Zusammenhänge zu hören und den Wald zu schützen, machen sie sich lieber von Lebensmitteln des "weissen Mannes" abhängig und geben dazu auch noch Geld für Transporte aus. Sie wollen keine "Bauern" sein, weil sie sich dann minderwertig fühlen. Sie wollen den Sprung in die städtische Gesellschaft ohne bäuerliche Grundlage führen. Dieses Vorhaben hat seinen Preis: Kahlschlag und Auflösung des Dorfes].


Das ist das
Ende einer Ureinwohner-Kultur.





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