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Nachkriegszeit in Deutschland mit Hunger, Vergewaltigung und Massenmord durch die Alliierten 1945-1950
James Bacque: Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945
Kapitel 3: Urlaub in der Hölle
Kapitel 3a: "Amerikanische" und französische Lager - Vergleich mit dem GULAG und das Verschweigen
James Bacque: Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945. Buchdeckel
Präsentation von Michael Palomino (2013)
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[Deutsche Kriegsgefangene 1945]<< >>
Niemals zuvor waren so viele Menschen hinter Gitter gesteckt worden. Die Zahl der alliierten Gefangennahmen überstieg alles bisher Dagewesene bei weitem. Die Sowjets hielten etwa 3,5 Millionen Europäer in Gefangenschaft, die Amerikaner zirka 6,1 Millionen, die Briten ungefähr 2,4 Millionen, die Kanadier 300.000 und die Franzosen 20.000.
1) Zu den Sowjets:Ungezählte Millionen Japaner gingen 1945 in amerikanische, dazu etwa 640.000 in sowjetische Kriegsgefangenschaft.
-- "Sprawka" (Bericht) von Oberst Andrej Kaschirin, Militärhistoriker der Russischen Armee, 17. Januar 1993, übersetzt von Martin Reesink, Kopie des russ. Originals beim Autor in Toronto (siehe auch Anhang 6); desgleichen:
-- G. F. Kriwoschejew (Hrsg.): "Grif sekretnostij snjat"; desgleichen: Kapitän z. S.W. Galizkij: "Deutsche Kriegsgefangene und der NKWD" (Titel übersetzt), Diplomarbeit für die Universität Moskau (Kapitän z. S. Galizkij ist der massgebliche, russische Spezialist für Fragen ausländischer Kriegsgefangener in sowjetischer Hand); desgleichen:
-- Bericht des Leiters der Abteilung Gefängnisse des Innenministeriums, Oberst P. Bulanow, korrigiert von Pogatschew, 28. April 1956; In: IP, Ole, ZSSA [Zentrales Staats-Sonderarchiv], Moskau (in der Folge als Bulanow-Bericht zitiert; siehe auch Anhang 6)
Zu den Gefangenenzahlen der Westalliierten in NW-Europa: Report on Totals of Prisoners of War Taken, SHAEF G1, 11. Juni 1945, 383.6/1-3, NARS [National Archives and Records Service (USA)], Washington
Zu eigenen, kanadischen (d.h. nicht-britischen Angaben: Bericht von General H.D.G. Crerar über die Operationen der First Canadian Army vom 11. März bis 5. Mai 1945; In: MG 26 J-4, Band 410, File 3978, Sheet [Blatt] C288484, NAC [National Archives of Canada]
Zu den Alliierten in Afrika bzw. Italien siehe Dwight Eisenhower: Kreuzzug in Europa, und Ernest F. Fischer: From Cassino to the Alps; Washington DC (Center of Military History, US Army) 1977.
Einer der Historiker der US-Armee nennt als Gesamtsumme der im Mai 1945 in NW-Europa internierten - allein deutschen - Kriegsgefangenen die Zahl von 7.005.732. Oliver J. Frederiksen: The American Military Occupation of Germany, 1945-1953; Historical Division, HQ, US Army Europe, 1953, S.89. Nicht darin enthalten sind die Gefangenen, die in Italien interniert waren sowie diejenigen, die in Nordafrika und Sizilien gefangengenommen und in Nordamerika interniert wurden.
Die meisten der im Westen Gefangenen waren Deutsche, die in Italien, Deutschland und Frankreich interniert waren. Einige hunderttausend sassen im Vereinigten Königreich und etwa eine halbe Million in den Vereinigten Staaten und Kanada in Haft. Die Sowjets verteilten ihre Kriegsgefangenen, darunter eine Million nichtdeutsche Europäer, innerhalb eines Netzes von ungefähr 6000 Unterlagern, das sich über die gesamte UdSSR erstreckte.
2) S.W. Galizkij: "Deutsche Kriegsgefangene und der NKWD" (Titel übersetzt), Diplomarbeit für die Universität Moskau
[Französische Hungerlager und Todeslager]
Die Alliierten hatten sich bereits auf verschiedenen Konferenzen das Recht zugesprochen, deutsche Arbeitskräfte zur Beseitigung von Kriegsschäden einzusetzen. Die Franzosen hatten sogar gewissermassen einen rechtmässigen Anspruch auf deutsche Zwangsarbeit, weil Hitler das Waffenstillstandsabkommen von 1940 gebrochen hatte, in dem festgelegt war, dass französische Gefangene nach Hause entlassen werden sollten. Stattdessen hatte Hitler jedoch 1,5 Millionen Franzosen noch jahrelang [S.67] während des Krieges zur Zwangsarbeit verpflichtet [Falsch: Franzosen kamen ab 1940 meistens freiwillig ins Reich, um dort für die höher bewertete Reichsmark zu arbeiten]. Auch sollten deutsche Zwangsarbeiter einiges von dem Schaden wiedergutmachen, der in Frankreich im Verlauf der verschiedenen Feldzüge angerichtet worden war. [Falsch: Ein grosser Teil der Bombenschäden wurden durch die "amerikanischen" und englischen Alliierten verursacht, und es ist den deutschen Nazis zu verdanken, dass Paris nicht bombardiert wurde: Paris wurde kampflos freigegeben, damit es nicht zerstört werde. Aber das Nazi-Regime hat in Frankreich 1944 eine Hungernot verursacht und viel Lebensmittel und Vieh geraubt, um die Ostfront gegen den Kommunismus zu stärken, und dafür sollte nun Entschädigung kommen]. Da die Franzosen selbst nur wenige Gefangene gemacht hatten, baten sie Briten und Amerikaner um einen Teil ihrer Ausbeute. Die Amerikaner sagten ihnen daraufhin um die 800.000, die Briten etwa 55.000 zu.
3) siehe Bacque: Der geplante Tod, Kapitel "Im Glashaus"
Zunächst einmal wurden in den französischen Lagern jedoch Rachegelüste befriedigt. Hunderttausende Deutsche kamen in den ersten Monaten um. Als dann aber die französische Presse im September / Oktober vom Massensterben in den französischen Lagern berichtete, begannen die Senatoren in den Vereinigten Staaten energisch gegen diesen Aspekt der US-Army-Politik zu protestieren. Im März 1946, als die Todesrate in einem Teil des Buglose-Labouheyre-Lagersystems einen Spitzenwert von 25 Prozent [pro Jahr?] erreicht hatte,
4) Der ehemalige Kriegsgefangene Hans Goertz, Bonn, im Interview mit dem Autor, Bonn, April 1986
berichtete Senator Langer dem Senat:
"Am 12. Oktober 1945 hörte die Armee der Vereinigten Staaten auf, deutsche Kriegsgefangene an die Franzosen zu überstellen, nachdem das Internationale Rote Kreuz den Franzosen vorgeworfen hatte, sie ernährten die deutschen Kriegsgefangenen in ihren Lagern nicht hinreichend ... General Louis Buisson, Direktor der Kriegsgefangenenlager, sagte, die Lebensmittelrationen seien 'gerade genug, damit ein Mann daliegen kann, ohne sich zu bewegen und ohne allzu schnell zu sterben'."
5) Senator William Langer, North Dakota, [Nachforschungen über die Hungerbedingungen in Europa], Congressional Record, Senate (Mikrofilm), v. 92, pts. 3-4 (29. März 1946), S. 2806; siehe auch: Le Figaro, 22. und 29. September 1945
"Trotz des sicheren Todes, der deutsche Kriegsgefangene in französischer Hand erwartet", fuhr der Senator fort, "beteiligt sich unsere Regierung weiterhin daran, deutsche Kriegsgefangene in Verletzung der Kriegsartikel der Genfer Konvention zum Tod durch Verhungern zu verurteilen."
6) Senator William Langer, North Dakota, [Nachforschungen über die Hungerbedingungen in Europa], Congressional Record, Senate (Mikrofilm), v. 92, pts. 3-4 (29. März 1946), S. 2806-2807;
Damit traf er den Nagel auf den Kopf. Die Army hatte nur so getan, als hätte sie aufgehört, deutsche Zwangsarbeiter an die [S.68] Franzosen auszuliefern; in Wirklichkeit machte sie munter weiter. Über 100.000 wurden noch überstellt, nachdem das Verbot ausgesprochen worden war. Einige Deutsche, die vom General Mark Clark in Österreich bereits entlassen worden waren, wurden wieder festgenommen und nach Frankreich geschickt.
7) Interview mit Werner Waldemar, Toronto. Das gleiche spielte sich mit [deutschen] Kriegsgefangenen aus Norwegen ab: Interviews mit Paul Hermann Bastian, Bad Kreuznach, und Rudi Sauer, Laubenheim/Nahe.
[Britische und "amerikanische" Lager - ab Mai 1945 Hungerlager]
Auch die Briten benutzten um die 400.000 Deutsche als schlecht bezahlte Zwangsarbeiter im Vereinigten Königreich, und die Amerikaner liessen an die 600.000 Deutsche auf den Feldern der Vereinigten Staaten oder in europäischen Arbeitslagern schuften.
8) Bacque: Der geplante Tod, S.275 (Anm. 13 zu "Im Glashaus")
Die Gefangenen in den Vereinigten Staaten, die bis zum Mai 1945 gut behandelt worden waren, wurden danach auf so geringe Rationen gesetzt, dass einige Gefahr liefen, Hungers zu sterben. Allerdings geht aus den Akten nicht genau hervor, wie viele tatsächlich starben. Dennoch war die Todesrate wahrscheinlich recht gering.
9) Buch des italienischen Autors Armando Boscolo: Fame in America, Kapitel XV. Der. Cabito, Lagerarzt im Lager für italienische Kriegsgefangene in Hereford, Texas, verfasste im August 1945 ein geharnischtes Protestschreiben über fortwährend unzureichende Lebensmittelrationen, oftmals nur 1500-1600 Kalorien pro Tag. Während einer Inspektion durch einen amerikanischen Oberst zwei Tage zuvor gab es in der Mannschaftsmesse lediglich gebratene Kartoffelschalen zu essen, während den Offizieren in Mineralöl gebratene Grillen und Heuschrecken aufgetischt wurden. Das gleiche Mineralöl wurde in den "Stores" (Lagerläden) als Haartonikum verkauft. Der Brief wurde an den italienischen Botschafter und den Vertreter des Roten Kreuzes weitergereicht, die das Lager schliesslich am 28. Oktober 1945 besuchten; In: Fame in America, S.179ff.
Der Präsident der Vereinigten Staaten [Truman], den die bitteren Klagen über Zwangsarbeit und Hunger fast täglich erreichten, beschloss dennoch im Frühjahr 1946, mindestens 50.000 Deutsche weiterhin in den USA in Gefangenschaft zu halten und arbeiten zu lassen, während ihre Familien, nicht zuletzt aus Mangel an Arbeitskräften in Deutschland selbst, hungern mussten. Im Verlauf der Diskussion darüber, was mit den Deutschen in den UA geschehen solle, sagte Kriegsminister Robert P. Patterson, er wolle "alle Kriegsgefangenen so bald wie möglich nach Hause schicken". Er wies darauf hin, dass das Programm zur Rückführung der Kriegsgefangenen vier Monate zuvor verkündet worden sei, und sagte dann:
Es brächte doch nichts, wenn wir uns auf unbestimmte Zeit praktisch von Zwangsarbeit abhängig machten, während gleichzeitig Millionen unserer eigenen Bevölkerung arbeitslos sind ... Der Aussenminister teilt meine Ansicht."
Präsident Truman ordnete als "Notstandsmassnahme" an, dass 50.000 Kriegsgefangene auf mindestens drei weitere Monate dableiben sollten, bestritt aber gleichzeitig jede Absicht, sie darüber hinaus noch länger dabehalten zu wollen. Die letzten nichtkriminellen [S.69] Häftlinge wurden jedoch erst 1947 aus der US-Gefangenschaft entlassen, unter Trumans Präsidentschaft. Es ist schwer verständlich, welchen Notstand die Gefangenen in den USA hätten beheben helfen können, denn zu der Zeit herrschte Arbeitslosigkeit [ab August war auch der Krieg mit Japan zu Ende]. Der Anteil der arbeitsfähigen, einheimischen Bevölkerung betrug über 64 Millionen, der der 50.000 Zwangsarbeiter somit lediglich 0,08 Prozent.
10) The Patterson Papers, LC [Library of Congress, Washington]
[Die Rheinwiesenlager werden auch in Washington verschwiegen]
In all den zornigen Reden, die im Jahre 1946 von US-Senatoren gehalten wurden, viel jedoch kein einziges Wort zum Thema der amerikanischen Gefangenenlager in Europa, in denen 1945/46 über 500.000 Menschen umkamen.
11) Siehe Bacque: Der geplante Tod [mindestens 750.000 deutsche Todesopfer in den Lagern der "amerikanischen" Zone, 250.000 in den Lagern der französischen Zone].
Auf den ersten Blick erscheint dieses Schweigen seltsam. Zu eben dieser Zeit verfasste General Mark Clark in Österreich einen Aktenvermerk, in dem es hiess, er habe Anweisung erteilt, das "erbärmliche" Lager bei Ebensee aufzulösen, obwohl er bezweifelte, dass er überhaupt die Befugnis dazu hatte - die lag nämlich bei Eisenhower.
[Das Lager bei Ebensee war alles andere als "erbärmlich": Dort wurde Hitlers Interkontinentalrakete gebaut und das wurde von Eisenhower und Truman alles verschwiegen]
12) Aktennotiz, diktiert von General Clark am 30. August 1945; freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Jane Yates, Archivarin, Citadel Archives.
General Henry W. Allard meinte, Eisenhowers Lager seien kaum besser als "die japanischen Lager, von denen uns unsere Leute berichten."
13). Memorandum "Handling of Prisoners of War in the Communications Zone", von Lt. Col. Henry W. Allard, Juni 1946; Archiv, Fort Leavenworth, Texas
Colonel Philip Lauben wiederum wusste: "Die Vogesen waren ein einziges, grosses Todeslager."
14) Interview mit dem Autor, Clarksville, Tennessee, März 1988
Doch die Senatoren in all ihrem rechtschaffenen Zorn sagten nichts. Warum sagten sie nichts?
Die Senatoren waren ganz einfach nicht informiert worden [und hatten es nicht für notwendig erachtet, in Rest-Deutschland einen Augenschein zu nehmen und eine Kontrolle aufzubauen]. Und die genannten amerikanischen Army-Offiziere behielten das Geheimnis vierzig Jahre und mehr für sich [sonst wären sie entlassen oder wegen "unamerikanischen Verhaltens" sogar erschossen worden]. Clark schrieb seinen Vermerk "für die Akten", wo er auch bliebe, bis er 1990 von der Archivarin Jane Yates in Charleston (West Virginia) ausgegraben wurde. General Allard äusserte seine Kritik 1946 ganz im Geheimen, nämlich in einem Ausbildungshandbuch, das in den Archiven von Fort Leavenworth, Kansas, verblieb und erst 1991 von dem Wissenschaftler E.B. Walker aus Alabama aufgespürt wurde. Die Äusserung von Colonel Philip Lauben stammt aus dem Jahre 1988, 43 Jahre nach den Ereignissen. Und den Hunderten [S.70] von englischsprachigen Reportern, die sich damals in Europa aufhielten, ist die Story entweder entgangen, oder sie haben sie wissentlich unterschlagen [um ihre Karriere nicht zu gefährden, denn wer Deutsche verteidigte, der war sofort ein "Nazi"].
Das Geheimnis der Lager wurde so gut gewahrt [und mit Erpressung behindert], dass nicht einmal der Hauptdelegierte des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Frankreich davon wusste, obwohl er für die Kontrolle der Lager unter dem Gesichtspunkt der Genfer Konvention verantwortlich war. Jean-Pierre Pradervand, Leiter der französischen Delegation des IKRK, erfuhr erst durch den Autor im Jahre 1986, dass die amerikanische Armee im Jahre 1945 überhaupt Gefangenenlager in Frankreich unterhalten hatte.
15) Interview des Autors und Ehefrau Elisabeth Bacque mit dem Ehepaar Jean-Pierre Pradervand in der Schweiz, 1990.
[Das Rote Kreuz verhindert dem Historiker Bacque die Einsicht in die Archive der Rheinwiesenlager]
Das IKRK weigerte sich, dem Autor die Genehmigung zur Einsicht in ihr Kriegsgefangenen-Archiv zu erteilen, und zwar mit der Begründung, sie gestatteten dies grundsätzlich niemandem. Zur gleichen Zeit erlaubten sie jedoch drei anderen Autoren - einem Amerikaner, einem Schweizer und einem Israeli -, in ihren Archiven nach Büchern über die deutschen Heimatvertriebenen bzw. nach Berichten über IKRK-Aktionen desselben Zeitraums in Hitlers Konzentrationslagern zu forschen.
["Amerikanische" Befehle, Deutsche zu erschiessen, die deutschen Kriegsgefangenen Essen bringen wollen - Lebensmittel werden von den "Amis" verbrannt]
Es wurden bereits Belege dafür veröffentlicht - Aussagen eines amerikanischen Wachtpostens, dazu Dokumente aus verschiedenen deutschen Archiven -, aus denen hervorgeht, dass General Eisenhower seinen Soldaten befohlen hatte, auf deutsche Zivilisten zu schiessen, die den verhungernden Gefangenen in den Lagern verbotenerweise Lebensmittel zukommen lassen wollten.
16) Siehe Bacque: Der geplante Tod, erweiterte Taschenbuchausgabe 1993, S.230
Und es wurden Belege dafür veröffentlicht, dass mehrere Menschen, die dieses Verbot übertraten, tatsächlich erschossen wurden.
17) ebenda
Einer der Gründe für Eisenhowers Befehl war vermutlich eine drohende Lebensmittelknappheit. Vielen Historikern zufolge war Eisenhower um eine strikte Kontrolle der Lebensmittelverteilung bemüht; schon dies hätte Anlass zu einem solchen Befehl gegen können. Viele ehemalige Gefangene und deutsche Zivilisten haben dem Autor jedoch berichtet, sie hätten selbst gesehen, wie amerikanische Wachen die Lebensmittel [S.71] verbrannten, die von zivilen Frauen gebracht worden waren. Ein früherer Gefangener berichtete erst kürzlich:
"Anfangs brachten Frauen aus der nahegelegenen Ortschaft Essen an das Lager. Die amerikanischen Soldaten nahmen den Frauen alles ab, warfen es auf einen Haufen, gossen Benzin darüber und verbrannten es."Karl Vogel zufolge, dem von den Amerikanern ernannten deutschen Lagerleiter von Camp 18 in Garmisch-Partenkirchen, hatte Eisenhower persönlich die Vernichtung der Lebensmittel angeordnet. Die Gefangenen bekamen nur 800 Kalorien pro Tag und dennoch vernichteten die Amerikaner Lebensmittel vor dem Lagertor.
18) Brief an den Autor von Ernst Krämer, Bonn, 30. Juli 1994. Krämer war in zwei Lagern: Buderich und Rheinberg.
Die Erhaltung von Lebensmitteln konnte kaum der Grund für den Befehl sein, auf Zivilisten zu schiessen, denn die Politik der Alliierten in Deutschland bestand tatsächlich darin, alle sowohl für deutsche Zivilisten wie Kriegsgefangene bestimmten Lebensmittel auf das geringstmögliche Mass zu beschränken. Sie sollten auf diesem niedrigen Niveau gehalten werden, um "den Hungertod"
19) Grasett an Smith, Juni 1945, Box 37, Smith Papers, Carlisle Barracks, Pennsylvania
oder Krankheit und Aufruhr zu verhindern. Zwei einander widersprechende alliierte Massnahmen begannen im Frühjahr 1945 in Deutschland gleichzeitig Platz zu greifen: Rache durch verordneten Hunger und Hilfe durch Lebensmittelimporte.
[Vergleich mit dem Gulag in Russland - Zitate von Solschenizyn - Hilfe verboten, Lebensmittel vernichtet - Arbeitskommandos und technische Arbeit]
Weit, weit östlich dieser Lager, in einer ganz anderen Welt, kam es zu ähnlichen Vorfällen. Ein Überlebender hat folgendes berichtet:
"Tapferer sind alte Mütterchen: Denen kann's nicht mehr übel ankommen, die glauben auch an Gott, holen einen Brotziegel aus ihrem mageren Beutel und brechen uns ein Stück ab. Dazu die ehemaligen Lagerleute, die "Bytowiki", die fürchten sich [S.72] natürlich auch nicht. die Lagerleute wissen: 'Wer nicht drin war - kommt rein, wer's war - vergisst's nicht', und werfen euch, siehst du, ein Päckchen Zigaretten zu, damit auch ihnen beim nächsten Mal eins zugeworfen werde. Des Mütterleins Wurf war zu schwach, das Brot fällt auf die Erde, die Zigaretten schwirren durch die Luft grad in unsere dichteste Mitte, und die Wachen entsichern schon mit lautem Geklapper die Gewehre- gegen die Alte, die Güte, das Brot: 'Schau, dass du wegkommst, Weibsstück!' "Diese Situation, fast spiegelgleich derjenigen in den US-Camps, wurde von Alexander Solschenizyn beschrieben, nur dass sie sich auf Stalins GULAG bezog.
20) Solschenizyn: "Der Archipel GULAG", Band 1, S. 494-495. Der Name "GULAG (auch GULag oder Gulag geschrieben) leitet sich vom russischen "Glawnoje Upraslenije Lagerej" ab, der Hauptverwaltung für die sowjetischen Straf- und Arbeitslager für Sowjetbürger und andere.
Der GULAG war zum Teil deshalb so furchterregend, weil er so geheimnisumwittert war. Wie Sowjetrussland selbst war auch das Gefängnissystem von MWD/NKWD/KGB praktisch unbekannt, während es gleichzeitig allgemein gefürchtet war. Das gleiche galt für den parallelen GULAG der Kriegsgefangenen, der ebenfalls dem MWD/NKWD/KGB unterstand.
Es handelte sich um ein ausgedehntes System von 6000 Lagern, das sich von Minsk im Westen über Karaganda im Süden und Workuta im Norden bis nach Magadan am Ochotskischen Meer erstreckte.
21) S.W. Galizkij: "Deutsche Kriegsgefangene und der NKWD" (Titel übersetzt), Diplomarbeit für die Universität Moskau (Kapitän z. S. Galizkij ist der massgebliche, russische Spezialist für Fragen ausländischer Kriegsgefangener in sowjetischer Hand); Es gab eine vom GULAG unabhängige Behörde für Kriegsgefangene und Internierte zuständige Behörde namens GUPWI (Glawnoje Upraslenije Po delam Wojennoplenijch i Internirowannijch), über die jedoch im Vergleich zum GULAG sehr wenig geschrieben worden ist. Berichte von deutschen Kriegsgefangenen in sowjetischer Hand finden sich bei E.H. Segschneider (Hrsg.): "Jahre im Abseits"; sowie bei D. Sauermann und R. Brockpähler: "Eigentlich wollte ich ja alles vergessen..."
Magadan war besonders schlimm. Solschenizyn besuchte die Überreste des Lagers bei seiner Heimkehr nach Moskau im Jahre 1994, um den dort umgekommenen Zwangsarbeitern die Ehre zu erweisen, die mit ihm gelebt und gelitten hatten und neben ihm gestorben waren. Nach Workuta, einer trostlosen Ansammlung von Hütten zwischen der Barentssee und der Nordspitze des Ural, zweitausend Kilometer (Luftlinie) von Moskau entfernt, gelangte man nach einer schrecklichen Reise auf einem offenen Prahm oder Leichter, auf dem die Gefangenen von eisiger Gischt überschüttet, ständig Gefahr liefen, sich zu Tode zu frieren.
In diesen Lagern wurde Kohle oder Eisen angebaut, nach [S.73] Kupfer oder Gold geschürft, Holz gefällt, Arbeitskommandos wurden zum Strassen-, Brücke-, Bahndammbau abgestellt, andere zum Bau von Häusern nach Moskau geschickt, die heute noch stehen und den Touristen stolz als "die deutschen Hüser" vorgeführt werden. Wieder andere wurden für Umerziehungslager wie Krasnogorsk, westlich von Moskau, ausgewählt, wo sie einer kommunistischen Indoktrination unterzogen wurden. Einige wenige, die über technische Fertigkeiten verfügten, arbeiteten in Hochtechnologiezentren wie der neuen Telefonzentrale nördlich von Moskau.
[Fallende Todesraten im Gulag ab 1944 - Polen, Finnen, Deutsche, Japaner - ausreichende Versorgung erst ab Oktober 1944 - Offiziere und Wachen klauen das Essen der Gefangenen]
Die ersten europäischen Kriegsgefangenen, Polen und Finnen, wurden 1939 gemacht. Ihnen folgten nach dem Juni 1941 die Deutschen. Die überlebenden Polen wurden auf Churchills Vorschlag im Herbst 1941 entlassen, um Bataillone von Freiheitskämpfern zu bilden, die versuchen sollten, Polen mit Hilfe der UdSSR, die ihrerseits zuvor den Nazis geholfen hatte, von denselben Nazis wieder zu befreien.
Am schlimmsten war der GULAG für deutsche und andere Europäer zu Beginn des Krieges.
22) Interview mit W.P. Galizkij im Hotel Radisson, Moskau, 16. Mai 1993, übersetzt von Martin Reesink
Nach einer Anfangsphase der Desorganisation, die dem deutschen Fiasko von Stalingrad im Februar 1943 folgte, operierte das NKWD sehr frontnah, übernahm und registrierte die Gefangenen unmittelbar. Die Sterberate, die unter den in Stalingrad gefangenen Deutschen und Italienern sehr hoch gewesen war, fiel aufgrund der besseren Planung drastisch. Im Zeitraum vom 22. Juni 1941 bis zum 1. Oktober 1944 starben von einer Gesamtzahl von 788.000 gefangenen aus den Achsenstaaten 220.316, das entspricht einer Sterberate von 28 Prozent in 3,3 Jahren.
23) Statistiken für den Autor zusammengestellt von Andrej A. Kaschirin, Militärhistoriker der Russischen Armee, Moskau, 17. Januar 1993 aus Dokumenten des ZSSA der MWD/NKWD/KGB-Archive, Moskau, übersetzt von Martin Reesink, Moskau. Galizkij glaubt, dass die Zahl der toten zwischen 1941 und Anfang 1944 etwas höher lag, und zwar bei 250.000, und die Sterberate danach stark zurückging.
Nach dem Mai 1945 jedoch fiel die Gesamt-Sterberate für die annähernd eine Million Deutsche, die in sowjetische Gefangenschaft gerieten und von denen die letzten wenigen um 1955 in die Heimat zurückkehrten, auf 9,4 Prozent.
24) Kaschirin: "Sprawka"
Von den 640.000 japanischen Kriegsgefangenen starben ebenfalls etwa neun Prozent in Gefangenschaft.
Nachdem sich die Sowjets organisiert hatten, verstrichen nur [S.74] etwa ein oder zwei Tage zwischen der Gefangennahme eines Soldaten und seiner Einlieferung in ein NKWD-Lager und der Eintragung in die Registrierbücher des NKWD, in denen sein weiteres Schicksal peinlich genau verzeichnet wurde. Diese Bücher wurden von NKWD-Offizieren geführt, welche die darin enthaltenen Statistiken jeweils mit ihrem Namen abzeichneten. Sie waren nicht nur für die Gefangenen selbst verantwortlich, sondern auch dafür, was diese produzierten und verzehrten. Im Oktober 1944 erhielten untergeordnete Offiziere Befehl, die Gefangenen reichlich zu versorgen.
25) Dokument E, NKWD-Befehl vom 18. Oktober 1944: "Zur Steigerung der Produktion"; In: ZSSA [Zentrales Staats-Sonderarchiv, Moskau]. Der Befehl beinhaltete grössere Rationen für die Schwachen und Kranken, kleinere für Kriminelle sowie verschiedene Tatbestände, die automatisch mit Arrest bestraft werden sollten.
Die Ration setzte sich zusammen aus täglich 600 Gramm Schwarzbrot, Spaghetti, Fleisch, Gemüse, Reis - alles in allem über 1400 Gramm, fast eineinhalb Kilo Lebensmittel pro Person und Tag. Schwache, Kranke und Offiziere erhielten mehr, Kriegsverbrecher weniger.
Aus Dutzenden von Berichten heimgekehrter Gefangener geht jedoch hervor, dass sie diese Ration nicht immer erhielten, weil Offiziere und Wachen das Essen zum Eigenverzehr stahlen. Mehrere Deutsche haben berichtet, dass sie, nachdem sie begonnen hatten, Lebensmittelpakete von zu Hause zu erhalten, das Essen mit ihren Wachen teilten.
26) Siehe auch: Konrad Adenauer: Erinnerungen 1953-1955, S.451
[Die angeblich angemessene Ernährung im GULAG - kaum Profit durch Kriegsgefangene - Ineffizienz in Russland - Tschechow über Lager auf Sachalin]
Im Gegensatz zu den amerikanischen Lagern, wo die Wachen zeitweilig Befehl hatten, Zivilisten zu erschiessen, die den hungernden Insassen Essen brachten, galt bei den Sowjets die Regel, die Gefangenen angemessen zu ernähren. Und diese Regel war von der höchsten und schreckenerregendsten Autorität der Sowjetunion, Stalin selbst, aufgestellt worden.
27) Hier könnte man einwenden, dass diesen Berichten nicht zu trauen sei, weil die Berichte der Westalliierten über angemessene Rationen für Nachkriegsgefangene erfahrungsgemäss ebenfalls selten der Wahrheit entsprachen. Sowohl Franzosen wie Amerikaner berichten offiziell, die Gefangenen erhielten angemessene Rationen, während diese in Wirklichkeit hungerten. Doch waren diese französischen und amerikanischen Berichte, die in den nationalen Archiven wie z.B. dem Bundesarchiv von Koblenz verwahrt werden, für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt, während die sowjetischen Berichte vierzig Jahre lang in den KGB-Archiven der Geheimhaltung unterlagen, weil sie zu einer ganzen Reihe von Dokumenten gehörten, die, insgesamt genommen, ein grauenhaftes Menetekel darboten. Deshalb wurden derartige Informationen von den Sowjets niemals veröffentlicht. Und weil sie so geheim waren, sind die sowjetischen Dokumente generell zuverlässig.
Wie sich die harten Bedingungen besserten, lässt sich am Beispiel Workutas erkennen, jenem arktischen Lager weit nordöstlich von Moskau. Im gesamten GULAG wurde es während des Krieges als eines der schlimmsten betrachtet, Mitte 1945 hatte es jedoch bereits ein funktionierendes Lazarett.
Die Sterberate ging 1945 scharf zurück, vor alle, weil den Sowjets daran gelegen war, dass die Gefangenen nützliche [S.75] Arbeit verrichteten.
28) Kaschirin: "Sprawka"
Wie Stalin im Mai 1945 Harry Hopkins erklärte, dem Emissär Präsident Roosevelts sowie nach dessen Tod auch seines Nachfolgers Truman, waren ihm die deutschen Kriegsgefangenen am liebsten, weil sie am härtesten arbeiteten. Der Gewinn lag jedoch, nach sowjetischen Massstäben, leicht unter den Kosten, die der Staat für die Haltung und Bewachung der Gefangenen aufbringen musste. Was bei der Ineffizienz, die auch sonst im Lande herrschte, allerdings nicht wunder nimmt.
In russischen Arbeitslagern war das schon immer so gewesen. Bereits im 19. Jahrhundert, im Zarenreich, wurde das Schicksal der Gefangenen ausführlich unter die Lupe genommen, einerseits von den Gefängnisbehörden selbst, andererseits auch von einem bekannten Schriftsteller: Anton Tschechow. Als er reich und berühmt war, setzte er Leben und Ruf aufs Siel, um das Dasein der gewöhnlichen Gefangenen auf der Insel Sachalin zu erforschen. "In den Jahren 1889 und 1890", schrieb Tschechow in "Die Insel Sachalin", "hat jeder Zuchthäusler [in der Zeche Duë] durchschnittlich 10,8 Pud [Kohle] pro Tag gefördert, 4,2 Pud weniger als die Norm, die von der Grubenverwaltung festgelegt wurde." (Ein Pud entspricht etwa 16 Kilo). Nach ihrer Freilassung blieben einige auf der Insel und verdingten sich als "frei angeworbene Strafkolonisten" in der Zeche. Die Arbeit der Lohnarbeiter, die nach Pud geförderter Kohle bezahlt wurden, war "um siebzig und sogar hundert Prozent produktiver als die der Zuchthäusler."
29) Anton Tschechow: Die Insel Sachalin, S.121
Am Beispiel Sachalin ist deutlich zu erkennen, wo Reichtum und Armut herrühren. Solange totalitäre Macht ausgeübt wurde, hatte die Gesellschaft doppelt zu leiden: durch Verarmung und durch Verrohung der Sitten, sowohl unter den Sträflingen selbst, als auch unter ihren Bewachern, aufgrund ihrer stumpfsinnigen Arbeit. Als die Staatsmacht nicht mehr über die Sträflinge verfügte, wurde alles besser. Reichtum entsteht aus Freiheit. Dies war das Urteil eines der grossen Dichter unserer Welt in einem [S.76] Buch, das im rechtlichen und politischen System des zaristischen Russland beträchtliche Reformen bewirkte.
[20% Profit für die Gulag-Lagerleitung - der Bau der Eisenbahn Baikal-Amur - 35 Zentrallager]
Die Kriegsgefangenenlager von MWD/NKWD/KGB waren praktisch eine Neuauflage von Sachalin, nur in weit grösserem Massstab. Der Ertragswert der Zwangsarbeit, vom MWD im Zeitraum 1946-49 gemessen, betrug etwa 80 Prozent der Betriebskosten der Lager.
30) Interview mit Kapitän z. S.W.P. Galizkij, Moskau, Mai 1993
So sehr wirkte sich die Versklavung auf Menschen aus, in erster Linie Japaner und Deutsche, deren Herkunftsländer berühmt sind für die Intelligenz, den Organisationsgrad und Fleiss ihrer arbeitenden Bevölkerung. Ihre Arbeitsleistung reichte nicht einmal aus, auch nur ihren mageren Lebensunterhalt zu bestreiten. Alex Adourian, der jetzt in Toronto lebt, weiss das auch eigener Erfahrung als Gefangener in einem Sowjetlager von 1945 bis 1953. 1949 erklärten ihnen die Bewacher, sie würden von nun an für ihre Arbeit bezahlt. Am Ende des ersten Monats errechnete die Verwaltung, dass die Gefangenen noch Geld schuldig seien. Die Schuld wurde ihnen dann allerdings erlassen.
Im Unterlager Nr. 12 der Eisenbahnbaulager der BAM-Linie (Baikal-Amur) östlich des Baikal-Sees wurden die Sträflinge im Winter 1946 eines Tages in einen Wald geführt, um die Bäume zu inspizieren, die für den Bau der Eisenbahnlinie östlich des Baikal-Sees bis zum Amur gefällt werden sollten. Ein sowjetischer Forstexperte kam und markierte die hohen Bäume von geradem Wuchs, die sich am besten zum Bau der Arbeitslager entlang der Eisenbahnlinie sowie für die Anfertigung der Bahnschwellen eigneten. Nachdem der Forstexperte etwa eine Woche lang die Bäume markiert hatte, wurden die Gefangenen wiederum in den Wald geführt, diesmal mit Äxten. Dabei wurden sie von NKWD-Soldaten bewacht, von denen etwa zehn auf hundert Sträflinge kamen. Die Wachen verteilten sich in ziemlicher Entfernung von den Gefangenen im Wald, so dass sie zunächst nicht merkten, was vor sich ging: Die Gefangenen fällten absichtlich alle krummen, unbrauchbaren Bäume. Und als diese gefällt am Boden lagen [S.77], behinderten sie jede weitere Arbeit, ehe sie nicht fortgeräumt waren. So war fast die ganze Arbeit umsonst gewesen, und der Bau der Eisenbahnlinie verzögerte sich. Die Gefangenen wurden nicht bestraft, denn sie taten so, als sei alles ein Irrtum gewesen. Und da sie tatsächlich ihre "norma" (Norm) für den entsprechenden Zeitraum erfüllt hatten, spielte es auch keine Rolle.
31) Interview mit Alex Adourian, Toronto, Januar 1993
Solche Vorfälle hielten die Produktion auf einem so niedrigen Niveau, dass die Sowjets ohne GULAG besser weggekommen wären. NKWD-Statistiken zeigen, dass der Ausstoss der Lager (Bauholz, Unterkünfte, Kohle, Gold, High-Tech-Anlagen wie etwa Telefonzentralen) 1946 zirka 75 Prozent der Lagerkosten in Form von Gehaltszahlungen für Wachen, Lebensmittel, Bekleidung und sonstigen Bedarf deckte. 1948 hatte sich dieser Wert auf über 85 Prozent verbessert, doch in all den Jahren in denen diese Statistiken geführt wurden, hat der Ertrag kein einziges Mal die Kosten überstiegen. Der Aufenthalt der Gefangenen wurde gewissermassen subventioniert; sie genossen freie Unterkunft und Verpflegung - ein Urlaub in der Hölle. In mindestens 35 Zentrallagern - von so vielen weiss man es mit Sicherheit - wurden japanische gemeinsam mit deutschen und andern europäischen Gefangenen gehalten.
Die alliierten Hilfslieferungen an die Sowjets waren auch 1948 noch nicht ganz eingestellt worden, denn heimkehrende Kriegsgefangene berichteten, dass sie immer noch mit Stahlschienen "Made in Canada" an der BAM-Linie bauten.
[Lager Krasnogorsk: Schulung in kommunistischer Ideologie - Spione für die UdSSR]
Einige Lager, so zum Beispiel das in Krasnogorsk westlich von Moskau, dienten der Umerziehung. Während des Krieges wurden hierher geeignete Kandidaten zur Schulung in kommunistischer Ideologie geschickt. Dabei handelte es sich um eine Art von Gehirnwäsche, wie sie später in Korea berüchtigt wurde. Ein berühmter, deutscher Feldmarschall wurde hier "graduiert": Generalfeldmarschall Paulus, der sich in Stalingrad tapfer geschlagen hatte. Auch ein Jagdflieger-As befand sich dort, Heinrich von Einsiedel, aus altem deutschem Adel und Urenkel [S.78] Bismarcks. Männer, die später die politische Führung in Ostdeutschland übernahmen, wurden hier ausgebildet. Das Lager war bequem, gut organisiert, effizient, erfolgreich. Sowohl Deutsche wie Japaner wurden in diesen Lagern in kommunistischer Ideologie indoktriniert und dann nach Hause geschickt, um in der Heimat die kommunistische Revolution in Gang setzen zu helfen. (Die Briten unterhielten nach dem Krieg ähnliche Lager im Vereinigten Königreich. Auch in Kanada wurde eine Art primitiver Umerziehung durchgeführt).
32) Brief von Hans J. Mürbe, einem früheren Gefangenen in Kanada, im Besitz des Autors. Siehe auch Henry Faulk: Die deutschen Kriegsgefangenen in Grossbritannien - Reeducation; München 1970
Die Kriegsgefangenen kosteten die UdSSR nicht nur Geld, sie brachten sie letztlich auch in Gefahr, denn die entlassenen Gefangenen nahmen - in ihren Köpfen - wertvolle Informationen mit nach Hause. Viele heimgekehrte, japanische und deutsche Kriegsgefangene wurden von Offizieren der US Air Force vernommen, die sich für Lage, Grösse, Verteilung, Bedeutung und Zweck von Fabriken, Brücken, Flugplätzen, Eisenbahnen usw. in der Sowjetunion interessierten. so wurden die Kriegsgefangenen am Ende noch zu Spionen gemacht. Tausende dieser Berichte sind - als ein Monument des Kalten Krieges - bis zum heutigen Tag in amerikanischen Archiven in Washington gelagert.
Die Geschichte der Lager für ausländische Gefangene ist noch nicht geschrieben worden. Solschenizyn hat lediglich über die Leiden der Sowjetbürger im GULAG berichtet. Die vorherrschende Meinung im Westen ist die, das Leben im GULAG sei ein einziges Leiden unter schonungsloser Grausamkeit gewesen, doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Ich will versuchen, die übliche Vorstellung vom GULAG durch die Wiedergabe einiger Berichte zu differenzieren, die bisher nicht veröffentlicht worden sind.
33) Edward Norbeck: Eddoko, S.19
[Japanische Kriegsgefangene am Baikalsee - Makoto lernt Russisch und übernimmt im GULAG Verwaltungsaufgaben]
Einer der Glücklicheren unter den japanischen Gefangenen, der im August 1945 den Weg in die Heimat antrat, war ein junger Mann namens Makoto, der aus Eddoko stammte, einem der ältesten Stadtbezirke von Tokio. Makoto war 1945 im Alter von 20 Jahren einberufen und ohne jegliche militärische Ausbildung [S.79] zur Kwantung-Armee in die Mandschurei geschickt worden. Gewitzt, immer fröhlich und unauffällig, kam Makoto gut zurecht, obwohl das Soldatenleben etwas völlig Neues für ihn war. Zusammen mit etwa 640.000 anderen wurde er von den Sowjets gefangengenommen und bald darauf in einen verschlossenen Eisenbahnwagen gesteckt, der ihn, wie die Wachen erklärten, zurück, zum Pazifik und zu einem Schiff Richtung Heimat bringen würde. Makoto hatte die obere Schlafkoje in einem alten, zaristischen Gefängniswagen, einem sogenannten Stolypin-Wagen, wo sich ein kleines Fenster befand, und er rief den anderen immer zu, was er sehen konnte, während der Zug durch die russischen Wälder rumpelte. Als sie das Ufer des "Ozeans" erreichten, durften sie hinunter zum Wasser laufen. Einige kosteten von dem Wasser und stellten fest, dass es süsses, frisches Wasser war: der Baikal-See, Tausende Kilometer von der Pazifikküste. Die Russen lachten und lachten.
Makoto wurde nach Karaganda, weit im Westen, verbracht und in ein Arbeitslager gesteckt, in dem sich bereits viele Europäer befanden. Er wurde im Lagerbüro eingesetzt, wo er merkte, dass einer der russischen Offiziere, der die Lagerbücherei verwaltete, weder lesen noch schreiben konnte. Makoto brachte sich selbst Russisch bei und erledigte bald die Pflichten des Offiziers. Er wurde von dem Offizier nach Hause zum Essen eingeladen, und dieser erzählte ihm, er habe Eheprobleme, und bat um seinen Rat. Makoto tat ihm den Gefallen. Seinem Bericht zufolge lebte es sich in diesem russischen Lager besser als in seinem Tokioter Stadtteil während des Krieges.
[Deutscher Kriegsgefangener Pichler in Moskau - er spielte den "Papa" für einen russischen Bub]
Makotos Erfahrung entspricht der eines deutschen Soldaten namens Fred Pichler, der nach Kriegsende in Moskau in einem bemerkenswert offenen Gefängnis gehalten wurde. Pichler, der heute in Grafton in der kanadischen Provinz Ontario lebt, ging 1946 eines Tages mit seiner sowjetischen Wache und anderen Gefangenen durch die Strassen von Moskau zu einer Baustelle, als er von einer jungen Russin angesprochen wurde, die ihn bat [S.80], mit zu ihr nach Hause zu kommen; sie wohne ganz in der Nähe. Er bat den Wachsoldaten um Erlaubnis, und der lächelte und sagte ja. Pichler ging mit der Frau mit, und als sie bei ihr zu Hause waren, zeigte sie ihm ein gerahmtes Foto, das auf einem Tisch stand und auf dem er sich selbst in einer russischen Uniform erkannte. Verblüfft fragte er die junge Frau, wie sie denn dazu gekommen sei. Sie entgegnete, das sei ihr Ehemann, der genauso wie er - Pichler - aussehe. Dann fragte sie ihn, ob er sie und ihren zweijährigen Sohn nicht gelegentlich besuchen könne, der fortwährend frage, wann Papa endlich nach Hause komme. Pichler sollte so tun, als sei er der Papa. (Sie sprachen inzwischen Englisch miteinander - sie war Englischlehrerin, und er hatte in Deutschland Englisch gelernt, bevor er Soldat wurde). Fred Pichler besuchte sie viele Male - mit Erlaubnis - und spielte den Papa. Das ging so über ein Jahr, bis er entlassen wurde. Fred Pichler war 18 Jahre alt und noch sehr unschuldig, so das Sex nicht im Spiel war. Nachdem er die UdSSR verlassen hatte, versuchte er wiederholt, die junge Mutter zu finden, doch ohne Erfolg. "Ich liebe diese Menschen", sagte er über die Russen. "Sie haben einen festen Platz in meinem Herzen." [S.81]
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