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Nachkriegszeit in Deutschland mit Hunger, Vergewaltigung und Massenmord durch die Alliierten 1945-1950

James Bacque: Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945


Kapitel 13: Anhang 7

Quellen und Methoden - [Archive und Berichte - Beweise, dass die KGB-Archive stimmen]

James Bacque: Verschwiegene Schuld. Die alliierte
                  Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945.
                  Buchdeckel
James Bacque: Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945. Buchdeckel

Präsentation
von Michael Palomino (2013)

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Allgemeines [grosse Archive]

Die archivarischen Hauptquellen sind
-- das KGB-Archiv in Moskau, auch Zentrales Staatsarchiv (früher Zentrales Staats-Sonderarchiv, ZSSA) genannt;
-- das Archiv der Oktoberrevolution, Moskau;

-- das Archiv der Roten Armee in Podolsk bei Moskau;
-- das Nationalarchiv der Vereinigten Staaten in Washington;
-- das Nationalarchiv von Kanada in Ottawa;
-- die Dokumentationsstelle in Bretzenheim bei Bad Kreuznach;
-- die Kongressbibliothek in Washington und
-- das Archiv der Hoover Institution in Stanford, Kalifornien.

Ein Grossteil des in diesem Buch verwendeten Materials ist niemals zuvor veröffentlicht worden. Einiges davon - in Stanford, Washington und Moskau - wurde erst kürzlich [1990er Jahre] freigegeben.

Zum Sterben der deutschen Zivilbevölkerung 1945-1950 - [Akten und lokale Archive]

Die Hauptquellen sind:
-- Nachlass [von] Robert Murphy, ehemals US-Botschafter in London, politischer Berater des US-Militärgouverneurs in Deutschland, im Hoover-Archiv, Stanford, Kalifornien;
-- die Berichte des US-Militärgouverneurs in Deutschland (zuerst Dwight D. Eisenhower, dann Lucius D. Clay) in den Archiven von Abilene, Texas, und Washington, D.C.;
-- Tausende Seiten Dokumente des Hooverschen Famine Emergency Committee [S.279] im Hoover-Archiv, Stanford, Kalifornien;
-- Berichte der Kanadischen Armee über die Lage in Deutschland;
-- deutsche Gemeinde- und Stadtarchive;
-- die Berichte über die von den Besatzungsmächten durchgeführten Volkszählungen von 1946 und 1950, die sich heute noch in den Archiven des Westens und Moskaus befinden;
-- Berichte des Statistischen Bundesamts Wiesbaden;
-- Nachlass Robert Patterson, Manuskript-Abteilung der Kongressbibliothek, Washington, D.C.

Ich habe fast zwei Monate mit meinen Nachforschungen in Moskau verbracht, dazu zwei Wochen in Stanford sowie viele Monate in Washington, Paris, London, Ottawa, im Bundesarchiv in Köln und in vielen kleinen Orten in Deutschland. Ausserdem erhielten meine Verleger und ich nah der Veröffentlichung von "Other Losses" bzw. "Der geplante Tod" Tausende Briefe, Tagebücher, Bücher, Dokumente, Anrufe und Besuche von früheren Kriegsgefangenen und Zivilpersonen, die ihre Erlebnisse und andere Ereignisse in Deutschland zwischen 1945 und 1950 schilderten.

Zu den Kriegsgefangenen

[Lagerwachen sind Zeugen, wie auf unbewaffnete, deutsche Frauen geschossen wurde]

Einiges von dem Material, das im vorliegenden Buch über das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen in Händen der Alliierten des Westens präsentiert wird, leitet sich zum Teil von Dokumenten ab, die zum ersten Mal in "Other Losses" bzw. in der erweiterten Taschenbuchausgabe von "Der geplante Tod" veröffentlicht wurden. Dabei handelt es sich zum einen um Archivmaterial, zum anderen um Interviews mit überlebenden Kriegsgefangenen, französischen und deutschen Ärzten sowie ehemaligen amerikanischen und französischen Lagerwachen, die Zeuge waren, wie nach Kriegsende auf unbewaffnete deutsche Frauen geschossen wurde.

[Offene, sowjetische Archive seit 1990er Jahren - Akten über Greueltaten von 20 Staaten - Kopien beim Autor]

Das aus sowjetischen Quellen stammende Material ist neu für alle Leser in Ost und West. Hauptquelle ist das Zentrale Staatsarchiv in Moskau, hinsichtlich der Gefangenen des Zweiten Weltkrieges das wichtigste Archiv der Welt. Bis 1991, als es erstmals westlichen Wissenschaftlern geöffnet wurde, hatten nur wenige hochrangige, sowjetische Fachleute Zugang zu dem Archiv, weil es auch Staatsgeheimnisse enthielt. Bereits längere Zeit zuvor hatte das Sowjetregime zahlreiche von Stalin, Lawrentij Berija, Lasar Kaganowitsch [S.280] und anderen an Sowjetbürgern begangene Greueltaten enthüllt. Doch diese nunmehr zugänglichen Archive dokumentieren auch ungeheure Verbrechen, die von 20 anderen Staaten in aller Welt begangen worden waren, darunter Japan, Deutschland, Italien usw. Hier lagern in grauen Pappkartons Millionen einzelner Akten über jeden der über vier Millionen Kriegsgefangenen der Sowjetunion. Im Jahre 1992 erhielt ich die Genehmigung, die Kartons in Augenschein zu nehmen, sie zu öffnen, die Akten zu lesen, zu fotokopieren, was ich wollte, und die Kopien mit nach Kanada zu nehmen, was ich auch tat.

[Beispiele]

Ohne den Stemple "Geheimsache" - [Bericht über Gefangene der Roten Armee von 1917 bis 1957]

Untertitel: "Verluste der sowjetischen Streitkräfte in Kriegen, Feldzügen und militärischen Auseinandersetzungen. Eine statistische Studie", herausgegeben von Dr. G.F. Kriwoschejew. Hierbei handelt es sich um den vollständigen und massgeblichen Bericht der Roten bzw. Russischen Armee über das Schicksal aller Gefangenen zwischen 1917 und 1957 einschliesslich derer der Roten Armee.

"Sprawka" - der Kaschirin-Bericht - [Bericht über Kriegsgefangene in der Gulag-"Sowjetunion" von 1941 bis 1952]

1993 erhielt ich einen sechsseitigen Bericht in russischer Sprache von dem russischen Armeehistoriker Andrej I. Kaschirin, den ich in Moskau zusammen mit seinen Mitarbeitern auch ausführlich interviewt hatte. Ich bin überzeugt, dass Kaschirin diesen Bericht über das Schicksal der Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, der auf verschiedenen früheren Berichten basiert, nach bestem Wissen und Gewissen erstellt hat. Der Kaschirin-Bericht verzeichnet das Schicksal aller Kriegsgefangenen in der Sowjetunion zwischen 1941 und 1952.

Der Bulanow-Bericht - [Bericht über Kriegsgefangene in der Gulag-"Sowjetunion" aus 17 Ländern 1941-1956

Dieser einseitige, vom NKWD erstellte und von 1956 datierte Bericht gibt, nach den drei Dienstgradgruppen eingeteilt, über einen Zeitraum von 15 Jahren (1941-56) Auskunft über das Schicksal von Kriegsgefangenen aus 17 [S.281] Ländern. Es war der NKWD unter Lawrentij Berija, der die Kriegsgefangenenlager (GuPWI) betrieb und darüber Buch führte.

Die vorstehenden umfassenden Berichte stimmen in allen Informationen über Kriegsgefangene, die für das vorliegende Buch wesentlich sind, überein. Die folgenden Berichte heben Einzelaspekte hervor.

Der Petrow-Bericht [Generalleutnant Petrow berichtet 1943 über Kriegsgefangene in der Gulag-"Sowjetunion" - Totenzahlen - Zusammenarbeit von NKWD und Armee ab 1943 - Auffüllen von Transporttoten mit Zivilisten]

Hintergrund dieses Berichtes ist, dass im Juni 1943 Generalleutnant Iwan Petrow, Leiter der Abteilung Kriegsgefangene im MWD/NKWD, einer Parteiversammlung der Offiziere seiner Abteilung über die Todesfälle unter den Kriegsgefangenen berichtete. Da es sich um eine Parteiversammlung handelte, wurde der Bericht nicht von Berija zensiert und entsprach deshalb mit Sicherheit der Wahrheit, wie Petrow sie kannte. Seinem Bericht zu folge waren während des gesamten Krieges bis zum Mai 1943 insgesamt 193.003 Angehörige von Wehrmacht und Streitkräften anderer mit Deutschland verbündeter Staaten in sowjetischer Gefangenschaft umgekommen. Andererseits hatte Berija zuvor Stalin berichtet, dass bis zum Stichtag 26. Februar 1943 33.000 Gefangene während des gesamten Krieges umgekommen seien. Setzt man beide Zahlen zueinander in Bezug, so ergibt sich, dass in den dazwischenliegenden zwei Monaten etwa 160.000 Gefangene - 62 Prozent bei einem Gesamtbestand von 257.000 Gefangenen - entgegen Stalins Anweisungen umgekommen sein müssen. Dies lag daran, dass die Rote Armee auf derart grosse Gefangenenzahlen nicht eingestellt war.

Nach dem anfänglichen Durcheinander in Stalingrad arbeiteten NKWD und Armee eng zusammen, wodurch sich die Versorgung der Kriegsgefangenen drastisch verbesserte. Nachdem die Rote Armee deutschen Boden betreten hatte, wurden Kriegsgefangene, die beim Transport von der Front in die NKWD-Lager umkamen oder flüchteten, einfach durch die erstbesten Zivilisten ersetzt, die man ergreifen konnte, damit die Zahl der Gefangenen bei der Ablieferung noch stimmte.

Die westdeutschen Erhebungen

[Die Umfrage von Dr. Margarethe Bitter: In der Westzone ca. 94%, in der Sowjetzone ca. 30%, in den besetzten Ostgebieten gar nicht - 1,4-1,7 Mio. Vermisste]

Die Bundesregierung hat in verschiedenen Erhebungen festgestellt, dass 1953 noch 1.407.000 westdeutsche Kriegsgefangene nicht zurückgekehrt waren [S.282]. Zuständig für diese Umfragen war in erster Linie der Ausschuss für Kriegsgefangenenfragen unter Leitung von Dr. Margarethe Bitter.

1) Dr. Bitters Zahl von 1.407.000 Vermissten setzt sich zusammen aus 1.272.896 Wehrmachtsangehörigen sowie einer Anzahl vermisster Angehöriger paramilitärischer Einheiten wie Flakhelfer und Kradmelder der NSDAP.
Von: "Nominal Roll of German Prisoners of War, survey conducted by the Federal Republic of West Germany, Status of 30 June, 1953, and submitted to the United Nations" (Namensliste deutscher Kriegsgefangener, Erhebung, durchgeführt von der Bundesrepublik Westdeutschland, Stand 30. Juni 1953, und den Vereinten Nationen unterbreitet). Ein Exemplar wurde dem Autor von Dr. Bitter zur Verfügung gestellt.

Nach Auskunft von Dr. Bitter wurden bei ihren Umfragen deutsche Familien nach vermissten Gefangenen und deren letztem bekannten Aufenthaltsort befragt. Etwa 94 Prozent aller Familien in den drei Westzonen wurden erfasst, dazu etwa 30 Prozent der in der Sowjetzone lebenden Familien. Von den Deutschen, die in den ehemaligen, deutschen Ostgebieten jenseits von Oder und Neisse zurückgeblieben waren, wurde niemand befragt, so dass eine beträchtliche Zahl Vermisster nicht in der offiziellen Zahl von 1,4 Millionen Vermissten enthalten ist. Da Dr. Bitters Umfrage nur etwa 52 Millionen der rund 68 Millionen Deutschen erfasste, kann man bei vorsichtiger Schätzung von mindestens 300.000 weiteren gefangenen Soldaten ausgehen, die nicht zurückkehrten. Insgesamt ergeben sich somit rund 1,7 Millionen Soldaten, denen noch die 271.000 Zivilpersonen hinzuzurechnen sind, die von den Sowjets ebenfalls gefangengenommen wurden.

[Kriegsgefangene anderer Staaten: Österreicher, Italiener, Ungarn und Rumänen]

Darüberhinaus starben in den Lagern der Alliierten natürlich nicht nur Deutsche. In den Lagern der Westmächte waren auch viele Gefangene anderer faschistischer Staaten untergebracht. In einem US-Lager bei Marseille zählte das Rote Kreuz etwa 12 Prozent nichtdeutsche Gefangene. (Den Sowjets zufolge waren rund 24 Prozent ihrer Gefangenen an der Westfront keine Deutschen. 162.000 dieser nichtdeutschen, westlichen Gefangenen starben ihren Angaben nach in ihren Lagern). In den Gefangenenlagern des Westens kamen wahrscheinlich zwischen 80.000 und 120.000 Österreicher, Italiener, Ungarn und Rumänen ums Leben.

[Russische Archie bestätigen die Berechnungen von Bacque aus den "US"-Archiven: 800.000 bis 1 Mio. Tote in den "amerikanischen" und französischen Lagern]

Die Zahlen des NKWD für in sowjetischer Gefangenschaft umgekommene Deutsche bewegen sich innerhalb des in "Other Losses" / "Der geplante Tod" gesteckten Rahmens. Das Buch wurde 1989 erstmals veröffentlicht, bevor die sowjetischen Archive geöffnet wurden. In "Other Losses" / "Der geplante Tod" wurde belegt, dass 800.000 bis 1.000.000 Europäer, hauptsächlich Deutsche, in den Lagern des Westens oder bald nachdem sie sie verlassen hatten, starben.

Weil "Other Losses" / "Der geplante Tod" bereits 1989 erschien, noch bevor die sowjetischen Archive geöffnet wurden, spricht die auffallende Übereinstimmung zwischen der sowjetischen und der in "Other Losses" / "Der geplante Tod" veröffentlichten Gesamtzahl stark für die Richtigkeit der sowjetischen Zahlen. Und umgekehrt unterstützen die nunmehr in den sowjetischen Archiven vorgefundenen Zahlen natürlich die in "Other Losses" / "Der geplante Tod" aufgestellte These [S.283].



Glaubwürdigkeit der verschiedenen Archive im Vergleich

[Die "USA" haben alle Aufzeichnungen zu den rechtlosen Gefangenen (EFT / EFK) vernichtet]

Um das Niveau der Sterblichkeit auf jeder Seite der Kalte-Kriegs-Gegner richtig einzuschätzen, muss zunächst die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Archive überprüft werden. Sodann sind auch die Augenzeugenberichte von Gefangenen und Lagerwachen zu berücksichtigen. Im Westen fehlen entsprechende Aufzeichnungen grösstenteils, oder sie sind gefälscht, geschönt, werden geheimgehalten. Zum Beispiel gibt es in den US-Archiven überhaupt keine Angaben über Todesfälle in der grössten Kategorie von Kriegsgefangenen, den DEFs (Disarmed Enemy Forces - Entwaffnete Feindkräfte). Diese Gefangenen in Händen der US-Streitkräfte, die nicht durch diese versorgt und damit nicht gemäss der Genfer Konvention behandelt wurden, waren am 4. August 1945 als einzige Kategorie der vielen Millionen Gefangenen in amerikanischen Lagern übriggeblieben. [Am 4. August 1945 definierte Eisenhower alle restlichen POWs als EFT bzw. EFK].

[Maschkes Angaben mit "kaum Todesfälle" ist gelogen]

Die von den Professoren Arthur Smith, Stephen Ambrose, Brian Villa, Günter Bischof und Michael Howard sowie von Rüdiger Overmans, John Keegan und vielen anderen vertretene Auffassung, dass es in westlichen Kriegsgefangenenlagern kaum Todesfälle gegeben habe, stützt sich fast ausschliesslich auf die von Erich Maschke herausgegebene Buchreihe "Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges". Diese Reihe wiederum hängt von der Behauptung ab, die, nach Meinung der genannten Wissenschaftler, von Dr. Margarethe Bitter aufgrund ihrer Erhebung über vermisste, deutsche Kriegsgefangene geliefert und auch bewiesen wurde. Dr. Bitter hat jedoch wiederholt gesagt, dass die von den oben genannten Autoren aus ihrer Arbeit gezogenen Schlüsse falsch sind.

Das Rote Kreuz und die Namen

[Russland öffnete die Archive - 50.000 deutsche und 38.000 japanische Fälle gefunden - "USA", F und GB halten ihre Archive geschlossen - Archive des Roten Kreuz]

Wie wir bereits sahen, hat das Russische Rote Kreuz im Laufe der Jahre auf Nachfrage deutscher Familien in über 50.000 Fällen Auskunft über das persönliche Schicksal von deutschen Soldaten erteilt, die in sowjetischer Kriegsgefangenschaft starben. Den Japanern wurden ähnliche Auskünfte in 38.000 Fällen erteilt. Experten des DRK-Suchdienstes haben in den ZSSA-Archiven in Moskau die Daten von über einer Million Kriegsgefangenen aus dem Russischen ins Deutsche übertragen. Derart ausführliche Informationen stehen weder in amerikanischen noch französischen oder britischen Archiven zur [S.284] Verfügung. Und die Archive des Internationalen Roten Kreuzes in Genf bleiben jedem verschlossen, der etwas über das Schicksal von deutschen Kriegsgefangenen in alliierter Hand erfahren möchte. Nach Auskunft des Roten Kreuzes bleiben diese Archive grundsätzlich jedem verschlossen, doch in den letzten Jahren wurden sie anderen Autoren, die Nachforschungen unter deutsche Kriegsgefangenenlager oder Vertriebene anstellten, zumindest in drei Fällen geöffnet. Diese unterschiedlichen Verfahrensweisen werden nicht begründet.


Deutsche Zahlen bestätigen den Kaschirin-Bericht

[Die Toten auf dem Weg von der Front ins Gulag-Lager]

Jene, die glauben, dass es in westlichen Lagern keine aussergewöhnlichen Todesfälle gab, führen an, dass die sowjetischen Archive zwar der Wahrheit entsprechen mögen, aber unvollständig seien. Die Professoren Brian Villa aus Ottawa und Stefan Karner aus Graz vertreten zum Beispiel die Ansicht, dass Hunderttausende deutscher Kriegsgefangener auf dem Weg vom Ort der Gefangennahme an der Front zu den NKWD-Sammellagern umkamen. Prof. Villa bleibt einen Beweis hierfür schuldig. Prof. Karner bezeichnet die Zahl von 800.000 solcher Todesfälle als "Dunkelziffer".

[Anzahl Verluste durch Gefangennahme: Vergleich Wehrmacht und KGB-Akten - praktische Übereinstimmung]

Sehen wir uns diese Dunkelziffer einmal näher an. Die Wehrmacht selbst gibt im Kriegstagebuch des OKW für Ende Januar 1945 eine Gesamtzahl an Verlusten durch Gefangennahme an allen Fronten von 1.902.704 an.

2) Martin K. Sorge: "The Other Price of Hitler's War", S. 68


Die Westalliierten hatten an der nordwesteuropäischen Front 745.877 Gefangene gemacht.

3) Daily PW [Prisoners of War] Report for 1 Feb 1945, HQ [Hauptquartier], ETO, US Army, SHAEF Papers, theater Provost Marshal, Modern Military Records, NARS.
 [National Archives and Records Service (USA)]

Weitere 350.000 Gefangene waren bereits von Nordafrika und Sizilien aus nach Kanada und den USA geschickt worden. Auf diese Weise hatten die Westalliierten insgesamt 1.095.877 Gefangene gemacht, von denen etwa 80 Prozent oder 876.700 Deutsche waren. durch Subtraktion der alliierten Gefangennahmen von der Gesamtzahl der von der Wehrmacht angegebenen Verluste erhält man die Zahl derjenigen Soldaten, die den Sowjets an der Ostfront in die Hände fielen. Nach dieser Berechnung hätten die Sowjets etwa 1.026.000 Gefangennahmen von deutschen Soldaten verzeichnen müssen. Tatsächlich verzeichneten sie zu dem genannten Zeitpunkt 1.059.298 Gefangene.

4) "Ohne den Stempel "Geheimsache", und Kaschirin: "Sprawka". IN der genannten Zahl sind auch etwa 50.000 Österreicher inbegriffen, da die Sowjets erst nach dem Sieg begannen, zwischen Deutschen und Österreichern zu unterscheiden.

Hier zeigt sich zweifelsfrei, dass die sowjetischen Gefangenenzahlen und die deutschen Angaben über Verluste durch Gefangennahmen praktisch übereinstimmen.
5) Nach Kaschirin "Sprawka" hatten die Sowjets bis Ende Januar 1945 etwa 1.250.000 faschistische Gefangene gemacht, von denen zu diesem Zeitpunkt rund 250.000 bereits gestorben waren. Von den 1.250.000 Gefangenen [S.289] waren etwa 76 Prozent oder 954.000 Deutsche. Ende 1944 verfügten die NKWD-Lager über Kapazitäten für 905.600 Gefangene, so dass die Lager zu dieser Zeit oftmals überfüllt waren.

Das Verhältnis von 76 Prozent deutschen zur Gesamtzahl der Gefangenen in sowjetischer Hand ergibt sic, wenn man die Gesamtzahl von 2.661.232 gefangenen deutschen Soldaten und Zivilisten (nach Kaschirin) in Bezug zur Gesamtzahl von 3.486.206 Gefangenen an der sowjetischen Westfront (nach Bulanow) setzt.

[Maschke: 3.060.000 deutsche Kriegsgefangenen in der Gulag-"Sowjetunion" - die Rote Armee: 2.546.242 - mit Zivilinternierten: 2.817.914 - Desertionen]

Nach dem Krieg stellte der Maschke-Ausschuss fest, dass die Deutschen [S.285] bei Kriegsende 3.060.000 Gefangene an die Sowjets verloren hätten.

6) Erich Maschke (Hg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des 2. Weltkrieges: Eine Zusammenfassung. Band XV, S. 207

Die Rote Armee - nicht der NKWD - berichtete über Gefangennahmen auf dem Schlachtfeld, das heisst vor dem Abtransport in die Sammellager, von insgesamt 2.546.242 Deutschen und Österreichern. Zählt man die "internyrovannije", das heisst die Zivilinternierten, hinzu, so ergibt sich eine Gesamtzahl von 2.817.914 Gefangennahmen.

7) Generalhauptquartier der Roten Armee, ZAMO (Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums) F. 13-A, Op. 3028 d.10, list 1-15, und ZGA (Zentrales Staatsarchiv) F, ip, op. 32-b, d.2, list 8-9, in den Archiven der Roten Armee, Podolsk. Mit Dank an Martin Reesink, der die Nachforschung und Übersetzung besorgte.

Der Unterschied von etwas mehr als 200.000 ergibt sich höchstwahrscheinlich aus den zahlreichen Desertionen deutscher Soldaten von der Ostfront, die in den letzten Kriegswochen ein ernstes Problem darstellten, aber offenbar von Maschke nicht in Betracht gezogen wurden. Innerhalb einer Woche (1.-8. Mai 1945) nahmen die Sowjets 634.950 Gefangene. Briten und Kanadier nahmen an eineinhalb Tagen im Mai eine halbe Million Gefangene. So viele Deserteure strömten nach Westen, dass Eisenhower im Mai seine Front gegen sie abriegeln musste.

Damit wäre also geklärt, dass auf dem Weg von der Gefangennahme auf dem Schlachtfeld bis zum ersten sowjetischen Lager, in dem die Gefangenen gezählt wurden, unmöglich eine grössere Zahl von ihnen umgekommen sein kann.

Fälschung und Irrtum in der Sowjetunion

[Die KGB-Archive sind nicht gefälscht]

Fälschungen gab es, allerdings nur ausserhalb der NKWD/MWD-Archive, während des Krieges und danach für Zwecke der Diplomatie und Propaganda. Die zeitgenössischen Zahlen in den Archiven von NKWD und Roter Armee jedoch sind die zuverlässigsten, die es überhaupt gibt.

8) Nach dem Krieg gaben die Sowjets Japanern und wahrscheinlich auch Italienern gegenüber falsche, zu niedrige Todeszahlen an, also taten sie dies möglicherweise auch gegenüber deutschen Behörden. Vizeaussenminister Serow schrieb im Jahr 1949 an Aussenminister Andrej J. Wyschinski, die den Italienern bekanntzugebende Zahl der Toten müsse "diejenige, die wir beschlossen haben", sein. Wir wissen auch, dass die Sowjets absichtlich die den Japanern übergebenen Totenzahlen fälschten (Alexej Kirischenko in dem Wochenmagazin "Novoje Vremja", Nr. 40/1989).

Dass die NKWD-Archive selbst nicht gefälscht wurden, geht eindeutig aus der Tatsache hervor, dass die Sowjetbehörden diesen Dokumenten selbst glaubten und sie fürchteten. Die Archive enthalten Belege, die für Berija selbst und das ganze Regime äusserst peinlich geworden wären, falls die Öffentlichkeit Kenntnis von ihnen erlangt hätte. Der Petrow-Bericht ist das beste Beispiel dafür. Falls Fälschungen die Praxis gewesen wären, so wäre dieser Bericht sofort verschwunden, da er einen eklatanten Verstoss gegen Stalins ausdrücklichen Befehl von 1943 enthüllt, keine Gefangenen-Arbeitskraft zu verschwenden [S.286].


Die deutschen Zahlen

[KGB-Archive sind vollständig erhalten - westliche Archive sind in Sachen Kriegsgefangene oft gefälscht oder zum Teil vernichtet]

Die Zahl von 1,4 Millionen vermissten, deutschen Soldaten aus der Adenauer / Bitter-Erhebung ist nie angezweifelt worden. Sie wird als völlig glaubwürdig akzeptiert. Nur eine Frage lauert im Hintergrund: Wer ist für den Tod der vermissten Deutschen verantwortlich? Nun, da sich die Sowjetarchive geöffnet und als die zuverlässigsten aller Archive erwiesen haben, muss derjenige, der behauptet, im Westen habe es sehr wenig oder gar keine Todesfälle gegeben, alle oder fast alle Todesfälle den Sowjets in die Schuhe schieben und gleichzeitig behaupten, dass die sowjetischen Archive gegenüber denen des Westens wertlos sind. Die westlichen Archive aber sind unvollständig, irreführend, unsystematisch und stecken voller Eigenlob. Ein leitender Beamter des US-Nationalarchivs, Eddy Reese, gab offen zu, dass eine grosse Zahl von Lagerdokumenten aus unbekannten Gründen bald nach dem Krieg vernichtet wurde. Die Aufzeichnungen der Briten sind sehr oberflächlich; personenbezogene Daten enthalten sie sowieso nicht. Die französischen Archive sind notorisch unvollständig, und was vorhanden ist, erweist sich als trügerisch. Die Aufzeichnungen des Internationalen Roten Kreuzes, das Beobachter in einige westliche Lager entsandte, sind Wissenschaftlern verschlossen. All dem gegenüber sind die sowjetischen Archive ausserordentlich detailliert, sehr umfangreich, in sich schlüssig, öffentlich und belastend.

Die sowjetischen Zahlen über die Gefangennahme deutscher Zivilpersonen liegen höher, als die Deutschen selbst nach dem Krieg angenommen hatten.

[Akten aus Japan und Kanada bestätigen die KGB-Archive in Moskau]

Belege aus Japan und Kanada sind weiter Indizien für die Genauigkeit der NKWD-Angaben über die Todesfälle. Die Erfahrungen von kanadischen Soldaten in japanischen Gefangenenlagern lassen sich auch auf sowjetische Verhältnisse übertragen. Die japanischen Lager genossen lange Zeit den Ruf, die schlimmsten der Welt zu sein, mit Ausnahme vielleicht der deutschen Lager für russische Gefangene. Der japanische Befehlshaber über die philippinischen Lager, General Masaharu Homma, wurde wegen seiner Teilnahme an der Verwaltung dieser Lager als Kriegsverbrecher verurteilt und hingerichtet.

[Vollständige, kanadische Archive]

Die kanadischen Akten wurden mit Sorgfalt geführt und sind absolut zuverlässig. Die Zahlen lauten: 1689 gefangengenommen, 1423 nach Kanada zurückgekehrt, 266 in Gefangenschaft verstorben. Viele Soldaten waren im Kampf verwundet worden, bevor sie in Gefangenschaft gerieten.

Die kanadischen Kriegsgefangenen verbrachten durchschnittlich 3,8 Jahre [S.287] in japanischer Gefangenschaft. Die Sterberate für den gesamten Zeitraum betrug 16 Prozent, aufs Jahr umgerechnet etwa 4,1 Prozent. die Deutschen verbrachten durchschnittlich 4,5 Jahre in sowjetischer Gefangenschaft. Die jährliche Sterberate betrug in diesem Fall 4,2 Prozent.

9) Statistische Angaben von John Stroud, Präsident der Hong Kong Veterans Association, Ontario Branch; In: Toronto Star, 17. Juli 1993, S. D3.

Nach den sowjetischen Unterlagen war die jährliche Sterberate der Deutschen in russischen Lagern höher als die der Kanadier in japanischen Lagern. Dies bedeutet, dass die Sowjets Aufzeichnungen anfertigten, aus denen hervorging, dass sie Greuel an Kriegsgefangenen begingen, die schlimmer waren als diejenigen, für die General Homma die Todesstrafe erhielt.

[Todesliste aus dem Sowjetlager Novo Troitsk - Hunger bis 1945 - Mundraub durch Wachen - Offizier Trofimow mit Massnahmen gegen Korruption und für bessere Versorgung]

Eine weitere Wahrheitsprobe lässt sich anhand der Todeslisten durchführen, die von dem Österreicher Rudolf Haberfellner, der heute in Toronto lebt, aus einem Sowjetlager geschmuggelt wurden. Haberfellner wurde 1943 gefangengenommen und lernte verschiedene Lager kennen, darunter Novo Troitsk, wo er und andere die Todesfälle in den Lagern beobachteten und darüber Buch führten. Die Verhältnisse, unter denen die Gefangenen vor dem Sommer 1945 leben mussten, waren besonders schlimm, weil die Lagerwachen auch hungern mussten und den Gefangenen das essen wegnahmen. Doch die Lebensbedingungen verbesserten sich abrupt mit dem Amtsantritt eines herausragenden Offiziers, eines früheren russischen Panzerkommandeurs namens Trofimow, der mit der Korruption aufräumte. Gleichzeitig wurde die Lebensmittelversorgung verbessert, so dass die Sterberate drastisch zurückging.

[Die Liste mit 195 toten Österreichern aus dem Gulag von Haberfellner zeigt 8,8% Todesrate im Gulag - der Bulanow-Bericht hat 7%]

Die Gefangenen führten ihre eigenen Todeslisten, weil sie nicht glaubten, dass die Sowjets jemals die Wahrheit über die Zustände in den Lagern preisgeben oder die Angehörigen benachrichtigen würden, wenn ein Gefangener starb. Haberfellner gelang es, die Namen von 195 verstorbenen Österreichern auf kleine Papierfetzen zu übertragen, die er dann in die Schultern seines Mantels einnähte. Als er 1947 entlassen wurde, schmuggelte er die Namen mit in die Freiheit [unter das zionistische Diktat-Gebiet Europas]. Soweit dem Autor bekannt, ist dies der einzige Fall, in dem es gelang, eine Sammlung von Verstorbenendaten aus einem sowjetischen Lager zu schmuggeln (ein Foto davon befindet sich im Besitz des Autors in Toronto). Haberfellner schätzt, dass weniger Österreicher als andere Gefangene umkamen, doch über die hatte er keine Zahlen mitgebracht.

Die Gesamtzahl der österreichischen Gefangenen, ungefähr 2200, war für Haberfellner leicht festzustellen, da alle Österreicher vor der Entlassung im Jahr 1947 eingesammelt und in einem besonderen Lagerbereich untergebracht wurden. So war es leicht für Haberfellner und seine Freunde, sie zu zählen. Aus der Todesliste für das gesamte Lager einschliesslich aller anderen [S.288] Nationalitäten las Haberfellner sämtliche österreichischen Namen heraus. 195 Tote unter 2200 Österreichern machen etwa 8,8 Prozent aus. Die Gesamt-Sterberate für Österreicher lag nach dem Bulanow-Bericht bei 7 Prozent.

Die Diskrepanz erklärt sich wahrscheinlich aus der Tatsache, dass diese Österreicher früher gefangengenommen worden waren und auch früher entlassen wurden als andere, so dass proportional ein grösserer Anteil ihrer Gefangenschaft in die Zeit fiel, als die Lebensmittelrationen knapp waren. Wie andere Gefangene berichteten, verbesserte sich die Ernährungslage bei Kriegsende drastisch. Heinz Pust schrieb, dass jeder Gefangene in seiner Gruppe im Sommer 1945 täglich 300-600 Gramm Brot erhielt, dazu Zucker, Grütze, Suppe und sogar Tabak.

10) Heinz Pust: Als Kriegsgefangener in der Sowjetunion. Erinnerungen 1945-1953"; In: Kriegsgefangenschaft, S. 22

Ebenso zuverlässig und über jeden Zweifel erhaben erwiesen sich die sowjetischen Archive im Hinblick auf Kriegsgefangene aus Polen und Japan sowie auf internierte Zivilisten aus Deutschland selbst [S.289].


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Quellen


Fotoquellen





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