2. Die Vorgeschichte
Zuerst erhalten die Katholiken das Monopol in
Spanien-Österreich und Portugal, die ganze Welt für sich
aufzuteilen. Luther und andere Reformatoren setzen sich dann
gegen das Diktat des Vatikans durch und übersetzen die Bibel
in die Landessprache, so dass jeder das Buch lesen kann und
somit kontrollieren kann, was die Pfarrer und Bischöfe sagen.
Gegen diese Kontrolle wenden sich die Katholiken mit aller
Macht und führen Kriege bis zum Gehtnichtmehr. Diese Kriege
werden sicher auch im Namen des Kolonialismus geführt, denn
die Katholiken mit Spanien-Österreich und Portugal wollen ihre
Weltmacht behalten und nie teilen. Die Protestanten verbreiten
sich aber im Untergrund immer mehr, denn niemand lässt sich
mehr das Bibellesen verbieten und die Kontrolle über das, was
da der Pfarrer auf der Kanzel sagt. Und so steigt in Europa
die Spannung zu einem gigantischen Krieg an, bis die
Katholiken endlich akzeptieren, dass man die Bibel lesen darf
und den Profit aus dem Kolonialismus teilen muss.
Die Vorgeschichte im Hause Habsburg: Kaiser Rudolf
II. bis 1612 - Kaiser Matthias I. verlegt den Hof von Prag
nach Wien
Der habsburgische Prinz Matthias wird 1608 König von Ungarn
und Kroatien, und 1611 König von Böhmen. Dabei wird er vom
Bruder Rudolf II. zurückgedrängt. Rudolf II. hält in Prag Hof
und versammelt Maler wie den in Köln geborenen Hans von Aachen
um sich. Rudolf stirbt 1612. Matthias I., der Sohn von Kaiser
Maximilian II., geboren am 24. Februar 1577, wird 1612 zum
Kaiser gewählt. Matthias I. als Kaiser verlegt den Hof nach
Wien. Die Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken aber
spitzen sich zu.
Die Vorgeschichte in Paris - und Maria von Medici
1610: Maria von Medici wird Königin von Frankreich - und
dann wird König Heinrich IV ermordet
Maria von Medici ist die Ehefrau des französischen Königs
Heinrich IV. Dabei wartet Maria von Medici lange auf ihre
Krönung als Königin. Dies geschieht dann endlich 1610, aber
einen Tag danach wird ihr Ehemann, der Gatte König Heinrich
IV. ermordet. Dies wird alles auf einer Münze von 1625
dargestellt. Dann bleibt Maria von Medici so lange Königin von
Frankreich, bis sie von ihrem eigenen Sohn Ludwig XIII. ab
1617 "kaltgestellt" wird.
<Vor dem Zerwürfnis - Medaille zu Ehren der Medici
Die Vorderseite präsentiert Maria von Medici als Königin von
Frankreich und Navarra (in Spiegelschrift: MARIA AUG. GALLIA
ET NAVARAE REGINA). Auf diesen Titel wartet sie lange: gekrönt
wird sie erst 1610, einen Tag vor der Ermordung ihres Gatten
König Heinrichs IV.
Die Rückseite mit der Umschrift LAETA DEUM PARTU beschwört die
Fruchtbarkeit als Geschenk Gottes. Sie zeigt Maria als
griechische Göttermutter Kybele, umgeben von ihren Kindern als
antike Götter.
Um 1625, als die Prägung entsteht, residiert Maria
unangefochten in Paris - bevor sie von ihrem auf der Medaille
als Jupiter gezeigten Sohn Ludwig XIII. (ab 1617 [web09])
kaltgestellt wird. Medaille (nach einer Vorlage) von Guillaume
Dupré (1574-1647) - Kupfer>
Maria von Medici fördert dann den Aufstieg von Kardinal
Richelieu, wird aber auch von ihm schliesslich 1630
kaltgestellt und flüchtet 1631 ins Exil [web09].
Maria von Medici-Medaille (Sonderausstellung Köln 2014)
Die Vorgeschichte in Köln
Protestantische Untergrundgemeinden und Synoden
Köln ist im 17. Jahrhundert noch eine überaus katholische
Stadt, und in dieser Zeit kommen sogar Bischöfe aus Bayern, um
ja keine Reformation in Köln zuzulassen. Der Dom ist ja erst
halb gebaut und soll ja irgendwann einmal noch fertig werden.
Protestanten werden geächtet und fertiggemacht. Im Untergrund
aber formieren sich die Protestanten. Die "hochdeutschen"
Protestanten im Untergrund von Köln bilden eigene Synoden, am
Niederrhein in Jülich und in Cleve, und in Sonnborn die
"Bergische Provinzialsynode":
Protestantische Gemeinden um Köln schliessen sich zur
"Bergischen Provinzialsynode" zusammen
<Durch den überregionalen Zusammenschluss zur Bergischen
Provinzialsynode sichern die evangelischen Gemeinden der
Region ihre Existenz.>
Die Bergische Provinzialsynode tagt in Sonnborn, heute ein
Teil von Wuppertal [web11] seit 1591. Daneben existieren die
älteren evangelischen Provinzialsynoden von Jülich und Cleve.
Die Mitglieder sind zum Teil holländische Flüchtlinge, die vor
den Spaniern geflüchtet sind [web12].
Verehrung von elftausend Jungfrauen - St. Ursula in
Köln
<Schon im 12. Jahrhundert ist der Besuch der
mittelalterlichen "camera aurea" von St. Ursula als zentrale
Stätte der Reliquienverehrung der elftausend Jungfrauen bei
jedem Kölnbesuch ein Muss.>
<Tausende von Ursulabüsten werden zwischen dem 13. und dem
15. Jahrhundert gefertigt und in ganz Europa verkauft: Ein
Exportschlager "Made in Cologne".>
1598-1601: Kölner Rathaus: Das Stadtwappen am Hansasaal
Der Bildhauer Melchior von Reidt (Mitglied der Kölner
Steinmetzer-Zunft [web06]) führte schon die "Belebung" des
Rathauses mit figürlichen Darstellungen aus. Das Ratsgestühl
und die prachtvollen Türen des Senatssaales stammten schon von
ihm [web05]. Und dann folgt der Auftrag für ein Prunkportal
für den Saal im Obergeschoss (Hansasaal, [web05]) des
Rathauses:
<Ein Prunkportal von Melchior von Reidt
Kurz vor 1600 erhält Melchior von Reidt vom Kölner Rat den
Auftrag, für den Treppenhauszugang vom Turm zum Obergeschoss
ein Portal anzufertigen. Dieses prächtig gestaltete Kölner
Wappen schmückt als Supraporte sein neues Portal, das zum
Festraum im Obergeschoss führt. Melchior von Reidt, Köln,
1598-1601, Lindenholz, farbig gefasst.>
Das Prunkportal im Rathaus von Köln
am Eingang zum Hansasaal mit dem Kölner Wappen, 1601
(Sonderausstellung Köln 2014)
1594-1606: Der Bau des neuen Zeughauses wegen den neuen
Kanonen
Das neue "Verteidigungswesen" [mit den neuen Kanonen]
erfordert eine neue "Garage" - das Zeughaus. Das alte
"Blidenhaus" an der römischen Stadtmauer genügt nicht mehr.
Zitat: <Die Entwicklung des Verteidigungswesens erfordert
den Neubau eines weiteren städtischen Gebäudes - des
Zeughauses. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts genügt das alte
"Blidenhaus" an der römischen Stadtmauer nicht mehr den
Ansprüchen der Zeit. [...]>
<Der Bau des Zeughauses beginnt 1594. Die Entwicklungen in
der Waffentechnik [es fehlt eine Kanonen-"Garage"] fordern
einen Neubau dieses städtischen Waffenarsenals. Der Bau, wohl
von Stadtsteinmetzmeister Peter von Blatzheim entworfen, steht
konventionell in der Tradition der Gotik. 1595 erhält er
jedoch durch einen Beschluss des Rates eine "moderne" Zutat:
Das Nordportal entsteht im Stil der niederländischen
Spätrenaissance. Das Innere des 1606 vollendeten Zeughauses
folgt der überregional üblichen Bauweise: Durch
wohldurchdachte Konstruktionen im Raum wird sichergestellt,
dass die dort eingelagerten Kanonen stets schnell herausgeholt
bzw. eingefahren werden können.>
Die "Nasenringe" in der "Kanonengarage"
<Das alte Zeughaus: Ein Foto aus vergangener Zeit
Dort, wo sich heute die Dauerausstellung des Kölnischen
Stadtmuseums befindet, lässt sich 1920 noch erahnen, wie das
Zeughaus ursprünglich ausgesehen hat. Das zweischiffige
Erdgeschoss verfügt noch über die ursprüngliche, im Zweiten
Weltkrieg zerstörte Wölbung. Die Eisenringe in den
Schlusssteinen werden im 17. Jahrhundert zum Heben der Kanonen
genutzt. Kölnisch, 1920, Fotografie>
Das neue Zeughaus von Köln mit der
Kanonengarage mit Nasenringen an der Decke, Foto von 1920
(Sonderausstellung Köln 2014)
Das Portal des neuen Zeughauses
<Ruhm und Macht Kölns: Das neue Zeughaus-Portal
um 1595 erhält der Steinbildhauer Pieter Cronenborch vom Rat
der Stadt Köln den Auftrag, das Nordportal des Zeughauses zu
gestalten. So erhält der Bau eine "moderne" Zutat. Denn
Cronenborch kennt aus den Niederlanden die neuen Stiltendenzen
der Spätrenaissance. Überhaus üppig verziert, verherrlicht
sein neues Portal Ruhm und Macht der Stadt Köln. Peter
Cronenborch, Köln, um 1595, lavierte Federzeichnung.>
[1602-1796: Amsterdam mit der Ostindischen Kompanie (VOC) -
Dauerkonkurrenz gegen Spanien und Portugal
Fortan konkurrenziert Amsterdam mit einer eigenen Ostindischen
Kompanie die brutalen katholischen Weltherrschaften von
Spanien und Portugal. Schrittweise werden an der afrikanischen
Küste, in Asien und in Süd-"Amerika" holländische Festungen
("Handelsposten") und Kolonien eingerichtet, dann auch noch
mit einer Westindischen Kompanie für die Karibik, und mit dem
von den Holländern abgewickelten Sklavenhandel mit
Sklavenschiffen. All dies provoziert Kriegspläne Spaniens,
Holland zu vernichten, und wahrscheinlich ist dies mit ein
Hauptgrund für den späteren Dreissigjährigen Krieg].
VOC-Schiffe, die Dauerkonkurrenz gegen Spanien und Portugal
im Kolonialismus,
wahrscheinlich mit ein Auslöser für den späteren 30-jährigen
Krieg [3]
1608: Der "Neue Bau" - ein neuer Versammlungsraum am
Rathausplatz
<Um 1605 lässt der Rat ein Gebäude für grössere
Versammlungen errichten. Der Bau im Stil der niederländischen
Spätrenaissance steht ab 1608 an der Nordwestecke des
Rathausplatzes: Die bedeutendste, städtische Bauschöpfung des
17. Jahrhunderts in Köln. In den Akten wird er stets als
"Neuer Bau" bezeichnet.>
Köln und seine Stadtmauer
Die Stadt Köln hat im 17. Jahrhundert hinter der grossen
Stadtmauer geschützt.
Stadtbild
<Auch die damals in Köln errichteten Bauten prägen das
Gesicht der Innenstadt bis in das 20. Jahrhundert.>
16.Jh. Medien: Köln entwickelt sich als Nachrichtenzentrum
mit Post, Buchdruck und ersten Zeitungen
<In Europa vollzieht sich eine Medienrevolution. Der Ausbau
des Postwesens führt bereits im 16. Jahrhundert zur Zunahme
und Beschleunigung des Informationsaustauschs. Vorher
vermeintlich weit voneinander entfernte Orte werden nun
schnell mit Nachrichten versorgt. Köln etabliert sich im 17.
Jahrhundert dauerhaft im System der Reichspost als
Nachrichtenzentrale und Kommunikationszentrum im Nordwesten
des Reiches.
Auch dem Buchhandel bietet der Wirtschaftsstandort Köln beste
Möglichkeiten. Buchdruck und -handel sind ein lukratives
Geschäft - die Kölner Verleger verdienen. Gerade mit
religiösen Themen lassen sich erhebliche Gewinne und Absätze
erzielen. Die lateinische Ausgabe der "Vitae Sanctorum" des
Laurentius Surius wird mit 1000 Exemplaren gedruckt und
schnell verkauft. Köln ist das katholische Druckerzentrum.
Auch in den Anfängen des neuen Mediums "Zeitung" spielt Köln
eine herausragende Rolle: Hier entstehen zahlreiche frühe
Zeitungen - klassische Nachrichtenblätter, die aktuelle
militärische und politische Ereignisse zusammenstellen.>
Medien in Köln: Buchdruck in Köln
<Arnold Quentel
Arnold Quentel (1555-1621) entstammt der berühmten Kölner
Druckerfamilie der Quentels. 1595 übernimmt er Druckerei und
Verlag. Er wird vor allem mit religiösen Publikationen ein
erfolgreicher Druckerverleger in der Reichsstadt. Der Katholik
Quentel ist eng mit den Kölner Jesuiten verbunden. Er bleibt
kinderlos und vermacht ein Viertel seines erheblichen, vor
allem in Grundbesitz angelegten Vermögens der Kirche. Der
Maler Geldorp Gortzius zeigt den stattlichen Bürger mit einem
1610 datierten Buch aus dessen Produktion. Geldorp Gortzius
zugeschrieben, Köln 1610, Gemälde auf Holz.>
Arnold Quentel, Portrait mit Buch, Gemälde von Geldorp
Gortzius 1610 (Sonderausstellung Köln 2014)
Buchbinderei in Köln
<Siegelstempel der Kölner Buchbinder
Das Spezialgewerbe der Buchbinder entwickelt sich im 16.
Jahrhundert aus dem Buchdruckergewerbe. In Köln werden die
Buchbinder 1595 zünftig.>
<Medium in Kinderschuhen: Die Zeitung
Zeitungen als Nachrichtenblätter prägen die
Kommunikationskultur des 17. Jahrhunderts auch in Deutschland.
Meist wöchentlich erscheinende "Postzeitungen" enthalten auf
häufig vier Seiten gemischte Nachrichten aus den politischen
Hauptorten.>
Zuerst waren es seit 1380 Kaufmannsbriefe, dann ab 1605 machte
eine Wochenzeitung aus Strassburg den Anfang ("Relation aller
Fuernemmen und gedenckwuerdigen Historien"), herausgegeben von
Johann Carolus. Es folgten u.a. 1609 die Wochenzeitung "Aviso"
aus Wolfenbüttel und um 1615 die "Frankfurter Postzeitung"
[web03].
Pelzhandel in Köln mit Familie Jabach
<Die Kölner Familie Jabach
Zu den bekanntesten Kölner Familien des 16. und 17.
Jahrhunderts zählen die Jabachs mit ihrem internationalen
Pelz- und Fellhandel. Wichtigster Standort neben Köln ist
Antwerpen. Hierin zieht Everhard II Jabach schon 1566. Dann
folgt der Krieg zwischen Spanien und den nach Unabhängigkeit
strebenden niederländischen Provinzen. Deshalb kehren die
Jabachs 1577 nach Köln zurück. Dennoch: Von Antwerpen und Köln
aus wird ein Europa umspannender Handel aufgebaut.>
Everhard (Eberhard) Jabach, Kölner Pelzhändler und später
Kunstsammler in Paris, Portrait [1]
Freundschaft der Familie Jabach mit dem Bildhauer
Giambologna
<Eine badende Venus im Hause Jabach
Giambologna, Statuette "Badende
Venus", von Jabach als Siegelstempel umgearbeitet
(Sonderausstellung Köln 2014)
Die Venus aus vergoldeter Bronze stammt aus der Werkstatt des
Giambologna (Giovanni da Bologna) (geboren 1529 im heutigen
Nordfrankreich, gestorben 1608 in Florenz [web10]). Dessen
weit verbreitete Kleinplastiken werden in Serie gegossen.
Von dieser Venus sind 14 weitere Exemplare erhalten. Wegen der
sorgfältigen Bearbeitung gilt sie als eines der wenigen
eigenhändigen Stücke Giambolognas. Ursprünglich entwirft er
sie 1555-1561 als "bozetto", als plastische Skizze.
Everhard IV [Eberhard IV] gefällt diese kostbare Skulptur wohl
besonders gut: Er lässt sie zu einem täglichen
Gebrauchsgegenstand umarbeiten. Durch Montieren einer
Siegelplatte unter den Sockel wird die Statuette in ein
Petschaft umgewandelt. Dieser Siegelstock gelangt später in
den Besitz von Ferdinand Franz Wallraf.
Petschaft, Statuette "Badende Venus" - Giambologna (Giovanni
da Bologna) - Florenz 1564, Guss um 1600, Bronze,
vergoldet>
Das Siegel von Jabach mit der Venus-Figur von Giambologna
(Sonderausstellung Köln 2014)
Kokosnusspokale als Zeichen für Weltbildung in Köln
<Wohlstand und Weltgewandtheit: Kölner Kokosnusspokal
Das Einfassen von Kokosnüssen in kostbare Pokale gehört seit
dem 16. Jahrhundert zu den Spezialitäten der Kölner
Goldschmiede.
Diese Tradition hält sich bis ins 17. Jahrhundert. Auch in
Kriegszeiten gibt es hierfür einen Markt: Wohlhabende Kölner
Bürger verlangen nach Objekten, die über den alltäglichen
Gebrauch hinausgehen.
Gerade mit exotischen Kokosnusspokalen kann man Wohlstand,
Weltgewandtheit und Bildung zeigen. Die Pokale sind oft mit
christlichen Motiven reich verziert, kommen aber auch in
schlichter Gestaltung vor.>
Diskriminierte und Kranke im 16. Jh. rund um Köln: Lepra
und Juden ausserhalb der Stadtmauern
<Aussätzige und Juden: Köln und sein Umland
Der "kölnische Schweidt" legt als Landkarte die Bereiche fest,
in der die "Bauernbänke" - Genossenschaften der Kölner
Grundbesitzer - Weiderecht innerhalb des Burgbannes der Stadt
besitzen. Er zeigt aber auch deutlich die Kölner
Leprosenhäuser im Norden, Westen und Süden der Stadt. Auch der
Judenbüchel, der jüdische Friedhof an der Bonner Strasse im
Süden, ist zu erkennen.>
<-Süden -
Karte von Köln und dem Umland im
16. Jh. - Norden ->
(Sonderausstellung Köln 2014)
Ein Seechenhaus und ein Judenbüchel
südlich von Köln - ein Siechenhaus nördlich von Köln
(Sonderausstellung Köln 2014)
Lepra und Leprahäuser ausserhalb der Stadtmauern:
Judenbüchel, Riehl, Rodenkirchen, Melaten
<Aussätzige in Melaten: Die lebenden Toten
Seit dem Mittelalter ist Lepra in Europa verbreitet: Eine
bakterielle Infektionskrankheit, die zu knötchenartigen
Geschwulsten auf der Haut oder zu Verstümmelungen an Gesicht,
Händen und Füssen führt.
Wer an Lepra erkrankt, gilt fortan für die Gesellschaft der
Gesunden als tot. Er wird zum Aussätzigen. Diese leben in
einem der vier Kölner Leprosenhäuser: am Judenbüchel im Süden,
in Riehl, in Rodenkirchen und im Westen auf Melaten.
Deren strenge Vorschriften zwingen die Kranken, eine besondere
Leprosenkleidung zu tragen: In der frühen Neuzeit Joppe,
Kniehose und grossen Hut. und er muss die Gesunden vor
Kontakten warnen mit der Klapper, die von weitem zu hören ist.
Besuche in der Stadt sind selten und nur unter Begleitung
eines "Schellenknechtes" möglich.>
Das arrogant-katholische Dom-Köln - katholisches Nazitum
<"Jede Jeck es anders"? In der Frühen Neuzeit hat dieses
kölsche Bekenntnis zu Toleranz noch keine Gültigkeit. Vor
allem Andersgläubige, "Unkatholische", sind im katholischen
Köln von Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung
betroffen.>
Die Kölsche Dom-Diktatur gegen die Protestanten -
Protestantismus im Untergrund
<Die vier evangelischen Gemeinden können ihren Glauben bald
nur noch im Verborgenen ausüben. Viele flüchten vor den
Repressalien aus der Stadt oder besuchen heimlich
Gottesdienste im rechtsrheinischen Mülheim.>
[Nun, das ist kaum möglich, "heimlich" den Rhein zu überqueren
und so "heimlich" nach Mülheim zu gehen. Diese Entwicklung,
die Bibel in der eigenen Sprache zu lesen, und einen
Gottesdienst in der eigenen Sprache zu erhalten, steht wohl
unter ständiger Beobachtung der eifersüchtigen, Kölner
Bischöfe, die immer noch meinen, dass Menschen nicht denken
dürfen...]
<"Weil die Gefahr des Orts teglich wechst..." - heimliche
evangelische Gemeinden in Köln
[...] Trotz abschreckenden Vorschriften fassen seit dem 16.
Jahrhundert auch nichtkatholische ´Glaubensgemeinschaften in
Köln Fuss. Um jegliche Einflussnahme von "Nichtkatholiken"
auszuschliessen, werden ab den 1570er Jahren nur noch
Katholiken zur Wahl in den Rat zugelassen. Die
nicht-katholischen Glaubensgemeinschaften drängt man ins
Private ab. Sie müssen insgeheim ihrem Glauben nachgehen.>
Evangelisch-reformierter Siegelstempel der Stadt Köln von
1572 (Sonderausstellung Köln 2014)
<Mehrere evangelische Gemeinden sind in Köln nachweisbar.
So arbeiten die Hochdeutsch-Reformierten, die
Niederdeutsch-Reformierten und die französischsprachigen
Wallonisch-Reformierten eng zusammen. Insgesamt leben in Köln
um 1600 schon ca. 4000 praktizierende "Nichtkatholiken".
Im Untergrund und in völliger Geheimhaltung führen sie ihr
Gemeindeleben und feiern ihre Gottesdienste - in ständiger
Angst vor Entdeckung und harter Strafe. [...]
Für Rat und Bürgermeister der Stadt ist der Fall im 17.
Jahrhundert klar: Das "Heilige Köln" ist die katholischste
Stadt überhaupt. Aber die Kölner kommen diesem politischen
Ideal von der Einheit des Glaubens nicht nach.>
1612: Mülheim plant, eine grosse, freiheitlich orientierte
Stadt zu werden
<Hoffnung der Protestanten, Konkurrenz für Köln: Mülheim
Vor dem Dreissigjährigen Krieg verbinden protestantische
Kölner grosse Hoffnungen mit Mülheim. 1612 werden Pläne
enthüllt, nach denen Mülheim ausgebaut werden solle. Diese
neue Stadt soll eine Fläche von ca. 120 bis 140 Hektar
umspannen und 10.000 Einwohnern Platz bieten.
Jedem, der sich in Mülheim niederlassen will, soll für 10
Jahre das Bürgerrecht erteilt werden - inklusive der freien
Religionsausübung. Auch eine lutherische Kirche, in Köln
schmerzlich vermisst, wird dort gebaut.>
Karte der Stadt Mülheim mit dem
Expansionsprojekt von 1612 (Sonderausstellung Köln 2014)
England-Pfalz 1613: Heirat der Protestanten gegen die
Vormachtstellung der Katholiken (gegen Spanien, Portugal,
Frankreich etc.)
<Die "Royals": Politik und Medienspektakel
Am 14. Februar 1613 wird in der Kapelle des Whitehall Palace
in London eine Ehe geschlossen. Verheiratet wird Elisabeth
Stuart, die Tochter des englischen Königs Jakobs I., mit dem
Kurfürsten Pfalzgraf Friedrich V. [von der Pfalz].
Das Flugblatt zeigt die aufwändig inszenierte Feier in London.
Die Hochzeit ist von hoher Bedeutung: Sie besiegelt die
Allianz von Kurpfalz und England gegen die
katholisch-habsburgische Vormachtstellung. Der frisch gekürte
Bräutigam wird einige Jahre später als "Winterkönig" eine
wichtige Rolle beim Kriegsbeginn spielen.
Auch deshalb beschäftigt sich eine Flug von Flugblättern,
Pamphleten und Traktaten mit dieser spektakulären
Eheschliessung. Und weil die "Royals" schon damals ein
Medienereignis sind. Flugblatt mit Kupferstich 1613 (oder
später)>
Die Heirat von Elisabeth Stuart mit
dem Pfalzgraf Friedrich V, Kupferstich von 1613
(Sonderausstellung Köln 2014)
1614: Köln wird jetzt schon zum Fluchtpunkt: Die
Karmeliter erreichen Köln
-- im Zuge der wachsenden Spannungen flüchten 1614 die
Karmeliter nach Köln und gründen das Kloster "Im Dau" mit der
Klosterkirche St. Maria ("Maria vom Frieden") an der
Severinstrasse, das Kloster wird 1649 bezogen, die
Barockkirche St. Maria wird wegen finanziellen Schwierigkeiten
erst 1682 fertig
<Der Wunsch nach Frieden mitten im Krieg - die Kölner
Klosterkirche Maria vom Frieden
Eine der wenigen barocken Kirchen Kölns ist Maria vom Frieden
auf dem Eckgrundstück "Vor den Siebenburgen" und der
"Schnurgasse" in der südlichen Altstadt.
1614, kurz vor Beginn des Dreissigjährigen Kriegs, finden
erste Mönche der Unbeschuhten Karmeliter Zuflucht in der
katholischen Reichsstadt Köln. Hier gründen sie die erste
Niederlassung des Ordens auf deutschem Boden - das
Karmeliterkloster "Im Dau" an der Severinstrasse, das 1945
abgebrochen wird.>
1635 genehmigt der Kölner Erzbischof und Kurfürst Ferdinand
von Bayern, einen weiblichen Ordenszweig in der Stadt zu
gründen. 1639 werden hierfür zwei unbebaute Grundstücke an der
Schnurgasse erworben. Vier Jahre später wird der Grundstein
für den Neubau des Klosters gelegt - 1649 kann es bezogen
werden.
Nur der Bau der Kirche verzögert sich aus Geldmangel.>
1615: Die Kölner Dom-Diktatur: Köln zerstört die
Pläne der protestantischen Stadt Mülheim - Schleifung der
Stadtmauer
<Die Stadt Köln fühlt sich indes wirtschaftlich von dem
aufstrebenden Mülheim bedroht. Sie legt Einspruch ein gegen
die lästige Konkurrenz auf dem anderen Rheinufer. Mit Erfolg:
1615 werden die die Befestigungen von Mülheim geschleift und
neu errichtete Gebäude abgerissen - einschliesslich der
lutherischen Kirche.>
Die katholische Kirchendiktatur in Köln
In Köln herrscht die katholische Kirchen-Diktatur. Wer nicht
"dabei" ist, der wird diskriminiert. Wer anders denkt, der
wird damals rausgeworfen. Bayerische Bischöfe herrschen in
Köln und wollen die Stadt "auf Kurs" halten, mit Inquisition,
Denuntiation, Hexenverfolgung, Zensur und allem, was
dazugehört. Ein Abendmahlsbecher von 1615 ist dafür das
Symbol:
Abendmahlbecher aus Köln von 1615 - Symbol der katholischen
Diktatur (Sonderausstellung Köln 2014)
Und so münden die vernunftlosen Spannungen zwischen
katholischen und reformierten "Christen" in einen 30 Jahre
währenden Krieg. Das Judentum wurde eigenartigerweise auf dem
Land weniger verfolgt. Aber in der Stadt Köln war ihnen das
Leben damals untersagt, wie das nächste Kapitel zeigt: