7. Rundherum ist 30 Jahre lang Krieg, und Kölns
Oberschicht schwelgt im Reichtum
Reichtum mit Bautätigkeit durch Rüstungsverkäufe: Das
Geschäft mit dem Tod
<Im Mittelalter zählt Köln noch zu den grossen,
europäischen Städten und Handelsplätzen. Doch im 17.
Jahrhundert kommt es zu einer Verschiebung: Städte wie Hamburg
und Antwerpen laufen der Reichsstadt auch in der Einwohnerzahl
den Rang ab. Doch verschwindet Köln deshalb in der
provinziellen Versenkung? Nein. Der weitreichende Handel mit
kriegswichtigen Gütern bringt Köln und einem Teil seiner
Bewohner Geld und Wohlstand. Wohlstand, der auch gezeigt
werden will - nach aussen durch den Bau neuer öffentlicher und
privater Gebäude, nach innen durch prunkvolle Ausstattungen.
Auch am Buchdruck und -handel verdienen die Kölner. Die Stadt
bleibt herausgehobenes Medien- und Nachrichtenzentrum.>
Ausbau und Neubau von Gebäuden
<Im neutralen Köln verdient man gut und investiert das
Vermögen auch in innerstädtische Immobilien. die Folge: Eine
rege private Bautätigkeit auch während des Dreissigjährigen
Kriegs.>
Französische Mode in Köln ab 1620 - und Widerstand Ende der
1620er Jahre
<Gegen die französische Mode: Monsieur "Alamode" und seine
Helena
Ende der 1620er Jahre kursieren in Deutschland satirische
"Alamode"-Flugblätter. Sie verspotten die im Gefolge des
Dreissigjährigen Krieges eingeführte, französische Mode:
Ausladende Federhüte, reicher Spitzenbesatz, grosse,
herabhängende Stulpen an den Stiefeln.
Diese Kölner Version begnügt sich nicht mit Spott. Sie
gestaltet das Thema um zu einem eindrücklichen "memento mori":
Der "Alamode"-Monsieur ist als Skelett schon den Weg alles
Zeitlichen gegangen und wird mit Höllenqualen bedroht. Im
Hintergrund erkennt man die Begräbnisszene.
Für seine "Alamode-Helena" hingegen besteht noch Hoffnung.
Falls sie sich an Gottes Gerechtigkeit erinnert, wird sie doch
noch in gutes Ende nehmen - so heisst es in der
Unterschrift.>
Flugblatt "Alamode" gegen die
Franzosenmode in Köln Ende der 1620er Jahre
(Sonderausstellung Köln 2014)
Geschnitzte Möbel: Das Beispiel eines Überbauschranks
<Zeichen des Wohlstands - wohnen im 17. Jahrhundert
Trotz Krieg und unruhiger Glaubenskämpfe: In Köln bleibt die
wirtschaftliche Situation durch ausgezeichnete
Handelsbeziehungen relativ stabil.
Diesen Reichtum präsentieren die Kölner Bürger auch in ihren
Stadtpalästen und Privathäusern. Die Bauten erhalten
prachtvoll geschnitzte Holztreppen und Treppenpfosten,
kunstvoll verzierte Kamine und Öfen. Die mit Stuck verzierte
"Kölner Decke" zeigt den Wohlstand - und ist weit über Köln
hinaus verbreitet.
Ausdruck des wohlhabenden Bürgertums ist auch der bewegliche
Hausrat - neben Steinzeug und Tafelsilber besonders Möbel. Im
letzten Viertel des 16. Jahrhunderts entsteht sogar ein neuer
Schranktyp als Repräsentationsmöbel: Der Überbauschrank.
Sein Aufbau ist zweiteilig. Den Unterschrank bilden ein
Sockel, ein zweitüriger Mittelteil und ein gerades oder
vorgewölbtes Gurtgeschoss. Der niedrigere Oberbau besteht aus
einem zurückspringenden, zwei- oder dreitürigen Schrankteil
und einem auf die ursprüngliche Tiefe vorgezogenen Kranz, der
vorne durch zwei Stützen getragen wird. Alles wird reich
verziert.>
Der Schrank hier zeigt biblische Szenen zwischen David und
Saul. <Davidschrank, Köln, um 1645, Nussbaum, Eiche und
Fichte>
Das Beispiel einer "Kölner Decke"
Eine Kölner Decke
<Vergangene Pracht in der Sternengasse
Kurz vor dem Abbruch 1893 malt Wilhelm Scheiner das Haus "Zum
Kessel" an der Ecke Kämmergasse / Sternengasse. Hier hat ein
Schreiner seine Werkstatt eingerichtet - und wenig Rücksicht
auf die einst prächtige Ausstattung genommen.
Immerhin: Man gewinnt einen Eindruck von der einstigen
Ausstattung Kölner Häuser: Mit einem Kamin aus der Zeit der
Renaissance und Kölner Decke. Kölner Decke in der Sternengasse
43, Wilhelm Schreiner, Köln 1893, Aquarell>
Eine Kölner Decke mit Kamin,
Sternengasse 43, Aquarell von 1893 von Wilhelm Schreiner
(Sonderausstellung Köln 2014)
Spezieller Spachtel für die "Kölner Decke": Das
"Stuckeisen" mit Spachtel und Messer
<Auf das richtige Werkzeug kommt es an
Die Stuckmasse für die Arbeit an einer "Kölner Decke" besteht
meist aus einem Gemisch aus Lehm und Stroh, das mit Tierhaaren
vermengt wird. Diese weiche Masse härtet schnell und muss
deshalb zügig verarbeitet werden.
Dafür benötigt man besondere Werkzeuge. Zeitverlust durch
dauernden Wechsel von Spachtel und Messer muss vermieden
werden. Deshalb hat das Stuckeisen eine Spachtel- und eine
Messerseite: Alles in einem, verbunden mit einem
Griffstiel.>
Stuckeisen als Deckenspachtel mit
Spachtel und Messer in einem (Sonderausstellung Köln 2014)
<Ein Exportschlager: Die "Kölner Decke">
Karte mit der Verbreitung der
Kölner Decke in Köln, Aachen, Dortmund, Viersen,
Nordkirchen, Trier, Limburg an der Lahn, Emmerich,
Steinfurt, Bramsche und in Holland in Utrecht
(Sonderausstellung Köln 2014)
<Um 1637 überschreitet ein eigentümlicher Kölner
Exportschlager die Grenzen: Im Schluss Rijnhuizen bei Utrecht
und in einem Utrechter Grachtenhaus entstehen "Kölner Decken":
Eine Stuckdeckenform "Made in Cologne".
Als gewöhnliche Holzdecken aus der Mode kommen, entwickelt
sich die neue Dekorform. Stuck ist wieder "in", seit man in
der Renaissance römische Dekorationen studiert. Künstler und
Bauherren werden aufmerksam auf diese eigenwillige Art der
Verwendung einer mörtelähnlichen Masse.
Die ersten nachmittelalterlichen Stuckdekorationen tauchen in
Köln um 1545 auf, die erste typische "Kölner Decke!" 1592.
Charakteristisch für die "Kölner Decke" sind ihre bogenförmig
verbundenen Balkenenden. Zudem werden Balkenmitten und
Balkenenden gerne verbreitert.
Alle heute noch in der Kölner Altstadt vorhandenen "Kölner
Decken" sind Nachschöpfungen des 19. und 20. Jahrhunderts -
die Originale des 17. Jahrhunderts im Gebiet der Reichsstadt
Köln sind zerstört.>
Neue Wendeltreppen mit geschnitzten Treppenpfosten in
reichen, Kölner Häusern
<Kunstvoller Treppenpfosten mit Löwe
Viele Kölner Bürgerhäuser erhalten platzsparende
Wendeltreppen. Sehr kunstvoll ausgearbeitet sind meist die
Treppenpfosten. Auch hier werden - ähnlich wie bei den
Überbauschränken - häufig Motive aus dem Alten und Neuen
Testament eingearbeitet. Dieser Kölner Treppenpfosten zeigt
einen Löwen.>
Holzpfosten mit einem geschnitzten
Löwen (Sonderausstellung Köln 2014)
Verzierte Treppenkonsolen
<Hockender Mann: Treppenkonsole
Auch Treppenkonsolen in Kölner Häusern werden reich verziert
mit aufwändigen Schnitzereien - hier mit einem hockenden Mann
in spanischer Tracht.>
Geschnitzte Treppenkonsole, ein
Mann in der Hocke (Sonderausstellung Köln 2014)
Die Oberschicht raucht bzw. "trinkt" Tabak
<Tabak-Konsum im Dreissigjährigen Krieg
Nachdem der Tabak durch den Kolonialismus seinen Weg von
Amerika nach Europa gefunden hat, entwickelt sich zunächst in
den Niederlanden und England eine eigene Rauchkultur. Neben
den weit verzweigten Handelsbeziehungen tragen auch die
Soldaten im Dreissigjährigen Krieg zur Verbreitung des
Tabakkonsums in ganz Europa bei.
Schon 1628 setzt der Kölner Rat einen Einfuhrzoll für
Tonpfeifen fest - vielleicht, um die beginnende Kölner
Produktion vor niederländischer Konkurrenz zu schützen.
Auch der Handel mit Tabak wird zu einem gewinnträchtigen
Geschäft für Kölner Kaufleute, während der Kölner Rat schon
bald die gesellschaftliche Unsitte des "Tabaktrinkens"
einzudämmen versucht.>
Tabakspfeifen aus dem 17. Jh. (Sonderausstellung Köln 2014)
In Köln werden katholische Reliquien angefertigt, z.B. für
Essen - aber die Reliquie erreicht Essen nie
Beispiele:
<Im Kölner Exil gefertigt: Ein Reliquiar für Essen>
Katholisches Reliquar für Essen, in
Köln gefertigt (Sonderausstellung Köln 2014)
<1629 flüchtet die Essener Fürstäbtissin Gräfin Maria Clara
von Spaur in das Kölner Zisterzienserkloster St. Mariengarten
an der Burgmauer. Hier stirbt sie 1644 nach 15 Jahren im
Kölner Exil. Noch 1643 lässt sie in Köln, einem Zentrum der
sakralen Goldschmiedekunst, ein Reliquiar zur Verehrung der
Heiligen Cosmas und Damian anfertigen, das sie dem Essener
Stiftsschatz überlässt.>
[Nun, in Essen wird die katholische Herrschaft dann
abgeschafft und das Reliquar bleibt in Köln].
Eine Kreuzigungsgruppe für das Kloster
Kamp-Lintfort
[Kamp-Lintfort bei Rheinberg westlich von Duisburg]
Kreuzigungsgruppe für das Kloster
Kamp-Lintfort (Sonderausstellung Köln 2014)
<Schon seit 1580 bewahren die Zisterzienser des Klosters
Kamp am Niederrhein ihre Kirchenschätze und Reliquien, ihre
Bibliothek und ihr Archiv in Köln auf: Im Kamperhof an der
Johannesstrasse.
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wird für das Kloster Kamp
diese Kreuzigungsgruppe gefertigt - die Figuren links und
rechts des Kreuzes sind verlorengegangen. Unklar ist, ob sie
bei der Rückkehr nach Kamp aus Köln 1640 mitgenommen wird,
oder erst später in den Besitz des Klosters gelangt.>
1635: Der "Sebastiansaltar" für St. Gereon als Dankbarkeit
vor dem Schutz vor schwedischen Truppen
(Sonderausstellung Köln 2014)
In der Stiftskirche St. Gereon findet sich das folgende
"Dankesbild" dafür, dass Köln von schwedischen Truppen nicht
tangiert wurde. Die Gründe, der Waffenhandel und die
systematische Finanzierung katholischer Truppen werden im Bild
natürlich unterschlagen...
<Der kölsche Himmel
Als die Stadt vor den schwedischen Truppen verschont bleibt,
ist den Kölnern klar: Auch dies hat man der Fürsprache der
Heiligen zu verdanken. Sie wachen über Köln und halten die
schützenden Hände über die Stadt. Deshalb stiftet Alexander
Symonis, Probst des Kunibertstifts und Kanoniker von St.
Gereon, 1635 den Sebastiansaltar für die Stiftskirche St.
Gereon. Von dem ehemals vier Meter hohen Altar des Heiligen
Sebastian ist nur noch dieses Altarblatt erhalten.
Das Gemälde bringt die Überzeugung der Stadtbevölkerung
treffend zum Ausdruck: Im unteren Viertel öffnet sich in
blaugrüner Farbigkeit eine weite Landschaft mit Köln und Deutz
im Vordergrund. Im oberen Teil befinden sich auf drei
übereinanderliegenden Zonen die Heiligen, die mit Köln
verbunden sind und [die] in der Stadt verehrt werden. Auf der
unteren Wolkenbank wird eine Gruppe von heiligen Bischöfen
flankiert vom heiligen Sebastian und der heiligen Helena, der
legendären Gründerin der Gereonskirche. Auf der mittleren
Wolkenbank sieht man Gereon und Ursula jeweils mit ihrem
Gefolge und die Heiligen Drei Könige. Der Dreifaltigkeit im
obersten Teil am nächsten kniet fürbittend Maria. - Johann
Hulsmann (zugeschrieben) und Johann Toussyn - Köln 1635, Öl
auf Leinwand>
Ursulabüsten werden vergoldet und versilbert etc.
<Ursulabüste: Mittelalterlicher Kult im Neuen Gewand
Im Barock werden die mittelalterlichen Büsten modernisiert und
umgestaltet. Nun sollen sie aussehen wie kostbare Gold- und
Silberschmiede-Arbeiten: Die Gesichter werden versilbert,
Gewandpartien mit Silbertreibarbeit überdeckt. Durch
Abschnitzungen werden auch Haare und Gewänder in "moderne",
barocke Formen gebracht.>
Vergoldete Büste der Heiligen
Ursula (Sonderausstellung Köln 2014)
1643-1644: Der Raum für 11.000 katholische Jungfrauen in
"St. Ursula" wird umgestaltet
<Der Neubau der Goldenen Kammer von St. Ursula
[...] Mitten im 30-jährigen Krieg wird dieser Ort als
Manifestation katholischer Glaubensfestigkeit umgestaltet.
Aussehen und Anmutung werden den Vorstellungen der
katholischen Reform nämlich nicht mehr gerecht. Die Verehrung
der mittelalterlichen Reliquienbüsten soll einen neuen Raum
erhalten. Der Reichshofrat und Diplomat Johann Baptist von
Crane finanziert den Bau 1643. Diese Jahreszahl ist im Gewölbe
der "Goldenen Kammer" zu sehen. Am 16. September 1644 wird
hier der Altar geweiht. In finanziell schweren Kriegszeiten
steuert Johann Crane das notwendige Kapital für dies
"katholische Sensation" bei: Ein Glücksfall für Köln - bis
heute.>
Die Ecke mit der Heiligen Ursula
(Sonderausstellung Köln 2014)
<Der Financier: Johannes Baptist von Crane
Johannes Baptist von Crane ist Reichshofrat. Als kaiserlicher
Abgesandter in Reichsangelegenheiten ist er beteiligt an den
Vorbereitungen zum Westfälischen Frieden in Köln und Hamburg.
Crane ist vermögend - und katholisch. 1643 finanziert er den
Neubau der Goldenen Kammer von St. Ursula.>
Financier Johannes Baptist von Crane (Sonderausstellung Köln
2014)
Familie Jabach und Pelzhandel in Köln und Paris
<Familie Jabach in Köln
Der Geschäftserfolg macht die Jabachs reich: Everhard III
Jabach lässt das Haus in der Sternengasse zum "Jabacher Hof"
umgestalten, luxuriös ausstatten und mit erlesener Kunst
verschönern. Neben privaten Ankäufen tätigt Everhard III auch
beachtliche Spenden. So beauftragt er Rubens mit dem Altarbild
für die Kölner Kirche St. Peter - hierhin gelangt dessen
Petrus-Kreuzigung 1641, kurz vor dem Tod des Malers. Dann
übernimmt Everhard IV Jabach die Geschäfte. Er siedelt 1638
nach Paris über - mit einer halben Million Einwohnern die
grösste Stadt Europas sowie neues kulturelles und politisches
Zentrum.>
Eberhard Jabach, Gemälde von Hyacinthe Rigaud [1] - mit den
Pelzprofiten finanziert er grosse Kunst