Kommentar
Klar und deutlich sieht der Leser / die
Leserin in dieser Zusammenfassung die Stärken und Schwächen
des Diktators Mussolini. Mussolini meint, fortschrittlich
und überzeugend zu regieren und hat dabei sicher viele für
die Bevölkerung positive Taten vollbracht. Dabei ist er
gleichzeitig fest im globalen Rassismus-Darwinismus
verhaftet, wie aus seinen Urteilen über Dritte immer wieder
zu entnehmen ist. Nur: Dieser Rassismus-Darwinismus war zu
Zeiten von Mussolini der Tenor in den "Universitäten"...
Die Kapitelreihenfolge des Buches wurde beibehalten.
Kleinere Zwischentitel sind in [eckigen Klammern] eingefügt.
Michael Palomino
Einleitung
Charakter Mussolinis: ca. 50, ein sehr umsichtiger,
zielstrebiger, beherrschter und auf Genauigkeit bedachter
Mann: "Ich liebe nicht das à peu près" ["Ich liebe keine
halben Sachen"].
Mussolini ist auf ganz natürliche Weise sparsam, im Gespräch
wirkt er als der natürlichste Mensch. Mussolini hat in sich
selber die Aufgabe, ruhe zu halten, obwohl er eine
revolutionäre Natur ist.
Ab 50 entwickeln sich Männer normalerweise zum Hausvater.
Mussolini nicht: Er wirkt für den konstruktiven Aufbau
Italiens, ohne destruktive Taten im Felde der Feinde.
Mussolini hat zwei Züge, die den meisten Diktatoren fehlen:
-- er bewundert die Taten anderer
-- er hat gelernt, in seinen eigenen Tagen das
Gleichnishafte zu erkennen.
Dies sind gemäss Ludwig Grundzüge des Goetheschen Menschen,
die vor allfälligem Grössenwahn schützen. Mussolini wird ein
philosophischer Geist. Kriegsruhm scheint er keinen mehr zu
brauchen.
Erster Teil
1.
Aus der Schule eines
Regierenden
Mussolini durchläuft die Schule der Armut. Sein Vater landet
wegen sozialistischer Aktivitäten im Gefängnis, stirbt, wie
viele seiner Parteigenossen mit ihm. Der Vater war Schmied.
Mussolini entwickelt Freude an Maschinen:
"Vor dem Hammer und vor dem Feuer gewinnt man eine
Leidenschaft für die Materie, die man nach seinem Willen
biegen möchte und muss."
19-jährig geht Mussolini als Arbeiterin die Schweiz, gibt
den Lehrberuf in Italien auf, hat immer eine Medaille von
Marx in der Tasche. Arbeitszeit: 12 Stunden täglich in einer
Schokoladefabrik in Orbe, 120 mal täglich zwei Stockwerke
hoch Bausteine schleppen. Das ist gemäss Mussolini auch eine
"Schule" für später.
Mussolini landet auch im Gefängnis. Auch dies ist gemäss
Mussolini eine "Schule" für das spätere Leben:
"Besonders dort. Da lernt man Geduld. Das ist wie auf einer
Seefahrt: an Bord und im Gefängnis muss man Geduld
bewahren."
Mussolini durchlebt 11 Gefängnisse in 4 verschiedenen
Staaten: Bern, Lausanne, Genf, Trento, Farli, in manchen
Orten mehrere Male:
"Jedes Mal war es eine gesunde Erholungspause, die ich mir
sonst nicht hätte leisten können."
Mussolini schickt nun selbst politische Feinde ins
Gefängnis. Frage: "Macht Sie die Erinnerung an Ihre
Gefängnisse bei diesen Urteilen nicht stutzig?" - Mussolini:
"Durchaus nicht. Ich finde das ganz logisch. Erst haben sie
mich hineingesteckt. Jetzt stecke ich sie hinein."
2.
Schule des Soldaten und
Journalisten
Mussolini ist sehr stolzer und folgsamer Soldat, was gar
keine sozialistische Eigenschaft ist. Mussolini: "Warum
sollte ein guter Soldat nicht zugleich Klassenkämpfer sein?
Gegen ihre Vorgesetzten sind die Italiener noch heute. Das
gibt eine gute Kontrolle. Übrigens soll man gehorchen
lernen, bevor man befiehlt."
[Über den Krieg 1914-1918: Krieg als
psychologische "Schulung" des Soldaten]
Mussolini: "Die Schule des
Krieges aber ist doch eine grosse Erfahrung. Da sieht man
den Menschen nackt in seiner Realität. Jeden Tag heisst es,
jede Stunde: leben oder sterben."
Lernen von Angriff und Verteidigung. Mussolini hat seit 1922
bisher jeden Krieg vermieden, damit niemand Unfähiges sein
Werk kaputtmache.
Im Weltkrieg 1914-1918 wird Mussolini verwundet, als jemand
dem Gegner schreibt, wo er liegt. Die Österreicher
beschiessen das Lazarett:
"Mehrere Tage lang musste ich jeden Augenblick damit
rechnen, in die Luft zu fliegen."
Mussolini verlangt, dass bei der Operation kein Chloroform
angewandt wird. Mussolini bedauert, dass der Krieg keine
Dichtung hervorgebracht habe:
"Und was die Dichtung betrifft, so war der Krieg zu gross
und die Menschen zu klein." - Frage, ob der Gaskrieg
ersetzbar sei. Mussolini: "Nicht
unersetzbar. Es bleibt aber eine grosse Nervenübung, im
Kugelregen zu stehen. Es hat eine moralische Wirkung, das
Zittern zu verlieren."
[Mussolini als Journalist]
Mussolini hat als Journalist sehr viel
gelernt, z.B. die Zeitung als "Waffe" und die Fahne als
"Seele" zu benutzen. Mussolini: "Ich
habe sie einmal mein Lieblingskind genannt." - Frage, warum
Mussolini die Zensur einsetzt. Mussolini:
"Heute dienen die Zeitungen Interessen, nicht mehr
Ideen, wenigstens die meisten. Wie sollten sie da den
moralisch erziehen, der sie schreibt?"
Mussolini über Journalismus: Journalismus ist der Erzieher
für Diplomaten und Staatsmänner, gewohnt an rasche
Auffassung und an die Veränderlichkeit der Lage. Zensur ist
immer da. Auch wenn die Freiheit existieren würde, würde nur
das gedruckt, was die Grossindustrie und die Banken gedruckt
sehen wollen, denn diese bezahlen die Zeitung.
Mussolini
-- hat z.T. Staatsminister, die er früher bekämpft hat
-- ist ein Physiognomist
-- denkt manchmal über die Journalisten: "Das hätte der Esel
doch besser schreiben können."
-- sammelt Karikaturen, findet er nötig. kritisches, was
geistvoll ist, erlaubt Mussolini, z.B. die Satiren von
Trilusso
-- würde in manchem Urteil heute [Stand: 1932] milder
urteilen.
Alles Leiden sei ein "Vorspiel" für "etwas
Wichtiges".
3.
Schule der Geschichte
Die Familie Mussolini bewundert Macchiavelli, ein
italienischer Staatsbeamter, Staatsphilosoph und Dichter
(1469-1527) mit dem Buch "Principe", das bis ins 18. Jh. als
grundlegendes Traktat der Fürstenerziehung gilt. Von
Macchiavelli stammen aber auch Novellen, Gedichte und
Komödien. Vater Mussolini trägt jeweils abends am Feuer
Macchiavelli vor. Mussolini selbst liest ihn noch mit 40.
Das Auf und Ab der Geschichte interpretiert Mussolini als
Blüte und Niedergang in stetigem Rhythmus. Menschen und
Völker leben in diesem Kreislauf, wie wenn sie Jahreszeiten
hätten, bis zum Tod.
Deutschland nach Versailles verfällt gemäss Mussolini in
einen Winter. Dies hat Mussolini nicht erschreckt. Mussolini
hält sich dabei eher an Goethe, und das Wort "Untergang" sei
fehl am Platz. Bismarck sei der grösste Realpolitiker des
19. Jh.s gewesen.
[Rassismus von Bismarck, z.B. gegen Polen? vergessen?]
Nach dem Todesurteil gegen Garibaldi landet Mussolini selber
im Gefängnis. Mussolini verteidigt als Regierender
gleichzeitig weiter seine Inhaftierungen von politischen
Gegner: "Sie meinen vielleicht, wir lassen diese Vorsicht
nicht walten?" ...
[Mussolini ist für die Todesstrafe]
Die Todesstrafe ist für Mussolini ein
normales Mittel: Deutschland, Frankreich und England kennen
sie. Die Abschaffung der Todesstrafe ist von Italien
ausgegangen (Beccaria 1738-1797). Schon Beccarias Schrift
von 1764 "Von Verbrechen und Strafen" forderte das
Abschaffen von Todesstrafe und Folter. Die Einführung der
Todesstrafe unter Mussolini bringt hohe Kriminalitätsraten
mit sich. Mussolini meint demgebenüber, er habe viele Leute
begnadigt...
[Napoleon ist Mussolini eine Warnung]
Mussolini meint, er sei nicht mit Napoleon
vergleichbar. Napoleon sei eine Warnung für ihn. Napoleon
hat eine Revolution abgeschlossen. Er, Mussolini, habe eine
Revolution angefangen. Napoleons Fehler sei der Nepotismus
[Familienherrschaft] gewesen, der Kampf mit dem Papst und
mangelnder Sinn für Finanz und Wirtschaft.
Mussolini:
"Er sah beinahe nur, dass nach seinen Siegen die Rente
stieg, das war alles."
Mussolini behauptet, von Napoleon viel gelernt zu haben:
"Ehre hat mir im Vorhinein alle Illusion zerstört, die ich
mir über die Treue der Menschen hätte machen können. In
diesem Punkte bin ich hieb- und stichfest."
Napoleon sei am Widerstreit in seinem Charakter zugrunde
gegangen. Napoleon hat sich als Gekrönter immer selbst zu
neuen Siegen gezwungen.
Mussolini:
"Als Erster Konsul, ja, da war er gross! Mit dem Kaisertum
begann die Décadence."
Mussolini hält es lieber mit Cromwell:
"Ein grosser Gedanke, Macht des Staates - und doch kein
Krieg!"
[Imperialismus: Jeder Mensch sei ein
Imperialist, meint Mussollini]
Es gibt gemäss Mussolini ein halbes
Dutzend Arten von Imperialismus: Kaisertum verliert an
organischer Kraft, ist heute überflüssig. Die Tendenz zum
Imperialismus sei eine der elementaren Kräfte der
menschlichen Natur: der Wille zur Macht. Zur Zeit [Stand
1932] finde der Imperialismus des Dollar statt. Andere
Systeme pflegen einen religiösen Imperialismus, oder einen
künstlerischen Imperialismus. Mussolini: "So lange einer
lebt, ist er Imperialist. Wenn er tot ist, nicht mehr."
[Das entspricht der Philosophie von Rassismus-Darwinismus:
der ewige Kampf ums Dasein, damals Staatsphilosophie bis in
die Universitäten...].
Jedes Imperium sei eine Schöpfung von Ausnahmemenschen.
Somit sei der Untergang auch vorprogrammiert. Ein Imperium
wird nicht nur durch Kriege erhalten, denn
"Die Macht einer Nation ist das Resultat von einer Menge von
Elementen, nicht bloss von dem militärischen. Allerdings,
muss ich hinzufügen, ist bisher die Stellung einer Nation in
der allgemeinen Auffassung von ihrer Kriegsstärke bestimmt
worden. Man hält die militärische Kraft bis heute für die
Synthese aller nationalen Kräfte."
[Der Europagedanke - Napoleon ist nicht Vorbild]
Der Europagedanke ist gemäss Mussolini
nötig als eine zwischenstaatliche Instanz für die Einheit
mindestens eines Kontinents. Jedes Volk hat eine eigene
Sprache, Sitten, Typen. Dies ist der eine Anteil. Der andere
Anteil ist das europäische Element. Napoleon wollte Europa
einigen. Heute wäre eine europäische Einigung möglich, aber
nur mit der Konzeption, so wie unter Karl dem Grossen oder
Karl V.
[Karl den Grossen hat es gemäss neuester Forschung nicht
gegeben...]
Napoleon war in der Oberschicht unbeliebt, in der
Unterschicht aber beliebt,
-- denn er gab der Unterschicht zu Essen
-- er liess die Unterschicht an
seinem Ruhm teilhaben
-- und die Unterschicht war für Ruhm am empfänglichsten.
[Diktatoren und Könige - Caesar - "Die Menge ist
ein Weib"]
Mussolini: Diktatoren müssen gefürchtet
werden - Könige müssen geliebt werden.
Caesar war gemäss Mussolini ein Diktator, der geliebt wurde,
und:
"Caesars Ermordung war ein Unglück für die Menschheit."
Mussolini liebt Caesar, denn "Er allein hat in sich den
Willen des Kriegers mit dem Genie des Weisen vereinigt ...
er liebte den Ruhm, aber sein Ehrgeiz trennte ihn nicht ab
von der Humanität."
[Auch dieses Bild von Caesar ist mit neuester Forschung
gründlich korrigiert worden. Siehe Europa 00-2000...].
Frage, ob ein Diktator geliebt werden kann: Mussolini:
"Er kann. Wenn ihn die Menge zugleich fürchtet. Die Menge
liebt starke Männer. Die Menge ist ein Weib."
Zweiter Teil: Gespräche über
Metamorphosen
4.
Sozialismus und Nationalismus
[Die Revolutionen als Veränderungsmoment]
Bedingungen für eine Revolution sind
gemäss Mussolini physischer und moralischer Mut. Durch
Revolutionen werden neue Formen geschaffen, neue Mythen,
neue Riten. Alte Traditionen werden umgewandelt, neue Feste
eingeführt, neue Gesten, neue Formen, die zu neuen
Traditionen werden.
Beispiel:
"Das Fest der Aëroplane [Flugschau], das wir eingeführt
haben, ist heute noch neu. In 50 Jahren wird es die Patina
einer Tradition schmücken."
Grundsatz für Revolutionen:
"Für ein Maximum an Wirksamkeit braucht man ein Maximum von
Ordnung."
Nach einer Revolution wird die neue Ordnung geschaffen. So:
"Jeder Revolutionär wird in einem gewissen Augenblicke
konservativ."
Sieht Mussolini frühere Freunde heute als Feinde? -
Mussolini: "Ich habe auch meine Kameraden, soweit sie mich
verlassen haben, in Ruhe gelassen."
[Nationalismus - die geheuchelte Edelrasse]
Der Stand ist gemäss Mussolini nur noch
durch die Rasse bestimmt. Staatsformen und Klassenfragen
haben gemäss Mussolini abgedankt. Gemäss Mussolini ergibt
sich aus dem Bewusstsein von Rassen neue Kraft und
Schönheit: "Rasse: Das ist ein Gefühl, keine Realität, 95
Prozent sind Gefühl."
Von Edelrasse hält Mussolini nicht viel: "Die Verkünder der
germanischen Edelrasse sind komischerweise alle keine
Germanen". Diese "Verkünder" sind Gobineau (Frankreich),
Chamberlain (GB), der Jude Woltmann, und noch ein Franzose:
Lapouge. Chamberlain hat Rom als "die Hauptstadt des Chaos"
bezeichnet. Mussolini: "Entsprechendes wird bei uns nie
vorkommen." und: "Der Nationalstolz braucht durchaus keine
Delirien der Rasse." Antisemitismus findet Mussolini nicht
nötig.
[Die Schweiz ist ein Pufferstaat in Europa]
Die Schweiz ist gemäss Mussolini ein
strategisches Phänomen. Sie kann manche Reibung zwischen den
beiden grossen Rivalen Deutschland und Italien an ihrer
Grenze abschwächen.
[Südtirol: Österreich hat früher das Italienisch
verboten - jetzt herrscht Sprachenfreiheit]
Mussolini: Österreich hat vor 1914 den
Eingeborenen verboten, ihr Italienisch zu gebrauchen.
Mussolini hat schon als Jugendlicher gegen die
österreichische Verwaltung geschrieben. Jetzt werde niemand
zu einer Sprache gezwungen. Es gäbe dort deutsche Zeitungen,
deutsche Zeitschriften, deutsche Theater etc. "Historische
Ansprüche" bezeichnet Mussolini als nicht machbar.
Mussolinis Gesicht sieht aus wie das Gesicht von Colleoni.
5.
Gründe zum Kriege
[Das Luftfahrtministerium]
In der Kantine des Luftministeriums essen
alle dasselbe Essen und bezahlen proportional zu ihrem
Gehalt. Die Rohrpost im Ministerium funktioniert vorzüglich.
19 % ist Kriegsfliegerei, 10 % Zivilluftfahrt.
[Mussolini im Weltkrieg 1914-1918: zuerst gegen,
dann für den Krieg aus taktischen Gründen]
Mussolini schreibt 1914 gegen den Krieg:
"Abasso la guerra!" ["Nieder mit dem Krieg!"] und verkündet
gegen die Regierung die Neutralität. Ab der Invasion gegen
Österreich war Mussolini dann aber für den Krieg,
unterstützt vom Hass auf das Haus Habsburg. Die einzelnen
Motive:
-- die Nationalisten wollten die Vergrösserung Italiens
-- die Demokraten wollten Trient
-- die Syndikalisten wollten den Krieg, um aus der Unruhe
die Revolution zu entwickeln, darunter Mussolini.
Man konnte nicht weiter neutral bleiben im Falle, dass
Deutschland den Weltkrieg [1914-1918] gewonnen hätte.
Mussolini: Falls Deutschland gewonnen hätte, hätte
Deutschland Italien die Neutralität nie verziehen und die
Entente hätte Italien noch viel weniger verziehen und noch
viel verächtlicher behandelt. Italien wäre völlig isoliert
dagestanden. Und: Zweck des Krieges war, die Wiedergeburt
der Nation zu erwecken.
[Sozialismus in Italien: Mussolini hat die
Spaltung verhindert]
Der Sozialismus ist in Italien
1892-1911 zuerst ein einigendes Element. Dann kommt es zu
nutzlos sich abnützenden Debatten, bis zur Drohung der
Spaltung des Landes. Dies wollte Mussolini verhindern.
[Italien im Weltkrieg: Die sozialistischen
Führer D'Annunzio, Corridono, Mussolini - und die
Umgestaltungen in den verschiedenen europäischen Staaten]
Wenn Frankreich Italien die Kredite
gesperrt hätte, so hätte das die Lage sehr verändert. Für
die Agitation für den Krieg waren verantwortlich:
-- D'Annunzio: Propaganda in der Jugend und an den
Universitäten
-- Corridono: Führer der Arbeiter
-- Mussolini: Umlenkung der sozialistischen Partei.
Am Anfang des Krieges sagt Mussolini die deutsche und die
russische Revolution voraus. Als Ziel des Krieges gilt für
Mussolini die Umgestaltung Italiens. Da wird Mussolini aus
der Partei ausgeschlossen. Und die Umgestaltung Italiens hat
er trotzdem erreicht.
[Somit war der Krieg 1918 auch in Italien noch nicht
fertig].
6.
Gespräche über Probleme der Macht
[Auf dem Weg zur Macht: Mussolini warnt vor
Dekadenz nach einem Sieg - Versailles und Fiume]
Mussolini: Siege sind gefährlich: "Der
Keim der Dekadenz steckt schon in einer siegreichen Nation",
denn die Dekadenz nach dem Sieg der Entente war gross.
Italien fühlte sich wegen Versailles betrogen, dass Fiume
nicht an Italien fiel. D'Annunzio hatte die Leute in Fiume
für Italien gewonnen. Die diplomatische Position Italiens in
Versailles war aber schwach. Orlando ist nicht schuld an der
schlechten italienischen Position. Mussolini: "Auch andere
[als Orlando] wären in Paris vielleicht gescheitert."
[nicht erwähnt: Mit Südtirol hat Italien bereits einen
völkerrechtswidrigen Erfolg. Italienische Truppen drangen
sogar bis Innsbruck vor...].
Der Spezialfeind Italiens - Österreich - wird 1918/1919
aufgelöst. Und trotzdem bleibt in Italien Missstimmung wegen
Fiume übrig. Mussolini betont, er habe als Einziger auch
seinen Spezialfeind im Innern aufgelöst.
[Die Sabotageakte Mussolinis gegen Italiens
Regierung von 1919-1922]
-- Verbrennung des "Avanti"
-- Zerstörung der Telegraphen.
Mussolini gibt zu, dieses Vorgehen hat mit "russischer
Taktik" eine grosse Ähnlichkeit: "Unsere Taktik war
russisch."
1921 gibt es nur noch zwei Kräfte in Italien: den König und
Mussolini. Viele Anhänger Mussolinis wollen schon 1921
losschlagen. Mussolini ist dagegen: "Wäre ein Irrtum
gewesen." 1922 schliesslich schickt Mussolini dem
Ministerium Fasta seine Bedingungen, die abgelehnt werden.
Die Generäle brechen nun für Mussolini ihren Eid. Mussolini:
"In gewissen historischen Krisen kann das geschehen." Auf
dem "Marsch nach Rom" kommt kaum Widerstand auf, denn das
veraltete System ist unbeliebt, und Mussolini hat das Tal
des Po schon in seinen Händen. Der König in Rom ist
chancenlos, denn Mussolini hat die Basis in Mailand. Der
König übergibt Mussolini die Macht kampflos. Dabei fühlt
sich Mussolini als "Künstler", nicht als "Prophet".
Die Macht übernimmt Mussolini ohne jede Kenntnis vom
Mechanismus der Verwaltung. Einige hohe Beamte werden
weggeschickt. Die Geheimräte müssen überzeugt werden, dass
mit den neuen Machthabern nicht zu spassen ist.
In Deutschland ist die Situation anders: Die Geheimräte
bleiben dort stärker und betrügen die neuen Regierenden. Die
Strategie bei Revolutionen erfährt ab der deutschen
Revolution eine neue Taktik der 100 %-Forderung, die dann
bis unter 50 % heruntergeschraubt werden. Italien macht es
anders, fordert von Anfang an 50 % und führt dies dann auch
durch. Mussolini hat z.B. erst nach 6 Monaten die Katholiken
aus dem Parlament geworfen, ist dann aber immer schroffer
und entschiedener geworden. Er gibt den Sozialisten die
Regierungsbeteiligung, aber erst 1931 haben Professoren den
Eid geleistet. Mussolini lässt die Nation sich langsam an
die Neuerungen gewöhnen und benutzt dabei ihre starken
Kräfte.
Das russische Modell geht anders: Die Zarenfamilie wurde
ausgerottet und der gesamte Staat neu "organisiert".
[Die Feinde sind weg]
Die Feinde Mussolinis sind aus dem
Parlament ausgezogen. Der gute Wille für die Veränderung kam
erst später. Wie lange will Mussolini
an der Macht bleiben? - So lange wie möglich.
[Details, wie die "Feinde" im Mussolini-Staat sich verhalten
müssen, oder wieviele im Gefängnis gelandet sind, schildert
Mussolini nicht].
7.
Menschenbehandlung
Folge der Machtübernahme sind auch Pflichten, Verlust von
Freiheiten, und man kann sich nur mit Mühe unsichtbar
machen.
Mussolini:
"Man kann von einem Zelt in einen Palast eintreten, wenn man
bereit ist, wenn nötig, wieder in das Zelt zurückzukehren."
Mussolini über Rom: "Der historische Boden, auf dem man
wirkt, hat eine magische Kraft."
[Privatleben während der Herrschaft: Disziplin
und viel Einsamkeit]
Der einzige Vorteil der Macht ist gemäss
Mussolini das Pferd im Garten. Seine Lebensweise hat sich
nicht verändert. Sie ist im Gegenteil noch mässiger
geworden. Er isst noch vegetarischer als früher, und nimmt
nur selten Wein. Moralisieren will er nicht, denn die
Eigenschaften kann man niemandem aufzwingen. Das Weintrinken
unterstützt er. Dagegen pflegt Mussolini um sich die
"Ordnung" und "Pedanterie". Und er stützt sich auf die
Erfahrungen als Journalist. Gleichzeitig ist er viel einsam.
Er war schon immer einsam. Daran habe er sich gewöhnt.
[Das Wort Revolution im Faschismus]
Bedeutet Faschismus wie in Trotzkis
Theorie eine permanente Revolution? - Nein, das Wort soll
auf die Masse nur einen magischen Eindruck machen. Das Wort
"Faschismus" wirkt anfeuernd.
[Probleme nach der Machtübernahme Mussolinis]
-- Tausende begeisterte Soldaten müssen
wieder zu ordentlichen Bürgern gemacht werden
-- Mussolini muss 150.000 Faschisten loswerden, um die
Partei intensiver zu gestalten, später soll eine Elite
herangezogen werden, um die Gewalt immer mehr in Ordnung zu
verwandeln
-- Widerstand kommt bei den oberen Ständen vor
-- der Adel ist keine Kaste wie in Preussen, so ist die
Anpassung kein Problem, sondern der Adel gibt sich populär.
[Ämter und Verwaltung: Weise Alte belassen, und
geniale junge Kräfte fördern - und eigene Kenntnisse immer
auf dem laufenden halten]
Es gibt für Ämter keine Altersgrenzen,
weder nach oben noch nach unten. Allgemein werden Männer
bevorzugt. Es kommen gemäss Mussolini hervorragende junge
Kräfte, die man mit grosser Verantwortung ausstatten kann:
Grandi, Stefani, Volpi, Gentile u.a. Bei Streitigkeiten soll
immer das Motto gelten: mit Geduld zuhören, mit
Gerechtigkeit handeln. Gegen Geheimnis- und Staatsverrat
werden die Beamten kontrolliert. Allgemein ist die Treue zum
Staat aber gross.
Zum Schutz vor Betrug muss Mussolini sich selber in die
Materie vertiefen. Der Amtsverkehr lässt alle formellen
Dummheiten und literarische Bürokratieelemente weg. Das ist
alles abgeschafft. Zum Gruss ist der römische Gruss
eingeführt. Dies sei besser, hygienischer und ästhetischer
als Hände zu schütteln.
[Die Regierung des Gleichgewichts]
Gegenüber der Bevölkerung versucht
Mussolini das Gleichgewicht zu finden zwischen Lob, Überzeugung, Geld und Gewalt. Die Stimmung
wird von wirtschaftlichen und politischen Interessengruppen
bestimmt. Durch Beziehungen kommt die Wahrheit dann schon
ans Licht: durch Informationen von Präfekten, Minister und
Bürger.
[Korruption: unausrottbar]
Bevor Korruption auffliegt, begehen die
Leute lieber Selbstmord, sogar nur, wenn sie Angst haben.
Korruption ist gemäss Mussolini eine unausrottbare Schwäche
des Menschen.
[Entwicklung auch bei sich selbst fördern -
keine Fassadenlügen]
Für Mussolini gibt es keine Unfehlbarkeit.
Es ist besser, sich öffentlich zu verbessern als den Schein
zu wahren und Fehler zu verleugnen. Es gibt keine
Unfehlbarkeit. Es bleibt bei jeder Person ein Schatten.
[Es ist immer alles möglich]
Mussolini: "Das Wort
'unmöglich' gibt es nicht."
denn sonst sagen die Leute bei den einfachsten Sachen, sie
seien unmöglich. Auch den Einfluss von Frauen auf starke
Männer gibt es nicht. Im persönlichen Umgang mit sich selbst
solle man sich Zeit lassen.
8.
Wirkung auf die Massen
[Mussolini: Die Masse will geführt werden]
Mussolini wirkt auf die Massen durch
seinen landesväterlich-breiten, zufriedenen Zug, lässt den
Applaus auf sich wirken, winkt dann ab, sagt 30 Sätze, und
dann bricht Jubel aus. Das Volk ist gemäss Mussolini dumm,
und doch wirken seine Reden.
Mussolini:
"Die Masse ist nichts für mich als eine Herde Schafe,
solange sie nicht organisiert ist. Ich bin keineswegs gegen
sie. Ich negiere nur, dass sie sich selbst regieren kann.
[...] Führt man sie aber, so muss man sie an zwei Zügeln
führen: Enthusiasmus und Interesse."
Die Rede kann eine Lage klären, kann der Masse aber auch
etwas suggerieren. Die "Volksrede" manipuliert die Masse.
Mussolini: "Deswegen ist auch die Volksrede zur Erregung
eines Krieges unentbehrlich." Die Interessenlosen dienen
dabei einer "schönen Sache". Das ist ihr Trost.
Mussolini behauptet:
"Ich kenne die Masse seit 30 Jahren. In Mailand nannten sie
mich den Barbarossa. Da konnte ich die Strassen leermachen."
Die Reden Mussolinis enthalten Auflockerungen mit Musik und
mit Frauen, ausserdem Gesten und Embleme.
So wird der Bewegung das Pathos erhalten. So war es schon im
antiken Rom. Insgesamt ist Mussolini für den kollektiven
Sinn, nicht für den analytischen. Die Bevölkerung werde
ihren Charme schon nicht verlieren. Man soll aus Menschen
keine Zahlen machen, aber ihnen bewusst machen, dass alle
ein kollektives Leben führen.
Mussolini meint damit, er sei ein Fortschritt für die
Menschheit. Sorel kannte nur den mechanischen Fortschritt.
Der moralische Fortschritt ist Mussolini wichtig, ist
gleichzeitig grossen Gefahren ausgesetzt. Fortschritt muss
immer wieder neu errungen werden. Er war schon da zu
griechischer und römischer Zeit.
[Der Glaube ändert die Welt, nicht das Wissen]
Mussolini: "Die Masse soll
nicht wissen, sondern glauben. [...] Nur der Glaube versetzt Berge", auch
im technischen Zeitalter. Die Vernunft kann dabei ein
Instrument, aber nie Motor der Menge sein: "Alles hängt
davon ab, die Masse wie ein Künstler zu beherrschen."
9.
Gefahren der Diktatur
[Private Freiheiten zulassen, Zensur behalten]
Das Individuum hat gemäss Mussolini in
Italien genug Freiheiten. Wenn die Zensur aufgehoben würde,
so würde dies die Lage nicht verbessern.
[Der Staat]
Bei Platon werden die einzelnen Elemente
mit Organen des menschlichen Körpers verglichen: Krieger ist
der Arm, Priester ist das Gehirn, Arbeiter ist der Bauch.
Heute hat Mussolini eine viel vermischtere Gesellschaft.
Gewisse Volksgruppen hassen die Mussolini-Revolution. Hasser
gibt es aber immer, deswegen muss man die Revolution ja auch
verteidigen.
Bei der Diktatur besteht die Gefahr, dass der Staat "gross"
wird und die Bürger "klein". Es besteht auch die Gefahr,
dass keine Nachfolger da sind. Beispiel ist z.B. Bismarck.
Bunsen kritisierte Bismarck: "Er [Bismarck] hat Deutschland
gross und die Deutschen klein gemacht."
Mussolini versucht, Männer heranzuziehen, die vortreffliche
"Köpfe" sind. Dynastie soll ein kontinuierliches Element
sein, um einen neuen König zu feiern: "Le roi est mort, vive
le roi". In Italien schützen sich Mussolini und der König
gegenseitig. Gegen freiheitliche Dichter hat er was, denn
man soll sich an den Notwendigkeiten orientieren. Also:
"Wenn man gewisse Voraussetzungen setzt, so muss man vor
manchen Folgerungen nicht erschrecken", dies sei
Napoleonische Logik.
Demokratie sei für Deutschland keine geeignete Staatsform,
denn es geschähen dort nun viel mehr mysteriöse Verbrechen
als sonst wo.
[nicht erwähnt: Destabilisierung in Deutschland durch
Reparationsfrage und die Inflationen, die von den
Industriellen stark begünstigt werden. Siehe: Europa
1850-2000].
Vierter Teil
10.
Gespräche über Provinzen der
Macht
[Mussolini: Siege
sind die Fundamente eines Volkes]
Ludwig: Ob es gute und schlechte Völker
gibt? - Mussolini:
Nein, "aber
es gibt Völker, deren Temperament anziehender ist als
andere." Dies sei natürlich eine subjektive Auswahl. Der
Wert eines Volkes sind die Siege im Krieg als Fundament
seines Wertes. Diese Idee ist zur Zeit in der Krise. Und
einen Angreifer zu bewegen bedeutet Opfermut, was zur Zeit
gerade in China stattfinde.
Die Politik erfordere reales Handeln. Gemäss Bismarck ist
die Politik bestimmt durch die Kunst des Möglichen.
Leitsätze:
-- "Systeme sind Illusionen"
-- "Theorien sind Gefängnisse".
[Mussolini ist gegen Zölle - und für ein
vereintes Europa]
Mussolini
sieht
seine Freundschafts- und Zollverträge als stabiler an als
grosse Allianzen und den Völkerbund. Desgleichen rechtfertig
Mussolini die kriegerische Erziehung der Jugend: "Ich
bereite sie für den Kampf des Lebens vor, auch für den der
Nation." Kriege seien auch die unblutigen Kriege: Zollkrieg
usw. Zölle wirken gemäss Mussolini wie eine chinesische
Mauer, wie in der Zeit des Mittelalters, wie die
Stadtwirtschaft. Die Existenz von Zöllen ist eine Krise des
kapitalistischen Systems.
Ludwig: Wieso Mussolini nicht Europa gründe, wenn er keine
Zölle mehr wolle? Mussolini:
"Die
Zeit ist noch nicht reif. Man muss die Krise erst noch
tiefer auswirken lassen. Neue Revolutionen werden kommen.
Diese werden erst den neuen Typus des Europäers formen."
11.
Über fremde Länder
Mussolini traf Lenin in Zürich, hat viel disputiert und
philosophiert. Heute muss Mussolini handeln, kann nicht mehr
philosophieren.
[Arbeitslose können grosse Dinge tun - die
"Intervento des Staates" gegen Arbeitslosigkeit]
Mussolini hat grosse Dinge aufgebaut mit
Arbeitslosen: im Bau für Neubauten und Ausbesserungen, mit
Druck auf die Banken, die Fabriken zu unterstützen: Die
Fabriken sind gezwungen, die Arbeiter zu behalten. Das ist
zwar kein Staatssozialismus, aber es gibt auch keine
Monopolwirtschaft. Es ist "Intervento des Staates",
["Staatsintervention"]. Das ist alles in der "Carta del
Lavoro" definiert. Das Kapital ist entmachtet, es gehorcht,
ist Instrument für die Menschen geworden.
[Frankreich]
Die Franzosen sind gemäss Mussolini
individuell klein, national gross. Sie haben ein langes
Leben in einem geeinten Staat hinter sich und haben eine
Reihe grosser Könige gehabt. Frankreichs Republik wird sich
halten, denn Frankreich hat den Krieg gewonnen.
[England]
Die Engländer haben gemäss Mussolini
einige Eigenschaften der alten Römer: Empirismus, Zähigkeit
und Geduld.
[Fremde in Italien - Italiener in der Fremde -
die "USA" als demokratische Diktatur - und Mussolinis
Popularität in den "USA"]
Fremde sind allgemein unpopulär.
Brüderschaften werden nachgeprüft und dann festgestellt,
dass sie eigentlich gar nicht existieren. Der Präsident der
"USA" ist durch die Verfassung fast allmächtig. Mussolini
ist vielleicht nicht zufällig in den "USA" sehr populär.
[Hier vergisst Mussolini die Macht der Bankiers und der
Logen der Industriellen, denn die Präsidenten der "USA" sind
jeweils nur die Hampelmänner dieser Gruppen].
[Soziologie und Alkohol gemäss Mussolini]
Die Kameradschaftsehe löst das
soziologische Problem nicht.
Über die Prohibition gegen Alkohol in den "USA": Der Mensch
hat immer Wein angebaut, Prohibition verschlimmert nur noch
den Alkoholismus.
[Technik soll im Dienst der Humanität wirken]
Die Sucht des Immer-Besser lehnt Mussolini
ab. Der Kapitalismus der "USA" vertilgt die Politik und
bewirkt politische Interessenlosigkeit und Anpassertum.
Ludwig: Wieso gibt es keine fähigen Staatsmänner mehr? -
Mussolini: Weil die Politik
heute viel komplizierter ist, und weil der Kapitalismus
heute das politische Interesse aufgefressen hat.
[Deutschland: Die preussische Disziplin
behindert den Faschismus - und in Italien fehlt die
Disziplin]
Mussoloni: "Die Deutschen haben in diesem
Jahrzehnt Grosses geleistet." Über den Zusammenbruch 1918:
"Deutschland ist von einer Weltkoalition geschlagen worden."
Und: Wilhelm II. hat das, was Bismarck für Deutschland getan
hat, verrotten lassen. Die ersten Jahre nach dem Krieg waren
für Deutschland eine Erfüllungspolitik. Rathenau ist gemäss
Mussolini einer der feinsten
Geister und durchdringendsten Köpfe. Stresemann hat 5 Jahre
vor dem vertraglichen Datum den Rhein befreit.
Der Faschismus ist nicht ohne Weiteres auf Deutschland
übertragbar, weil im deutschen Sozialismus noch viel
Preussentum existiert:
-- Organisation der Berufe in Gruppen
-- Kontrolle des Kapitals und der Arbeit.
Die Deutschen haben gemäss Mussolini die Leidenschaft zu
gehorchen, deshalb gibt es keine Diktatorpersönlichkeiten in
Deutschland, denn es fehle der Anreiz.
[Dies scheint eine gründliche Fehleinschätzung].
Mussolini: Die Italiener müssen endlich gehorchen lernen. In
Deutschland wird dagegen schon lange die Diktatur über die
Bürokratie oder die Industrie ausgeführt. Mussolini wird gleichzeitig nie den Kontakt
zu Goethe oder Nietzsche verlieren.
12.
Innerer Aufbau
[Sümpfe entwässert - Traktoren]
Mussolini liess die Pontinischen Sümpfe
entwässern [Malariasümpfe], was schon zu römischen Zeiten
und von den Päpsten vergeblich versucht wurde. Mussolini hat
auch viele Traktoren anschaffen lassen. Mussolini: Jeder
Traktor kostet weniger als ein Schuss einer Kanone.
Von grossen Territorialgewinnen hält Mussolini nicht viel.
Das Glück einer Nation ist nicht in der Grösse seines
Territoriums zu sehen.
[Hier schwankt Mussolini - in vorigen Kapiteln hat er seine
Jugend militärisch für eine "grosse Aufgabe" ausbilden
lassen].
[Geburtenrate als Kriegsfaktor]
Mussolini spricht für jede Geburt eine
Prämie, denn wenn ein Volk grösser ist, lebt es besser,
stützt sich besser gegenseitig. Und mit grosser Bevölkerung
ist eine hohe Industrieproduktion möglich, sind höhere
Kapazitäten möglich.
Frankreich hätte den Krieg verloren, wenn niemand geholfen
hätte, vielleicht wegen der 2-Kind-Familie in Frankreich.
Mussolini: "Frankreich beweist
gar nichts! Wäre nicht die halbe Welt gekommen, um
Frankreich zu helfen, so wäre es kaputt gegangen."
Wenn die Nationen grösser sind, nimmt die Kriegsgefahr ab.
Mussolini argumentiert so:
"Hätte Frankreich 55 Mio. Einwohner im Jahre 14 gehabt statt
35, so hätte Deutschland keinen krieg gemacht!"
Abtreibung ist unter Mussolini verboten, im kommunistischen
Russland nicht. Mussolini lakonisch: "Die Russen können sich
andere Gesetze leisten", weil die so viele sind, da ist es
egal, wieviel Nachwuchs sie haben. Italien dagegen kann sich
eine Verringerung der Nationalkraft nicht leisten.
[Mussolini ist gegen die Gleichstellung von Mann
und Frau - der Mamma gebührt Ehre - und uneheliche Kinder
sind keine Schande]
Frauen seien technisch nicht versiert.
Frauen sollen aber auch keine Sklavinnen sein. Frauen sollen
kein Stimmrecht haben. In GB mit Frauenstimmrecht gäbe es 3
Mio. mehr Frauen als Männer. Mussolini prophezeit: "Wissen
Sie, wo die Angelsachsen enden können? Im Matriarchat!"
Aber die Mutter will er dann doch: "Wir tun für die Mutter
mehr als irgendein Staat Europas. Ob die Mutter die Frau
oder bloss die Freundin des Erzeugers war, darum können wir
uns nicht kümmern." Die Kirche soll ihre eigene Philosophie
haben.
Die Carta del Lavoro, das ist gemäss Mussolini das stärkste
Mittel für die Wirtschaft und damit für die Gesellschaft,
mit privater Initiative. Wo sie nicht funktioniert, dort
greift der Staat ein.
[Die Jugendorganisation "Balilla"]
1926-1937 existiert die Balilla, benannt nach dem Namen
eines aufständischen Genuesers gegen Österreich 1746. Die
Jugend soll in der "Balilla" gemäss der "Idee der Nation"
erzogen werden, im Gegensatz zur Erziehung in der
Sowjetunion, wo die Jugend nach der Idee der Klasse erzogen
wird.
[Die Bürger und die Kinder gehören dem Staat -
Auslese für die Elite]
Die Bürger bzw. das Individuum soll im
Staatsganzen unterkommen. Das Staatsganze geht der Familie
vor. Die Kinder "gehören" also dem Staat. Mussolini: "Aus
diesen Kindern suche ich allmählich durch immer feinere
Auswahl eine Elite zu bilden."
[Gehorchen nur bei Vernunft]
Kinder und Soldaten sollen Gehorchen
lernen, aber: Mussolini: "Der Befehl darf nicht absurd sein.
Sie müssen fühlen, wie vernünftig er ist. Überall ist die
Interpretation die Hauptsache, nicht das Gebot. Das Gesetz
hat immer etwas kaltes, kadaverhaftes." Mussolini selbst hat
in 7 Jahren 1 1/2 Mio. Gerichtsfälle selbst geprüft, so
behauptet er.
13.
Mussolinis Staat und die
Kirche
Mussolini lehnt den italienischen Staatsmann Cavours
(1810-1861) mit seinem gemässigten Liberalismus nach
britischem Vorbild ab. Cavours sagte: "libera chiesa in
libero stato" ["eine freie Kirche in einem freien Staat"].
Mussolini findet das "unrealisierbar mit der katholischen
Kirche". Möglich ist für ihn die volle Trennung. Der Staat
ignoriert die Kirche oder integriert sie vollständig.
Mussolini versucht, sich mit
der Kirche zu arrangieren und lässt 5 Sitze in der Regierung
für die Popolari. Aber der Kirchenvertreter Don Sturzo hat
intrigiert und deswegen ist er rausgeschmissen worden. 5
Jahre danach kam es zur Einigung mit der Kirche. Mussolini
kniet vor dem Papst und küsst ihm die Hand...
Mussolini ist nicht gläubig. Über den Umgang mit den
Gläubigen: Mussolini: "Da muss man zwischen Gläubigen und
Kirchengängern unterscheiden ... Die Teilnahme am Kultus,
das ist eine persönliche Sache. Der Minister zum Beispiel,
der jetzt eben die Jesuiten aus Spanien ausgeschlossen hat,
geht jeden Tag zur Messe."
Entwicklung des Christentums
Mussolini: "Wäre das Christentum nicht ins
kaiserliche Rom gekommen, es wäre eine jüdische Sekte
geblieben." Über "Jesus": "Erst wird eine Tat Legende [das
Wirken von "Jesus"], dann wird sie Ketzerei. So geht es
immer."
[Das Römische Reich als Vorbild - "Jesus" ist
"grösser" als Caesar]
Mussolini: "Die Völker, die die Schule
Roms nicht durchgemacht haben, gleichen Jünglingen, die
nicht in der Schule waren." "Jesus" ist "grösser" als
Caesar. Er entfesselte eine Bewegung, die 2000 Jahre dauerte
und 400 Mio. Anhänger hat. Mussolini: "Dieses Beispiel
bleibt ewig! ... Merkwürdig ist bloss, dass gerade die
menschlichsten römischen Kaiser die Christen aufs Schärfste
verfolgt haben."
[Die Ausbreitung der Kirche war der reinste Terror und somit
gar nicht im Sinn von "Jesus". Siehe: Kircherei].
[Marc Aurel-Inschrift]
"Bleibe eingedenk, dass du ein Römer bist.
Nimm dich in acht, dass du auch ein Kaiser bist." Mussolini
stimmt dem voll zu.
Fünfter Teil
14.
Gespräche über Genie und
Charakter
[Handeln und Denken soll erlaubt bleiben]
Mussolini: Die Bürokratie eines Staates kann den Geist
abtöten. Mussolini versucht, das Abtöten des Geistes durch
den Gedanken an das Menschliche zu überwinden. Ludwig fragt,
ob sich Mussolinis Visionen über den Staat erfüllt haben.
Mussolini:
"Nein. Es ist nicht dieselbe Strasse, die ich vorausgesehen
habe. Aber es ist noch derselbe Wanderer. Der Weg hat sich
verändert, denn die Geschichte tut es. Das Individuum bleibt
dasselbe."
Und die Erfahrung verändert beständig den ersten Plan. Also:
Die Materie der Arbeit, der Mensch, ist veränderlich, ein
komplexer Vorgang.
[Frauen: Mussolini hält sich an Otto Weininger:
Frauen sind seelisch und sittlich minderwertig...]
Der Einfluss der Frauen ist für Mussolini
eine ungeklärte Welt. Mussolini stützt sich auf Weininger:
"Weininger hat in der Hauptsache richtig gesehen, auch wenn
er schliesslich übertrieb. Er hat mir viel klargemacht."
[Otto Weininger, Philosoph und Psychologe, Wien 1880-1903,
entwickelte eine Psychologie der Geschlechter, in der er die
These von der seelischen und sittlichen Minderwertigkeit der
Frau aufstellte. Buch: "Geschlechter und Charakter" 1903.
1903 beging Weininger Selbstmord; In: Weininger, Otto; In:
dtv-Lexikon 1990; Vielleicht hätte Weininger anders über
Frauen denken sollen...].
[Zu viel Polizei bringt
nichts]
Soll aller Schutz durch die Polizei geschehen? - Mussolini:
"Jeder Schutz wirkt nur bis zu einer gewissen Grenze."
[Gesetze wollen wohl
bedacht sein]
Mussolini: "Ein Gesetz kann die umgekehrten Folgen haben,
als die, die ich vorbedacht habe."
[Talisman als Lebenshilfe]
Der Glaube an Talismane nimmt von der
Jugend zum Alter hin zu, auch bei Mussolini.
[Dichtung bei grossen Staatsmännern - Phantasie
ist entscheidend]
Mussolini, Trotzki, und auch von Napoleon
haben sich dichterisch betätigt. Ob es eine poetische Ader
brauche, um ein "grosser" Mensch zu werden?
Mussolini:
"Der Politiker braucht zuerst und zuletzt Phantasie, sonst
ist er trocken und kommt auf die Dauer zu nichts. Aber nicht
bloss er. Ohne ein dichterisches Gefühl, ohne Phantasie kann
doch niemand zu irgend etwas gelangen."
Die Erfahrung grenze die Phantasie jeweils ein. Wichtig sei
die Kunst des Wortes.
[Reden wirken je nach Situation verschieden]
Napoleon hat mit der Kunst des Wortes
wichtige Siege errungen. Das Wort in verschiedenen
Situationen
-- vor der Menge ist das Wort machtvoll
-- vor einer Versammlung wirkt ein Wort logisch
-- zu kleinen Gruppen wirkt ein Wort familiär.
Falsch ist gemäss Mussolini, wenn man immer denselben Ton
anschlage. Dichter und Staatsmänner seien in diesem Sinn
verwandte Sprachkünstler.
Mussolini: "Als Denker und mit seiner hochentwickelten
Phantasie ist der Dichter fast immer Prophet der neuen
Zeit." Also ist der Dichter die Vorhut der Befreiung des
Geistes.
Mussolini:
"Denker und Dichter sind wie Vögel, die da Gewitter
anzeigen. Sie wissen nur nicht, woher es kommt und wie
sich's entladen wird."
Die Dichtung hat ein Ziel, aber bietet keinen Weg zum Ziel.
Beispiel: Mirabeau, Danton, Young. Schreiben ist eine Übung
des Geistes, v.a. für die Jugend. So lernt die Jugend die
Sachen von verschiedenen Seiten kennen.
Gedichte wirken beim Mann verführerisch. Mussolinis
Gleichnis mit der Frau:
"Die Phrase ist für einen jungen Mann eine schöne Frau, in
die er sich verliebt. Mit vierzig sieht er dann die Fakten."
[Faschismus: Weiterentwicklung von Rom]
Mussolini dachte in seiner Jugend als
Sozialist:
"Das Ende der Schlacht kommt in zweiter Reihe. Der Preis
liegt für uns im Kampf, auch ohne Sieg. [...] Wir sind gegen
das bequeme Leben."
Caesar sei eine grosse Schule für Regierende, meint
Mussolini. Caesar wurde zum Schluss Opfer der Phrase.
Mussolini behauptet, sich das Vermächtnis der lateinischen
Tugenden angeeignet zu haben.
[Mussolini: Stolz und Handlung aus dem Frust der
Diskriminierung als Kind]
Mussolini definiert Stolz: Stolz ist "das
Bewusstsein seiner selbst."
und Übermut: Dies sei die alterigia, die Degeneration des
Stolzes.
Auf was Mussolini stolz ist: "Dass ich ein guter Soldat war.
Das heisst, Seelenkraft beweisen. Nur so kann der Mensch ein
Bombardement aushalten."
Die Erfahrung der Erniedrigung als Kind vor dem Staat führte
bei Mussolini zur Natur der Revolutionärs: Die Kinder wurden
beim Essen immer in drei Klassen eingeteilt. Er, Mussolini, musste immer bei den Ärmsten unten
sitzen.
Mussolini:
"Die Ameisen im Brote der dritten Klasse könnte ich
vergessen, aber dass wir Kinder in Klassen eingeteilt waren,
das brennt mir noch heute auf der Seele!"
So werden die Leiden in Mussolini produktiv.
[Mussolini: Patriotismus wird durch das Opfer
eine Tugend...]
ist gemäss Mussolini eine Tugend, denn
jede Nation hat ihre Geschichte, jede Nation hat die ihr
gebührende Ehre, je nachdem, was sie zur Kulturentwicklung
geleistet hat.
Mussolini über Patriotismus:
"Zunächst ist der Patriotismus nur ein Gefühl. Eine Tugend
wird er erst durch das Opfer. Je nach dem Masse des Opfers
steigert sich diese Tugend." -
Gefahr: Aus Nationalismus entsteht Hochmut. Dann kommt es
darauf an, wie das Volk geführt wird und mit was für
Gleichnissen es konfrontiert wird. Frage: "Wenn Ihnen aber
das Volk eines Tages vor lauter Begeisterung durchgeht?" -
Mussolini: "Das kommt auf die
Autorität des Führers an."
[und der preussische Hochmut führte in den Untergang...]
[Mussolinis Kriegsreden 1929]
Taktik: Ziele soll man mit Geduld und
Beharrlichkeit erreichen. Die Durchführung kann dann sehr
schnell geschehen.
[Armut ist eine Schule]
Mussolinis Hypothese: Wären Bismarck oder
Cavour in Armut aufgewachsen, wären sie auch Revolutionäre
geworden.
Mussolini:
"Charakter und Umstände spielen mit- und durcheinander. Eins
ohne das andere gibt keine Gleichung. Dabei zieht das Glück
den Tüchtigen an."
[Einsamkeit, Selbstreflexion und Beobachtung]
Mussolini behält seinen Geist in
Einsamkeit für sich, und die Opposition erschaffe er sich in
seinem Innern:
"... Ausserdem erschaffe ich mir die Opposition in meinem
Innern ... Ich lese Byron und Leopardi immer ... und wenn
ich die Menschen satt habe, so gehe ich aufs Meer. Am
liebsten lebte ich immer nur auf dem Meere! Kann ich das
nicht, so halte ich mich an die Tiere. Ihr Seelenleben
nähert sich dem des Menschen, und doch wollen sie nichts von
ihm: Pferd, Hund und namentlich mein Lieblingstier, die
Katze. Oder ich beobachte die wilden Tiere. Da sind noch
elementare Kräfte der Natur!"
[Hier zeigt sich in tragischer Weise, dass Mussolini selbst
nie gelernt hat, ausgeglichen mit Menschen umzugehen, bzw.
er hat bis zu diesem Zeitpunkt keinen Freundeskreis
gefunden, der ihm Entspannung schenkt, und nur aus dieser
Einsamkeit kann Hitler sein "Freund" werden...].
[Regeln zum Regieren]
Mussolini:
"Man braucht 99 Prozent
Humanität und nur 1 Prozent Verachtung."
15.
Persönlichkeit und Schicksal
[Rassenlehren sind irreal - nur den Stolz auf
die eigene Rasse gibt es]
Mussolini behauptet, er diene der
Öffentlichkeit und vervielfältige so sein Leben. Rassenlehre
ist eine intellektuelle, irreale Erfindung.
Mussolini:
"Niemand kann sich von der Menschheit loslösen ... Das ist
etwas Konkretes: die Humanität der Rasse, in der ich geboren
bin... Ich sagte Ihnen ja: Rassen gibt es nicht! Das ist
eine Illusion des Geistes, ein Gefühl. Ist das nun weniger?
- Danach könnte man sich also eine Rasse auch wählen? - Das
kann man."
[Lebenseinstellung Mussolinis: füreinander,
nicht gegeneinander leben]
Mussolini: "Ich hatte immer eine
altruistische Vision des Lebens", füreinander und nicht
gegeneinander zu leben, nach Nietzsche. Mussolini: "Strebe ich denn nach einem Glück?
Ich strebe nach meinem Werk!"
Frage, ob er die Idee Goethes teile, wonach die Schläge des
Schicksals den Charakter bilden. Mussolini:
"Meinen Krisen und Schwierigkeiten verdanke ich, was
ich bin."
Risiko im Leben: Mussolini: "Das Leben hat seinen Preis. Man
muss es immer wieder riskieren. Ich ginge auch heute wieder
in die Schlacht."
Über seine eigene Sicherheit: "Wenn ich an meine Sicherheit
denken müsste, würde ich mich gedemütigt fühlen."
Ob er als Schüler Macchiavellis und Nietzsches glauben kann:
Mussolini: "An sich selbst, das
wäre schon etwas."
Mussolini: "In späteren Jahren
hat sich der Glaube in mir gefestigt, dass es eine göttliche
Kraft im Universum gäbe." - "Eine christliche?" - "Eine
Göttliche ... Die Menschen können Gott in vielen Arten
anbeten. Man muss jedem durchaus seine Art überlassen."
Über Schicksal: Mussolini: "Man
muss mit dem Willen gegen den Fatalismus reagieren. Das ist
ein interessanter Kampf. Der Wille muss das Terrain
vorbereiten, auf dem das Schicksal sich entfalten soll."
Über Ruhm, der aus diesem Kampf hervorgeht: Mussolini: Ruhm sei nicht primär zu sehen:
"Ich habe meine Werke keineswegs allein auf den Ruhm
gegründet. Die Unsterblichkeit ist das Pfand des Ruhms. Aber
sie kommt - nachher."
über den Tod: "... Übrigens stirbt jeder den Tod, der seinem
Charakter entspricht."
[Damit hat er absolut schicksalsgläubig und kriegerisch den
Tod in die Hände der stärksten Kanonen und Panzer gelegt,
und hat wohl nie gedacht, dass er aufgehängt wird...].