|
|
Der Friedensvertrag von Versailles, der kein Friede war
11. Italiens Forderungen an der Friedenskonferenz von Paris 1918-1919
Karte von Italien mit Südtirol [1]. Italien wollte nach der Auflösung des Kaiserreichs Österreich-Ungarn die Wasserscheide in den Alpen als Grenze, also den gesamten "Alpenbogen". "US"-Präsident Wilson hatte nicht die leiseste Ahnung, was er damit Italien bewilligte. Hätte man Italien eine afrikanische Kolonie zugebilligt, wäre Südtirol vielleicht österreichisch geblieben...
von Michael Palomino (1994 / 2005 / 2010)
Teilen / share: |
Facebook |
|
Twitter
|
|
|
aus: Dr.Wilhelm Ziegler: Versailles; Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg 1933.
ab Anfang 1919Italien: Die italienische Delegation muss eine "Beute" nach Hause bringen, den "Siegpreis"
Italien erhält keine zusätzliche Kolonien. Somit steht die italienische Delegation unter enormem Druck, in Versailles eine Eroberung in Europa auszuhandeln (S.180).
13.3.1919
Italien: Memorandum mit Forderungen
-- Basis soll der Geheimvertrag von London sein, wonach der Kriegseintritt gegen die Mittelmächte nun belohnt werden sollte
-- alle Forderungen seien "in voller Übereinstimmung mit den Prinzipien des Präsidenten Wilson"
-- die Forderungen sind gemäss Ziegler überhaupt nicht gemäss den Prinzipien Wilsons
-- Wilson hat Orlando schon vor Monaten erklärt, er sei nicht für die Abtretung von Gebieten, das den Samen neuer Kriege in sich tragen würde (S.180).
Die italienischen Forderungen: Etschtal, Brennergrenze, Trentino, Görzer Land am Isonzo, Triest, Pola, Fiume / Rijeka, Dalmatien, Zentral-Albanien, Zara
-- das Etschtal bis zur Brennergrenze, das uralte deutsche Tirol, gemäss italienischer Propagandasprache die "Italia irredenta", des "Trentino"
-- das Görzer Land am Isonz
-- die Halbinsel Istrien mit den beiden Häfen Triest und Pola, mit einbezogen der Hafen Fiume [heute Rijeka
-- das Hauptstück von Dalmatien mit dem Hafen Zara als Mittelpunkt
-- die Kontrolle über Zentral-Albanien mit dem Hafen Zara als Mittelpunkt (S.180).
Die Konfrontation mit den "14 Punkten":
-- Tirol: Abschneiden 240.000 Tiroler Deutsche vom Mutterland: die Begründung des Anspruchs ist nur strategisch möglich
-- Fiume: hat höchstens 30.000 Italiener, dagegen 60.000 Kroaten: Fiume ist der einzige zukünftige Hafen Grossserbiens. Italien hat schon den Welthafen Triest erhalten. Die Halbinsel Istrien ist mindestens 50 % "jugoslawisch"
-- Dalmatien: dieser Anspruch ist reiner Imperialismus und Annexionismus (S.180).
Meinung von Wilhelm Ziegler: Die Italiener möchten einfach auch ihren Teil an der Konkursmasse des Habsburgerreiches wie die Polen, Tschechen, Rumänen und Jugoslawen:
"Aber wer sollte es den Italienern verdenken, wenn sie in diesem Riesenausverkauf, in dem jeder krallte, was er konnte, sich nicht bescheiden in eine Ecke drücken liessen? Namentlich jetzt, als der gigantische Komplex des stolzen, von Jahrhunderten geweihten Habsburgerreiches wie eine Konkursmasse fetzenweise an die Gefolgschaft der Konkursverwaltung verschleudert wurde! Denn den Polen, den Tschechoslowaken, den Rumänen und den Jugoslawen kam man auf der ganzen Linie entgegen. Warum sollten sie da nicht auch ihr Teil abbekommen?" (S.181)
15.3.1919ca.
Italien: Gespräche Wilson - Orlando - mit Dolmetscher, der "amerikanische Berater Frazier:
Brennergrenze ist versprochen
-- Wilson: "Ich kann nicht zugeben, dass Fiume an Italien kommt, aber Sie können auf mich wegen der Brennergrenze zählen."
-- Wilson verspricht die Brennergrenze, Wilson verstösst gegen seine eigenen Prinzipien, 240.000 deutschsprachige Menschen werden ohne Abstimmung zu Italien gezwungen (S.182).
Die "Wilson-Linie" der neuen Italien-Karte
-- der Ostzipfel von Istrien mit Fiume und Dalmatien geht an Jugoslawien-- im Geheimvertrag von London sollte Fiume an Italien fallen
-- die Hauptlast der Auseinandersetzung fällt wieder einmal Wilson zu, die englische Seite interessiert es nicht
-- Frankreich hat ein "Freundschaftsverhältnis" zu Jugoslawien, was Frankreich zu moralischer Assistenz Jugoslawiens verpflichtet (S.181).
18.3.1919
Italien: Memorandum der "amerikanischen" Sachverständigen: Fiume und Dalmatien an Jugoslawien
-- Orlando gibt nicht nach und fordert weiter Fiume und Dalmatien
-- Wilson will Gespräche mit Betroffenen, mit dem Kroaten Trumbitsch und mit dem slowenischen Vertreter
-- Orlando: kroatische und slowenische Vertreter hätten ebenso wenig Rechte wie irgendein anderes feindliches Volk
-- Festfahren der Situation (S.181).
14.4.1919
Italien: Orlando interveniert erneut für Fiume [heute Rijeka] und Dalmatien an Italien
-- Einfluss von House auf Wilson, House will den Kompromiss, alle anderen "amerikanischen" Experten bleiben aus Wilsons Position gegen die italienischen Annexionspläne
-- Plan von House und Dr.Mezes (Schwager von House): östliches Fiume an Italien, nördliches Dalmatien befristet unter Völkerbundsverwaltung bringen
-- Wilson schlägt Fiume als internationalen Hafen vor mit Autonomie für Fiume
-- Orlando will keine halbe Lösung, lehnt Wilsons Vorschlag ab (S.183).
17.4.1919
Italien: Appell von 6 "amerikanischen" Sachverständigen, den italienischen Annexionisten nicht nachzugeben
-- Appell an sein Wort an Bord des Dampers "George Washington":"Sagen Sie mir, was recht ist, und ich werde dafür kämpfen. Schaffen Sie mir eine gesicherte Position."
-- die Sachverständigen warnen:
"Falls Jugoslawien Fiume verliert, wird Krieg die Folge sein."
-- Schreiben von Bliss, Lansing und Henry White, die sich hinter die Experten stellen
-- House vermittelt als einziger (S.183).
18.4.1919
Italien: Versuch der Abschwächung des Völkerbundmandats für Fiume [heute Rijeka]-- die italienische Delegation lässt weiterhin keine Kompromisse zu
-- Wilson schliesst sich noch am selben Tag seinen Experten an (S.183).
19.-22.4.1919
Italien: Rat der 4: 4 Tage lang wird nur die Adriafrage diskutiert und das Thema Fiume-- die Argumente wiederholen sich
-- Wilson bleibt fest, diesmal vermittelt Clémenceau (S.183).
21.4.1919
Italien: Wilson-Idee, das italienische Volk in einem Manifest zu befragen-- die italienische Delegation droht schon, Paris zu verlassen
-- Wilson wird in der italienischen und französischen Presse hart angegriffen
-- Wilson will in einem Manifest an den Grossmut des italienischen Volkes appellieren
-- die Frage ist nur, ob er diese Idee vor oder nach dem voraussichtlichen Bruch mit den italienischen Vertretern präsentieren soll (S.184).
23.4.1919
Italien: Abreisen der italienischen Delegation aus Paris aus Protest
(S.179)23.4.1919 Abend
Italien: Wilson-Manifest über die Presse zum Befragen der italienischen Bevölkerung
(S.184)24.4.1919
Italien: Das Wilson-Manifest an das italienische Volk mit der Befragung erscheint in allen Zeitungen-- ist ein Dokument mit 1200 Worten Umfang
-- Darlegen aller Standpunkte
-- Erwähnung, was Italien alles bekomme im Norden, Nordosten und jenseits der Adria, aber Fiume sei nicht möglich (S.184).
Reaktion von Orlando und Sonnino: Reise nach Rom mit Welle des Nationalismus
-- Feindseligkeiten gegen alles Amerikanische
-- die "amerikanische" Botschaft in Rom muss durch italienische Truppen bewacht werden
-- "amerikanische" Offiziere in Italien erhalten Weisung, sich so wenig wie möglich auf den Strassen zu zeigen
-- Wilsons Weg erweist sich taktisch falsch, denn man kann sich nicht an ein fremdes Volk wenden
-- Orlando hat es so einfach, stellt sich vor sein Volk: "Wählt zwischen Wilson und mir!", und die grosse Mehrheit der Anwesenden jubeln Orlando zu (S.184).
7.5.1919
Die Vorbereitung auf die Überreichung des Vertrags-- es kommt alles "auf die letzte Minute"
-- Überreichung für den 7.5.1919 am Nachmittag geplant
-- die Italiener kommen dafür aus Italien angereist
-- der Vertragstext ist 3 Stunden vor der Übergabe als Ganzes einsehbar
-- niemand hat den Vertragstext als Ganzes einmal lesen können (S.197).
Italiens Delegation tritt geschlossen aus der Konferenz aus
-- aus Protest wegen Gebietsansprüchen (S.205)
-- der Austritt provoziert tagelange Sitzungen wegen den italienischen annexionistischen Vorstellungen (S.205).
12.5.1919
Italien: House-Tagebuch: "Italienischer Tag"
(S.205)16.5.1919
Italien: fast italienisch-jugoslawische Verständigung, aber doch keine
(S.205-206)16.-30.5.1919
Italien: keine Lösungsfindung zwischen Italien und Jugoslawien, die Fragen bleiben offen
(S.206)
August 1919-10.8.1920
Friedensvertrag mit der Türkei: alle wollen "erben"-- die türkischen Vertreter sind zu den Verhandlungen nicht eingeladen
-- alle Sieger wollen von der Türkei erben: Franzosen, Italiener, Engländer, Griechen, "Amerikaner"
-- der "US"-Plan für ein Mandat über Konstantinopel und Armenien gelingt nicht (S.206).
1920 ca.
Italien: Wilson bekennt, die Brennergrenze sei falsch
Er habe nur "unzulängliche Kenntnis" gehabt (S.254).
1929-1939
[Italien besetzt unter Mussolini im Kolonialismuswahn Libyen, Somalia, Eritrea, Äthiopien und Albanien].
Teilen / share: |
Facebook |
|
Twitter
|
|
|
^