7. Die Metamorphose: Von Jesus zu Muhamad
"In den Adern
des Propheten fliesst Tinte - auch die der
europäischen Orientalisten."
Karl-Heinz Ohlig, Religionswissenschaftler
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7a. Byzanz, Persien und dazwischen die
christlichen "Arabis"
7a.1. Das frühe "Arabien" mit religiösem
Hickhack im heutigen Kurdistan
[Dauerkrieg und Manipulationen zwischen Byzanz und
Persien]
Die Geschichte des Vorderen Orients in der ersten
Hälfte des nachchristlichen Jahrtausends prägte der
Dauerkonflikt zwischen Persien und dem Byzantinischen
Reich. Es gab direkte Begegnungen auf dem
Schlachtfeld, meist aber waren es
Stellvertreterkriege, denn beide Mächte unterhielten
ein Netzwerk von arabischen Bundesgenossen, die oft
genug die Seiten wechselten.
["Arabien" bis zum Mittelalter: Ein Teil des
Fruchtbaren Halbmonds]
Unter Arabien verstehen wir heute die Arabische
Halbinsel. In der Antike und im Mittelalter umfasste
Arabien Syrien, Palästina und Mesopotamien, manchmal
mehr, manchmal weniger. Die Arabische Halbinsel war
damit nicht gemeint. Allerdings war der nordwestliche
Teil durch das Reich der Nabatäer, hellenisierten
Arabern, an die Kultur des Mittelmeeres angebunden.
["Arabien" bis zum Mittelalter: Vielfalt von
Religionen und Heilsversprechen - Kämpfe der
Christen untereinander]
Dieses alte Arabien war ein politischer und religiöser
Druckkochtopf. Nicht aus Zufall entstanden hier drei
der fünf Weltreligionen. Juden, griechische,
babylonische, asiatische Heiden, Melkiten, Jakobiner,
syrische Christen, koptische Christen, Katholiken,
Nestorianer, Zoroastrier, Buddhisten und andere mehr
standen in stetigem Wettstreit. Sozusagen täglich
tauchte an jeder Ecke ein Heilsverkünder, ein
Gottgesandter, ein Messias, ein neuer Prophet auf.
Ständig stand man unter dem Druck des unmittelbar
bevorstehenden Weltunterganges, auf den man richtig
vorbereitet sein musste.
Die einzelnen Fraktionen hatten ihre eigenen
religiösen Texte, die jeweils diskutiert, angegriffen,
verteidigt wurden. Besonders heftig waren diese
Auseinandersetzungen um die "wahre Lehre" zwischen den
einzelnen christlichen Fraktionen [S.107].
Der Zentralpunkt war hierbei die Frage nach der Natur
Jesu. Die Diskussion wurde sowohl auf
griechisch-philosophischem Nadelspitzniveau als auch
handgreiflich ausgetragen [44].
[44] Etwa am Konzil von Ephesos (431), das
als "Räubersynode" in die Geschichte einging.
Ehrwürdige Kirchenväter gingen aufeinander mit
Fäusten und Stöcken los, zur Durchsetzung der wahren
Lehre wurden Schlägertrupps angeheuert.
Für die Monophysiten hatte Jesus nur eine göttliche
Natur, für andere, die Monarchier, war Jesus zwar ein
Gesandter Gottes, aber trotzdem nur Mensch, und für
wieder andere war Jesus Sohn Gottes und hatte neben
seiner menschlichen auch eine göttliche Natur. Das
waren die Fragen, die die Menschen des Nahen Ostens
über Jahrhunderte in einer für uns Heutige kaum
nachvollziehbaren Intensität beschäftigten, hing davon
doch ihr Seelenheil bei der ständig erwarteten
Rückkehr des Messias ab, der mit dem Flammenschwert
über sie Gericht halten würde. Das Lebensgefühl war,
in der Endzeit zu leben.
[Die Trennung des arabischen "Christentums" vom
restlichen "Christentum": Spaltpilz
"Trinitätslehre"]
In zahlreichen Konzilien, auf denen diese
Glaubensfragen heftig diskutiert wurden, namentlich
Nikäa im Jahr 325 und Chalkedon im Jahr 451, wurde die
"Trinitätslehre", die Lehre von der "Heiligen
Dreifaltigkeit", zum offiziellen Dogma erhoben. Dies
trennte die arabischen Christen vom Hauptstrom.
7a.2. Verschleppungen von Christen bis
Persien und der Begriff "Arabi" für die
Bevölkerung in Mesopotamien
[Verschleppungen und Zwangsarbeit in Asien]
Eine gewisse räumliche Trennung hatte indes schon
früher stattgefunden. Allgemeine Kriegspraxis im
Orient war die Ermordung und / oder Verschleppung der
Besiegten. Wer die Schlachten und das nachfolgende
Schlachten überlebte, wurde abtransportiert und zu den
verschiedensten Arbeitsprojekten in den eigenen
Provinzen herangezogen.
Bekannt ist die Verschleppung der Israeliten durch
Nebukadnezar nach Babylon.
Die drei grossen Kriege Schapurs I. (240/42–270 n.
Chr. -
http://www.wikiwand.com/de/Schapur_I.)
endeten in riesigen ¨Verschleppungswellen der
Bevölkerung aus dem heutigen Syrien und Irak: So wurde
der Bischof von Antiochien an der syrischen
Mittelmeerküste mitsamt seiner Gemeinde nach Khuzistan
(Chuzestan, heute Iran -
https://de.wikipedia.org/wiki/Chuzestan)
verschleppt und für den Bau der neu zu gründenden
Stadt Gundeschabur (heute Iran -
https://de.wikipedia.org/wiki/Gundischapur)
herangezogen. Eine weitere zerstörte und umgesiedelte
[S.108] Stadt war die nordmesopotamische Zentrale
Hatra, zwischen Euphrat und Tigris gelegen (heute
Nord-Irak
https://de.wikipedia.org/wiki/Hatra)
[45].
[45] Die Lücken wiederum wurden des
Öfteren gefüllt durch mehr oder weniger erzwungene
Umsiedlungen aus Griechenland und dem Balkan.
[[Diese Deportationen sind der Grund, wieso es im
Nahen Osten auch blonde Menschen gibt]].
[Der Begriff "Arabi"="Bewohner des Westens" - aus
der Sicht Persiens]
Die Bewohner dieses Gebietes, der "Dschasira"
("Insel") (=Obermesopotamien, heutiges Kurdistan -
https://de.wikipedia.org/wiki/Al-Dschazira_(Mesopotamien)),
wurden "Arabi" genannt, "die Bewohner des Westens",
vom Land jenseits [[östlich]] des Tigris [[von
Persien]] aus gesehen. Hier wird der Begriff "Araber"
erstmals manifest, aber er ist nicht mit dem uns heute
geläufigen Begriff deckungsgleich.
[Verschleppungen: Syro-Aramäisch und Bibeln
verbreiten sich bis nach Persien]
Die Arabi sprachen syro-aramäisch. Man kann mit
Sicherheit annehmen, dass sie auf dem Weg in die
persische Diaspora auch ihre heiligen Bücher
mitnahmen, die "Peschitta", die aramäische Bibel und
das "Diatessaron", das aramäische Evangelium.
Eine weitere Verschleppungswelle erfolgte unter
Chosrau I., der 540 erneut die gesamte Bevölkerung
Antiochiens in den Osten verschleppte und sie die
Stadt "Veh-Antiokh-i-Chosrau" ("Das bessere Antiochien
des Chosrau") bauen liess. Die Deportierten setzten
ihr religiöses Leben in Persien fort.
7a.3. Byzanz gegen Persien - Raub des
Kreuzes von Jerusalem 613 und Rückführung des
Kreuzes 630
[613: Persien besetzt Jerusalem - Zerstörung der
Grabeskirche und Raub eines Kreuzes - 619 Ägypten]
Im 7. Jahrhundert nahmen die Auseinandersetzungen
zwischen Persien und Byzanz den Charakter eines
religiösen Krieges an. 613 gab es einen neuen Vorstoss
Persiens in Richtung Westen. Chosrau II. besetzte
Syrien und eroberte 614 Jerusalem. Er zerstörte
demonstrativ die Grabeskirche und nahm die Reliquie
des Heiligen Kreuzes als Trophäe mit sich. 619
eroberte er Ägypten.
[Rückeroberung von Byzanz ab 622 - Zerstörung des
Feuertempels in Ganjak]
Dies konnte Byzanz nicht hinnehmen. Kaiser Herakleios
bracht mit einem Heer gegen Persien auf. Unter der
persönlichen Führung des Kaisers - eine absolute
Rarität in der Spätantike - kam es 622 in Armenien zur
Schlacht, in der das persische Heer vernichtend
geschlagen wurde. Im folgenden Jahr nahm Herakleios
die Stadt Ganjak ein und liess als Revanche für
Jerusalem den dortigen Feuertempel zerstören. Es
folgten weitere Schlachten, die zum vollständigen und
triumphalen Sieg von Byzanz führten.
[Byzanz gibt Syrien und Mesopotamien auf, um auf
dem Balkan Truppen zur Verfügung zu haben]
Der immer noch friedensunwillige Chosrau wurde von
seinen eigenen Leuten ermordet, sein Sohn Siroe
schloss Frieden mit Byzanz. Im darauf folgenden
"Ausgleich" bekam der Kaiser zwar seine arabischen
Gebiete - die er niemals wirklich beherrscht hatte -
nominell zurück. Aber im Rahmen [S.109] der
vollkommenen Neuordnung des Byzantinischen Reiches
(der "Themenkonferenz") hatte sich Herakleios bereits
entschieden, Syrien und Mesopotamien als Reichsgebiet
aufzugeben, behielt jedoch einige Städte und alle
Häfen unter seiner Kontrolle. Die dringend gebotene
Konsolidierung seines Kerngebietes hatte absoluten
Vorrang, denn im Westen [[auf dem Balkan]] kämpfte das
Reich um seinen Bestand.
[Konstantinopel muss nicht Hauptstadt sein -
Rückführung des Kreuzes nach Jerusalem 630]
Schon 618 hatte der aus Nordafrika stammende
Herakleios sich mit dem Gedanken getragen,
Konstantinopel als Hauptstadt aufzugeben und von
Sizilien aus zu regieren. Ein Volksaufstand und der
Klerus brachten ihn davon ab, die Kirche musste
allerdings seinen Feldzug finanzieren, den er 628
siegreich abschloss und 630 mit der feierlichen und
persönlichen Rückführung der Kreuzesreliquie nach
Jerusalem krönte.
Es war kein gewöhnlicher Feldzug gewesen, sondern der
erste Kreuzzug der Geschichte, der Kampf der Christen
gegen die Feueranbeter [S.110].