Wie keine andere Zeit sind die zwölf Jahre des
Nationalsozialismus in Deutschland Gegenstand
lokalgeschichtlicher Betrachtungen. Neben Fachhistorikern
beteiligen sich auch viele Laien intensiv an der historischen
Aufarbeitung dieser Zeit. Eine Regionalbibliographie für
Ostwestfalen-Lippe zählte 1984 allein für dieses Gebiet über
hundert Arbeiten über die Jahre 1933-45.
(1. Wolfgang
Escher, Uwe Horst, Helga Schuler-Jung (Hg.): Provinz
unterm Hakenkreuz, Bielefeld 1984, 303-312).
Dieses Interesse verwundert nicht, wenn man bedenkt, wie
brennend aktuell noch heute die Suche nach den Ursachen
nationalsozialistischer Gewaltherrschaft ist. Gerade eine
richtig verstandene Lokalgeschichte, die die grossen Bezüge
nicht aus den Augen verliert, kann hier wichtige Ergebnisse
produzieren. Nur sie kann die konkreten Verhaltensmuster,
Beziehungsgeflechte und Mentalitäten zu Tage fördern und
damit einen Beitrag zur Entideologisierung der Diskussion
leisten. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben sogar
gezeigt, dass manche Erkenntnisse über die Funktionsweisen
des Nationalsozialismus nur auf diesem Wege zu gewinnen
sind.
(2. Nicht zu
unterschätzen ist auch die Attraktivität der
Lokalgeschichte für historische Laien. Bestimmte
Einsichten können ganz einfach auf diese anschauliche Art
besser vermittelt werden).
Gibt es für das Gebiet der Bundesrepublik eine Unmenge
lokalgeschichtlicher Darstellungen unterschiedlichster
Qualität, so trifft auf den besetzten Teil der Sowjetunion
das Gegenteil zu. Insbesondere über Weissrussland liegen
soweit ich sehe bis heute keine
entsprechenden Arbeiten vor.
(3. Die einzige
hier in Frage kommende Arbeit von Witalij Wilenchik
beschäftigt sich nur mit dem Teilaspekt
Partisanenbewegung. Witalij Wilenchik: Die
Partisanenbewegung in Weissrussland 1941-44, Sonderdruck
aus: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Berlin
(West) 1984 (fortan Wilenchik).
Dies ist zwar angesichts der schwierigen (S.1) Materiallage
durchaus verständlich, hinterlässt aber eine spürbare Lücke.
Denn gerade ein Studium der lokalen Besatzungswirklichkeit
kann einen entscheidenden Beitrag bei der Überprüfung
wichtiger Theorien zum Nationalsozialismus leisten. Hier sei
nur an die auch in der vorliegenden Arbeit relevanten
Kontroversen um die Ideologisierung der Politik oder den
Experimentiercharakter der Besatzungspolitik erinnert. Auch
die Interpretation des Nationalsozialismus als
polykratisches Herrschaftssystem ist auf derartige
Fallstudien angewiesen. Denn nur durch eine Vielzahl von
Einzeluntersuchungen lässt sich überprüfen, ob die These von
"mehreren, in Ideologie, Interessen, personellem Aufbau,
Arbeitsstil unterschiedlichen Oligarchien", die um die
Herrschaft konkurrierten, sinnvoll ist.
(4. Peter
Hüttenberger: Nationalsozialistische Polykratie, in:
Geschichte und Gesellschaft, Göttingen 1976, Heft 4, 442.
Dies gilt auch für andere von Hüttenberger aus diesem
Ansatz heraus entwickelte Thesen, etwa die Frage, ob der
Nationalsozialismus wirklich immer das dynamischste
Element in dieser Konkurrenz war. Auch die Frage nach den
Ursachen des "Zuständigkeitswirrwarrs" gehört in diesen
Kontext, ebenda).
Gerade für die Kriegszeit, besonders für die besetzten
Länder, fehlen aber einschlägige Arbeiten.
(5. Hier bleiben denn auch die theoretischen Ausführungen
Hüttenbergers auffällig knapp und vage, ebenda 435/436).
Daneben kann die Lokalgeschichte der Besatzungszeit auch in
der moralisch-tagespolitischen Diskussion Bedeutung
erlangen. Hier erscheint es dringend geboten, die
Auseinandersetzungen um die Begriffe Gesinnungsethik,
Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Befehlsnotstand
durch die Präsentation lokaler, wissenschaftlich exakter
Detailuntersuchungen zu erweitern. (S.2)
Einen weiteren Bezugspunkt gewinnt die Thematik angesichts
der im Zuge der Umgestaltungspolitik in der Sowjetunion
entbrannten Stalinismus-Diskussion. Die Neubewertung dieses
zentralen Abschnittes der eigenen Geschichte durch die
sowjetische Historiographie berührt die hier behandelten
Fragestellungen an zwei Punkten. Der erste betrifft den
Informationsaustausch über die Geschichte des Stalinismus
und des Zweiten Weltkrieges. Dass hier lokalgeschichtliche
Aspekte auf sowjetischer Seite starkes Interesse finden,
zeigt sich insbesondere am Erfolg der
"historisch-aufklärerischen Gesellschaft Memorial",
(6. Zu Arbeit und
Selbstverständnis von "Memorial" vgl. deren Reader
anlässlich der Gründungskonferenz am 28./29. 1. 1989 in
Moskau sowie die Zeitschrift "Vedomosti Memoriala" vom
Januar 1989).
die sich dem Konzept der "Geschichte von unten" verbunden
fühlt. Die Breitenwirkung dieser Geschichtsbewegung ist
sicher auf politische Aspekte, insbesondere auf die
vielzitierte "Entstalinisierung der Gesellschaft"
zurückzuführen. Trotz dieser vom wissenschaftlichen
Standpunkt aus zu machenden Einschränkung kann der
Informationsaustausch hier in Zukunft entscheidende
Fortschritte bringen. Zu nennen ist aus westlicher Sicht vor
allem die viel diskutierte Öffnung historischer Archive in
der Sowjetunion; auf der anderen Seite wird das Interesse an
westlichen Arbeiten zur Sowjetischen Geschichte in Zukunft
sicherlich erheblich zunehmen.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die nach den ideologischen
Verhärtungen des Kalten Krieges und der Breschnew-Zeit jetzt
in Ost und West neu entbrannte Diskussion über einen
Systemvergleich von Stalinismus und
Nationalsozialismus/Faschismus. Untersuchungen der
Besatzungswirklichkeit in der Sowjetunion können hier
helfen, insbesondere die Frage nach den Mechanismen zu
klären, die es dem Stalinismus ermöglichten, eine
Massenloyalität gegen den Nationalsozialismus zu erlangen
und zu organisieren. Inwieweit half ihm gerade die deutsche
(S.3) Besatzungspolitik dabei? Dies erscheint auch im
Hinblick auf in der UdSSR wieder auflebende
Totalitarismustheorien von einiger Tragweite zu sein.
Bei der Auswahl des Untersuchungsgegenstandes stellte sich
sehr schnell heraus, dass die problematische Materiallage
eine seriöse Untersuchung nur für die Hauptstädte der
Reichs- oder Generalkommissariate erlaubte. Unter diesen bot
die weissrussische Hauptstadt den Vorteil, dass hier nicht
anderweitige ideologische Interessen, wie etwa in den
baltischen Städten
(7. Diese galten
als deutsche Gebiete; zumindest ein Teil ihrer Bewohner
war zur "Germanisierung", also zur Eingliederung ins
"arische Herrenvolk" vorgesehen, vgl. Seppo Myllyniemi:
Die Neuordnung der Baltischen Länder 1941-1944, Helsinki
1973 (fortan: Myllyniemi). Zur geplanten "Eindeutschung"
des Baltikums vgl. auch Seppo Myllyniemi: Die Umwandlung
der sozialen Strukturen der baltischen Länder während und
infolge der deutschen Besatzung, in: Waclaw Dlugoborski
(Hg.): Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel, Göttingen
1981, 279-287)
oder überragende Einzelpersonen, wie Koch in der Ukraine,
den Blick auf die Alltäglichkeit der Jahre 1941 bis 1944
verstellten. Was allerdings darüber hinausgehend typische
Merkmale der deutschen Besetzung sind, kann erst gesagt
werden, wenn Untersuchungen, wie sie hier für Minsk
vorgenommen wurden, auch für andere sowjetische Städte
vorliegen.
Leider war es im Rahmen dieser Magisterarbeit nicht möglich,
die in den Minsker Archiven aufbewahrten Materialien zu
sichten. Besonders im Fond des "Museums des Grossen
Vaterländischen Krieges" werden, wie dem Autor eine
Mitarbeiterin im persönlichen Gespräch versicherte,
wertvolle Schriftstücke aufbewahrt. Der Bestand reicht von
Originalakten bis zu nach dem Kriege aufgezeichnete
Erinnerungen. Die Aufarbeitung dieser Quellen steht auch
(S.4) von sowjetischer Seite noch aus.
(8. Auch die
Lockerungen der Perestrojka brachten hier noch keinen
Wandel, da das Interesse der sowjetischen Historiker aus
verständlichen Gründen momentan eher anderen
Zeitabschnitten gilt).
Was bleibt, sind einige in sowjetischen Sammelbänden
veröffentlichte Dokumente, die sich vor allem mit den Themen
Widerstand und Verbrechen der deutschen Besatzungsmacht
beschäftigen.
(9. In diesem
Zusammenhang ist vor allem der vom Historischen Institut
der Akademie der Wissenschaften der BSSR herausgegebene
Band "Presstuplenija nemecko-faschistskich okkupantov v
Belorussii 1941-1944", Minsk 1965 (fortan Prestuplenija)
zu nennen. Einige ergänzende Informationen finden sich
auch in veröffentlichten Erinnerungen ehemaliger
Widerstandskämpfer, meist "historische Erzählungen"
(istorischtscheskie povesti) genannt. Als Beispiel sei
P.Ljachovskij: Poslancy bol' schoj zemli, Minsk 1973
(fortan: Ljachovskij) genannt).
Dazu kommt das allerdings mit Skepsis zu behandelnde,
veröffentlichte Protokoll des Minsker
Kriegsverbrecherprozesses aus dem Jahre 1947.
(10. Sudebnyi
process po delu o zlodejani jach, soverschennych
nemecko-faschistskimi zachvaschtschikami v Belorusskoj
SSR, Minsk 1947 (fortan: Prozess).
So blieben die in der Bundesrepublik zugänglichen Quellen
die wichtigste Arbeitsgrundlage. Neben den Beständen des
Bundesarchivs ist hier in erster Linie die im Kieler
Institut für Weltwirtschaft vorhandene "Minsker Zeitung" zu
nennen, die 1942-1944 von der Besatzungsmacht herausgegeben
wurde. Für das Leben im Minsker Ghetto sind die vom Jewish
Black Book Comittee herausgegebenen Erinnerungen (11. The Jewish
Black Book Comittee (Hg.): The Black Book, New York 1946)
überlebender Juden und besonders die in der Beilage
zur Zeitschrift "Das Parlament" veröffentlichten (S.5)
Erinnerungen Karl Loewensteins zu nennen.
(12. Karl
Loewenstein: "Minsk - im Lager der deutschen Juden",
Beilage zur Zeitung "Das Parlament", B 45/56 vom 7.11.
1956)
Wichtige Hinweise enthalten ausserdem die von der
Amsterdamer Universität herausgegebenen Urteile in
bundesdeutschen NS-Verbrecher-Prozessen.
(13. Adelheid L.
Rüter-Ehlermann, H.H. Fuchs, C.F. Rüter: Justiz und
NS-Verbrechen, Amsterdam. Für Minsk sind die Bände IX
(1972), XVII (1977) und XIX (1978) relevant (fortan:
Justiz). Beschämend bleibt, dass keine bundesdeutsche
Institution in der Lage war, diese Urteile zu editieren).
Westliche Sekundärliteratur zur weissrussischen Geschichte
ist kaum vorhanden.
(14. Die einzige
existierende Gesamtdarstellung stammt aus den 50er Jahren:
Nicholas P. Vakar: Belorussia, Cambridge (Mass.) 1956).
Nicht viel besser sieht es mit Arbeiten zur deutschen
Besatzungspolitik und -wirklichkeit in den okkupierten
Gebieten der Sowjetunion aus. So sind die Werke von Dallin
und Reitlinger noch immer unentbehrlich,
(15. Alexander
Dallin: Deutsche Herrschaft in Russland 1941-1945,
Düsseldorf 1958 (fortan: Dallin); Gerald Reitlinger: Ein
Haus auf Sand gebaut, Hamburg 1962 (fortan: Reitlinger).
auch wenn diese gravierende Mängel aufweisen. Das Projekt
des Militärgeschichtlichen Forschungs- amtes, unter dem
Titel "Das deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg" einen
breit angelegten Überblick über die Jahre 1939-1945 zu
geben, könnte hier Lücken schliessen. Leider liegt der Band
über die deutsche Besatzungspolitik in der UdSSR nach 1941
noch nicht vor.
(16. Für die hier
behandelte Fragestellung konnten Band IV: "Der Angriff auf
die Sowjetunion" und Band V,1: "Organisation und
Mobilisierung des deutschen Machtbereiches -
Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen
1939-1941" herangezogen werden; Militärgeschichtliches
Forschungsamt (Hg.): Das Deutsche Reich und der Zweite
Weltkrieg, Stuttgart, Band IV 1983, Band V,1 1988 (fortan:
Deutsches Reich).
Daneben sind hier einige Monographien zu Spezialthemen (S.6)
von Bedeutung. Zu nennen sind die ausgezeichnete Arbeit von
Ruth Bettina Birn (17.
Ruth Bettina Birn: Die Höheren SS- und Polizeiführer,
Düsseldorf 1986 (Birn)
über die Höheren SS- und Polizeiführer, das Standardwerk
Helmut Krausnicks und Hans-Heinrich Wilhelms über die
Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD
(18. Helmut
Krausnick, Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des
Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der
Sicherheitspolizei und des SD 1938-1942, Stuttgart 1981
(fortan: Krausnick).
sowie das etwas apologetische Werk H.D. Handracks über die
Kulturpolitik im Reichskommissariat Ostland.
(19. H.D.Handrack:
Das Reichskommissariat Ostland, Hannoversch-Münden 1981
(fortan: Handrack). Handrack erliegt hier einem
Mechanismus, der beim Studium der nationalsozialistischen
Geschichte durchaus häufiger anzutreffen ist: Durch das
Fehlen von Vergleichsmaterialien, etwa in Form von
Lebenserinnerungen von Zeitzeugen, verliert er zu oft die
kritische Distanz zu den aus nationalsozialistischen Akten
und Darstellungen gewonnen Informationen).
Der Gebrauchswert von sowjetischen Publikationen ist im
Gegensatz zu vielen westlichen äusserst eingeschränkt.
(20. Dies trifft
allgemein für historische Werke zu, da die Geschichte in
er Sowjetunion bis vor kurzem völlig zur
Herrschaftslegitimation instrumentalisiert wurde. Arbeiten
zum "Grossen Vaterländischen Krieg" sind hiervon in
besonderer Weise betroffen. Zur Rolle der sowjetischen
Geschichtswissenschaft vor und während der Perestrojka
vgl. Juri Afanassjew: Perestroika und historisches Wissen,
in: ders. (Hg.): Es gibt keine Alternative zu Perestroika:
Glasnost Demokrati Sozialismus, Nördlingen 1988, S.15-21).
Dies wird inzwischen sogar im Lande selbst offen eingeräumt.
Einige nützliche Detailinformationen sind den Büchern von
Goranskij/Pavrilovec und Novikov über (S.7)
Minsk im zweiten Weltkrieg zu entnehmen.
(21. M.N.
Goranskij, V.M. Pavrilovec: Minsk - gorodgeroj, Minsk 1978
(fortan: Goranskij); I.G. Novikov: Minsk - gorod-geroj,
Moskau 1986 (fortan: Noviko).
Ähnliches gilt für ein dreibändiges Werk von 1983 über den
weissrussischen Widerstand.
(22. Vsenarodnaja
bor' ba v Belorussii protiv nemecko-faschistiskich
zachvaschtschikov, 3 Bände, Minsk 1983 (fortan: Borba).
Es erschien sinnvoll, dieser Arbeit zwei einleitende Kapitel
vorwegzustellen. Das erste Kapitel befasst sich mit den
deutschen Planungen für die Besetzung der Sowjetunion
allgemein und Weissrusslands im besonderen. Es folgt ein
kurzer Überblick über die Zeit vom deutschen Einmarsch bis
zum Beginn der Zivilverwaltung am 1.September 1941. In
beiden soll also in erster Linie der Frage nachgegangen
werden, inwiefern ideologische, strategische oder
tagespolitische Prämissen im Verein mit den
system-immanenten Machtverhältnissen bereits die
Voraussetzungen für die später entstandenen Strukturen des
Besatzungsregimes bildeten. Hier galt es insbesondere die
Ursachen für die sich bildende Polykratie der
Herrschaftsausübung aufzuzeigen. Gleiches gilt für die
Schilderung der an dieser Stelle vorgefundenen
Konzeptionslosigkeit deutscher Politik, die die Rolle
insbesondere Weissrusslands als Experimentierfeld der
Ostpolitik erst ermöglichte.
Im anschliessenden Kernstück soll die
Besatzungswirklichkeit, wie sie sich für die wichtigsten
Bevölkerungsgruppen Minsks darstelle, analysiert werden.
Dass die Kategorisierung dabei entlang der Nationalität
vorgenommen wurde, liegt in der Tatsache begründet, dass
diese Einteilung für die Lebenssituation der Menschen
konstitu- (S.8) ierend war.
(23. Eventuell
können die im Untergrund aktiven Juden als Zwischengruppe
bezeichnet werden, da ihnen vereinzelt ein Leben im
weissrussisch/russischen Teil der Stadt möglich war).
Für Weissrussen und Russen ergeben sich dabei zwei
Fragestellungen: Zum einen die nach der konkreten
Organisierung des Überlebens, also nach dem kollektiven
Verhalten im Spannungsfeld zwischen politischer Neutralität,
Kollaboration und Widerstand. Zum anderen gilt es der Frage
nachzugehen, ob - und wenn ja wie - die weissrussische
Bevölkerung von den Rivalitäten innerhalb der
Besatzungsmacht berührt wurde, eventuell sogar davon
profitierte.
Für einheimische wie deportierte Juden hingegen muss von
vornherein von einem wesentlich engeren Handlungsspielraum
ausgegangen werden. Hier gilt es, diese Prämisse zu
überprüfen und - soweit dies möglich ist - die
Reaktionsweisen auf diese, nur als verzweifelt zu
kennzeichnende Lage zu untersuchen.
(24. Insbesondere
für diese Fragen macht sich allerdings die schmale
Materialbasis nachteilig bemerkbar, so dass die Antworten
oft nicht mit der gebotenen Schärfe gegeben werden
können).
Ein Teil der die deutschen Besatzungsangehörigen
betreffenden Fragestellungen wurde bereits oben angedeutet.
Neben der Untersuchung konkreter, lokaler Formen von
Polykratie gilt es hier insbesondere, die Konsequenzen aus
der Weite des Handlungsspielraumes der Funktionsträger vor
Ort zu erforschen. Auf einer zweiten Ebene geht es dann um
die Auswirkungen der in Minsk vorgefundenen Situation auf
die dort Eingesetzten, also einerseits um das kollektive
Verhalten grösstenteils nationalsozialistisch geprägter
Deutscher an einem konkreten Ort im besetzten, ehemals
bolschewistischen Sowjetrussland, andererseits um die
Rückwirkung der Massnahmen auf ihre Urheber. (S.9)
So will die vorliegende Arbeit durch die Untersuchung
lokaler Abläufe zu einer genaueren Sichtweise der Abläufe in
der von Deutschen besetzten Sowjetunion beitragen. Ähnliche
Untersuchungen über andere Städte, Dörfer oder Landschaften
müssten ergänzend hinzutreten, wollte man auf dieser - sehr
lohnenden - Ebene zu einem besseren und - wenn dies
überhaupt möglich ist - unvoreingenommeneren Verständnis der
Geschehnisse kommen. Die Voraussetzungen in Ost und West
waren nie so günstig wie heute. Selten war diese
Aufarbeitung aber auch so wichtig. (S.10)
Quellen
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Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 1
|
Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 2
|
Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 3
|
Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 4
|
Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 5
|
Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 6
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Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 7
|
Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 8
|
Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 9
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Gartenschläger: Die Stadt Minsk 1941-1944,
Einleitung Seite 10
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