Erwähnte Literatur
-- Buch von Eugen Stuhlmann: "Aus einem alten Tagebuch"; In:
"Deutsche Flagge über Sand und Palmen."
3.2. Deutschland
Falsche weisse Helden: Kriminelle "Christen" aus
Deutschland feiern Kolonialismus mit Waffenüberlegenheit
[Inserat]:
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D. Lehmann's Musik-Verlag, Würzburg
[Ende des Inserats]
Text:
Echt Deutschland, jedenfalls im Kolonialzeitalter! Die
Zeitungsanzeige (veröffentlicht in "Kolonie und Heimat" am
25.8.1908) ist sehr bezeichnend. Die Deutschen [die
Kaiser-Propaganda aus Berlin] verschweigen nicht, wie oft
sie ihr Heer - von Militärmusik begleitet - gegen Farbige
ins Treffen führen oder ihre kriegerischen Aktionen feiern.
[Das war allgemeiner Standard, sonst bräuchte es keine
Märsche - jeder Marsch führt in den Tod - nur die Musiker,
die die Märsche heute spielen, wissen das nicht].
["Kolonialismus" im Deutschen Kaiserreich: Kolonial-Täter
und Kolonialschriftsteller vermitteln einen "Rausch" ohne
Kampf und ohne Blut: Werner von Langsdorrf - Dr. Schnee
gibt Kämpfe gegen die Eingeborenen zu: "um den Frieden zu
erzwingen"]
Die deutsche Kolonialliteratur ist, was diese "Heldentaten"
anbelangt, ausgesprochen geschwätzig. Das heisst nicht, dass
entsprechende Informationen tatsächlich den Weg in die
Geschichtswerke und Lehrbücher und damit ins Bewusstsein der
Öffentlichkeit finden. Im Gegenteil - wegen der
schwärmerischen Begeisterung der Kolonial-Täter und
Kolonialschriftsteller von damals bleibt aus den wenigen
Jahrzehnten deutscher Kolonialbetätigung nur eine Art Rausch
zurück.
Typisch für das Bild, das die deutschen Kolonial-Literaten
von der deutschen Kolonialgeschichte gemalt haben, ist
Werner
von Langsdorffs Behauptung:
"Dieser gesamte deutsche Kolonialbesitz wurde im Gegensatz
zu anderen Kolonialmächten durch rechtsgültig geschlossene
Verträge erworben, nicht durch Krieg gewonnen." [S.52]
[Das ist der "Persilschein" für den deutschen Kolonialismus
und die deutsche Bevölkerung muss das glauben, sonst bekommt
sie "Probleme"].
Der Gouverneur a.D.
Dr. Schnee hingegen hat
eine andere, auch typische, wenn auch unsinnige und
besonders hochmütige These:
"Die Nomadenstämme, welche bisher ihre Herden durch Viehraub
ergänzt hatten, die Eingeborenen-Machthaber, welche ihre
Existenz auf gewaltsame Unterwerfung und Brandschatzung der
Bevölkerung aufgebaut hatten, gaben ihre kriegerischen oder
räuberischen Gewohnheiten nicht auf, ohne sich zur Wehr zu
setzen. Es hat in den deutschen Kolonien schwerer Kämpfe
bedurft, um den
Frieden zu erzwingen. Aber in
welchen Kolonialgebieten mit derartiger Bevölkerung ist das
nicht der Fall gewesen?"
[Es fragt sich, welche Kolonialisten mit Stacheldraht
vorgegangen sind, alle oder nur einige].
Lassen wir die anderen Mächte hier beiseite. Sie werden in
diesem Buch nicht zu kurz kommen.
["Kolonialismus" in Afrika mit Deutschland: Die
"Expeditionen" und deutsche Landbesetzungen gegen die
Ureinwohner: Tansania]
["Erworben" heisst in der deutschen Diplomatensprache:
gewaltsam besetzt und oft mit Abbrennen aller Dörfer und
Völkermord].
Rollen wir zunächst lieber die deutsche, sozusagen
militärische Kolonialgeschichte etwas ausführlicher auf.
Zunächst ein Kurz-Überblick über "Expeditionen" zur
Erwerbung, gemäss einer Zusammenstellung der
"Kolonialpolitischen Korrespondenz" in der Zeit von 1884 bis
1886:
1. Erste Usagara-Expedition (Usagara in Tansania am
Victoriasee [web22]. Abfahrt am 1. Oktober 1884. Resultat:
Erwerbung der Landschaften
-- Useguha (auch Zigula genannter Stamm, im Nordosten von
Tansania [web18]),
-- Nguru (Nguru-Berge in Tansania ca. 120km von der Küste
entfernt [web19])
-- Usagara (in Ost-Tansania an der Küste in Tanga City
[web20]),
-- Ukami (in Zentral-Tansania in der Provinz Iringa
[web21]).
["Kolonialismus" in Afrika mit
Deutschland: Die "Expeditionen" und deutsche
Landbesetzungen gegen die Ureinwohner: Tansania]
["Erworben" heisst in der deutschen Diplomatensprache:
gewaltsam besetzt und oft mit Abbrennen aller Dörfer und
Völkermord].
2. Zweite Usagara-Expedition. Abfahrt am 24. Februar 1885.
Sie führte zum Ausbau der Sima-Station, die Graf Pfeil in
Usagara nahe Muininsagara angelegt hatte.
3. Tana-Expedition (der Tana-Fluss ist der grösste Fluss im
heutigen Kenia [web24]). Abfahrt am 24. März 1885. Sie [die
Expedition] scheiterte an dem Widerstand des Sultans von
Sansibar, der sich damals gegen die deutsche
Protektorats-Erklärung über [das Sultanat] Witu (an der
Küste des heutigen Kenia [web23]) wehrte [wo der Tana-Fluss
ins Meer mündet].
4. Nyansa-Expedition (zum Victoriasee [web25]). Abfahrt am
21. April 1885. Die Erkrankung des Leiters verhinderte die
Durchführung.
5. Erste Kilimandscharo-Expedition. Abfahrt von Sansibar im
Mai 1885. Sie war gegen die Expedition des Sultans in
dieselben Gegenden gerichtet und führte zur Erwerbung von
-- Usambara (Nordost-Tansania ca. 100km von der Küstenstadt
Tanga entfernt [web26]),
-- Bondei (Nordost-Tansania in der Region Tanga [web27]),
-- Pare (Pare-Berge in Nordost-Tansania in der Region Tanga
[web28]),
-- Aruscha (auch: Arusha, im zentralen Nordost-Tansania nahe
der kenianischen Grenze [web29]),
-- Chagga (auch: Chaga, Bantu-Stamm beim Kilimandscharo in
Tansania [web30] mit Chaga-Königreichen, Chagaland [web31]),
-- Kahe (Bezirke beim Kilimandscharo in Tansania [web32])
und
-- Ugeno (Ugweno im Mwanga-Distrikt beim Kilimandscharo in
Tansania [web33]).
6. Khutu-Expedition (auch: Kutu, ein Volk im küstennahen
Hinterland Morogoro von Tansania [web34]), von Sima-Station
nach der Küste, geführt vom Grafen Pfeil. Die Landschaft
Khutu am mittleren Rufidji-[Fluss] (auch: Rufidschi,
Rufjiji, Rufjiyi, der grösste Fluss in Tansania
[web35,web36]) wurde erworben.
7. Usaramo-Expedition (auch: Zaramo - eine Volksgruppe in
Tansania [web37] an der Küste von Zentral-Tansania [web38]).
Abmarsch von Sansibar im September 1885. Usaramo auf dem
Nordufer des unteren [Flusslaufs des] Rufidji wurde
erworben.
8. Njassa-Expedition (zum Njassasee / Malawisee in
Süd-Tansania [web42]). Abmarsch von Sansibar im November
1885. Sie führte zur Erwerbung von
-- Ubena (Land der Bena in Tansania [web39]),
-- Wamatschonde,
-- Mahenge (Stadt im Gebiet Morogoro in Tansania ca. 100km
von der Küste entfernt [web40]),
-- Wangindo (Tansania [web41]).
9. Erste Somali-Expedition. Abmarsch von Lamu nach Halule
September 1885. Die Somali-Küste von Bender Gasen bis
Warscheich wurde erworben. Die Ansprüche wurden später
zugunsten Italiens preisgegeben.
10. Erste Komoren-Expedition [Inselgruppe zwischen Tansania
und Madagaskar]. Abfahrt 15. Oktober 1885 von Berlin. Sie
scheiterte. [S.53]
11. Zweite Kilimandscharo-Expedition. Abfahrt von Berlin im
Dezember 1885. Resultat: Anlage der Station Korogwe (östlich
von Tanga [web43]) am unteren Pangani (Fluss in
Nord-Tansania ca.50km südlich von Tanga [web44]).
12. Sabaki-Expedition (der Fluss Sabaki in Kenia [web44]),
im Januar 1886 ausgeführt. Resultat: Erwerbung
-- von Giriyama (auch: Giriama, Volk an der Grenze von
Tansania und Kenia [web45]),
--den Wanika-Ländern (Ost-Afrika an der Küste [web46] in
Tansania und Kenia [web47]),
-- dem Galla-Gebiet (Galla = Oromo = Volksgruppe im heutigen
Äthiopien [web48]) und
-- Ukamba (Land der Kamba im heutigen Ost-Kenia [web49]).
13. Gasi-Expedition (südliches Kenia an der Küste [web50]),
im Januar 1886 ausgeführt. Erwerbung von Gasi.
14. Zweite Somali-Expedition [Somalia am Horn von Afrika].
Abfahrt von Berlin im Januar 1886. Resultat: Gründung der
Station Halule (Aluula, Somalia an der Hornspitze [web51]).
15. Zweite Komoren-Expedition (Inselgruppe zwischen Tansania
und Madagaskar). Abmarsch von Sansibar im Mai 1886.
Resultat: Ratifizierung eines Kaufvertrages über 1000 Morgen
Land als Privateigentum der Gesellschaft auf Gross-Komoro
und Erwerbung der Ostküste von Gross-Komoro. Die
völkerrechtlichen Ansprüche wurden später zugunsten
Frankreichs aufgeben.
16. Dritte Somali-Expedition [Somalia am Horn von Afrika].
Abfahrt von Hamburg im August 1886. Resultat: Erwerbung der
Wabuschi-Mündung an der Benadir-Küste.
17. Einzige Explorations-Expedition eines Geologen durch die
Landschaften Useguha, Ukami, Usagara, im Herbst 1886.
18. Vierte Somali-Expedition. Abfahrt von Berlin im Dezember
1886. Zweck: Ausbau der Station Hohenzollernhafen an der
Wabuschi-Mündung. Die Station ist nicht eingerichtet worden.
Die deutsche Flagge wehte 1886 zusammen mit derjenigen der
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft vom Kap Guardafui bis
Madagaskar über einem Gebiet von 56.000 deutschen
Quadratmeilen."
[Ein Brief eines deutschen Kolonialisten "Emin Pascha"
aus Tabora (Namibia) nach Deutschland: Deutsche Fahne -
und Ultimatum an Sultan Sike zur Unterwerfung - er hat 24
Stunden Zeit]
Von einer solchen Expedition erzählt Emin Pascha (eigentlich
Eduard Schnitzer), einer der Helden der deutschen
Koloniallegende, in einem Brief an seine Schwester (1890):
"Am 29. Juli bin ich mit fliegenden Fahnen in Tabora [Stadt
im nördlichen Tansania] eingezogen, bewillkommnet von allen
Arabern des Landes. Ich habe seitdem mit denselben im Namen
des Reiches ein Bündnis geschlossen, einen Gouverneur
ernannt und hoffe, schon morgen die deutsche Flagge
aufziehen zu können. Inzwischen habe ich an Sultan Sike ein
Ultimatum gestellt und Auslieferung des der Firma Meyer in
Hamburg gestohlenen Elfenbeins, sowie seiner beiden Kanonen
- einer Mitrailleuse und eines glatten Geschützes - sowie
die Übergabe seines Landes an Deutschland verlangt.
Ich erwarte die Antwort morgen früh, und fällt dieselbe
nicht nach meinem Wunsche aus, so greife ich schon morgen
Abend an. Ich bin jedoch fest überzeugt, dass es dessen
nicht bedürfen wird, und dass morgen früh Geschütze und
einiges Elfenbein vor meinem Zelte erscheinen werden. Es ist
eigentlich eine Unverschämtheit von mir, den Leuten so ins
Haus zu fallen und ihnen ohne weiteres Land und Leute zu
annektieren; es geht aber nicht anders, und wir können hier
nicht so sanft verfahren, wie man in Europa wohl tut...
[S.54]
4. August. - Diesen Morgen habe ich unter drei Salven die
deutsche Flagge gehisst. Die Annexion von Unjamjembe war den
beiden französischen [Jesus-Fantasie]- Geistlichen und
Reverend Shaw mit Frau (Engländerin) feierlich proklamiert
und so endlich mein Wunsch ausgeführt. Die beiden Kanonen
sind gestern Abend gekommen und einiges Elfenbein dazu; mehr
soll folgen..." (zitiert nach H. Schiffers).
"Es ist eigentlich eine Unverschämtheit von mir" - so
ehrlich ist Emin Pascha immerhin.
[Die Liste: Die grössten Aufstände gegen
deutsch-rassistische Kolonialherrschaften in 25 Jahren -
Massenmord und Diskriminierung ist Standard]
[S.M.S.=Seiner Majestät Schiff]
Ein Vierteljahrhundert später muss das Deutsche
Kolonial-Lexikon unter dem Stichwort "Aufstand" eine
eindrucksvolle Serie von Quittungen für diese Art
"Unverschämtheit" registrieren:
"Als ernstere Aufstände gegen die (zuvor bereits anerkannte)
deutsche Herrschaft sind zu nennen:
1. in Deutsch-Ostafrika [heute Tansania]
a) Araber-Aufstand 1888/89; Niederwerfung durch den zum
Reichskommissar ernannten Hauptmann Wissmann; das Lager der
Aufständischen am 8. Mai 1889 [wurde] gestürmt; ihr Führer
Buschiri am 8. Dez. 1889 hingerichtet.
b) Der Aufstand 1905/06 im Süden des Schutzgebietes; seine
Niederwerfung machte umfangreichere Operationen der Truppe
unter Mitwirkung von Marinestreitkräften notwendig.
2. in Deutsch-Südwestafrika [heute Namibia]
a) Aufstand der Osthereros Owanbandjerus.
b) Aufstand der Afrikaner-Hottentotten 1897.
c) Swartboi-Aufstand 1897/1898.
d) Aufstand der Grootfonteiner Bastards 1901.
e) Bondelswarts-Aufstand 1903/04.
f) Herero- und Hottentotten-Aufstand 1904/07.
3. in Kamerun.
a) Jaunde-Aufstand 1895/96.
b) Bule-Aufstand 1899.
c) Bangwa-Aufstand 1899 / 1901.
d) Anjang-Aufstand 1904.
e) Maka-Aufstand 1910.
4. in Deutsch-Neuguinea. Ponape-Aufstand 1910/11;
Bezirksamtmann Böder, mehrere Beamte und regierungstreue
Eingeborene ermordet."
[Noch eine Liste mit Aufständen gegen die deutsche
Kolonialherrschaft - im Pazifikraum]
[S.M.S.=Seiner Majestät Schiff]
Das Lexikon nennt natürlich nicht ALLE militärischen
Aktionen. Bleiben wir noch im Pazifik. Die folgende
zusätzliche kleine Aufstellung ist dem "Neuen Volksbuch der
Kolonien" entnommen:
[Vorfall auf Pago-Pago]
"1872 zwang S.M.S. 'Nymphe' den Häuptling Mango auf
Pago-Pago [S.55] zur Zahlung einer Busse für einen beraubten
Schiffskapitän. IM gleichen Jahr griffen deutsche Schiffe in
den spanischen und chinesischen Gewässern ein.
[Vorfall auf den Tanga-Inseln]
1876 schlossen die 'Hertha' mit dem König der Tanga-Inseln
und 1877 die 'Augusta' und 'Ariadne' auf Samoa
Freundschaftsverträge, desgleichen auf Funafuti
(Ellice-Inseln), Jaluit und Mioko.
[Vorfall in Liberia]
1881 züchtigten wegen Beraubung Deutscher die 'Victoria' die
Ortschaft Naga-Kon in Liberia und der 'Habicht' die Tuktub
auf Neu-Mecklenburg.
1882 griffen in gleicher Weise ein:
-- S.M.S. 'Hertha' in Lagos,
-- 'Victoria' in Liberia,
-- 'Stosch' und 'Elisabeth' in China,
-- 'Carola' und 'Hyäne' auf den Hermit-Inseln [vor
Papua-Neuguinea] und 1883 der 'Iltis' bei den
Pescadores-Inseln [Penghu-Inseln vor Taiwan].
1884 schützte die 'Sophie' die deutschen Faktoreien in
Klein-Popo (Togo) und schickte drei Neger nach Deutschland,
um ihnen ein Bild von dessen Grösse zu geben.
1888 erlitten bei dem Aufstande auf Samoa [Inselgruppe in
der Südsee] S.M.S. 'Adler', 'Eber' und 'Olga' starke
Verluste. 'Eber' und 'Adler' gingen 1889 im Taifun vor Apia
nebst drei englischen Kriegsschiffen unter."
[Noch eine Liste mit Aufständen gegen die deutsche
Kolonialherrschaft - im Pazifikraum und in Afrika -
"deutsche Seehelden"]
"Köhlers Kolonialkalender" (1938):
"Die der Besitzergreifung von Samoa [Inselgruppe in der
Südsee] vorangehenden Kämpfe werden durch
Marine-Landungstruppen durchgeführt, ebenso die
Niederschlagung des Aufstandes auf Ponape." Die deutschen
"Seehelden" sind auch an der afrikanischen Küste tätig.
Falsche weisse Helden: Deutsche
Ausrottungskriege 1904-1907 in Deutsch-Südwestafrika gegen
die Hereros und die Hottentotten
Am bekanntesten aus der Militärgeschichte der deutschen
Kolonien ist "Deutsch-Südwestafrika" [heute Namibia], wo die
deutschen Truppen gegen die Hereros und Hottentotten
regelrechte Ausrottungsfeldzüge führen. Das ist keine
unfaire Übertreibung: Theodor Leutwein, elf Jahre Gouverneur
in "Deutsch-Südwestafrika", schreibt selbst, dass "eine nur
auf Verträge gegründete Kolonialpolitik in einer
Besiedlungskolonie auf die Dauer nicht durchführbar
erscheint. Entweder muss man beide Rassen gleichstellen oder
man muss die eine mit Waffengewalt unterwerfen."
[Der erste Krieg gegen die Hottentotten - an einer
"Bergnase" mit Schrapnellkugeln den "Frechlingen [...] das
Lebenslicht ausblasen"]
Der erste Krieg gegen die Hottentotten dauert anderthalb
Jahre, bis zum August 1894. Ihm folgen weitere. Hier ein
Stimmungsbericht aus einem der Feldzüge gegen die
Hottentotten:
"Am Ende der Bergnase angelangt, erblicken wir auf etwa 3000
Meter eine Werft mit Pontoks (
traditionelles
Haus der Einheimischen [web52]),
Ochsenwagen, Gross- und Kleinvieh.
Ich ziehe nun meine Geschütze, die inzwischen zur freudigen
Überraschung des Kompanieführers den steilen Hang
emporgekommen sind, bis an dein Rand vor, baue sie in aller
Gemütsruhe auf und 'bumm', zu grössten Entsetzen der Kerle,
die gar nichts von unserem Anmarsch gemerkt, schlägt der
erste Schuss auf 3200 Meter dicht vor der Werft, der zweite
unmittelbar in einen Ochsenwagen ein. [S.56]
Da kommt Leben in die Bude. Das Vieh steht auf und weiss
nicht, wohin. Leute laufen umher, andere satteln Pferde und
sprengen im Galopp fort. Zwei Mann, die gerade aufsitzen
wollen, vergessen es, als unsere Schrapnellkugeln ihnen
unseren Weihnachtsgruss zusenden ... Da ich die Unsrigen
nicht mehr genügend unterstützen kann, schicke ich erst das
eine Geschütz vor unter Fähnrich Dunker, der auf 1500 Meter
sehr hübsch flankierend wirkt und beobachten kann, wie die
Schrapnellkugeln etlichen
Frechlingen, die
sich ungedeckt auf der Bergspitze zeigen,
das
Lebenslicht ausblasen."
(Buch von Eugen Stuhlmann: "Aus einem alten Tagebuch"; In:
"Deutsche Flagge über Sand und Palmen.")
[Der erste Krieg gegen die Hottentotten - Hereros mit
Hottentotten gemeinsam gegen die deutsche Invasion - und
speziell gegen den deutschen Rassismus]
So lustig die Krieger sind, über der Kolonie braut sich
Finsteres zusammen. Wenigstens in die amtliche Beurteilung
der Eingeborenen durch die Deutschen zieht ein neuer Ton
ein. Das folgende Zitat stammt aus einer Veröffentlichung
des deutschen Generalstabes:
"Im Jahre 1892 schlossen die Hereros mit ihren Erbfeinden,
den Hottentotten, freiwillig Frieden! Er war gegen die
deutsche Herrschaft gerichtet und liess die Gefahr eines
Zusammenschlusses aller Eingeborenen gegen diese deutlich
erkennen. Zum ersten Male zeigte es sich, wie stark der
Freiheits- und Unabhängigkeitssinn war, der in diesen
Stämmen lebte; das waren keine Schwächlinge, die sich durch
Kauf [Schmiergelder] oder eine friedliche Politik
[Tauschhandel] gewinnen liessen."
Was bringt die Eingeborenen in Südwestafrika so gegen die
Deutschen auf? Darüber gibt es in der deutschen
Kolonialliteratur eine lange Liste von Vermutungen. Ihnen zu
folgen ist müssig, die Erklärung einfach und auch manchen
Deutschen bekannt. Es ist der "normale" Kampf gegen
Fremdherrschaft und Unterdrückung.
Die Hereros und die Hottentotten zeigen schon in ihrer
Kriegsführung, dass sie nicht gegen "die Weissen" oder auch
nur gegen "alle Deutschen" antreten, sondern offensichtlich
sehr präzise Beschwerden, also auch sehr klare Angriffsziele
haben. "Frauen und Kinder sind fast ausnahmslos geschont
worden, ebenso die [Jesus-Fantasie]-Missionare", schreibt
Gustav Noske. "Der Aufstand richtete sich ganz
ausschliesslich gegen die deutsche Herrschaft und nicht
gegen die Weissen, die Nichtdeutsche waren."
Der Kriegsteilnehmer Burkhart Freiherr von Erffa (der in
diesem Krieg gefallen ist) beobachtet:
"Auch hier hatten die Hereros, wie überall, den
[Jesus-Fantasie]-Missionar und sein Anwesen sowie die Buren
und Engländer verschont. Keiner von diesen ist auch nur um
ein Stück Vieh gekränkt worden. Ebenso ist ja auch auf dem
südlichen Kriegsschauplatze das Feuer der Hottentotten
sofort verstummt, als sich am anderen Ufer des
Oranje-[Fluss] die englische Flagge zeigte."
[Vertreibung der Witbooi - Afrikaner sollen "Bestien"
oder "schwarze Teufel" sein? Weisse sind "edle Tropfen"]
Der deutsche [kolonial-rassistische] Generalstab selbst
[beschreibt die Situation so]:
"Die Frauen und Kinder wurden im allgemeinen verschont und
an die [S.57] Grenze des Witboilandes (Land der Witbooi
[web53]) gebracht, von wo sie wenigstens das nackte Leben
nach Gibeon (Fantasie-gelobtes Land des Fantasie-Stamms
"Benjamin" in der Fantasie-Thora [web54]) retten konnten."
Diese Kriegsführung, die sich jedenfalls sehr vorteilhaft
von der des Zweiten Weltkrieges abhebt, macht die deutschen
Helden in ihrem Urteil über den Gegner keinen Augenblick
stutzig. Von Erffa:
"Was nützt es nun, wenn wir für jeden Fallenden 100 dieser
Bestien totschiessen? Jeder edle Tropfen eines Weissen ist
zu schade für die schwarzen Teufel. Es ist doch etwas
anderes als ein Krieg mit ebenbürtigen Gegnern."
[Die Hereros organisieren sich mit Gewehren gegen die
deutschen Kolonialisten]
Ebenbürtig ... Hier ein paar Urteile des
[deutsch-kolonialistischen] Generalstabs:
"In dem Masse, wie die Erkenntnis von der Notwendigkeit des
Kampfes bis aufs Äusserste in den Reihen der Hereros zunahm,
wuchs auch die Entschlossenheit und ihre innere
Widerstandskraft.
Die Stärke der Hereros in dem Gefecht bei Onganjira wurde
auf etwa 3000 Gewehre geschätzt. Sie hatten tapfer gefochten
und durch die zahlreichen Offensivstösse bewiesen, dass auch
sie den Wert des angriffsweisen Fechtens erkannt hatten."
"Die öffentliche Meinung in Deutschland einschliesslich
zahlreicher Afrikakenner", so schreibt Oberst Leutwein am
Tage nach dem Gefecht, "hat die Hereros weit unterschätzt.
Auch wir hatten einen solchen Widerstand nicht erwartet."
[Deutsch-rassistische Kolonialpolitik gegen die Hereros
(heute Namibia): Es werden KEINE Gefangene gemacht,
sondern es wird AUSGEROTTET - in der Wüste verhungern
lassen]
Die Anerkennung bleibt aber rein literarisch. Sie veranlasst
den deutschen Eroberer keineswegs, sich nun auch
entsprechend "ritterlich" zu verhalten. "Manche deutschen
Truppenteile machten keine Gefangenen, sondern schossen
nieder, was schwarz war. Deutlich erkennbar war nun schon
geworden, dass es sich um einen Krieg zum Zwecke der
teilweisen
Vernichtung [Ausrottung] und der
Versklavung der Hereros handelte" (Noske). Die deutsche
Kriegsführung ist unerbittlich und zielt nicht auf
Unterwerfung, sondern auf
Vernichtung
[Ausrottung] des Gegners. Im Bericht des
[deutsch-rassistischen] Generalstabes heisst es:
"General von Trotha beschloss, mit den Abteilungen
Estorff-Volkmann und Mühlenfeld den am Eiseb-[Fluss]
stehenden Feind unverzüglich anzugreifen und ihn, falls er
nicht standhielt, in das Sandfeld zu werfen, wo Durst und
Entbehrung seine Vernichtung vollenden mussten.
Die Gefangenen sagten aus, dass die Mehrzahl der
Hererokapitäne und das gesamte Volk des Krieges müde seien.
Menschen und Vieh litten fürchterlich unter dem Durst.
Auch der Anblick der feindlichen Rückzugstrasse zeigte die
völlige innere Auflösung der Hereros und den Beginn des über
sie hereinbrechenden Verhängnisses. Kranke und hilflose
Männer, Weiber und Kinder, die vor Erschöpfung
zusammengebrochen waren, lagen, vor Durst schmachtend, in
Massen hingekauert seitwärts im Busch, willenlos und halb
blöd ihr Schicksal erwartend [S.58]. Es waren erschütternde
Eindrücke, die sich dem Verfolger auf seinem Marsche boten.
Es war klar: Der Feind stellte sich nicht mehr, er war tief
in das wasserlose Sandfeld geworfen und ging einem
fürchterlichen Schicksal entgegen.
[Deutsch-rassistische Kolonialpolitik gegen die Hereros
(heute Namibia): Leichen und Tierleichen am Wegesrand -
lebloses Sandfeld - das deutsche "Strafgericht" gegen die
Hereros mit der "Vernichtung" in der Wüsten- und
Savannen-Herero-Region "Omaheke"]
Die von Hauptmann Klein selbst geführte Verfolgungsabteilung
trat am 27. Oktober, 4:31 Uhr nachmittags den Weitermarsch
in östlicher Richtung an. Längs des Weges wurden noch viele
verdurstete Hereros und überall viel verendetes, in
Verwesung übergegangenes Vieh vorgefunden, wodurch die Luft
ringsum auf das entsetzlichste verpestet war ... Die Spuren
verringerten sich, schliesslich zeigten sich nur noch wenige
Fussspuren, gefallenes Vieh wurde überhaupt nicht mehr
gefunden ... Hauptmann Klein erstieg die Anhöhe und suchte
mit dem Glase [Fernglas] die ganze Gegend ringsum ab, ohne
auch nur die Spur eines lebenden Wesens zu entdecken. Tot
und öde breitete sich das Sandfeld vor seinen Augen aus und
redete in seiner gewaltigen Unendlichkeit, seiner erhabenen
Stille und starren Einförmigkeit eine ergreifende Sprache zu
den Herzen der spähenden Reiter: Das
Strafgericht
hatte seinen Lauf genommen...
Die Verfolgung der Hereros zeigt die rücksichtslose Energie
der deutschen Führung bei der Verfolgung des geschlagenen
Feindes in glänzendem Lichte. Keine Mühen, keine
Entbehrungen wurden gescheut, um dem Feinde den letzten Rest
seiner Widerstandskraft zu rauben; wie ein halb zu Tode
gehetztes Wild war er von Wasserstelle zu Wasserstelle
gescheucht wurde, bis er schliesslich willenlos ein Opfer
der Natur seines eigenen Landes wurde. Die wasserlose
Omaheke
[Wüsten- und Savannenlandschaft in Ost-Namibia] sollte
vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: die
Vernichtung des Hererovolkes...
[Deutsch-rassistische Kolonialpolitik gegen die Hereros
(heute Namibia): Auch die Entkommenen und
Einzelüberlebenden sollen ermordet werden - Absperrung der
gesamten Omaheke-Region]
An das Oberkommando trat nunmehr die Frage heran, wie mit
den doch noch etwa im Sandfeld sitzenden, den über die
englische Grenze entkommenen oder im Lande zerstreuten
Hereros verfahren werden sollte. Diese Frage war durch den
inzwischen ausgebrochenen Hottentottenaufstand brennend
geworden. Von mehr als einer Seite wurde der Gedanke
angeregt, die Reste des Volkes durch Verhandlungen zur
Unterwerfung zu veranlassen.
General von Trotha hielt die Annahme einer mehr oder minder
freiwilligen Unterwerfung, die die Möglichkeit eines
Wiederaufbaus der alten Stammesorganisation geboten hätte,
für den grössten politischen Fehler, der sich über kurz oder
lang wieder blutig rächen würde. Der Kampf musste also
weitergeführt werden, solange überhaupt die Möglichkeit
eines Wiederauflebens der Widerstandskraft der Hereros
vorhanden war.
Da indes grössere Unternehmungen deutscher Truppen im
Sandfelde zu dieser trockenen Jahreszeit völlig
ausgeschlossen waren, beschloss General von Trotha, das
ganze Gebiet der Omaheke im Westen und Südwesten
abzusperren... [S.59]
Alle Erkundungen sowohl in der Omaheke wie im Kaukaufeld
hatten übereinstimmend festgestellt, dass nirgends mehr
grössere Hererobanden vorhanden waren. Die Masse des Volkes
musste mithin bei der Flucht durch die Omaheke zugrunde
gegangen sein."
[1904: Die Vernichtung der Herreros - weitere Details:
Schädel, Skelette, Leichen, Tierleichen, Versuche, nach
Wasser zu graben]
Deutsche Patrouillenoffiziere berichten nach Darstellung des
Generalstabs schaurige Einzelheiten, so der Oberleutnant
Graf Schweinitz:
"Von Onduwu ab bezeichnete eine im Omuramba ausgetretene
Fusspad [Fussspur], neben welcher
Menschenschädel und
Gerippe und Tausende gefallenen Viehs, besonders
Grossvieh, lagen, den Weg, den anscheinend die nach
Nordosten entwichenen Hereros genommen haben.
Besonders in den dichten Gebüschen am Wege, wo die
verdurstenden Tiere wohl Schutz vor den versengenden
Strahlen der Sonne gesucht hatten, lagen die Kadaver zu
Hunderten dicht neben- und übereinander. An vielen Stellen
war in
15 bis 20 Meter tiefen, aufgewühlten Löchern
vergeblich nach Wasser gegraben [worden]. Alles lässt darauf
schliessen, dass der Rückzug ein Zug des Todes war."
[1904-1913: Zahlen Herero-Aufstand: 80% ermordet von
100.000 auf 21.699 - die Überlebenden (20%) bekommen eine
Enteignung]
Bei Aufstandsbeginn gab es rund
100.000 Hereros.
Zum Schluss, nach der letzten amtlichen Statistik des Jahres
1913, noch
21.699. Diese werden enteignet.
Fast 80 Prozent der Herero-Bevölkerung sind bei Ende des
Krieges tot. Auf uns bekanntere Völker übertragen würde das
bedeuten: Von 60 Millionen Westdeutschen 48 Millionen, oder
auch von 50 Millionen Franzosen 40 Millionen usw. usw. Jeder
Leser kann sich das ihn interessierende Beispiel selbst
ausrechnen.
Falsche weisse Helden: Details über die
deutsche Vernichtung der Hottentotten
[Deutsche Armee blockiert Wasserstellen - Hottentotten
verdursten]
Das deutsche Sündenregister, Kapitel Südwestafrika, ist mit
dieser Schauergeschichte nicht erschöpft. Da sind noch die
Hottentotten. Der Krieg gegen sie beginnt, als der gegen die
Hereros gerade dem Ende zugeht, 1904/05. Er nimmt in etwa
den gleichen Verlauf, auch was Klima und Durst betrifft. Das
[rassistisch-deutsch-koloniale] Generalstabswerk erzählt:
"Major von Estorff liess in der nächsten Zeit den Feind
überall, wo er sich zeigte, rücksichtslos verfolgen. Infolge
hiervon und der aufs strengste durchgeführten
Besetzung
der Wasserstellen stieg die Not bei diesem aufs
äusserste. Auf der erfolglosen Suche nach Wasser waren viele
Hottentotten
verdurstet. In welch schlimmer
Lage die Hottentotten waren, zeigt deutlich ein Brief
Hendriks vom 19. Oktober, indem der einst so stolze Kapitän
den Major von Lengerke flehentlich um Wasser für seine
verdurstenden Weiber und Kinder bat. Major von Lengerke
lehnte dieses Ansinnen selbstverständlich ab und forderte
Hendrik dagegen auf, sich in Koes zu stellen und die Waffen
abzugeben. Nur den Weibern und Kindern gaben die mitleidigen
deutschen Soldaten in Deichaeibis zu trinken, ehe sie sie
wieder in die Kalahari (Trockensavanne und Wüste im
südlichen Afrika [web55]) jagten." [S.60]
[Zahlen Hottentotten: Die Nama-Hottentotten werden von
20.000 auf 9800 reduziert]
Von den 1892 geschätzten 15 bis 20.000 Nama (Untergruppe der
Hottentotten [web56]) leben 1911 nach amtlicher Statistik
noch 9800. Danach hätte ein dreijähriger Guerillakrieg der
Nama 35-50% der Stammesangehörigen vernichtet gegenüber den
75-80% in dem einjährigen Hererokrieg. Die
Vernichtungspolitik gegen die Hereros wird auch in den
Gefangenenlagern, vor allem in den kalten und feuchten
Küstenlagern in Swakopmund, fortgesetzt, auf der
Haifischinsel vor der Lüderitzbucht auch gegen die Nama.
Nach offizieller "Zusammenstellung über die Sterblichkeit in
den Kriegsgefangenenlagern" kommen von 15.000 Hereros und
20.000 Nama rund 7700 um, also gut 45%.
Falsche weisse Helden: Weitere Massenmorde
des deutschen Kolonialismus in Afrika: Kamerun
Die deutsche Kriegsführung in Deutsch-Südwestafrika [heute
Namibia] hat seinerzeit mehr Aufsehen erregt als die in
anderen Kolonialgebieten des Reiches. Daraus kann man aber
nicht schliessen, dass es dort sehr viel anders zugegangen
wäre.
[Deutsch-rassistische Kolonialpolitik in Kamerun: Der
Bericht von Hugo Zöller - die Zensur dichtet "friedliche
Eroberungszüge" - deutsche Schiffe vernichten
Ureinwohner-Schnellboote]
Kamerun, 1893: "Mich fasste in dem Gefühl, dass es nunmehr
für Deutschland zu kämpfen galt, eine derartige hochgradige
Erregung, dass ich meine Träger ablohnte und mich einem mit
ortsansässigen Eingeborenen bemannten Boot anvertraute, das
mich zu den deutschen Faktoreien am Kamerunfluss bringen
sollte", erzählt Hugo Zöller. Wie so oft, ist er auch hier
Zeuge und Mitakteur. Wir verdanken ihm die Information, dass
die Schilderung des deutschen Eroberungszuges im
Kamerungebirge "frisiert" wird:
"Aus meinem vom [deutschen Generalkonsul in Togo] Nachtigal
selbst angeordneten und durch Übertragung seiner Vollmachten
überhaupt erst ermöglichten Eroberungszug ins
Kamerungebirge, der uns eine ganze Anzahl kleinerer
Königreiche eingetragen hat,
musste durchaus ein
'friedlicher' Eroberungszug gemacht werden,
obwohl er das in Wahrheit gewiss nicht gewesen ist. In
gleichem Sinne ist im Texte manches gemildert und
abgeschwächt worden ... Entscheidung des Admirals, dass am
frühen Morgen des folgenden Tages 330 Mann mit vier
Geschützen gegen die feindlichen Dörfer entsandt werden
sollten. die Korvette "Bismarck" solle 216 und die kleinere
"Olga" 115 Mann stellen. Um neun Uhr dreissig stieg ich mit
den Offizieren der "Olga" von der Dualla [Schiff "Dualla"]
in die Landungsboote, in denen bisher die Mannschaften
gesessen hatten. Zehn Minuten später fiel bei der Annäherung
an Hickory-Dorf von unserer Seite der erste Schuss. Bald
krachte es rings umher und auch von jener Seite her, wo
etwas nördlich von uns die "Bismarck"-Leute kurz vorher
gelandet waren. wir sahen noch, wie die Dampfpinasse der
"Bismarck" zwei jener wunderbar gebauten
Kriegskanus
der Eingeborenen in den Grund bohrte, die jeden
Flussdampfer an Schnelligkeit übertrafen.
[Der Kampf um ein Hickory-Dorf: Helm aus Kokosfasern mit
schwarzem Affenfell]
Ein rasendes Feuer, das auch eine Anzahl Verwundungen
verursachte, empfing uns. Rechts von dem von Secondeleutnant
von Etzel geführten ersten Zuge der "Olga" stürme ich mit
meinen Leuten den mit Buschwerk bestandenen Abhang nach
Hickory-Dorf
hinauf. Den Rücken von Blut überströmt, liegt der [S.61]
erste Tote, den ich sehe, im Grase. Er trägt den
aus
Kokosfasern gefertigten und mit schwarzem Affenfell
überzogenen Kriegshelm der Dualla
(Duala-Volksgruppe in Kamerun [web57]).
Um ein schreiendes kleines Negerkind habe ich mich zu meinem
Bedauern, da immer schwerere Kämpfe nachfolgen sollten,
nicht bekümmern können...
[Der Kampf um ein Joss-Dorf: "nur wenig Leichen"]
Wiederum lautete das Hornsignal 'Avancieren' und im
Laufgebrüll ging es mit 'Hurra, hurra Bismarck, hurra, hurra
Olga' gegen Joss-Dorf. Diesmal flohen die Schwarzen, die den
Unsrigen kaum um 20 Schritte voraus waren, in Massen. Im
eroberten Joss-Dorf fanden wir ausserordentlich viel
Blutlachen, aber obwohl die Feinde über zwei Dutzend Tote
und das Drei- oder Vierfache an Verwundeten gehabt haben,
nur wenig Leichen."
[Kamerun: Aufstände gegen deutsche Kolonialtruppen
bereits im ersten Jahr der Besetzung: Dörfer vernichtet,
Afrikaner ermordet, deutsche Flagge erneut gehisst]
Bei aller technischen und waffenmässigen Überlegenheit der
Deutschen - Kamerun ist also kein Spaziergang. Und noch im
Jahr der Eroberung kommt schon der erste Aufstand von
Küstenstämmen. Die Marine greift wieder ein. Konteradmiral
Knorr telegrafiert nach Berlin:
"'[Die deutschen Kriegsschiffe] 'Bismarck' und 'Olga' haben
am 20., 21. und 22. Dezember aufrührerische Negerparteien in
Kamerun mit Waffengewalt niedergeschlagen. Mehrere
Häuptlinge und grössere Zahl Krieger gefallen. Ortschaften
vernichtet. Autorität der Flagge und Ruhe am Ort [wurden]
wiederhergestellt."
[Kamerun: Heftiger Widerstand im Urwald gegen die
deutsch-rassistischen Kolonialtruppen]
Aber das Geschäft bleibt mühselig. "Köhlers
Kolonialkalender" gibt zu:
"Die Erschliessung und Befriedung Kameruns ging infolge des
fast undurchdringlichen Urwaldes und der misstrauischen,
etwa 4 Millionen zählenden Bevölkerung unter mancherlei
Kämpfen nur langsam vor sich".
[Kamerun: Die Meuterei der Dahome-Ureinwohner-Söldner,
die von der deutschen Kolonialführung zu wenig Sold
erhalten - sie sollten den Befreiungspreis aus der
Sklaverei "abverdienen"]
Und Gustav Noske berichtet:
"Auch in Kamerun floss im Jahre 1891 Menschenblut. Aber
nicht auf die Eingeborenen des Schutzgebiets wurde
geschossen, sondern landfremde Farbige, die als Söldner ins
Land gebracht worden waren, um die deutsche Herrschaft
aufrechtzuerhalten, wurden niedergeworfen. In die Kameruner
Schutztruppe waren unter anderem Dahomeleute eingestellt
worden, die der Offizier von Gravenreuth vom König Behanzin
von Dahome ganz regelrecht gekauft hatte. Diese Dahomeleute
riefen eine Meuterei hervor, die in der ganzen Welt grosses
Aufsehen machte. Der Grund zur Auflehnung wurde amtlich vor
allen in der Unzufriedenheit der Dahomes mit ihrer Bezahlung
erblickt. In Wirklichkeit hat man sie nicht anders wie
Sklaven behandelt, die für den Herrn, der sie bezahlte, ums
Sattessen, ohne Lohn zu erhalten, ihre Haut zu Markte tragen
sollen. In einem amtlichen Bericht über die Meuterei heisst
es:
"Die Löhnung der Polizeisoldaten konnte den Dahomesoldaten
zur Zeit noch nicht zuteil werden, da sie um einen teuren
Preis aus der Sklaverei losgekauft waren. Den Kaufpreis
sollten sie erst abverdienen. Ein weiterer Grund zu der
Erhebung war, dass Weiber von Dahomesoldaten in barbarischer
Weise geprügelt worden waren." [S.62]
[Kamerun: Deutsche Kolonialisten machen "Karriere" mit
Gewehren gegen Speere, Massenraub und Massenmorden gegen
die AfrikanerInnen]
Die Aufgaben der deutschen Streitkräfte in Kamerun sind
mannigfaltig, und zahlreich die Gelegenheiten, es zu Ehren,
Würden und Orden zu bringen. Hauptsache, es kann geschossen
werden - in der Stimmung, wie sie Siegfried Passarge
rekonstruiert:
"Endlich schoss Üchtritz auf den Führer, einen Grossen in
himmelblauer Tobe [Gewand?] und dunkelblauem Litham
(Mundschleier [web58]). Er stürzte in den Fluss hinab. Noch
einmal versuchte er, sich am Gestrüpp hinaufzuziehen, er
sank zurück und verschwand in dem tiefen Wasser. Jetzt hielt
der Feind nicht länger stand. Einige Kugeln pfiffen noch den
Fliehenden nach. Einem, der den steilen Uferrand
emporklettern wollte, schlug Üchtritz' Kugel vor der Nase
ein, dass die Erde ihm ins Gesicht spritzte. Hei, wie er
sprang! Der Kampf war aus, der Sieg erfochten."
[Kamerun: Die Schlacht gegen die mit Gewehren
ausgerüsteten Bafut-Afrikaner zieht sich über Wochen hin -
"ewiges Schiessen" - Verluste auf beiden Seiten]
Weniger überschwenglich berichtet Kurt von Pavel:
"11. Dezember 1901: Den ganzen Weg von Bandeng nach Bafut,
fünf Stunden, wurden wir rechts und links von feindlichen
Bandengs beschossen. Wir hatten einen Toten, drei
Verwundete.
Gegen Mittag ritt ich voran und fand eine gute Stellung, von
der aus ich nun meine drei Geschütze arbeiten liess. Wir
stürmten dann einen Teil des Dorfes, und nach Verlust von
200 Toten zog sich der Gegner in die anderen Teile des
Dorfes zurück...
Ich sitze hier in meinem Zelt und schreibe. Die Kugeln
pfeifen. Jetzt schon acht Wochen Biwak,
ewiges
Schiessen.
Die Verluste mehren sich auf beiden Seiten.
Die Bafuts sind wirklich tapfere Neger."
Falsche weisse Helden: Weitere Massenmorde
des deutschen Kolonialismus in Afrika: Ruanda-Urundi
[Ruanda-Urundi: Die deutsche Vernichtung der
Ndungutze-Widerstandsbewegung - "ungehorsame Distrikte"]
Nicht weniger beschäftigt als in Kamerun sind die deutschen
Krieger und Polizisten in
Ruanda-Urundi. "Die
hervorstechendsten Merkmale der Verwaltung in Ruanda waren
nicht die täglichen Justizprobleme, sondern die
Strafexpeditionen", sagt Wm. [Wachtmeister] Roger Louis. Die
bedeutendste Strafexpedition in Ruanda während der deutschen
Zeit soll eine revolutionäre Bewegung in Nord-Ruanda
unterdrücken: Die
Ndungutze-Bewegung, die im
Jahr 1912 ihren Höhepunkt erreicht.
Ergänzung:
In Ruanda herrschte eine Aufstandsbewegung unter der
Jesus-Fantasie-Priesterin Nyina Ku Humusa. Die Priesterin
wurde im September 1911 gefangengenommen, sie landete in
einem Gefängnis in Kampala, aber ihr Sohn Ndungutse konnte
entkommen und führte den Aufstand fort [web59]
Wir lesen weiter im Buch:
[Ruanda: Der deutsche Massenmord in Dörfern, wo der
Priesterinnen-Sohn Ndungutse VERMUTET wird - damit die
Bevölkerung "gehorsam" wird]
Louis schildert:
"Gudowius (der deutsche Chef) bereitete sorgfältig einen
Überraschungsangriff vor. Ziel der Expedition war, die
ungehorsamen
Distrikte, ihre Stämme und Häuptlinge zu
bestrafen, indem man ihnen grösstmöglichen Schaden zufügte,
bis sie sich vollständig unterwerfen. Andernfalls sollten
ihre Ernten und Siedlungen zerstört werden."
Das deutsche Kontingent umstellt das Dorf, in dem man [den
Priesterinnen-Sohn] Ndungutze vermutet. Dann dringt Gudowius
mit einigen Begleitern ein. Das Gemetzel beginnt. Gudowius
und seine Gruppe töten etwa 50 Eingeborene. Die Dorfbewohner
versuchen zu entkommen, stossen aber gegen die Postenkette,
die [S.63] das Dorf umstellt hat. "Die meisten wurden
hingeschlachtet." Gudowius lässt anschliessend das Dorf
völlig niederbrennen.
Inzwischen ist ein zweiter deutscher Trupp unter Leutnant
Linde beschäftigt, Dörfer zu verbrennen und die Bevölkerung
umzubringen. Gegen Ende der Expedition, so berichtet
Gudowius, ist solche Gewaltanwendung nicht mehr nötig, denn
die Bevölkerung ist nun gründlich eingeschüchtert und
gehorsam.
Falsche weisse Helden: Deutscher
Mörder-Kolonialismus generell: Die Abrechnung von 1919 in
Versailles
[Deutscher Mörder-Kolonialismus und die Leugner: Beispiel
Dr. H. Schnee in "Die koloniale Schuldlüge"]
"Was Aufstände und Expeditionen betrifft, so haben die
deutschen Kolonien keineswegs mehr Rebellionen und
Blutvergiessen gesehen als Kolonien anderer Nationen mit
ähnlich gearteten Eingeborenenstämmen. Deutsch-Ostafrika
hatte seit 1906, also seit vollen acht Jahren vor Ausbruch
des Weltkrieges [von 1914] überhaupt keine Aufstände mehr
gesehen; in allen Teilen der Kolonie hat vollständiger
Friede geherrscht." So sagt, stolz und entrüstet, der
frühere deutsche Gouverneur
Dr. H. Schnee in
seinem Buch gegen "
Die koloniale Schuldlüge".
[1919: Die anderen Kolonialmächte besetzen die deutschen
Kolonien mit dem Vorwand des deutschen
Mörder-Kolonialismus - 25 Jahre deutscher
Mörder-Kolonialismus mit "Blut und Brand"]
Dr. Schnee ist entrüstet, weil er seine Kolonialpolitik und
die seines Landes gegen die Kritik verteidigt, die von den
alliierten Siegern des Weltkrieges als Vorwand benutzt wird,
sich die deutschen Kolonien selbst einzuverleiben. Mit
dieser Entrüstung hat er zweifellos recht. Der Stolz auf 8
Jahre der "Ruhe" in einem Gebiet, das die Deutschen
dreieinhalb Jahrzehnte beherrscht [und technisch mit
Eisenbahnen und S-Bahn-Systemen entwickelt] haben, legt
immerhin
zweieinhalb Jahrzehnte der Unruhe
nahe. Und so ist es auch. In "Deutsch-Ostafrika", im Gebiet
des heutigen Kenia und Tansania, verrichten deutsche
Soldaten Jahr für Jahr ihr blutiges Geschäft, stets bemüht,
die Flammen der Rebellion und des Widerstands auszutreten.
Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Vollmar kommt
der Wirklichkeit wesentlich näher, wenn er in einer Debatte
über Deutsch-Ostafrika meint, dass "ganze Seiten unseres
neuen Weissbuches mit
Blut und Brand gefüllt
sind."
Falsche weisse Helden: Details über
Deutsch-Ostafrika (heute Tansania)
[Deutsch-rassistische Kolonialpolitik in Tansania: Die
"Erwerbung" und die Gegenwehr der AfrikanerInnen -
Beispiel Sansibar: "die Sache rasch in Ordnung bringen"
mit Kanonenkugeln von deutschen Kriegsschiffen]
Schon die "
Erwerbung" Ostafrikas ist
regelrechte Eroberung. Sehr schnell stellt sich heraus, dass
die vielen "Verträge", mit denen Carl Peters grosse
Ländereien für Deutschland erworben zu haben glaubt, von
sehr geringem Wert sind. Die Bevölkerung wünscht nicht, den
waffenrasselnden Weissen untertan zu sein. Sie verhält sich
entsprechend. Dem Sultan von Sansibar wird schnell
klargemacht, dass eine neue Zeit begonnen hat. Es ist
bezeichnend, wie Deutsche seinen Versuch schildern, seinen
Herrschaftsbereich zu verteidigen:
"Der Sultan von Sansibar, hinter dem der englische
Generalkonsul stand, erhob aber beleidigende Einsprüche
gegen die Besetzung der Küste und Bismarck schloss sich dem
Ratschlage des Dr. Peters an, einige deutsche Kriegsschiffe
würden die Sache rasch in Ordnung bringen. Dies erledigten
SMSS 'Prinz Adalbert', 'Gneisenau', 'Stosch und 'Elisabeth',
zu denen noch 'Bismarck' und 'Möwe' trafen, sehr schnell."
[S.64]
[Tansania: Araber-Aufstand 1888 und neuer Massenmord -
die deutschen Analysten finden den deutschen
Kolonial-Rassismus nicht als Grund]
Ganz erledigt kann man das doch nicht nennen. Sehr bald
danach, 1888, bricht der Araber-Aufstand aus. Die Deutschen
brauchen zwei Jahre, um ihn niederzuschlagen [wohl mit neuem
Massenmord].
Die Deutschen versuchen sehr, sich über die Gründe des
Aufstandes den Kopf zu zerbrechen. Auch hier gibt es ganze
Listen von verschiedenen Mutmassungen. Den einzig richtigen
Grund erwähnt wohl Dr. Schnee: "Dieser Aufstand hätte nur
vermieden werden können, wenn Deutschland auf die Errichtung
seiner Herrschaft und auf Massnahmen gegen den Sklavenraub
überhaupt verzichtet hätte."
Der Hinweis auf den Sklavenhandel mag stimmen oder nicht.
Wahr ist zweifellos, dass die Araber keine deutsche
Herrschaft über sich wünschten.
[Tansania: 7-jähriger deutscher Krieg gegen die
Héhé-Afrikaner - der Führer Mwawa macht 1898 Selbstmord]
Ein Jahr später sind deutsche Truppen in Ostafrika
[Tansania] schon wieder auf neuen Strafexpeditionen: Kämpfe
gegen die Wazaramu von 1890 bis 1893, die sich rasch auf das
ganze Land ausdehnen. Von 1891 bis 1898 wieder einmal ein
siebenjähriger Krieg: gegen die Héhé, deren Führer Mwawa
1898 lieber Selbstmord begeht, als in die Hände der
Deutschen zu fallen;
[Deutsch-Ostafrika beim Kilimandscharo: Deutscher
Kolonialismus mit einer Hüttensteuer - und der Aufstand
der Chagga-Afrikaner beim Kilimandscharo (heute
Nord-Kenia) - die gestörte Versammlung in einem Kreisdorf
der Galla-AfrikanerInnen]
1892 erheben sich die Chagga im Gebiet des Kilimandscharo
gegen das Zwangsregime und die Hüttensteuer, die ihnen Carl
Peters und andere auferlegen. Rund 2000 Chagga kommen durch
die deutschen Repressalien um. Wie Carl Peters mit
Eingeborenen umspringt, ist ein besonders wichtiges Stück
deutscher Kolonialgeschichte. Ein Beispiel aus seiner
eigenen Feder:
"Griffen die Gallas (Oromo, heute Nord-Kenia [web60]) in der
Tat am 6. Oktober in der Nacht mein Lager an, so war es ja
sehr wahrscheinlich, dass sie zurückgeschlagen wurden.
Indessen kostete ein solches Zurückschlagen vermutlich viel
mehr Patronen als ein Angriff meinerseits, und vor allem
musste die Stimmung meiner Leute ausserordentlich leiden,
wenn sie empfanden, dass meine Stellung nicht einmal stark
genug sei, um schwarze vor dem Angriff auf unser Lager
abzuschrecken.
Ich nahm 10 Soldaten und 25 Träger mit mir. Ich glaubte,
dass es mir gelingen werde, durch mein Erscheinen die Leute
einzuschüchtern und durch eine Beratung die zwischen uns
schwebenden Streitpunkte zu beseitigen. So trat ich in den
Gallakraal [Galla-Kreisdorf] hinein, dessen dumpfes Geschrei
wir schon aus der Ferne gehört hatten, und rief zweimal laut
in die Versammlung: amani amani! (Friede, Friede!). Aber ich
hatte die Wirkung meines Auftretens erheblich überschätzt.
Die Antwort auf mein Erscheinen war, dass ein Gallakrieger
seine Lanze gegen meinen Kopf schleuderte und mir das Ohr
damit ritzte, dass ein zweiter nach meiner Brust stiess,
welchem Stoss ich nur dadurch entging, dass Hamiri mich
beseiteriss, wobei ich zu Boden fiel und meinen Kopf gegen
seinen Flintenlauf schlug. Ich riss meinen Revolver heraus,
um den Galla niederzuschiessen; aber zum Unglück versagten
meine Revolverpatronen, und ich musste nach meiner Büchse
greifen, um mich zu verteidigen. Die Sache war einen
Augenblick [S.65] kritisch; aber nachdem wir etwa im ganzen
sechs Salven abgefeuert hatten, durch welche der Sultan und
sieben seiner Grossen niedergestreckt wurden, war die Sache
in drei Minuten entschieden und der ganze Stamm
auseinandergesprengt.
[Deutsch-Ostafrika beim Kilimandscharo: Deutsche
Kolonial-"Expedition" nimmt afrikanische Geiseln als
"Sicherheit"]
Ich erkannte sofort, dass es für die Sicherheit meiner
Expedition von der grössten Bedeutung sei, wenn ich gegen
weitere Unternehmungen der Gallas mich durch ein Faustpfand
[Geiselnahme] sicherte, und somit liess ich die sämtlichen
im Kraal (Kreisdorf im südlichen Afrika [web61]) versteckten
Weiber, 23 an der Zahl, aus ihren Häusern herausholen, um
sie mit in mein Lager überzuführen. Ich fand auch einige
Männer, welche ich ebenfalls als Kriegsgefangene mitführte"
(Carl Peters: Gesammelte Schriften).
[Aufstände ab 1905: Beispiel Maji-Maji-Aufstand - die
deutsche Kolonialarmee vernichtet die Afrikaner mit
verbrannter Erde: Dörfer+Ernten verbrannt + 120.000
AfrikanerInnen ermordet]
Es wäre ermüdend, alle die Einzelkriege und Aktionen
aufzuzählen, die das sogenannte Deutsch-Ostafrika
unaufhörlich erschüttern. Und dann, 1905, geht es richtig
los:
Der Maji-Maji-Aufstand, die seit dem Araber-Aufstand
stärkste Bedrohung der deutschen Herrschaft in der Kolonie.
Es lässt sich denken, mit welcher Härte die Deutschen
zurückschlagen, zumal die Aufständischen mit
unterschütterlichem Fanatismus kämpfen. Sie glauben, das
magische Wasser eines grossen Medizinmannes mache sie gegen
die Kugeln der Weissen immun. Ihr Kampfruf ist Maji-Maji!
(Wasser! Wasser!), und es dauert lange, bis sie doch Angst
vor den weissen Gewehren bekommen.
Die deutsche Gegenwehr ist so, als wolle sie sämtliche
Anti-Kolonial-Propaganda mit neuer Munition versehen. Die
Deutschen zerstören systematisch Dörfer und Ernten - auf
einer "Frontbreite", die sich eine Zeitlang auf 400 km
erstreckt. Die Zahl der Opfer wird mit 120.000 angegeben.
Falsche weisse Helden: Versailles 1919:
listet die deutschen Kolonialverbrechen auf als Argument
zum Kolonienraub - aber GB+F+NL+B sind noch schlimmer
Als die siegreichen Alliierten die trübe Bilanz deutscher
Kolonialtätigkeit zum moralischen Vorwand nehmen, die
deutschen Kolonien unter sich selbst aufzuteilen,
protestieren die Deutschen dagegen keineswegs mit dem
Argument, das ihnen vorgehaltene Sündenregister sei
erfunden. Sie operieren vielmehr mit dem Hinweis, die Bilanz
der anderen sei noch schwärzer, um nicht zu sagen röter.
Dieser Vorwurf nützt nichts und bewirkt nichts - aber er
stimmt.
*
[S.66]