Seit
der Anwendung der Amalgame in der Zahnheilkunde wird die
Diskussion über mögliche Gesundheitsschäden durch dieses
Füllungsmaterial geführt (vgl. Willershausen / Zönnchen
et al. 1994). Der Hauptgrund ist, dass immer wieder seit
Mitte des 19. Jahrhunderts über Quecksilbervergiftungen
im Zusammenhang mit Amalgamfüllungen berichtet wurde
(Bauer 1989, S.5)*.
*Bei einer Bezugnahme auf Bücher sind im Text auch die
Seitenzahlen angegeben (ausser bei Einzelbeiträgen in
Büchern).
Es hat also nie an Stimmen gefehlt, die vor der
Verwendung dieses quecksilberhaltigen Materials gewarnt
haben (Rust 1961 S.2).
1.
[Zu weiche Kupferamalgame]
Amalgame sind flüssige, knetbare oder feste Legierungen
des Quecksilbers mit anderen Metallen. Bis in das erste
Drittel dieses Jahrhunderts hinein waren Kupferamalgame
in Deutschland weit verbreitet.
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Degussa, Logo einer
Giftfirma, die für die "medizinische
Forschung" die Menschen mit Amalgam
krankmacht, ganz legal...
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Von seiten der Amalgamhersteller (z.B.
Degussa-Fachautor Kropp 1985) wurde ihre medizinische
Indikation (im Milchgebiss) noch bis in die 80er Jahre
hinein bejaht (vgl. auch Nuoffer-Dieterle 1985 S.9:
Kupferamalgam "wird in einigen Praxen noch zum Füllen
von Milchzähnen verwandt"; Sauerwein 1985 S.8:
Kupferamalgam "kommt als fertiges Amalgam ... in den
Handel"; Künzel (S.1) 1985: "Speziell zur Versorgung von
Milchzähnen empfiehlt man auch heute noch
Kupferamalgam").
Kupferamalgam enthielt 64 % Quecksilber (Hg), 35 %
Kupfer (Cu) und etwas Zinn oder Zinki. Dieses Amalgam
wirkte antikariös und bakterizid. Aus ihm konnten jedoch
- dies ist unter Zahnmedizinern allgemein anerkannt -
beachtliche Mengen von Kupfer in Lösung gehen. Ausserdem
setzten Kupferamalgamfüllungen auch Quecksilber frei,
das als Dampf dem Organismus einverleibt wurde
(Wannenmacher 1969). Bereits während die Hersteller
Kupferamlgam produzierten und Zahnärzte dieses Material
anwendeten, war es Standardwissen, dass bei
Kupferamalgamfüllungen infolge der Metallfreisetzung aus
den Füllungsoberflächen "die Gefahr einer Vergiftung"
(Diehl 1974 S.2 m.w.N.) existierte bzw. "verschiedene
Möglichkeiten der Schädigung bestehen" (Wannenmacher
1969) und "Vergiftungen" (Häupl 1953 S.451) sowie
"Intoxikationserscheinungen" (Harndt 1955) auftreten
konnten. Gleichzeitig war bekannt, dass "das Cu-Amalgam
ohne weiteres durch andere Füllungswerkstoffe zu
ersetzen ist, also leicht entbehrlich ist."
(Wannenmacher 1969)
Insbesondere der Chemiker Stock (1926) wies ab dem Jahre
1926 eindringlich auf die Toxizität u.a. dieser Art von
Amalgamfüllungen hin. Zustimmung erhielt Stock bereits
frühzeitig nicht nur von Praktikern (Lichtwarck 1926;
Werkenthin 1926; His 1927 / 1928), sondern auch von
seiten der Universitätszahnmedizin (z.B. Dieck 1927;
Harndt 1920). Wannenmacher (1929) schrieb: Es "muss das
Kupferamalgam unter allen Umständen als Füllungsmaterial
abgelehnt werden. ... Kupferamalgame dürfen in keiner
zahnärztlichen Praxis mehr verarbeitet werden."
Trotz der bekannten Schadwirkungen des Kupferamalgams
wurde dieses Füllungsmaterial allerdings weiterhin
jahrzehntelang hergestellt, von Zahnärzten verwendet und
- entgegen dem Kenntnisstand (S.2) an
Universitätszahnkliniken - z.B. in der
Kinderzahnheilkunde als angeblich "unentbehrlich"
(Schach 1964) bezeichnet.
2.
[Relativ harte Silberamalgame]
Erst nach und nach vollzog sich der in den ersten
Jahrzehnten dieses Jahrhunderts einsetzende Übergang auf
die etwas kostspieligeren Silberamalgame. sie wurden
ebenfalls bereits im 19. Jahrhundert für die
zahnärztliche Füllungstherapie produziert und wiesen im
Vergleich zu Kupferamalgam i.d.R. eine verminderte
Metallfreisetzungsrate auf. Diese Silberamalgame (auch
"Siulber-Zinn-Amalgame" oder "Edelamalgame" genannt)
entstehen durch Vermischung von 50 % GEwichtsanteilen
flüssigen Quecksilbers einerseits mit 50 %
Gewichtsanteilen in Form eines Metallpulvers aus Silber,
Kupfer, Zinn, Quecksilber und ggf. Zink andererseits. Es
bildet aich hierbei eine plastische, formbare Masse, die
nach einem überschaubaren Zeitraum des Erhärtens dem
Kaudruck weitgehend standhält.
In diesen Silberamalgamen war eine besonders
korrosionsanfällige Phase die Gamma-2-Phase. Aus diesem
Grund wurde ab Mitte der 70er Jahre ein zusätzlicher
Legierungstyp auf den Dentalmarkt gebracht: die
sogenannten Non-gamma-2-Amalgame. Auch bei dieser Art
von Silberamalgamen wird flüssiges Quecksilber im
Verhältnis 1:1 mit einem Metallpulver aus Silber,
Kupfer, Zinn, Quecksilber und ggf. Zink vermischt;
jedoch ist im Vergleich zu den herkömmlichen
Gamma-2-bildenden Silberamalgamen der Kupferanteil im
Legierungspulver erhöht, der Silberanteil oder - je nach
Legierungstyp - der Zinnanteil niedriger. Hierdurch
lässt sich die Bildung der Gamma-2-Phase weitgehend
vermeiden. Diesem Legierungstyp werden daher günstigere
werkstofftechnische Eigenschaften zugeschrieben als den
gamma-2-bildenden Amalgamen. (S.3)
Amalgame waren bis zum 31.12.1994 Arzneimittel im Sinne
von § 2 Abs. I Nr. 5 AMG [Arzneimittelgesetz] (seit dem
1.1.1995 sind sie Medizinprodukte) und unterlagen daher
den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes. Im Jahre 1988
legte die Aufbereitungskommission B9 des
Bundesgesundheitsamts die Zusammensetzung des - zu
gleichen Gewichtsanteilen mit flüssigem Quecksilber zu
vermischenden - Metallpulvers für die Herstelluing von
Silberamalgamen wie folgt fest (Bundesanzeiger Nr. 46
vom 8.3.1988 S.1019; Bundesanzeiger Nr. 209 vom
8.11.1988 S.4779):
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gamma-2-haltig
|
gamma-2-frei
|
Silberxxxxxxxxxxxxx
|
min. 65 %xxxxxxxxxxxxx
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min. 40xxxxxxxxxxxxx |
Zinn
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max. 29 %xxxxxxxxxxxxx
|
max. 32xxxxxxxxxxxxx |
Kupfer
|
max. 6 %xxxxxxxxxxxxx
|
max. 30xxxxxxxxxxxxx |
Zink
|
max. 2 %xxxxxxxxxxxxx
|
max. 3xxxxxxxxxxxxx |
Quecksilber
|
max. 3 %xxxxxxxxxxxxx
|
max. 2xxxxxxxxxxxxx |
Auf
Initiative des Bundesgesundheitsamts hin nahmen die
Amalgamhersteller im Jahre 1992 die gamma-2-haltigen
Silberamalgame vom Markt. In Österreich war die
Rücknahme der gamma-2-haltigen Silberamalgame bereits
vorher erfolgt (Visser 1993 S.11).
[Die Widersprüche zwischen positiven Aussagen
zu Amalgam und der Abnahme der gelegten
Amalgamfüllungen - Regierungsstellen wollen 1994
Amalgam verbieten]
Als Vorteile der Anwendung von Amalgam in der
zahnärztlichen Füllungstherapie wurden von der
Arzneimittelkommission Zahnärzte (1987) u.a. genannt:
Amalgam
- sei gut zu verarbeiten
- lasse sich gut verdichten, so dass eine homogene
Füllung entstehe,
- werde hart und halte somit dem Kaudruck stand, (S.4)
- habe nach der Politur eine glatte Oberfläche, welche
der Anlagerung von Belägen entgegenstehe,
- sei weitgehend abrieb- und auswaschfest.
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Helmut Kohl, Bundeskanzler
der Bundesregierung der 1990-er Jahre: Es
erfolgte kein Verbot von Amalgam, kein
Schutz der Bevölkerung vor dem sarkastischen
Kalkül der Industrie!
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Desungeachtet ist der Amalgamverbrauch
in Deutschland (alte Bundesländer) im Verlauf der 80er
Jahre um mehr als 30 % zurückgegangen: von ca. 60
Millionen Amalgamfüllungen (schon allein in der
gesetzlichen Krankenkasse) im Jahre 1980 (Riethe 1982)
auf 37,5 Millionen im Jahre 1989 (Bundesregierung 1990
unter Berufung auf statistische Angaben der
Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung). Bereits vorher
waren sowohl auf zahnärztlich-standespolitischer wie
auch auf politischer Ebene die gesundheitlichen Risiken
bei der Verwendung von Silberamalgamfüllungen offen
angesprochen worden. So gab die Kassenzahnärztliche
Vereinigung Nordrhein (1977) mit Datum vom 8.6.1977 die
folgende Meldung heraus:
Kassenzahnärztliche
Vereinigung Nordrhein (kvno)
warnt 1977 eindeutig vor Amalgam
"Amalgamfüllungen
nicht unbedenklich!
Zu dieser Schlussfolgeruing kommt Dipl. Ing. Detlev
Stöfen. Stöfen, der als einer der besten Sachkenner auf
dem Gebiet der Schwermetalle gilt, verweist auf jüngste
Veröffentlichungen der Universität Basel über neue
Beweise für die Quecksilberabgabe aus
Silberamalgamfüllungen.
Professor Dr. Dr. Gasser, Basel, der aufgrund seiner
Arbeiten von Silberamalgamfüllungen abrät, habe - so
Stöfen - damit die von Professor Stock stammende ältere
Warnung vor Amalgamfüllungen bestätigt.
Stöfen schreibt im einzelnen: (S.5)
... Es muss also auf diesem Wege mit einer
Schädigung von Nerven gerechnet werden, ein Umstand, der
um so gravierender ist, als sich das Nervensystem im
Gegensatz zu anderen Organen nicht regenerieren kann.
Neurologische Schäden können sich negativ auf alle
Organe auswirken."
Auf Grund der weiteren bereits damals vorhandenen
wissenschaftlichen Erkenntnisse erklärte der
Staatssekretär im Hessischen Ministerium für
Landesentwicklung, Umwelt, Landwirtschaft und Forsten
Brans (1979) am 8.3.1979:
"In der Zwischenzeit habe ich mich an den
Hessischen Sozialminister gewandt und ihn um
Einverständnis dafür gebeten, dass wir gemeinsam beim
Bundesgesundheitsminister bzw. beim Bundesgesundheitsamt
mit dem Ziel des Verbots von Amalgam tätig werden."
Sauter (1989), von 1981 bis 1989 Vizepräsident des
Bundesverbandes der Deutschen Zahnärzte, gab als
Vorsitzender der Bezirkszahnärztekammer Tübingen intern
gegenüber Kammermitgliedern auf einer BZK-Tagung am
9.9.1989 zu erkennen:
"Ich bin gar nicht glücklich über die
Unbedingtheit, mit der sich unsere wissenschaftlichen
Gesellschaften vor diese Restaurationssubstanz stellen."
Auf Grund einer zuvor vom Bundesgesundheitsamt
vollzogenen Neubewertung der gesundheitlichen Risiken
durch Amalgam erteilte der Direktor der
Universitätszahnklinik Frankfurt / M. Heidemann (1994)
am 11.7.1994 die - in Angleichung an das Verhalten
anderer Zahnkliniken inzwischen wieder aufgehobene -
Dienstanweisung, "sofort" und "gänzlich" auf Amalgam zu
verziechten.