2.
Frühzeitige Bestätigung
dieses Kenntnisstandes [von Loebich 1955] durch die
wissenschaftliche Fachliteratur [Warnung Fleischmann
1928 (S.28) - Stock 1928 (S.28) - Stock 1926, 1939
(S.30) - Warnung Maschke 1930 (S.31-32) - W. Borinski
1931 (S.32-36) - W. Rheinwald 1954, 1955 (S.36)]
Bereits vor und gleichzeitig mit den Veröffentlichungen
Loebichs [1955] sind Berichte über Schädigungen durch
Silberamalgamfüllungen im Fachschrifttum veröffentlicht
worden (S.27).
[Fleischmann: Durch
Silberamalgam nimmt Frische und v.a. die geistige
Arbeitsfähigkeit ab]
- Fleischmann (1928)
berichtete als Resultat seiner Untersuchungen an der I.
Medizinischen Universitätsklinik der Charité in Berlin,
dass Quecksilber aus Silberamalgamfüllungen "zu wenn auch
nicht lebensbedrohlichen, so doch die Frische und
Arbeitsfähigkeit namentlich geistiger Arbeiter, stark
beeinträchtigenden Erscheinungen führen kann." Er forderte
daher bereits im Jahre 1928, "Edelamalgame durch anderes
Material dann zu ersetzen, wenn die Industrie
Gleichwertiges zur Verfügung gestellt hat."
[Stock benennt die
Quecksilberdampf-Vergiftung und die Leiden]
Alfred Stock (1876-1946), Portrait
- Stock 1928,
Chemisches Institut der Technischen Hochschule Karlsruhe,
nannte als gesundheitliche Folge der Anwendung von Amalgam
in der Zahnheilkunde:
"Müdigkeit, Zerschlagenheit, Unlust besonders zu geistiger
Arbeit, Nervosität, Gereiztheit, Vergesslichkeit,
Benommenheit, Kopfschmerzen, Depressionen,
Zahnfleischbluten beim Zähneputzen, vereinzelte
Durchfälle, chronische Schnupfen, Katarrhe und
Halsentzündungen; alles, wie gewöhnlich, in Zwischenräumen
und in schwankender Stärke auftretend. Überhaupt besteht
in jeder Beziehung Übereinstimmung in den Wirkungen der
Amalgam- und der Quecksilberdampf-Vergiftung, z.B. auch
darin, dass bei manchen Personen zunächst die
Verdauungsorgane auf das Quecksilber reagieren."
Eindrucksvoll berichtet Stock (1928), wie gravierend
Amalgam die Gesundheit schädigen kann:
"Auch ich habe von Zahnärzten eine ganze Reihe von Fällen
erfahren und einige auch selbst beobachten können, in
denen die gewöhnlichen Erscheinungen der schleichenden
Quecksilbervergiftung nach Beseitigen von
Edelamalgamfüllungen glatt verschwanden. Die Patienten
wurden Mattigkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen (S.28),
von denen sie früher gequält waren, völlig los und fühlten
sich - dieser Ausdruck fiel wiederholt - 'wie neugeboren'.
Pro. Dr. E. in Karlsruhe,
Mitte der Dreissiger, gesund und frisch, liess sich 1921
einige technisch vorzügliche Edelamalgamfüllungen legen,
neben kleineren eine grosse Krone. Er teilte mir Mitte
Juni 1927 mit: 'Seit mehr als zwei Jahren litt ich
ständig an Kopfschmerzen, unbehaglichem
Allgemeinbefinden, an Zahnfleischbluten und besonders
bei raschen Bewegungen oder Treppensteigen an einem
Gefühl der Unsicherheit. Wie wiederholt durch meinen
Arzt festgestellt, waren diese Symptome auf keinerlei
organische Befunde zurückzuführen und zunächst als
Neurasthenie [Erschöpfungssyndrom] gedeutet. November
1926 habe ich mich entschlossen, sämtliche
Amalgamfüllungen durch Goldfüllungen ersetzen zu lassen.
Trotz vorsichtiger Entfernung der Füllungen habe ich an
den beiden Tagen alle die geschilderten Symptome in
potenziertem Masse empfunden. Dann hat sich das
Allgemeinbefinden, Kopfschmerzen usw. allmählich
gebessert, und seit etwa drei Monaten fühle ich mich
wieder ganz frisch.' So ist es bis heute geblieben."
[Stock fordert die
Erfassung auch leichter Amalgambeschwerden - 100 bis
1000 mal mehr Amalgamfälle]
Stock (1928) forderte dazu auf, die einwandfrei
festgestellten Fälle mit
ernsten amalgambedingten Erkrankungen
zum Anlass zu nehmen, die Zahl der tatsächlich durch
Amalgam Geschädigten weit höher anzusetzen: Auf jeden
Geschädigten mit einer
ernsten amalgambedingten Erkrankung
kommen - so Stock - weit mehr
zusätzliche
Fälle, bei denen "sich die Beschwerden auf die
allerersten, nur nervösen und psychischen Erscheinungen
der schleichenden Quecksilbervergiftung beschränken, auf
Minderung des Gedächtnisses, der Arbeits- und
Lebensfreude, auf gelegentliche Benommenheiten und
Kopfschmerzen, die oft von den Betroffenen selbst gar
nicht als 'Krankheit' empfunden (S.29), sondern als
Nervosität, Überarbeitung, Altersfolgen hingenommen
werden. ...
Die Vielen, die leichtere vom Amalgam verursachte
Beschwerden nicht als 'Krankheit' ansehen und nicht zum
Arzt gehen, sondern sie als etwas Unabänderliches, durch
Veranlagung, Alter oder Überarbeitung Bedingtes tragen,
müssen darüber aufgeklärt werden, dass ihnen - meist auf
einfache Weise - geholfen werden kann, dass sie wieder zum
Genusse ihrer Leistung und ihres Daseins kommen können."
Stock (1926) erkannte in der Tendenz zutreffend:
"Auf e i n e n
s c h w e r e n Fall werden Hunderte, vielleicht
Tausende oder Zehntausende der leichtesten kommen.
Aufmerksame ärztliche Beobachtung, die auf die
Zusammenhänge zwischen den Amalgamfüllungen und den
Erscheinungen der chronischen Quecksilbervergiftung
achtet, dürfte bald wertvolles Material zu Tage
bringen."
Insbesondere Beschwerden, die ohne Beachtung dieser
Zusammenhänge als Neurose, Neurasthenie
[Erschöpfungssyndrom], Migräne usw. - heute ist für Teile
dieses Symptomenkomplexes auch der Begriff "vegetative
Dystonie" [Störung der vegetativen Muskelspannung] üblich
- bezeichnet wurden, waren nach den Feststellungen Stocks
(1928) in einer Vielzahl von Fällen durch Amalgam
verursacht.
Im Jahre 1939 fasste Stock (1939) zusammen:
Dass
Silberamalgamfüllungen "Quecksilbervergiftungen
verursachen können, ist sicher. Das Fachschrifttum, von
Fleischmann angefangen, bringt hierfür viele Belege. Ich
habe Dutzende solcher Fälle kennengelernt (S.30), viele
aus nächster Nähe beobachtet und mehrere in früheren
Veröffentlichungen beschrieben."
Rückblickend und für die Zukunft fordernd stellte Stock
(1939) fest, die von ihm geleistete wissenschaftliche
Aufbereitung dieses Themas hatte u.a.
"zu einer vorsichtigeren
Behandlung des Silberamalgams geführt. Doch ist hiermit
das Ziel nicht nicht erreicht: Die Ausschaltung jedes
Amalgams und damit des Quecksilbers überhaupt aus der
zahnärztlichen Praxis."
[Selbstbeobachtung von
Maschke (1930): Weniger Beschwerden nach der Entfernung
von Silberamalgam]
- Maschke (1930) [Alfred Maschke, Zahnarzt in Köln]
beobachtet bei sich selbst anhand klar definierter
Kriterien eine Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit
um 20 % als Folge der Entfernung von Edelamalgamen.
Ähnlich wie Stock war er überzeugt, dass "wesentlich mehr
Schädigungen durch Amalgam vorkommen, als man anfangs
anzunehmen geneigt war." Er bezeichnete nicht nur
Quecksilber, sondern auch das Amalgam als "Nervengift",
das "seine schädlichen Wirkungen, soweit sie das
Nervensystem betreffen, bei allen Menschen in der gleichen
Weise ausüben wird; der Grad dieser Wirkung wird, wie bei
allen Nervengiften, so auch hier, bei den einzelnen
Individuen verschieden sein." Weitere gesundheitliche
Besserungen als Folge der Amalgam-Entfernung zeigten sich
bei Maschke im Hinblick auf einen Erethismus [zu starke
Erregbarkeit aufgrund von Hirnveränderungen] und Tremor
mercurialis [Zittern durch Quecksilber], Bluten des
Zahnfleisches und Kopfschmerzen. Nicht die Behandlung mit
Amalgam, sondern gerade die Beseitigung der
Amalgamfüllungen bezeichnete Maschke als "therapeutisch
wertvolle Massnahme", und er sprach in der Fachzeitschrift
"Zahnärztliche Rundschau" die Hoffnung aus, dass
"bei Ärzten und Zahnärzten
die Erkenntnis Allgemeingut wird, dass
Quecksilbervergiftungen durch Amalgamfüllungen (S.31)
hervorgerufen werden können, und dass die Ärzte bei
Patienten, die über Beschwerden klagen, welche den
Symptomen der Quecksilbervergiftung ähnlich sind, ihr
Augenmerk in erster Linie auf Amalgamfüllungen richten."
[Maschke: Beobachtungen
an Kindern vor und nach der Amalgamlegung: Silberamalgam
schlimmer als Kupferamalgam]
Weitere mehrmonatige, von der Notgemeinschaft der
Deutschen Wissenschaft geförderte Tests Maschkes (1934)
erfolgten an 11 - 13jährigen Schülern, denen erstmals
Amalgamfüllungen gelegt wurden. In sechs von elf Fällen
trat im Anschluss an die Behandlung mit Amalgam eine
Verschlechterung der geistigen Leistung ein. Dieser Effekt
war nach dem Legen von Silberamalgamfüllungen deutlicher
erkennbar als nach der Verwendung von Kupferamalgam.
[Maschke: Weniger
Beschwerden nach der Entfernung von Silberamalgam]
Über den bei zwei Erwachsenen durch die Amalgambeseitigung
bewirkten Erfolg berichtet der Autor:
Es konnte "eine Zunahme
aller in den Bereich der Untersuchungen gezogenen
geistigen Leistungen festgestellt werden, die nicht als
Übungsgewinn gedeutet werden kann." (Maschke 1934)
[Borinski stellt fest:
Kupferamalgam und Silberamalgam sind gleich gefährlich]
- Borinski (1931 a; ähnlich ders. 1931 b)
Direktor des chemischen Instituts im Hauptgesundheitsamt
der Stadt Berlin, empfahl die Entfernung neu gelegter
Amalgamfüllungen bei besonders Hg-Empfindlichen mit einer
Hg-Ausscheidung von mehr als 10 µg [Mikrogramm] pro Tag in
Stuhl und Urin. Auf Grund seiner Untersuchungen an 52
Schulkindern kam Borinski (1931 a) des weiteren zu der
Schlussfolgerung, "dass zwischen Kupferamalgam und
Edelamalgam hinsichtlich der Hg-Abgabe kein
grundsätzlicher Unterschied besteht." (S.32)
[Haber: "Schädigungen
schwerster Art" durch Edelamalgame u.a.]
- In der "Zahnärztlichen Rundschau" zog Haber (1928) in
seinem Bericht über durch Silberamalgam verursachte
Krankheitserscheinungen die Schlussfolgerung:
"Wir sehen erneut aus
diesem Fall, dass das gleichzeitige Vorhandensein
unechter Materialien, einschliesslich Edelamalgamen im
Munde, Schädigungen schwerster Art herbeiführen kann.
Die Kenntnis der Ursache dieser Erkrankung ermöglichst
erst die Beseitigung des Schadens und der Beschwerden."
[Dieck: "Im Einzelfalle
eine starke Wirkung" - chronische Leiden werden
beseitigt durch Amalgamentfernung]
- Auch für Dieck (1927), Leiter der
Quecksilberuntersuchungsstelle der I. Medizinischen
Universitätsklinik der Charité in Berlin, stand fest, dass
toxische, gesundheitschädliche Wirkungen von Edelamalgamen
ausgehen können.
Es gibt, so schrieb er, auf Edelamalgam bezogen,
"Erfahrungen, welche es
nicht gestatten, das Vorkommen einer schweren
Hg-Vergiftung durch Amalgamfüllungen kurzer Hand
abzuweisen.
Bedenkt man, welchen geradezu erstaunlichen Grad von
Empfindlichkeit gegen Metallgifte oder sonstige
chemische Körper manche Menschen besitzen, wie selbst
die minutiösesten Mengen solcher Stoffe im Einzelfalle
eine starke Wirkung hervorzurufen vermögen, so hiesse
es, die wissenschaftliche Erkenntnis in diesen Dingen
leugnen und einschlägigen Berichten die Zuverlässigkeit
absprechen, wenn man die Möglichkeit der toxischen
Wirkung des Hg im Amalgam auf den Körper eines Menschen
mit hoher spezifischer Empfindlichkeit abstreiten
wollte." (S.33)
Mehr als diese für ihn ohnehin eindeutigen Amalgamrisiken
interessierte Dieck, mit welcher Häufigkeit diese Fälle
auftreten. Hierbei verwies Dieck (1927) sogar auf
entsprechende Beobachtungen im Ausland mit den Worten:
"Der Amerikaner Taft berichtete über
Heilerfolge, welche bei
chronischen Leiden verschiedener Art auf solche Weise" -
d.h. durch das Entfernen der Amalgamfüllungen - "erzielt
wurden."
[Rebel:
Metallvergiftungen durch "Korrosion im Munde" von
Metallfüllungen]
- Ebenso wies Rebel (1955 a S.64), Direktor des
Zahnärztlichen Instituts der Universität Tübingen, darauf
hin, dass die Häufigkeit "lokaler und allgemeiner
krankhafter Störungen", die als Folge von zahnärztlich
verwendetem Amalgam auftreten, uneinheitlich beurteilt
wird. Fest stand jedoch im Zusammenhang mit Amalgam auch
für ihn,
"dass es
Metallvergiftungen gibt, die auf längere oder dauernde
Korrosion im Munde zurückzuführen sind."
[Rebel:
"Elektrolyseprodukte" im Mund durch Metallfüllungen]
Unter der Überschrift "Ist die Verwendung des Amalgams als
Füllungswerkstoff noch berechtigt?" beschrieb Rebel (1955
b) ausführlich die krankmachenden Folgen von Amalgam in
der Mundhöhle im Falle eines metallischen Kontakts mit
einer anderen unterschiedlich edlen metallischen
Restauration:
"Die Elektrolyseprodukte
sind es nun, die in den Bestand des Körpers aufgenommen
werden und die zur Giftwirkung über den Magen-Darmkanal
oder den Atmungstrakt zu einer Fernstörung und
unmittelbar zu einer Lokalstörung führen können
(Metallose)."
Und weiter: Es kommt "zur Korrosion, so dass
Elektrolyseprodukte der Metalleinheit abgegeben werden,
die (S.34) dann in den Organismus (Mundschleimhäute,
Magen-Darm, Bronchialapparat) aufgenommen werden, wo sie
zu schädlichen lokalen oder zu Fernstörungen im Sinne
einer Metallose führen können."
Auch unabhängig von der hier beschriebenen Konstellation
kann Silber-Zinnamalgam je nach der Empfindlichkeit des
Patienten bereits während der Erhärtungsphase - so Rebel
(1955 b) wörtlich
"Giftwirkungen"
entfalten.
[Rheinwald: Schäden durch
"frei werdende Metallionen" und durch elektrischen Strom
im Mund zwischen den Metallfüllungen]
- Elektrolyseprodukte können ebenfalls nach den
Feststellungen Rheinwalds (1954 a), Direktor der Zahn- und
Kieferklinik im Städtischen Katharinenhospital Stuttgart,
"eine ganze Reihe von Krankheitsbildern" und eine
"Intoxikation durch bei
der Elektrolyse frei werdende Metallionen"
verursachen. Gleichzeitig legte Rheinwald dar, dass auch
der elektrische Strom selber eine pathogene
[krankmachende] Wirkung haben kann. Als Folge der
elektrischen Stromeinwirkung sind nach Rheinwald (1954 a)
beschrieben: Die Leukoplakie [weissfleckige
Mundschleimhautentzündung und weissfleckige
Genitalschleimhautentzündung], Gingivitiden [Entzündung
der Mundschleimhaut bei den Zähnen / Gingiva],
Ulcerationen [Geschwüre] in der Mundhöhle,
Schleimhauterkrankungen, sowie auch ausserhalb der
Mundhöhle auftretende Krankheitsbilder bis hin zu
metastatischen [krebsartigen] Krankheitsprozessen.
Angeregt durch diesbezügliche Forschungen in den USA
(Schriever / Diamond 1952) haben auch Rheinwald (1954 a)
und Mitarbeiter Potentialmessungen durchgeführt, und sie
"konnten in einer Reihe von Fällen nachweisen, dass
zwischen elektrischen Feldern und manchen
Krankheitsbildern ein direkter Zusammenhang bestand. Der
(S.35) Nachweis wurde - wie in der Herdlehre üblich - als
erbracht angesehen, wenn ein Krankheitsbild nach
Beseitigung der gemessenen Potentialdifferenzen ausheilte.
Typisch elektrisch bedingt sind viele Erkrankungen des
Zahnfleisches, der Zunge und neuritische Erscheinungen
[Nervenentzündung mit Folge von Lähmungen,
Sensibilitätsstörungen].
[Rheinwald: Heilung von
bisher unheilbaren Krankheiten durch Entfernen der
Amalgamfüllungen - Strom zwischen Amalgamfüllungen -
Strom zwischen Amalgamfüllungen und Edelmetallfüllungen]
Rheinwald (1954 a) schliesst aus diesen Fakten:
"Durch Metalle, die in der
Mundhöhle zu zahnärztlichen Arbeiten verwendet werden,
können galvanische [durch Strom verursachte] Elemente
entstehen. Der abgegebene Strom vermag direkt oder
indirekt den Organismus zu schädigen."
"Für Klinik und Praxis ist" - so Rheinwald (1954 a) weiter
- "von grösster Bedeutung, dass die Beseitigung von
Elementen [Beseitigung von Amalgamfüllungen], die
zur Bildung höherer Potentialdifferenzen führen, oft
schlagartig Krankheitserscheinungen zum Verschwinden
bringt, die bislang jeder Therapie widerstanden haben."
Deshalb forderte Rheinwald (1954 b) in der Fachzeitschrift
"Zahnärztliche Mitteilungen": "Bei Auftreten von
Erkrankungen des Allgemeinorganismus und vor allen Dingen
in der Mundhöhle muss die Möglichkeit der Entstehung von
Krankheitsbildern durch elektrische Ströme berücksichtigt
werden." Insbesondere bei Restaurationen aus
Amalgam
stellte Rheinwald (1954 b) grosse Differenzen in ihrem
elektrischen Verhalten fest. "Sowohl zwischen
verschiedenen Amalgamfüllungen als auch zwischen
Amalgamfüllungen und Edelmetallfüllungen treten mitunter
Potenzen auf, die so gross sind, dass der Messbereich
unseres Gerätes (mit 1100 mV [Millivolt]) nicht
ausreichte, um die entstandene elektromotorische Kraft
anzuzeigen" (Rheinwald 1953). Es sind also bereits im
Jahre 1953 zwischen Amalgamfüllungen und anderen
Metallrestaurationen elektrische Elemente erkannt worden,
die Spannungen in einer Grössenordnung von mehr als 1,1 V
produzieren konnten. Schon bei Werten ab 80 mV, also bei
weniger (S.36)
als einem Zehntel der im Zusammenhang mit Amalgamfüllungen
gemessenen Werte, konnte Rheinwald (1953) durch die
Beseitigung der Potentialdifferenzen "die Heilung mancher
der erwähnten Krankheitsbilder herbeiführen."
Rheinwald (1955) mahnte daher, darauf bedacht zu sein,
"die Bildung von Lokalelementen zu vermeiden, da Korrosion
nicht nur eine Zerstörung des Metalls, sondern unter
Umständen auch
gesundheitliche Schäden
bewirkt."
Soweit sich diese gesundheitlichen Schäden nicht vermeiden
liessen, forderte Rheinwald (1955) einen Verzicht auf die
Anwendung von Amalgam.
[Schmitt: Heilungen von
zuvor unheilbaren Leiden durch Entfernung von
Amalgamfüllungen]
- Schmitt (1955), Prothetische Abteilung der
Universitätszahnklinik München, veröffentlichte in der
Fachzeitschrift "Zahnärztliche Praxis" mehrere
Fallberichte, bei denen in der Münchener
Universitätszahnklinik nach Potentialmessungen mit
deutlich erhöhten Werten die beteiligten Amalgamfüllungen
entfernt wurden. Die Folgen waren: Ausheilung von zuvor
jahrelang therapieresistenten pathologischen Veränderungen
in der Mundhöhle wie Gingivitiden, Leukoplakien,
Stomatitis aphtosa [Herpes simplex], Pemphigus
[Hautblasenkrankheiten] sowie von Zungenbrennen,
Geschmacksstörungen, pathologisch [krankhaft] veränderter
(vermehrter / verminderter) Speichelfluss, brennender
Schmerz nach dem Genuss von sauren Speisen (Obst, Salat).
[Thielemann: Heilung von
Gesichtslähmungen durch Amalgamentfernung - Bestätigung
durch Loebich]
- Von Thielemann (1954 a), Universitätszahnklinik
Frankfurt, wurde ebenfalls bereits im Jahre 1954 anhand
mehrerer Fälle über durch Amalgam verursachte "nervale
Störungen" berichtet. Monatelange Muskelzuckungen auf der
linken Gesichtshälfte, die schliesslich in eine
linksseitige Facialisparese [Gesichtslähmung] übergingen,
dazu Tränen des Auges, Ptosis [herabhängendes
Augen-Oberlied durch Muskellähmung im Gesicht] sowie
entzündliche (S.37)
Schleimhauterkrankungen konnten allesamt durch das
Entfernen von Amalgamfüllungen z.T. schlagartig zur
Ausheilung gebracht werden. Thielemann referierte hierüber
auf einer Tagung, auf welcher der Degussa-Fachautor
Loebich einen Vortrag mit dem Titel "Metallkundlicher
Beitrag zur Frage der Schädigung durch Lokalelemente"
hielt.
Loebich bejahte in seinem Vortrag diese Frage.
Es wäre daher völlig unglaubwürdig, sollte von der Degussa
AG oder einem anderen Amalgamhersteller behauptet werden,
all diese Fakten seien ihnen trotz des im eigenen Hause
vorhandenen Fachwissens bzw. trotz der vorhandenen, jedem
Interessenten zugänglichen Fachliteratur "unbekannt"
gewesen.
Unbekannt sind bei den Amalgamherstellern auch nicht die
weiteren Schädigungen als Folge von Silber-Zinn-Amalgam
geblieben, über die Thielemann (1954 b) in der
Fachzeitschrift "Zahnärztliche Mitteilungen" berichtet hat
z.B. in den Fällen, bei denen Personen eine "übergrosse
Menge der Amalgamfüllungen" gelegt worden war.
[Wannenmacher fordert das
Verbot von Silberamalgam schon 1929 - Experiment mit
überdosiertem Silberamalgam: Tropfen aus
ausgeschiedenem Quecksilber in 5 Tagen]
- Wannenmacher (1929), [Eugen]
Prothetische Abteilung am Zahnärztlichen
Universitätsinstitut Tübingen, sah bereits im Jahre 1929
Veranlassung, die folgende Forderung aufzustellen: "Sind
mit den Amalgamen keine 'ungefährlichen Resultate' zu
erzielen, so müssen auch die Edelamalgame aus der Reihe
unserer Füllungsmaterialien verschwinden." Warnend
berichtete er über einen Versuch zur
Quecksilberfreisetzung aus - überdosiertem -
Silberamalgam:
"24 Stunden freiliegend an
der Luft bei etwa 18° gehärtetes, überdosiertes Amalgam,
so dass es vollkommen hart war, wurde in kleine
Glasröhren gebracht und (S.38) diese mit Gummistopfen
luftdicht verschlossen. Die mit Amalgam beschickten
Glasröhrchen blieben bis 18° stehen. Die Amalgame
färbten sich an der Oberfläche zuerst sehr dunkelgrau.
...
Nach fünf bis sechs Tagen konnte man schon deutlich
kleine Hg-Tropfen an der Oberfläche erkennen, die sich
im Laufe der nächsten Tage erheblich verstärkten. Nach
zehn Tagen haftete an dem etwa 1,5 g schweren
Amalgamzylinder ein gut stecknadelkopfgrosser
Hg-Tropfen, der im Vergleich zu anderen gewogenen
Hg-Tropfen auf 50 mg geschätzt werden darf.
Dieser Versuch gestaltete die weitere Beobachtung nicht
besonders überraschend: Die Versuchszylinder von den
Reihen I.4.5. und 6. wurden nach Abschluss der
Korrosionsversuche einzeln in kleine Papiertüten
verpackt. Als diese nach etwa 10 Tagen geöffnet wurden,
waren an allen Proben wieder Hg-Tropfen sichtbar. Selbst
der schlechte Verschluss in Papiertüten genügte, um
diese Hg-Ausscheidung deutlich zu machen."
[Fühner empfiehlt nur
wenig Silberamalgam im Mund]
- Fühner (1927),
Leiter des Pharmakologischen Instituts der Universität
Bonn, erklärte Schädigungen durch Silberamalgam nur dann
für vermeidbar, wenn - neben weiteren Voraussetzungen -
"nicht gar so grosse Silberamalgammengen im Munde
Verwendung finden".
[Bundesverband der
Deutschen Zahnärzte: Strom im Mund durch "unedle oder
entmischte Legierungen"]
- Der Bundesverband der Deutschen Zahnärzte (1954)
teilte in der Fachzeitschrift "Zahnärztliche Mitteilungen"
mit:
"Seit Jahrzehnten ist
bekannt, dass durch unedle oder entmischte Legierungen,
besonders wenn gleichzeitig verschiedene Metalle im Mund
anwesend sind, elektrische Schwachströme entstehen
können, die u n t e r (S.39)
g e w i s s e n U m s t ä n d e n schädliche
Nah- und Fernwirkungen im Körper zur Folge haben
können."
Diese Literaturnachweise aus dem anerkannten
Fachschrifttum beweisen: Die Ausführungen Loebichs, dem im
Bereich Zahnmedizin "wohl bekanntesten und
verantwortlichen Sprecher der Degussa" (Bruhn 1953),
fanden ihre Bestätigung im wissenschaftlichen Schrifttum.
Wissenschaftler aus dem Bereich der
Universitätszahnmedizin wie auch Praktiker stimmten in
vorher bzw. in gleichzeitig publizierten
Fachveröffentlichungen mit den Feststellungen Loebichs
überein, dass Silberamalgamfüllungen gesundheitliche
Schädigungen bis hin zu Allgmemeinerkrankungen verursachen
können. Loebich vertrat also keine Aussenseitermeinung,
vielmehr standen seine Darlegungen insoweit in
Übereinstimmung mit den Äusserungen wissenschaftlich
ausgewiesener Autoren im anerkannten Fachschrifttum.
Die Kenntnis des hiermit dokumentierten bereits
Mitte der 50er Jahre vorhandenen Wissensstandes war
bereits damals bei jedem vorauszusetzen, der als
Hersteller, als Verantwortungsträger bei einer Behörde,
als Wissenschaftler oder als Praktiker pflichtgemäss die
wissenschaftliche Fachliteratur bei seiner Erarbeitung
dieses Themas zugrundelegte. (S.40)