Die Kartoffel kommt aus Süd-"Amerika"
Ackerbau, Viehzucht und die Kulturpflanzen brachten auch
den südamerikanischen Menschen Seßhaftigkeit,
Arbeitsteilung und Männerherrschaft (und
Männerfreundschaft) und ein bestimmtes Maß an Freiheit
vor dringlichster Not für Ruhe und Muße zur Entwicklung
von Aberglauben und Theologie, Künste, Wissenschaft.
Eine Trennung in Ackerbauern und Viehzüchtern
überlagerte die Arbeitsteilung von Jung und Alt, von
Mann und Frau. Aufgrund bestimmter Pflanzen entdeckten
in der Frühzeit der Menschheit einige Völker den Acke
rbau früher als andere und prägten
damit entscheidend die
Geschichte.Dem
Bärenjäger folgte der Beerensammler.
Auch in Süd-Amerika folgte dem Sammeln von
Wildgetreide, Wurzeln und Früchten der systematische
Anbau von Pflanzen, aus denen sich Kulturpflanzen wie
Kürbis, Bohne, Mais (mit mehr als zwanzig regelmäßig
Sorten) und Kartoffel (mit mehr als 250 Sorten)
entwickelten.
Die Agrikultur stand bei den »Söhnen der Sonne«, wie
sich die Inka nannten, und bei den anderen Völkern in
Mittel- und Süd-Amerika in hoher Blüte; in kunstvoll
angelegten Bergterrassen, »Andenes« genannt, wurden
vorwiegend Mais und Kartoffel angepflanzt. Um das Jahr
900 n. Chr. wurden diese Terrassenfelder erstmals
angelegt; gleichzeitig wurden von den Inkas
Bewässerungskanäle angelegt; im Tal von Patacancha
wurde zum Beispiel ein fast sechs Kilometer langer Kanal
zur Bewässerung dieser Terrassen gebaut. Mit diesen
Maßnahmen stiegen die Ernten (und die Bevölkerung), und
zugleich wurde die Erosion der Böden fast völlig
verhindert. Eine intensive resourcen-schonende
Bewirtschaftung läßt sich gleichfalls beim
Kartoffelanbau feststellen.
Pflanzenanbau hat in Mittel- und Süd-Amerika also eine
lange
Tradition. Das Setzen der
Kartoffel (in der südlichen Hemisphäre im Dezember) war
gemeinsame Arbeit von Frauen und Männern, wobei die
Männer das Loch gruben, in das die Frauen die Knollen
legten. Die Ernte erfolgte gleichfalls gemeinsam mit
Hacke und Grabstock. Bei der Aussaat wurden (und werden)
die Knollen von der Frau gesetzt, während der Mann mit
dem Grabstock die Furche aufbricht. Auch die
brandenburgisch-ostpreußischen Bauern hielten sich
später an diese Arbeitsteilung: Kartoffelsetzung und
-ernte ist eine »Vorbehaltsaufgabe« der Frau des Hauses.
Alle Erträge der peruanischen Felder wurden von Frauen
und Männern gemeinsam erwirtschaftet. Da das Lama der
Anden sich nicht als Zugtier eignet, mußten die Menschen
die gesamte Feldarbeit gemeinsam verrichten; auch der
Pflug war unbekannt. Das Feld wurde bearbeitet mit einem
langen Grabscheit, der sogenannten Taclla, der mitunter
ein Bronzeblatt besaß.
Die Inkas und ihre Vorfahren züchteten Kartoffeln in
allen Varianten – von rot bis rosa, von orangefarben bis
gelb, süß oder bitter schmeckend, stark mehlig oder fast
butterzart. Bemerkenswert ist, daß die Inkas
verhältnismäßig große Mengen an Kartoffeln unter sehr
widrigen Umständen ernten konnten. Die Inkas haben diese
verschiedenen Kartoffelsorten gleichzeitig angebaut
und somit eine Monokultur verhindert, denn das Pflan
zen nur einer Sorte ist zum einen
ziemlich eintönig und geschmacklich langweilig (wir
Heutigen merken es doch auch
schon)
und zum anderen natürlich auch riskant im Fall eines
Krankheitsbefalls. Sie bauten also eine Vielzahl von
Sorten an, für jede ökologische Nische eine andere; sie
versuchten nicht, wie es heute üblich ist, eine Gattung
zu optimieren (in Idaho wird fast ausschließlich die
»Russet Burbank«angebaut),sondern züchteten für jedes
Milieu eine andere. Und sie ließen sogar neben ihren
Feldern auch noch die wildwachsenden Knollen wie
»Unkraut« wuchern, so daß zusätzlich noch eine
wechselseitige Befruchtung stattfinden konnte und der
Genpool aufgefrischt wurde. Es war eine Vielfalt, die
einen unschätzbaren Wert darstellte.
Für Anfang des 16. Jahrhunderts lassen sich im heutigen
Peru und im nördlichen
Chile etwa
einhundert Nutzpflanzen nachweisen, von denen etwa ein
Drittel regelmäßig und in größerem Umfang angebaut
wurden. Es herrschte eine Fruchtfolge vor, die aus
Mais, Kartoffeln, Quinoa, Kanahua, Saubohnen und einer
dann folgenden zwei- bis fünfjährigen Brachebestand.
Regelmäßig angebaut wurde ebenfalls Baumwolle, zwei
Tabaksorten (Nicotiana tabacum und Nicotiana rustica),
Ananas, Avocados, Chirimoya,
Chilipfeffer
(von den Arawak in der Karibik
aji genannt),
Koka und mehrere Kürbisarten.
Neben den kultivierten Pflanzen gab es eine weitere
Anzahl von Knollen-Pflanzen,die von den Ureinwohnern
gesammelt wurden, so wie heute ein Schwammerl-Sucher
auch keine Pilze systematisch anbaut. Die Navajos im
Südwesten von Nordamerika zum Beispiel kochten und
brieten die Knollen von zwei wildwachsenden Sorten (
Solanum
jamesii und
Solanum fendleri).
Nach Mexiko kam die peruanisch-bolivianische Kartoffel
als auf dem Feld angebaute Frucht erst nach der
Eroberung durch die Spanier – zur Verpflegung der
indigen Bevölkerung. In Höhenlagen über dreitausend
Meter war der Anbau von Mais oder Maniok nicht
mehr möglich, da fast ganzjährig Nachtfrost herrscht;
die Kultivierung der Kartoffel und anderer
Knollenfrüchte sicherte jedoch dem südamerikanischen
Indianer die Versorgung mit einem Grundnahrungsmittel.
Die Inka haben Quinoa (
Chenopodium quinoa),
Tarhui (
Lupinus mutabilis), Kaihua (
Chenopodium
pallidicaule), Amaranthus (
Amaranthus caudatus)
und Kartoffeln in den Sand der trockenen Pazifikküste
noch in Höhen von über 3500 m angebaut; wildwachsende
Kartoffeln wuchsen noch in Höhen von 4500 m. Charles
Darwin stellt während seiner Forschungsreise 1839 fest:
»Es ist bemerkenswert, daß die selbe Pflanze auf den
kargen Bergen in Mittel-Chile wächst, wo es weniger
als sechs Monate im Jahr regnet, wie sie auch in den
feuchten Wäldern auf den südlichen
Inseln gefunden wird.«
Zur Zeit der Eroberung
Süd-Amerikas
am Anfang des 16. Jahrhunderts war die Kartoffel also
schon eine alte Kulturpflanze der Ur-Bevölkerung.
Nachweise lassen sich bis 750 v.Chr. zurückverfolgen;
Margareth Towle hat zwölf verkohlte Kartoffelknollen
in den Ruinen eines Hauses bei Chiripa am Titicacasee –
dort entwickelte sich die Inka-Kultur – gefunden und
diese in die sog. Formative Epoche (750 v. Chr. bis etwa
zur Zeitenwende) datieren können.
Es ist ni
cht auszuschließen, daß die
Kartoffel bereits 3000 v. Chr. (nach anderen Schätzungen
und Berechnungen sogar schon vor 8000
Jahren)
kultiviert war. 200 Jahre n.Chr. wird die Kartoffel auf
peruanischen Tongefäßen abgebildet. Die ältesten
Funde kultivierter Kartoffeln wurden im Chilca-Tal,
südlich von Lima (7000 v. Chr.), und aus dem Tal von
Casma (gleichfalls in Peru, 3500 bis 4000 Jahre vor
Chr.) in einem prähistorischen Siedlungsgebiet entdeckt,
Der Staat der Inka bestand nur etwa einhundert Jahre;
vor ihnen herrschten die Wari und zugleich die Tiwanaku,
deren Reich sich über das gesamt Titicacabecken
erstreckte. Beide Kulturen gingen etwa um die erste
Jahrtausendwende zugrunde. Beide Völker beherrschten den
Ackerbau und bauten Mais, Quinoa und Kartoffeln an. Das
Tal des heute so genannten Río Katari diente ihnen für
den Anbau dieser Feldfrüchte zur Verpflegung der in ihre
Hauptstadt kommenden Pilger.
Die andinen Völker haben nicht nur diese
ursprünglichen Wildpflanzen domestiziert, sondern
darüber hinaus Techniken entwickelt, die vielfach
toxische Substanzen enthaltende Pflanzen zu entgiften.
1909 berichtet L. Wittmack auf der Grundlage von
Untersuchungen peruanischer Gräber, daß die Kartoffel
ursprünglich nur in den südamerikanischen Gebirgen und
der nebligen, kühlen Pazifikküste des südlichen Peru
angebaut wurde. Noch heute liegt der Schwerpunkt der
Kartoffel in den Anden von Peru bis Bolivien mit über
neunzig Arten von Wildkartoffeln und ungefähr
vierhundert angebauten einheimischen
Kartoffel-Varietäten.
Eine in den
1920er Jahren
durchgeführte Ex-pedition unter Leitung des russischen
Genetikers Nikolai Ivanovitsch
Vavilov
fand die Ursprünge unserer Kultur-Kartoffel: Das Gebiet
um den
Titicacasee in der
Hochebene der Anden; zugleich ist dieses Gebiet das
Genzentrum der
Kartoffel
Die Heimat der europäisch-nordamerikanischen
Kartoffel ist Peru und Bolivien. Mittel-Chile und die
Insel Chiloé werden in manchen Veröffentlichungen
fälschlicherweise als die Heimat der »Solanum
tuberosum subspec. andigena«, eine Unterart der
Kartoffel, genannt. Dies kann jedoch nicht sein, weil
Süd-Chile erst nach der Umseglung des Kap Horn (1579)
erobert wurde, und diese Unterart bereits um 1570 in
Spanien auftauchte.
Die nächsten Verwandten unserer Speisekartoffel sind
die amerikanischen Wildkartoffeln, von denen es
zwischen Nebraska und Patagonien etwa 230
wissenschaftlich beschriebene Arten gibt. Chile ist mit
nur einer Spezies (
Solanum maglia MOL
.)
besonders arm an knollenbildenden Arten; diese
chilenische Wildkartoffel ist beschränkt auf die
zentralen chilenischen Provinzen zwischen dem 30. und
33. Längengrad, während die Insel Chiloé etwa auf dem
43. Breitengrad liegt.
Der deutsche Kartoffelbotaniker Heinz Brücher von der
Universität Mendoza/Argentinien wies daraufhin, daß
die von den Huiliche abstammenden Chiloten nur geringe
ackerbauliche Fähigkeiten und Neigungen hätten, und es
sei auch von daher nicht sehr wahrscheinlich sei, daß
diese als erste Südamerikaner die ursprüngliche
Kartoffel kultiviert hätten.
Vazquez de Espinosa berichtet andererseits im Jahr 1628,
daß er auf der Insel Chiloé Getreide- und Bohnenfelder
gefunden habe; Kartoffeln, und darauf kommt es an,
werden von ihm aber nicht erwähnt. In der gleichen
Region wurden drei weitere Kartoffelsorten gefunden:
Solanum
wittmackii, Solanum vavilovii und
Solanum
medians. Auf Chiloé war einer der letzten Häfen
der spanischen Schiffe in der Neuen Welt, die Holz nach
Spanien brachten; unter den anders gearteten
klimatischen Verhältnissen Europas sowie durch gezielte
Selektion entwickelte sich aus den hier gefundenen
Kartoffeln unsere »Tuberosum«-Kartoffel mit den
reicheren Knollenerträgen.
Die alt-indianische Kartoffel hat vielfach eine
längliche, gebogene bis ovale Form mit stark
ausgeprägten Wülsten an den Keimanlagen, während die
heutige europäisch-amerikanische Kulturkartoffel eine
rund-ovale bis lang-ovale Form mit flacher Augenlage
aufweist.
Der Indianername »papa« ist nicht dauerhaft in die
europäischen Sprachen eingegangen, er wird nur in
frühen Kräuterbüchern verwendet – sicherlich ist
kirchlicherseits nicht gewünscht worden, daß
eine so »armselige«
unter der
Erde wachsende Pflanze mit dem Stellvertreter
auf
Erden gleichgesetzt
wird. »Papa«
kann jedoch nicht herrühren von der spanischen
Übersetzung von Papst, »el papa«, wie in verschiedenen
Quellen zur Kartoffel nachzulesen ist, da die Knolle
weiblich »la papa« ist. Es ist wahrscheinlicher, daß der
Name »papa« von den südamerikanischen Indianern aus dem
Amazonasgebiet (Francisco de Orelanna hatte behauptet,
dort die mythischen Amazonen angetroffen zu haben)
mitgebracht wurde; dort wird die Kartoffel als »Carica
papaya« bezeichnet. In den karibischen Sprachen wird
die Knolle als »papay« oder »papaw« bzw. »paupau«
bezeichnet. In Andalusien und der Estremaduras im Süden
bzw. Südwesten Spaniens wurden die ersten in Europa
angebauten Kartoffeln »papa« genannt.
Noch heute tragen einige Flecken an der Westküste
Südamerikas Namen, die aus Wortverbindungen mit
»papa«,»chaucha«, »chuño«, »tunta«, »poni« usw. bestehen
und auf alten Kartoffelanbau verweisen.
Bereits Diego Alvarez Chanca und Ramon Paul, die den
Columbus auf seinen Reisen begleiteten, schreiben in
ihren Berichten von den süßen Kartoffeln und wiesen
daraufhin, daß diese von den Eingeborenen »age«
genannt werden.
Auch Petrus Martyr de Angleria, in Südamerika für den in
Sevilla sitzenden »Rat für die Indien« tätig, schreibt
1526, daß auf Hispaniola eine Knolle namens »age«
wachse. Zum Zeitpunkt ihrer ersten Entdeckung war die
Kartoffel, in »Neu-Granada«, wie das heutige Kolumbien
genannt wurde, bereits eine lang bekannte einheimische
Nutzpflanze, also nicht m
ehr nur auf
die Höhenlagen der Anden, auf Peru und Nord-Chile
beschränkt.
Alexander von Humboldt zitiert in seinen »Ansichten der
Natur« (1807) einen Obersten Acosta, der darauf
verweist, daß es unwahrscheinlich gewesen sei, die
Kartoffeln aus Chile, Peru oder Quito
nach»Neu-Granada«einzuführen und dort anzupflanzen;
richtiger sei,
daß die Kartoffel in
Usmé mit der Bezeichnung »yomi« bereits heimisch gewesen
sei.
Auch das Gebirgsgebiet (spanisch »Sierra« bzw.
»altiplano«) von Peru und Bolivien,
in dem die Tiahuanacos lebten, war hervorragend geeignet
für den Anbau der Kartoffel, wesentlich besser
geeignet als Mais, für das erst künstliche
Bewässerungen angelegt werden mußten. Der Anbau von
Mais und Kartoffeln zur Ernährung der städtischen
Bevölkerung waren notwendig für die südamerikanischen
Theokratien und den damit verbundenen Gottesdiensten.
Eine gesicherte Nahrungsgrundlage ermöglichte die
Sakralbauten. Neun Kartoffelsorten und vierzig Sorten
Mais wurden hier angebaut.
Die Verbreitung der Kartoffel an der gesamten Westküste
Südamerikas kann man auch daran erkennen, daß alle dort
lebenden Völker eigene Bezeichnungen für die Kartoffel
entwickelt hatten.
Im Andengebiet spielten vier Kartoffelsorten
(Solanum
stenototum, Solanum phureja, Solanum goniocalyx
oder »papa amarilla«,
Solanum ajahuiri)
unddieSüßkartoffel,einWindengewächsmit schmackhaften
Knollen, schon in frühester Zeit eine bedeutende Rolle
in der Ernährung der Bevölkerung. Der Anbau von Mais und
Kartoffeln hat die ursprünglich nomadischen Völker in
niederschlagsarmen Gebieten mit künstlicher Bewässerung
seßhaft gemacht. In vorgeschichtlicher Zeit haben die
Humahuanca in den nordargentinischen Kordilleren neben
Bohnen, mehreren Kürbisarten (Cucurbita pepo bzw. C.
maxima), Mais, Kartoffeln auch andere Knollenfrüchte
wie
oca (Oxalis tuberosa), einem
Sauerkleegewächs, und
ulloco (pagalisa, eine
Art Basellacea) angebaut.
Seßhafter Ackerbau war wahrscheinlich seit mehr als
neuntausend Jahren in Peru bekannt, gleichzeitig mit
der Alten Welt im Nahen Osten. Kürbis war wohl die erste
Pflanze, die systematisch angebaut wurde. Angebaut
wurden ferner verschiedene Garten- und Limabohnen,
Moschus- und Flaschenkürbis, Lupinen, Erdnüsse, Mate,
Koka, Baumwolle, Agavefasern, Lúcuma, Guayave.
Geerntet wurden ferner wildlebende Pflanzen. Mais –
seit etwa 5000 Jahre v. Chr. als Kulturpflanze bekannt
– spielte in der Ernährung der Südamerikaner erst eine
bedeutende Rolle, als die »Nixtamalisation«
(wahrscheinlich von den Olmeken) eingeführt wurde;
»Nixtamalisation« bedeutet, daß die Körner zusammen mit
weißem Kalk oder Holzasche gekocht und über Nacht
abgekühlt werden und dann erst geschält und gemahlen
wurden, um so einen glatten Teig zu erhalten.
Quechua-Indios verzehrten und verehrten bereits vor der
Inka-Herrschaft die Knollen. Die Feldarbeit war bestimmt
durch eine religiös begründete Arbeitsteilung zwischen
Mann und Frau: So gehörte die Arbeit mit und für die
Kartoffel den Frauen, da die Knolle als
Fruchtbarkeits-Symbol durch»Mutter Erde« (in quechua:
pacha mama) repräsentiert wurde.
Die schönsten Plastiken, so behaupten Kunst-Kenner,
stammen aus der frühen Chimú-Periode (um 400 n.Chr.).
Das Chimú-Reich lag an den nördlichen Küsten Perus, mit
einer Ausdehnung von etwa eintausend Kilometern; die
Hauptstadt Chan-Chan mit einer Fläche von gut achtzehn
Quadratkilometer lag im Moche-Tal.
Die Kartoffel galt als lebensspendende Göttin. Die
Spanier behaupteten, daß bei (Kartoffel)ernte-Festen
sogar Menschen geopfert wurden, um die Göttin huldvoll
zu stimmen. Pedro de Cieza de León zitiert einen
Priester, der 1547 in Lampa im Colloa beobachtet haben
will, daß bei einem Erntedankfest ein einjähriges Lamm
geschlachtet wurde; dies sei der Beweis (so Wilhelm F.
K. Fueß), daß
»17 Jahre nach der Eroberung des Inkareiches durch die
Spanier das Menschenopfer durch eine Opferung von
Tieren abgelöst war. Das stärkende Blut aber wurde
direkt vom Opfertier auf die Saatkartoffeln
übertragen.«
Krüge und Kultgefäße in Kartoffelform sind als
Grabbeigaben gefunden worden. Die den Gräbern
beigelegten Tongefäße mit Kartoffelmotiven lassen sich
in zwei Gruppen unterscheiden:
– zum einen Gefäße in Kartoffelform (zumeist
geschichtlich frühere Erzeugnisse)
– und zum anderen menschliche Figuren (meist männlich),
deren Gesicht oder Körper mit den cha
rakteristischen
Keimaugen der Kartoffel verziert sind.
Die Grabfunde sind so
zahlreich,
daß es möglich ist, sie nach verschiedenen Stilepochen
und Kunstperioden zu unterteilen.
Dem JesuitenpaterArriaga war es ein gottgefälliges
Werk, alle Kultgeräte und Kultgefäße und die bei der
Suche nach Gold (Lope de Vega: Golosina del oro,
Goldgier) und Silber gefundenen Grabbeigaben zu
zerstören. 1621 berichtet er von dem Glauben der
Einwohner, die in den Pflanzen Gottheiten (»dämonische
Wesen«) leben sahen, die Wachstum und Ernte
beeinflußten; die zara-mama war die Gottheit des Mais’,
die axo-mama die der Kartoffel und die coca-mama das
Dämonische im Kokastrauch.
Die Verbindung der Kartoffel mit der Frau ist auch zu
finden bei der Chitimacta-Nation am Mississippi, die
sich vorwiegend vegetarisch ernährten. Insbesondere die
Kartoffel mit ihrer vegetativen Vermehrung führte bei
den prä-columbianischen Einwohnern Südamerikas zu dem
Glauben, daß die Pflanzen ihre Vermehrung selbst
veranlaßten und durchführten. Der in der Pflanze lebende
Dämon oder Geist »forderte« denn auch einen Anteil an
der Ernte. Damit haben die Inka-Priester, ihre tägliche
Kartoffel geliefert bekommen, ohne selbst arbeiten zu
müssen – eine Art außereuropäischer Zehnter. Solche
Gottheiten wurden in Form auffällig aus Ton geformter
Kartoffel-Symbole (bei Mais auch als Doppelkolben)
angebetet und als Fruchtbarkeitszauber angesehen.
Die Ureinwohner brauten sich ein alkoholhaltiges Getränk
auf der Grundlage von Mais, Quinoa und Kartoffeln.
Dieses»Bier«, »Chakta«, wird noch heute in Peru
hergestellt und angeblich bei jeder Fiesta genossen; bei
den Inkas war es reserviert für besonders anstrengende
Arbeiten, notierten die Spanier.
Der aus einer peruanisch-vorspanischen Adelsfamilie (die
Mutter war angeblich eine Inka-Prinzessin aus dem Stamm
der Quechue, der Vater ein spanischer Soldat) stammende
Felipe Huamán (alte Schreibweise
Guaman) Poma de
Ayala beschreibt 1613, daß diese Art von
Fruchtbarkeits-Symbolen auch als sog. »huancas«, als
Familiengottheiten, dienten.Poma de Ayala (nach seiner
Mutter müßte er richtigerweise Huaman Poma Curi Occlo
heißen) zeichnete in seiner »Nuevo cronica y buen
gobiorno« u. a. das Kartoffellegen bei den
prä-columbianischen Einwohnern und die dazu
verwendeten Gerätschaften, deren Form sich bis heute
nicht verändert hat. Sein handgeschriebenes Werk (in
spanisch mit vielen indianischen Bezeichnungen) enthält
neben historischen
und
ethnographischen Informationen einen vollständigen
Kalender des bäuerlichen Jahres und Zeichnungen aus der
Landwirtschaftsarbeit.
Die Hoffnung Poma de Ayalas, mit seinem anklagenden und
kritischen Werk die Aufmerksamkeit des spanischen Hofes
zu erwecken und Hilfe für sein Volk zu erhoffen,
erfüllte sich natürlich nicht; »Nuevo cronica« ging
verloren und wurde erst 1936 durch das französische
»Institut für Ethnologie« wiederentdeckt und als
wissenschaftliche Edition im Faksimiledruck
veröffentlicht.
Auch der von Inka-Herrschern abstammende
Garcilaso de la Vega beschrieb Ende
des 16. Jahrhunderts die Lebensweise, die Riten und die
politisch-soziale Organisation der Inka und die
Lebensmittel. Die Bewohner der Ortschaft Kol’ao
feierten jeweils nach der Kartoffelernte ein Dorffest,
zu dem alle Mütter ihre seit der letzten Kartoffelernte
gebor
enen Kinder auf einen
öffentlichen Platz im Ort bringen mußten; dort wurde
ihnen quer über das Gesicht ein Zeichen aus dem Blut
eines zuvor geschlachteten Vicuña
angebracht.
Ein anderes Fest, am St. Antonius-Tag (13. Juni), soll
immer mit einer blutigen Schlägerei verbunden gewesen
sein und die Frauen (!) hätten die blutgetränkte Erde
auf die Kartoffelfelder gebracht; bei einem weiteren
Fest sollen chuños in die Wunden getaucht worden sein
und diese blutige Speise sei »mit ekelerregender Gier«
gegessen worden. Ja, solche Leute mußte man doch
verbrennen!
Die Kartoffel in Südamerika und der Mais in
Mittelamerika ermöglichten es, daß die theokratischen
Herrscher auf dem amerikanischen Kontinent die heute so
bewundernswerten Monumentalbauten errichten lassen
konnten, da beide Pflanzen wenig Zeit für Pflanzung und
Ernte beanspruchen und die Bauern somit die Zeit hatten,
die sie für Tempel- und Pyramidenbau aufbringen mußten.
Die Kartoffel als Volksnahrung – wie im heutigen Peru
und Bolivien als
Planta Nacional – war
Voraussetzung für die hochstehende Kultur: Mathematik
(mit Verwendung der Null), Astronomie (am höchsten
entwickelt), Chronologie (mit einem Zyklus von
fünfundsechzig synodischen Venusumläufen) und für die
Herstellung von Kunst- und Kultgegenständen. Alexander
von Humboldt beim Besuch des Inkapalastes von Cañar:
»Wir haben kein Recht, dieses hochkultivierte Volk
barbarisch zu nennen.«
Die
Ärzte waren in verschiedenen
Fachrichtungen spezialisiert, die sich in
Vereinigungen zusammenfanden; es gab Zahnärzte,
Chirurgen, Augenärzte, Aderlasser und
Darmspezialisten. Es gab Berufe wie
Hebammen und»Apotheker«, die aus dem reichhaltigen
Angebot von tierischen, pflanzlichen und mineralogischen
Rohstoffen Arzneien herstellten oder bestimmte
Nahrungsweisen vorschrieben, zum Beispiel die Kartoffel
bei Fettleibigkeit. Bei Kopfweh wurde trepaniert, wenn
die um den Hals getragene Kartoffel nicht mehr half. Die
Kinder des»Sohnes der Sonne« und des Adels wurden in
besonderen »Wissenshäusern« unterrichtet; medizinische
Unterweisungen gehör
ten zum
Lehrstoff der religiösen
Elite.
Unweit des Titicacasees liegen die Ruinen von Tiwanaku.
Zwischen dem zweiten und dem zehnten Jahrhundert lag
hier die Hauptstadt einer vor-inkaischen Hochkultur mit
mehr als vierhunderttausend Bewohnern (heute weniger als
fünfzigtausend). Diese Menschen lebten überwiegend von
Kartoffeln. Sie hatten mehrere zehn bis hundert Meter
lange parallel verlaufende Kanäle angelegt, und den
Aushub häufelten sie zu bis zu zehn Meter breiten
Hügeln zwischen diesen Kanälen, auf deren ebene Fläche
sie dann die Kartoffeln (aber auch Quinoa) anpflanzten.
Bei den archäologischen Untersuchungen, begonnen 1981
durch Forscher der Universität Chicago und dem
bolivianischen Archäologie-Institut, stieß man auf ein
System von Kanälen, Dämmen und Wasserreservoiren, das
sich über insgesamt dreiundvierzig Quadratkilometer
erstreckte; das Kernstück dieser Anlage war ein etwa
fünfundzwanzig langer Kanal von zwölf Metern Breite und
drei Metern Tiefe.
Eine Trockenphase zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert
und der Einfall der Konquistadoren im 16. Jahrhundert
zerbrach die soziale Struktur der dortigen
Gesellschaft, und das Kanal- und Anbausystem geriet in
Vergessenheit. Hier am Titicacasee entwickelten die
Aymara über zweihundert Kartoffel-Varietäten.
In einigen Regionen der Anden richten sich die Bauern
bei der Pflanzung ihrer Kartoffeln noch heute (oder
schon wieder?) erfolgreich nach den Sternen. Wenn die
Plejaden im Juni nur schwach am Nachthimmel sichtbar
sind, verschieben die Indigenes den Anbau um vier bis
sechs Wochen; dadurch verhindern sie, daß die Knollen
unter Trockenheit leiden. Wie sich bei Untersuchungen
von Meteorologen der Universität in Davis
(Kalifornien) zeigte, gibt es tatsächlich einen engen
Zusammenhang zwischen der Sichtbarkeit dieser Sterne
und der Witterung in den peruanischen bzw.
bolivianischen Anden: Verdunkeln im Monat Juni keine
Cirruswolken den Nachthimmel, ist kein
El Niño
zu erwarten, und die Regenperiode beginnt wie üblich.
Die private Entwicklungsorganisation»
Centro ideas«
prüfte am Anfang der 1990er Jahre, inwieweit dieses
Landwirtschaftssystem erfolgreich sein kann; nur durch
Wiederbelebung alter Anbau- Methoden könnte – so die
Forscher – festzustellen sein, wie erfolgreich sie war.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten seitens der
Aymara-Indianer gelang es, Frauen aus dem Dorf Chukara
zu überzeugen, daß die
Pacha-mama, Mutter Erde,
nichts gegen diese Form des Anbaus haben könnte, da
doch bereits die Vorfahren ihre Kartoffeln so
anpflanzten. Der Versuch verlief so erfolgreich, daß
inzwischen fünfzehntausend Hektar Land mit der alten
indianischen Anbaumethode bepflanzt werden; während im
Hochland im Durchschnitt nur 2,5 Tonnen Kartoffeln je
Hektar geerntet werden können, liegt auf den
wiederbelebten Felder die Ausbeute zwischen zwanzig und
fünfundzwanzig Tonnen und – was fast noch wichtiger war
– die Kartoffelfelder werden we
niger
durch Frostschäden beeinträchtigt, da durch das
Hügelsystem schützende Nebelglocken
entstehen.
Das Anlegen von Terrassen für den Anbau von Mais und
Kartoffeln zur Verpflegung der Bevölkerung führte
jedoch auch dazu, daß die Wälder auf den Höhenzügen der
Anden (bereits vor den Spaniern) vernichtet wurden, so
daß die Böden erodierten und unbewohnbar wurden; die
anwachsende Bevölkerung zwang zur steten Ausweitung der
Anbauflächen und damit zur Vernichtung der Wälder. Im
Kriegsfall oder bei der Unterdrückung von Aufständen
wurden die Lagerhäuser der Inka rechtzeitig gefüllt mit
Waffen, Bekleidung und getrockneter Nahrung:
Kartoffeln, Mais und Quinoa – so steht’s 1628 in einem
Bericht vonVazquez de Espinosa.
Kartoffeln, denen das Wasserentzogen wird, halten sich
lange Zeit. Die in unseren gemäßigten Klimazonen
üblichen vier Jahreszeiten fehlen in Äquatornähe; auf
die Regenzeit folgt eine gleich lange Trockenperiode mit
starken Temperaturschwankungen. Die Völker in den Anden
haben unter diesen extremen klimatischen Bedingungen des
andinischen Hochlandes deshalb Kartoffeln nachts im
Freien auf Gras- oder Strohunterlagen gelagert und damit
gefriergetrocknet und am Tage, in der Sonne, wieder
auftauen lassen; dabei verdunstete das in der Kartoffel
reichlich vorhandene Wasser. Ein Wechsel von Nachtfrost
und Sonneneinstrahlung zerstört die Zellstruktur der
Kartoffel. Für die Herstellung von
chuños oder
tuntas (auch
chochoca genannt) werden noch
heute frostharte Kartoffelsorten verwendet, die noch in
Höhen von 5000 Meter wachsen, aber unbehandelt wegen
ihrer Bitterstoffe nicht genießbar sind.
Neben chuños und tuntas wurde noch eine weitere Art
dehydrierter Kartoffelkonserven, die
moraya,
hergestellt. Auch hierfür werden die Kartoffeln erst
gewässert und dann getrocknet. Die
moraya sind –
wie die chuños dunkelbraun. Diese Trockenkartoffeln
wurden vor dem Einfrieren gekocht, dann gepellt und den
Nachtfrösten ausgesetzt. Die mehrmalige Durchführung
dieser Gefrier-Auftau-Methode (slow-frozen food?) entzog
der Kartoffel das Wasser vollständig, man erhielt
getrocknete, bis zu vier Jahren haltbare»Kartoffeln«,
die durch Einweichen wieder eßbar wurden; freundliche
Frauen treten barfuß auf die Knollen und pressen dadurch
das Wasser heraus (wie früher im Weinbau).
Die
chuño-Knolle, wohl das erste
Kartoffelverarbeitungsprodukt, wurde auch als ein
für die feuchtwarme Küstenregion bestimmtes Tausch- und
Handelsobjekt verwendet. Im Inkareich dienten chuños
zur Versorgung der Truppen; in seiner »Crónica del
Perú« berichtetPedro de Cieza de León von
Tributleistungen, die statt Mais auch in Form von
getrockneten Kartoffeln geleistet wurden. Die
Herstellung von Trockenkartoffeln der
beschriebenen Art war notwendig für eine ganzjährige
Versorgung mit Nahrungsmitteln, da die wasserreiche
Kartoffelknolle nur begrenzt haltbar ist.
1785 heißt es in einem der Bücher der deutschen
Hausväter-Literatur:
»... man kann auch die Kartoffeln trocknen und sie in
getrocknetem Zustande aufbewahren. Es werden nämlich
die Kartoffeln gar gekocht, und wenn sie erkaltet
sind, abgeschält und in dicke Scheiben zerschnitten.
Wenn das Brod aus dem Backofen gezogen und derselbe
etwas verschlagen ist, werden die Kartoffeln in dem
Herd ausgebreitet, daß sie völlig trocknen. Diese
gedörrten Kartoffeln hebt man in Beuteln oder Tonnen
auf, und hat daran eine der bereitsamsten
Dauerspeisen.«
Anfang des 20. Jahrhunderts wird in Deutschland die
Trockenkartoffel noch einmal erfunden. Ältere Berliner
können sich sicherlich daran erinnern, daß in der
Blockadezeit nach dem zweiten Weltkrieg geschnitzelte
Trockenkartoffeln mit die Hauptnahrung bildeten.
Chuños sind neben den kartoffelförmigen Tongefäßen den
Toten beigegeben worden. Erhalten geblieben sind
schwarze bzw. schwarz-braune und weiße
chuños
aus der Inka-Zeit, wobei diese der Theokratie
vorbehalten blieben; hier sind die Spanier von ihrer
Abneigung gegen indianische Kost abgewichen: Nur die
weißen Trockenkartoffeln wurden in der spanischen Küche
geschätzt und zur Mehlherstellung genutzt. Montaigne
»Über die Menschenfresser«:
«Anstelle von Brot essen sie eine bestimmte weiße
Masse, ungefähr dem eingemachten Koriander gleich. Ich
habe davon probiert: der Geschmack ist süß, aber ein
wenig fad.«
Chuños bestehen aus nur noch rund fünfzehn Prozent
Wasser, sechs Prozent Rohprotein, ein halbes Prozent
Rohfett, eineinhalb Prozent Rohfaser und fast
fünfundsiebzig Prozent stickstofffreie
Extraktstoffe.
nach
oben
Auf der Hochebene von Nazca, etwa seit 200 v. Chr.
besiedelt, entdeckten Mitarbeiter der »International
Explorers Society« in den 1930er Jahren Feuer-Gruben
(neben der fast fünfzig
Meter
großen»Spinne von Nazca«), in denen neben Geweberesten
auch Kartoffelschalen zu finden waren. Die Hersteller
der riesigen
Zeichnungen haben
sich demnach auch mit Kartoffeln verpflegt. Auf einem
bereits etwa aus dem vierten vorchristlichem Jahrhundert
stammenden Lederstück haben Künstler der Nazca-Kultur
eine Kartoffel abgebildet. Der Kartoffel-Gott hält in
jeder Hand eine Kartoffelpflanze.
In Nord-Peru, in der etwa von 850 bis zu den
Plünderungen durch die Spanier (Mitte des 16.
Jahrhunderts) bestehenden Mochica-Kultur (die Spanier
nannten sie auch Yunga), wurde
auf
Grundlage von Vogel-Guano (von
quanay Kormoran)
bzw. Lamamist und Wasser hauptsächlich
Mais,
der zwei-, dreimal im Jahr geerntet werden konnte,
angebaut. Nachgewiesen wurde aber auch der Anbau von
Kartoffeln und Süßkartoffeln, von Yuka, Kürbissen,
Chilipfeffer, Ananas, Zimt und Bohnen. Städte wie
Gallinazo im Viru-Tal und andere Orte mit bis zu
zehntausend Einwohnern mußten versorgt werden.
Aus der knolligen Wildpflanze haben die Südamerikaner
vorColumbus, Pizarro und Cortés zwei- bis dreitausend
Kartoffelsorten entwickelt. Die heute vorkommende Art
trägt den Namen »Solanum Tuberosum subspecies
Andigena«, die bereits vor vielen tausend Jahren
entwickelt wurde. Interessant ist, daß die andinische
Knolle der Inkas nicht ins Aztekenreich vordringen
konnte; der Isthmus von Panama stellte für die im
Hochland der Anden lebenden Kartoffelbauern eine nahezu
unüberwindbare Barriere von undurchdringbaren Urwäldern
dar.
Apropos Wildpflanze: »
Die Republikaner« (»der
zum Gespött am Montag herunterredigierte SPIEGEL
schreibt in einem anderen Zusammenhang: »haar- und hirnl
ose Gesellen vom rechten Ufer«)
»warnt« in ihrem Parteiprogramm von 1993 »vor einer
zunehmenden Gefährdung der mitteleuropäischen Flora«
durch »außereuropäische
Wildpflanzen«
– dabei war Bayern, Heimat der Republikaner, die
erste Provinz, die in Deutschland Kartoffeln feldmäßig
anbaute, und das wird 1997 mit einer Sonder-Briefmarke
der Deutschen Bundespost gewürdigt. Und: Alle Menschen
sind fast überall Ausländer – auch die Kartoffel ist ein
Ausländer.
Und,
bitte, nicht vergessen: Nicht
nur die Dunkelhäutigen stammen von den afrikanischen
Khoisaniden ab.
Heute erwirtschaften die indigenen Kleinbauern mit
ihren Familien den Hauptteil der Nahrungsmittel in Peru,
obwohl sie zumeist über die schlechteren Böden verfügen
und »nur« mit traditioneller Technologie arbeiten,
Pestizide und Kunstdünger können schon aus Geldmangel
nicht eingesetzt werden. Da Lebensmittelimporte
zugunsten der städtischen Bevölkerung subventioniert
werden, liegt im Ursprungsland der Kartoffel der
Marktpreis unter den Gestehungskosten; Kartoffeln über
den eigenen Bedarf hinaus zu produzieren, lohnt nicht.
Es lohnt jedoch, die Ackerflächen in den Bergen – wie in
Kolumbien – mit Coca-Sträuchern zu bepflanzen und damit
einen Beitrag zu leisten für die Selbstvernichtung der
Yankees. Der »Leuchtende Pfad«, die ursprüngliche
Selbstverteidigungs und Befreiungsorganisation der
Bauern, ist zu einer kriminellen Bande geworden, der
Staat in der Zeit des japanisch stämmigen Alberto
Fujimori gleichfalls.
Die india
nische Ur-Bevölkerung lebt –
fünfhundert Jahre nach Columbus und dem Einfall der
Europäer – am
Existenzminimum und
muß sich als Saison-Wanderarbeiter verdingen, um Geld zu
verdienen. Oder muß – was für alle Betroffenen auch
nicht besser ist – in den Fußgängerzonen der immer
unwirtlicher werdenden Städte Nordeuropas mit Poncho,
Pauke und Bambusflöte den Kondor beschallen.
Anmerkungen
1 Mehr bei Jared Diamond: »Arm und Reich – Die
Schicksale menschlicher Gesellschaften«
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2 Damit ist systematische Landwirtschaft in Südamerika
vergleichbar mit den frühen Agrargesellschaften im
»Fruchtbaren Halbmond« (im Norden von Iran und Irak,
Teile Syriens und der Türkei), der als Wiege der
europäischen Landwirtschaft gilt; im Neolithikum
entwickeln die »Bandkeramiker« aus wilden Gräsern die
Vorläufer unserer heutigen Getreidesorten; nach einer
Theorie zur Entstehung der Landwirtschaft entwickelten
sich die ersten domestizierten Pflanzen wahrscheinlich
auf dem Abfallhaufen, aus weggeworfenen oder wieder
ausgeschiedenen Samen wilder Pflanzen, die aus
irgendeinem Grund gesammelt und gegessen wurden. Später
erst entwickelte sich der gezielte Anbau, der – nicht
nur bei der Kartoffel – zu einer dauerhaften
Ko-Evolution von Mensch und Flora wurde.
Ackerbau entwickelte sich in Mittelamerika (mit
Mais, Bohne, Kürbis, Truthahn um etwa 3500 v.Chr.),
Südamerika (mit Kartoffel, Maniok, Lama und
Meerschweinchen um ebenfalls 3500 v.Chr.), Nordamerika
(mit Sonnenblume und Gänsefuß um 2500 v. Chr.), China
(um 7500 v. Chr. mit Reis, Hirse und Schwein), in der
Sahelzone (um 5000 v. Chr. mit Sorghum, afrikanischem
Reis, Hirse und Perlhuhn), in Westafrika (um 3000 v.
Chr. mit Yams und Ölpalme) sowie in Vorderasien um 8500
v.Chr. mit Weizen, Gerste, Erbsen, Schafe, Ziege, Rind
und Hausschwein). Neue Untersuchungen in Myanmar (Birma)
ergaben, daß dort bereits um 9750 v. Chr. Gemüse
angebuat wurde.
Von den 56 Wildgräsern mit dem höchsten Nährwert –
so haben DNS-Analysen ergeben – wuchsen 32 im Nahen
Osten, elf in Nordamerika, vier in Schwarzafrika und
zwei in Australien. Diese ursprüngliche Verteilung der
Zuchtpflanzen (wie auch der domestizierbaren Tiere) sei
Ursache – so Jared Diamond – für die unterschiedliche
Entwicklung der Gesellschaften.
Nach neuesten Untersuchungen hätten sich aufgrund
der unterschiedlichen landschaftlichen Entwicklungen –
verursacht durch Staubregen während der letzten Eiszeit
auf weite Teile Europas, nicht jedoch auf Nordrußland,
Finnland und Estland, wo sich deshalb kein nennenswerter
Lößboden entwickeln konnte – die Menschen in
Ackerbaugesellschaften mit mehr oder weniger festen
Kontakten untereinander und in Jägergesellschaften
getrennt. Aus diesen beiden Hauptgruppen hätte sich
einerseits die indoeuropäische Sprache der Ackerbauern
und andererseits die finno-ugrische Sprache
gebildet.
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3 Der Rewe-Chef Hans Reischl 2003: »Wer sich nur über
Discounter versorgt, der verarmt – im Blickwinkel wie im
Geschmack.« Damit meint Reischl, daß abwechslungsreiche
Qualität nicht zu Preisen hergestellt werden kann, wie
sie Aldi, Penny und Co. für ihre Angebote verlangen. In
einer Büchse mit zehn Würstchen für 99 Cent kann kein
Fleisch enthalten sein!
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4 Chile verdankt seinen Namen dem spanischen Eroberer
Diego de Almagro. Er nannte das Mapocho-Tal »Valle de
Chile«. In der Sprache der indigenen Aimarás heißt
»Chilli« »das Land, wo die Erde aufhört«. Das verwandte
Wort »chiri« aus der Sprache der Quechuas bedeutet
»kalt«.
Peru verdankt seinen Namen dem Spanier Pascual de
Andagoya, der 1522 an der kolumbianischen und
ekuadorianischen Küste entlangfuhr und schließlich ein
Gebiet erreichte, das nach Auskunft der Bewohner zu
einem mächtigen Reich gehörte. Nach dem einheimischen
Namen eines kleinen Wasserlaufs nannte de Andagoya das
geheimnisvolle Territorium »Birú«.
Das Inka-Reich hieß eigentlich in quechua »Tauantinsuyu«
und bedeutet »Reich der vier Weltgegenden«. Es gliederte
sich in vier Regionen, »suyu«: Chinchasuyu, Contisuyu,
Collasuyu und Antinsuyu, die jeweils in einer
Himmelsrichtung von der Hauptstadt Cuzco als Mittelpunkt
lagen. Inka war der Titel der Herrscher und Oberpriester
dieses Reiches. Der letzte Inka war Atahualpa. Nach dem
Inka-Herrscher Tupac Amarú nennt sich die Befreiungs-
und Terror-Organisation »Leuchtender Pfad« in
Peru.
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5 Chili wird als scharf empfunden, weil das in der
Pflanze enthaltene Alkaloid Capsaicin (eine
Verteidigungswaffe gegen allzu gefräßige Räuber)
Hitze-Rezeptoren dadurch aktiviert, daß besondere
Eiweißstrukturen auf der Oberfläche von sensorischen
Nerven angeregt werden. Folge ist eine Depolarisierung
der Zellmembran – der Nerv sendet ein Schmerzsignal an
das Rückenmark. Darum rufen scharf gewürzte Speisen ein
Brennen im Mund hervor. Chili – reich an Vitamine A und
C – wurde erstmals vor etwa 3000 Jahren in Bolivien
domestiziert und war für die Azteken neben Mais und
Bohnen das wichtigste Grundnahrungsmittel.
Bemerkenswert ist, daß sich bei Hühnerküken, deren
Futter 20 ppm Capsiacin beigemischt werden, die
Widerstandskraft gegen Salmonellen deutlich erhöhte; im
Darm der Tiere kommt es zu einer leichten Entzündung,
die die Salmonellen hindert, sich an der Darmwand
festzusetzen. Durch schlichten Pfeffer könnten demnach
Antibiotika gespart werden. Aber einfache Lösungen sind
natürlich nichts für die Tiermedizin-Fabrikanten.
Chili bzw. chilli wird auch bezeichnet als scharfer oder
süßer oder grüner Pfeffer oder als Paprika oder
Cayenne-Pfeffer; es ist immer
solanum capsicum
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6 »Latein-Amerika« heißt Südamerika erst, seit Kaiser
Napoleon III. in den 1860er Jahren versuchte, mit Kaiser
Maximilian II. eine »lateinische Liga« als Gegenpol zum
nordamerikanisch-protestantischen Yankee schaffen
wollte.
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7 Die Inkas pflanzten auch eine bestimmte Arten von
Bäumen, zum Beispiel Ulmen und Erlen (
Alnus acuminata).
Die Symbiose von Baumwurzeln mit stickstoffoxidierenden
Bakterien fördert wird die Nährstoffversorgung. Als in
Europa die Brandrodung noch weithin üblich war, wurde
bei den Inkas das unerlaubte Fällen von Bäumen und das
Verbrennen von Holz durch hohe Strafen unterbunden. In
der Mythologie der Irokesen-Nation gab es drei
unzertrennliche Schwestern: Kürbis, Mais und Bohnen, die
stets zusammen angepflanzt wurden. Wenn Mais austreibt,
entwickelt er einen starken Stengel, an dem die Bohnen
sich emporranken können, während die Kürbisse sich am
Boden breit und alles platt machten, was Wildkraut war.
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8 In dem von Vavilov 1920 gegründetem
Pflanzenforschungsinstitut in St. Petersburg wurden
während der 900tägigen Belagerung der Stadt durch die
Deutschen im Zweiten Weltkrieg zwar die Ratten, nicht
aber die aus Südamerika von Vavilov und seinen Kollegen
mitgebrachten Kartoffeln gegessen, die in einem
Krankenhaus ausgelagert waren; angeblich hätten die
Patienten ihre Stühle verheizt, damit die Knollen nicht
erfrieren. Stalin ließ Vavilov ermorden, da seine
Botanik im Widerspruch zur herrschenden Auffassung
stand.
Jetzt steht das Institut vor der Schließung, weil die
russische Regierung des aus St. Petersburg stammenden
Putin die umgerechnet etwa zwanzig Euro je Woche (für
Personalkosten) für die Erhaltung der Kartoffeln nicht
mehr ausgeben will. In dem Archiv lagern heute etwa 190
russische Knollenzüchtungen und rund 2500
Wildkartoffeln; sie bilden einen einzigartigen Genpool,
der für die Erforschung der Kartoffel-Krankheiten oder
die Züchtung neuer Sorten einen unschätzbaren Wert
darstellt.
Das Institut verrottet; es mangelt an einer
ausreichenden Wasserversorgung und gutem
Gewächshausboden. Wissenschaftler der US-amerikanischen
Cornell-Universität wollen die wertvolle Sammlung mit
über zehntausend Pflanzen retten – natürlich nicht ganz
selbstlos.
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9 Aus dem Aymarábegriff »titi«, Puma, und der
Quechuavokabel »caca«, Felsen, also der
Puma-Felsen-See. Die große Fläche des Sees (mit 8600
Quadratkilometer der größte See Südamerikas) mildert
das Klima an seinem Ufer und läßt deshalb noch in der
Höhe von rund 4000 Meter Kartoffeln, Mais, Bohnen und
Quinoa gedeihen. Im Umkreis des Sees lebten bis zum
rätselhaften Untergang der dortigen Hochkultur von
Tiahuanaco im 13. Jahrhundert vermutlich mehr als
zwanzigtausend Menschen, die ihre Äcker mit einem
ausgeklügelten Kanalsystem bewässerten.
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10 Die Genzentren der wichtigsten Kulturpflanzen sind:
– G
ebirgiger Teil von China, Nepal und
angrenzenden
Gebieten: Gerste, Soja, Phaseolus, zahlreiche
Cruciferen (u.a. Brassica chinensis; Rettich),
Teestrauch, Gurken, Prunus-, Pyrus-, Malus-Arten.
–
Vorder- und Hinterindien, Südostchina, Siam:
verschiedene Tropenpflanzen, Reis, Zuckerrohr,
Hibiskus, Jute, Baumwolle, verschiedene Leguminosen,
Sesam.
–
Mittelasien (Tienschan bis Hindukusch,
Nordwesthimalaya, Punjab): Triticum-Arten,
kleinsamige Formen der Erbse, Erbse (Pisum sativum),
Linsen, Vicia faba, Lathyrus sativus, Cicer
(Kichererbse), Linum (Lein), Raphanus sativus
(Radieschen), Spinat, Küchenzwiebel, Knoblauch,
Rüben.
–
Vorderasien, Transkaukasien bis Zentralanatolien
und Palästina: Einkorn, Hartweizen, Saatweizen,
zweizeilige Gerste, hexaploider Kulturhafer, Luzerne,
zahlreiche Obstsorten
–
Randgebiete des Mittelmeeres: Emmer,
Hartweizen, Spelzweizen, Avena-Arten, großkörnige Typen
von
Hordeum vulgare (Gerste) gemeinsam mit
Linsen angebaut (was, beides zusammen geerntet,
gedroschen und zusammen vermahlen, ein nahrhaftes Brot
ergab), Erbse, Bohnen, Kichererbse, Lupine (Lupinus
luteus), Trifolium-Arten (Klee), Spargel, Rote Rübe,
Linum ustilagum (großsamige Sorten), Raps, Kohlrübe,
gelber Senf, Ölbaum, eine Anzahl von Gemüsearten
(Petersilie, Rhabarber, Porree, Endivie, Zichorie,
Schwarzwurzel, Pastinak, Sellerie).
–
Abessinien (Äthiopien), Eritrea: tetraploider
Weizen, bespelzte Gerste, Hafer, verschiedene
Hirsearten, Flaschenkürbis, Kaffee, Dattelpalme.
–
Südmexiko, Mittelamerika: Mais, verschiedene
Bohnenarten (Phaseolus vulgaris, Phaseolus
multiflorus), Batate, Baumwolle, verschiedene
Kürbisarten, Sisal, Tomate, Paprika, Bauerntabak
(Nicotiana rustica), Kakaobaum.
–
Südamerika (Anden, Peru, Ekuador,
Bolivien): Mais, Kartoffel, Tomate, Kürbis, Tabak,
Baumwolle, Erdnuß, Ananas.
Die zehn größten Pflanzen-Genbanken der Welt (nach »Life
Count«) nach Anzahl der Samen und anderer
Erbgut-Proben, die sie aufbewahren:
1. Peking,
2. Fort Collins (USA),
3. Braunschweig/Gatersleben,
4. St. Petersburg,
5. Tsukuba (Japan),
6. Suwón (Südkorea),
7. Saskatoon (Kanada),
8. Brasilia,
9. Bari (Italien) und
10. Addis Abeba.
Das Kartoffel-Forschungszentrum in Lima hat rund 4500
Kartoffelsorten
in vitro und Samen von
elfhundert Kartoffel-Wildarten-Sorten; die im » Centro
Internacionale de la papa« (CIP) liegenden
Süßkartoffelsorten umfassen fünftausend Nummern
in
vitro und etliche Samen.
Inwieweit das Kartoffelforschungszentrum tatsächlich
seine ursprüngliche Zielsetzung noch erfüllt, mag
füglich angezweifelt werden. Gegründet wurde es
ursprünglich, weil man der Züchtung des Wunderreises und
des Wunderweizen (beide mit deutlich höherem Ertrag
gegenüber bisherigen Züchtungen) nun auch die
Wunderkartoffel züchten wollte. Also gingen zwei
Wissenschaftler zur Rockfeller-Stiftung und schlugen die
Gründung eines entsprechenden Forschungszentrums vor,
vernünftigerweise in dem Land, aus dem die Kartoffel
kommt. Der Leser kann sich vorstellen, welche Freude
bei der Stiftung aufkam, nun endlich wieder einmal Geld
in großem Stil ausgeben zu können und so wurden rasch
die erforderlichen Millionen für die gute Sache zur
Verfügung gestellt. Die vorgebliche Zielgruppe,
Kartoffel-Bauern, wurde nach und nach vergessen und
heute wissen die im CIP arbeitenden Wissenschaftler
immerhin, warum sie da sind: Um sich mit sich selbst zu
beschäftigen. Aber ungeachtet dieser Kritik: Die
Bundesrepublik Deutschland, eines der ärmeren Länder
dieser Welt, strich im Zuge der allgemeinen
Sparmaßnahmen Ende der 1990er Jahre den Zuschuß für das
Kartoffelforschungsinstitut in Lima in Höhe von damals
rund 100.000 Mark. Das war gut gespartes Geld, denn in
Deutschland gibt es nur wenige Kartoffelbauern und
-züchter – und die sollen doch selbst sehen, wo Bartels
die Beere holt.
Der »Royal Botanic Garden« in London beherbergt 34.000
Pflanzenarten, der »Botanische Garten« Berlin 22.000
Arten, der »Royal Botanic Garden« in Edinburg 17.000
Arten, der »Botanical Garden« in New York 15.000 Arten,
der »Botanische Garten« in München 14.000 Arten und der
Frankfurter »Palmengarten« weist auch noch immerhin
13.000 verschiedenen Pflanzenarten auf.
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11 Der Reinheitskodex Manus, des göttlichen Stammvaters
aller Menschen, ist für jeden Brahmanen die Grundlage
für die Teilung der Gesellschaft in oben und unten.
Manus Vorschriften schreiben für jede Kaste vor, welche
Speisen erlaubt sind. Brahmanen essen kein Fleisch und
trinken keinen Alkohol, na gut. Und sie verzichten auf
Gemüse, die unter der Erde wachsen, wie Zwiebeln, Rüben
und – leider auch – Kartoffeln. Der Geist soll rein
bleiben!
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12 Alexander von Humboldt begründete zahlreiche neue
Wissensgebiete wie die Pflanzengeographie und den
Erdmagnetismus. Neben seinen naturwissenschaftlichen
Untersuchungen erforschte er auch Herkunft, Sprache,
Kunst und Kultur der von ihm besuchten Völker.
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13 Die Quechua nannten dieses Gebiet »Puna«, was das
Gebiet besser kennzeichnet, denn mit »Puna« werden auch
assoziiert Salzwüste und extreme Temperaturen,
Sauerstoffmangel und Wassernot, Dornsträucher so weit
man sieht, schweigende Welt. Altiplano ist nur
»Hochebene«.
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14 Auf dem Friedhof von Kaufbeuren (Allgäu) pflanzte
eine Rentnerin, die dort seit Jahren die Sozialgräber
kostenlos pflegt, außer Zucchini, Kopfsalat, Kohlrabi
und Radieschen auch Kartoffeln anstelle der an sich
gewünschten Blumenzwiebeln. Gemüsepflanzen sind nach
der Friedhofssatzung nicht ausdrücklich verboten, aber
entsprächen nicht der Tradition und den örtlichen
Gepflogenheiten, meinte der Friedhofsaufseher.
Friedhöfe scheinen einen guten Acker für die Knollen
abzugeben, denn in Aurich bestellte ein Ostfriese aus
Norden ein Grab mit Kleinkartoffeln, da »ihm das Unkraut
über den Kopf gewachsen sei« und er insofern in
»Notwehr« hätte handeln müssen. Auch in Aurich mußten
die Kantüffeln entfernt werden.
Nicht ganz vergleichbar: Vor der Stuttgarter
Staatsgalerie wurden Ende 1998 zwei kreisrunde
Kartoffelfelder angelegt – Kartoffeln sind allerorten
»in«.
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15 Die Bevölkerung Südamerikas zu Zeiten der spanischen
Eroberung war erstaunt und überwältigt von den Bildern
der Europäer. Die Sehgewohnheiten der europäischen Maler
des 16. Jahrhunderts unterschieden sich von denen der
indigenen Zeichner. Die Spanier waren an der
naturalistischen Kunst der italienischen Renaissance
geschult, die ihre Gegenstände mit Linearperspektive und
modellierendem Hell-Dunkel im Feld festhielt. Die
»indianischen « Figuren und Dinge waren ohne diese
Perspektive, schattenlos und in knallig-bunten Farben
mehr symbolisch abgebildet. Dominikaner-, Franziskaner-
und Augustinermönche waren ob dieser Malerei
schockiert, so daß es »gerade in der Anfangszeit in
Mexiko – zu massenhaften Verbrennungen der Faltcodices
der einheimischen Künstler kam; die »grelle« Farbgebung
galt als unzüchtig und die gefiederte Schlage
Quetzalcoátl als heidnisch. Dieses Wüten erschwert die
heutige Forschung.
Diego Valades, ein »Mestize«, der in der von Mönchen
eingerichteten Malerschule des Pedro da Gante lernte,
empfahl in seiner 1579 gedruckten Schrift »Rhetorica
Christiana« den Einsatz der christlich-europäischen
Malerei bei der Missionierung der Indios. Die Lebensnähe
der europäischen Malerei beeinflußte übrigens auch im
17. Jahrhundert die Chinesen, als ihnen von Jesuiten die
damals üblichen Madonnen- und Christus-Bilder gezeigt
wurden.
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16 Garcilaso de la Vega war ein Nachkomme der
herrschenden Dynastie der Inka; seine Mutter, die
indianische Prinzessin (»Ñusta«) Chimbu Occlo, war eine
Enkelin des Inka Tupac Yupanqui und eine Nichte des
vorletzten Herrschers des Inkareiches, Huayna Capac.
Sein Vater war der Kapitän Don Sebastian Garcia de la
Vega, der 1534 nach Peru gekommen war, ein Vermögen
erraubte und sich in Cuzco niederließ, wo er Chimbu
Occlo zwar nicht heiratete, aber sie war seine
Hauptfrau. 1539 wurde Garcilaso geboren.
Don Sebastian beteiligte sich an eine Verschwörung
gegen die spanische Krone und wurde mit dem mehrjährigen
Entzug aller Einkünfte bestraft. Es rettete ihn eine
reiche Spanierin, die aber die indianischen Verwandten
vertrieb. Garcilaso ging als 20jähriger nach Kastilien,
ging in die Armee und kämpfte gegen die Mauren.
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17 In einer Nacherzählung dieses Festes von Friedrich
Wollner wird ergänzt, daß anschließend das Fleisch von
den Müttern gegessen wurde, »wie man es ursprünglich mit
dem der erschlagenen Feinde tat, um deren Kraft in sich
aufzunehmen und die Fruchtbarkeit zu vermehren.«
Geschrieben und gedruckt 1970.
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18 Die Klistiere bestanden aus einem mit Flüssigkeit
gefüllten Schlauch, in den der Arzt hineinblies. Zur
Anwendung im »frühen« Amerika des 20. Jahrhunderts: T.
C. Boyle »Willkommen in Wellville«.
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19 Mit finanzieller Unterstützung des deutschen
Berufskundlers und Schriftstellers Matthias Weber aus
Nürnberg sind in den 1990er Jahren Kurse eingerichtet
worden, in denen Männer und Frauen aus abgelegenen
Inka-Dörfern in der traditionellen Arzneikunde auf
Pflanzenbasis unterrichtet werden.
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20 Auf Sri Lanka revitalisierte man ebenfalls alte
Landwirtschaftsmethoden für den Anbau von Tee und
stellte dabei fest, daß die früheren (und jetzt wieder
verwendeten) terrassenförmigen Anbauflächen
ertragreicher sind.
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21 Die Deutsch-Peruanerin Maria Reiche, die die Figuren
1946 bis in die 1960er Jahre vermaß, meint, daß die
Bilder Bezug nehmen auf bestimmte Sternbilder. Die Pampa
mit ihren unzähligen Geoglyphen diente demnach als
riesiger Kalender, durch den sich u.a. der Beginn der
Bepflanzung bestimmen ließ. Alles Quatsch, was Däniken
sagt.
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22 Der Gott Pachacamac erschlug seinen Halbbruder,
zerstückelte die Leiche, säte die Zähne des Getöteten
aus, und es wurde Mais daraus, aus den Rippen und den
Knochen ließ er Maniok und Kartoffeln werden, und aus
dem Fleisch wuchsen alle anderen Früchte des
Landes.
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23 Die »Grünen« in Schleswig-Holstein entschlossen sich
1998, ebenfalls gegen fremde Pflanzen vorzugehen, da
diese das heimische Nadelgehölz verdrängen.
Damit ist – man verzeihe dem Verfasser, daß er in
dieser
Fußnote und
diesem Zusammenhang dieses Thema
anspricht – diese Politik eine konsequente Fortsetzung
nationalsozialistischer Ideologie, wonach grundsätzlich
die deutsche Eiche nur neben deutschen Eichen (unter der
sich die deutsche Sau die Borste reibt) wachsen darf:
»Wer immer mit Hilfe öffentlicher Mittel neue Ödflächen
schafft in Form von Böschungen an Straßen, Bahnen,
Kanälen, Bächen, Flüssen, ist gehalten, sie mit der
jeweils bodenständigen und standortgemäßen
Laubholzgesellschaft aufzuforsten, damit von den so
entstehenden Feldhecken eine Wiedergesundung der nebenan
liegenden ausgeräumten Kultursteppen ausgehen kann.«
So schrieb während der Nazi-Zeit der
Reichslandschaftsanwalt Alwin Seifert.
Artenrein – rasserein. Die »natürlichen
Gesetzmäßigkeiten« dieser Ideologie wirkten nach der
Nazi-Zeit fort und bilden heute vielfach die Grundlage
der Baumsatzungen. Auch heute glaubt man, daß man die
»potentielle natürliche Vegetation« eines bestimmten
Standortes feststellen kann, ohne zu bedenken, daß sich
im Laufe der Jahrhunderte/Jahrtausende genau diese
natürliche Vegetation verändert hat. Eine unveränderte
stabile Natur hat es nie gegeben.
Heinz-Dieter Krausch weist in »Kaiserkron und Päonien
rot ...« nach, daß der Großteil der in heimischen Gärten
oder wild wachsenden Gartenblumen erst aus aller Herren
Länder importiert werden mußte, damit sich das Auge des
Betrachters und der Gärtnerin erfreue. Die Hauptmasse
der in Südeuropa heimischen Zierpflanzen kam vor dem 16.
Jahrhundert nach Deutschland. Bekannt ist die Geschichte
von der Tulpe, die aus dem osmanischem Reich zu uns kam.
Carolus Clusius benutzte in seiner Wiener Zeit
(1573–1588) seine guten Beziehungen zu den kaiserlichen
Gesandten, um orientalischen Blumen nach Europa zu
bringen. Zu erwähnen sei auch Freiherr Friedrich August
Marschall von Bieberstein (1768–1826), der als Offizier
in den Kaukasus kam und als Naturforscher eine
Beschreibung der Länder am Kaspischen Meer (»Flora
taurico-caucasica«, 1800, ein Nachtrag erfolgte 1819)
veröffentlichte und der zahlreiche botanische Gärten in
Europa (insbesondere russische) belieferte.
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24 Nach den neuesten Funden in Afrika stammen alle
Menschen von »Afrikanern« ab. Als die frühen Menschen
ihr Fell abwarfen bekamen sie zum Schutz vor der Sonne
eine dunkle Haut, um sich vor der Sonne zu schützen.
Dunkle Haut schützt vor dem Abbau von Folsäure durch
UV-Strahlung. Umgekehrt muß die Haut in nördlicheren
Gegendengerade so hell sein, daß genügend UV-Strahlen
für die Vitamin-D-Synthese eindringen.
Die Hautfarbe, die also mit der
Aufnahmemöglichkeit von Vitamin D zusammenhängt, ist das
am wenigsten taugliche Mittel zur Unterscheidung von
Menschenrassen.
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25 In Ekuador ist Fleisch ein Nahrungsmittel, daß die
Indios sich nur etwa alle drei Monate leisten können;
ansonsten verpflegen sich die Ureinwohner in den
Andengebieten mit Kartoffeln, Nudeln und heißer Milch
mit dicker Haut. Zum Frühstück, zum Mittagessen, zum
Abend.
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