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Kartoffel-Geschichte Furche 1.3. Die Kartoffel kommt aus Südamerika

präsentiert von Michael Palomino 2019

damit gutes Wissen nicht verloren geht

aus: Klaus Henseler: Kartoffel-Geschichte: Die Kartoffel in Südamerika:
https://web.archive.org/web/20070220185129/http://www.kartoffel-geschichte.de/Erste_Furche/In_Sudamerika/in_sudamerika.html

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Die Kartoffel kommt aus Süd-"Amerika"

Ackerbau, Viehzucht und die Kulturpflanzen brachten auch den südamerika­nischen Menschen Seßhaftigkeit, Arbeitsteilung und Männerherrschaft (und Männerfreundschaft) und ein bestimmtes Maß an Freiheit vor dringlichster Not für Ruhe und Muße zur Entwicklung von Aberglauben und Theo­logie, Künste, Wissen­schaft. Eine Trennung in Acker­­­­bauern und Viehzüchtern über­lagerte die Arbeits­teilung von Jung und Alt, von Mann und Frau. Aufgrund bestimmter Pflanzen entdeckten in der Frühzeit der Menschheit einige Völker den Ackerbau ­früher als andere und prägten damit entscheidend die Ge­schich­te.Dem Bären­jäger folgte der Beerensamm­ler.

Auch in Süd-Amerika folgte dem Sammeln von Wildgetrei­de, Wurzeln und Früchten der systematische Anbau von Pflanzen, aus denen sich Kultur­pflanzen­ wie Kürbis, Bohne, Mais (mit mehr als zwanzig regelmäßig Sorten) und Kartoffel (mit mehr als 250 Sorten) entwickelten.

Die Agrikultur stand bei den »Söhnen der Sonne«, wie sich die Inka nannten, und bei den anderen Völkern in Mittel- und Süd-Amerika in hoher­ ­Blüte; in kunst­voll angelegten Bergterrassen, »An­de­nes« genannt, wurden vorwiegend Mais und Kartoffel an­gepflanzt. Um das Jahr 900 n. Chr. wurden diese Terrassenfelder erstmals angelegt; gleichzeitig wurde­n von den Inkas Bewässe­rungs­kanäle angelegt; im Tal von Pata­cancha wurde zum Beispiel ein fast sechs Kilometer langer Kanal zur Bewässerung dieser Terrassen gebaut. Mit diesen Maßnahmen stiegen die Ernten (und die Bevölkerung), und zugleich wurde die Erosion der Böden fast völlig verhindert. Eine intensive resour­cen-schonende Bewirtschaftung läßt sich gleichfalls beim Kartoffelanbau feststellen.

Pflanzen­anbau hat in Mittel- und Süd-Amerika also eine lange Tradition. Das Setzen der Kartoffel (in der südlichen Hemisphäre im Dezember) war gemeinsame Arbeit von Frauen und Männern, wobei die Männer das Loch gruben, in das die ­Frauen die Knollen legten. Die Ernte erfolgte gleichfalls gemeinsam mit Hacke und Grabstock. Bei der Aussaat wurden (und werden) die Knollen von der Frau gesetzt, während der Mann mit dem Grabstock die Furche aufbricht. Auch die brandenburgisch-ostpreußischen Bauern hielten sich später an diese Arbeitsteilung: Kartoffelsetzung und -ernte ist eine »Vorbehaltsaufgabe« der Frau des Hauses. Alle Erträge der peruanischen Felder wurden von Frauen und Männern gemeinsam erwirtschaftet. Da das Lama der Anden sich nicht als Zugtier eignet, mußten die Menschen die gesamte Feldarbeit gemeinsam verrichten; auch der Pflug war unbekannt. Das Feld wurde bearbeitet mit einem langen Grabscheit, der sogenannten Taclla, der mitunter ein Bronzeblatt besaß.

Die Inkas und ihre Vorfahren züchteten Kartoffeln in allen Varianten – von rot bis rosa, von orangefarben bis gelb, süß oder bitter schmeckend, stark mehlig oder fast butterzart. Bemerkenswert ist, daß die Inkas verhältnismäßig große Mengen an Kartoffeln unter sehr widrigen Umständen ernten konnten. Die Inkas haben diese verschiedenen Kar­tof­felsorten gleichzeitig angebaut und somit eine Monokultur verhindert, denn das Pflan­zen nur einer Sorte ist zum einen ziemlich ein­tönig und geschmacklich langweilig (wir Heutigen merken es doch auch schon) und zum anderen natürlich auch riskant im Fall eines Krankheitsbefalls. Sie bauten also eine Vielzahl von Sorten an, für jede ökologische Nische eine andere; sie versuchten nicht, wie es heute üblich ist, eine Gattung zu optimieren (in Idaho wird fast ausschließlich die »Russet Burbank«angebaut),sondern züchteten für jedes Milieu eine andere. Und sie ­ließen sogar neben ihren Feldern auch noch die wildwachsenden Knollen wie »Unkraut« wuchern, so daß zusätzlich noch eine wechselseitige Befruchtung stattfinden konnte und der Genpool aufgefrischt wurde. Es war eine Vielfalt, die einen unschätzbaren Wert darstellte.

Für Anfang des 16. Jahrhunderts lassen sich im heutigen Peru und im nörd­lichen Chile etwa einhundert Nutzpflanzen nachweisen, von denen etwa ein Drittel regelmäßig und in größerem Umfang angebaut wurden. Es ­herrschte eine Fruchtfolge vor, die aus Mais, Kartoffeln, Quinoa, Kana­hua, Saubohnen und einer dann folgenden zwei- bis fünfjährigen Brachebestand. Regel­mäßig an­gebaut wurde ebenfalls Baumwolle, zwei Tabaksorten (Nico­tiana tabacum und Nicotiana rustica), Ananas, Avocados, Chirimoya, Chilipfeffer (von den Arawak in der Karibik aji genannt), Koka und ­meh­rere Kürbisarten.

Neben den kultivierten Pflanzen gab es eine weitere Anzahl von Knollen-Pflanzen,die von den Ureinwohnern gesammelt wurden, so wie heute ein Schwammerl-Sucher auch keine Pilze systematisch anbaut. Die Navajos im Südwesten von Nordamerika zum Beispiel kochten und brieten die Knollen von zwei wildwachsenden Sorten (Solanum jamesii und Solanum fendleri).

Nach Mexiko kam die peruanisch-bolivia­nische Kartoffel als auf dem Feld angebaute Frucht erst nach der Er­oberung durch die ­Spanier – zur Verpflegung der indigen Be­völke­rung. In ­Höhenlagen über dreitausend Meter war der  Anbau von Mais oder Maniok nicht mehr möglich, da fast ganz­jährig Nachtfrost herrscht; die Kulti­vierung der Kartoffel und anderer Knollenfrüchte sicherte jedoch dem südamerikanischen Indianer die Versorgung mit ­einem Grundnahrungsmittel.

Die Inka haben Quinoa (Chenopodium quinoa), Tarhui (Lupinus mutabilis), Kaihua (Cheno­podium palli­dicaule), Amaranthus (Amaranthus caudatus) und Kartoffeln in den Sand der trockenen Pazifik­küste noch in Höhen von über 3500 m angebaut; wild­wachsende Kartoffeln wuchsen noch in ­Höhen von 4500 m. Charles Darwin stellt während seiner Forschungsreise 1839 fest:

    »Es ist bemerkenswert, daß die selbe Pflanze auf den kargen Bergen in Mittel-Chile wächst, wo es weniger als sechs Monate im Jahr regnet, wie sie auch in den feuchten Wäldern auf den südlichen Inseln gefunden wird.«

Zur Zeit der Eroberung Süd-Amerikas am Anfang des 16. Jahrhunderts war die Kartoffel also schon eine alte Kulturpflanze der Ur-Bevölkerung. Nach­­weise lassen sich bis 750 v.Chr. zurückverfolgen; Margareth Towle hat zwölf verkohlte Kar­tof­felknollen in den Ruinen eines Hauses bei Chiripa am Titicacasee – dort entwickelte sich die Inka-Kultur – gefunden und diese in die sog. Formative Epoche (750 v. Chr. bis etwa zur Zeiten­wende) ­datieren können.

Es ist nicht auszuschließen, daß die Kartoffel bereits 3000 v. Chr. (nach anderen Schätzungen und Be­rechnungen sogar schon vor 8000 Jahren) kultiviert war. 200 Jahre n.Chr. wird die Kartoffel auf peru­ani­schen Tongefäßen ab­gebildet. Die ältesten Funde kultivierter Kartoffeln wurden im Chilca-Tal, südlich von Lima (7000 v. Chr.), und aus dem Tal von Casma (gleichfalls in Peru, 3500 bis 4000 Jahre vor Chr.) in einem prähistorischen Siedlungsgebiet entdeckt,

Der Staat der Inka bestand nur etwa einhundert Jahre; vor ihnen herrschten die Wari und zugleich die Tiwanaku, deren Reich sich über das gesamt Titicacabecken erstreckte. Beide Kulturen gingen etwa um die erste Jahrtausendwende zugrunde. Beide Völker beherrschten den Ackerbau und bauten Mais, Quinoa und Kartoffeln an. Das Tal des heute so genannten Río Katari diente ihnen für den Anbau dieser Feldfrüchte zur Verpflegung der in ihre Hauptstadt kommenden Pilger.

Die andinen Völker haben nicht nur diese ur­sprüng­lichen Wildpflanzen domestiziert, sondern darüber hinaus Techniken ent­wickelt, die vielfach toxische Substanzen enthaltende Pflanzen zu entgiften.

1909 berichtet L. Wittmack auf der Grundlage von Untersuchungen peruanischer Gräber, daß die Kartoffel ursprünglich nur in den südamerikanischen Gebirgen und der nebligen, kühlen Pazifik­küste des südlichen Peru angebaut wurde. Noch heute liegt der Schwerpunkt der Kartoffel in den Anden von Peru bis Bolivien mit über neunzig Arten von Wildkartoffeln und ungefähr vierhundert angebauten einheimischen Kartoffel-Varietäten.

Eine in den 1920er Jahren durchgeführte ­Ex­-pedition unter Leitung des russischen Geneti­kers Niko­lai Ivanovitsch Vavilov fand die Ursprünge unserer Kultur-Kartoffel: Das Gebiet um den Titicaca­see in der Hochebene der Anden; zugleich ist dieses Gebiet das Genzentrum der Kartoffel

Die Heimat der europäisch-nord­ameri­kani­schen Kartoffel ist Peru und Bolivien. Mittel-Chile und die Insel Chiloé wer­den in man­chen Ver­öffent­lichun­gen fälsch­licher­weise als die Heimat der »Solanum tube­ro­sum subspec. andi­­gena«, eine Unterart der ­Kartoffel, genannt. Dies kann jedoch nicht sein, weil Süd-Chile erst nach der Umseglung des Kap Horn (1579) erobert wurde, und diese Unterart bereits um 1570 in Spanien auftauchte.

Die nächsten Ver­wand­ten unserer ­Speisekartoffel sind die amerikanischen Wildkartoffeln, von ­denen es zwischen Nebraska und Patagonien etwa 230 wissenschaftlich beschriebene Arten gibt. ­Chile ist mit nur einer Spezies (Solanum maglia MOL.) besonders arm an knollen­bildenden Arten;­ diese chile­nische Wildkartof­fel ist beschränkt auf die zentralen chilenischen Pro­vinzen zwischen dem 30. und 33. Län­gengrad, während die Insel Chi­loé etwa auf dem 43. Breitengrad liegt.

Der deutsche Kartoffel­botaniker Heinz Brücher von der Universität Mendoza/Argentinien wies dar­auf­hin, daß die von den Huiliche abstammenden Chilo­ten nur geringe ackerbauliche Fähig­keiten und Neigungen hätten, und es sei auch von daher nicht sehr wahrscheinlich sei, daß diese als erste Südamerikaner die ursprüngliche Kartoffel kultiviert hätten.

Vazquez de Espinosa berichtet andererseits im Jahr 1628, daß er auf der Insel Chiloé Getreide- und Bohnen­felder gefunden habe; Kartoffeln, und darauf kommt es an, werden von ihm aber nicht erwähnt. In der gleichen Region wurden drei ­weitere Kartoffelsorten gefunden: Solanum witt­mackii, Solanum vavilovii und Solanum medians. Auf Chiloé war einer der letzten Häfen der spanischen ­Schiffe in der Neuen Welt, die Holz nach Spanien brach­ten; unter den anders gearteten klimatischen Verhältnissen Euro­pas sowie durch gezielte Selektion entwickelte sich aus den hier gefundenen Kartoffeln unsere »Tubero­sum«-Kartoffel mit den reicheren Knollenerträgen.

Die alt-indianische Kartoffel hat vielfach eine läng­liche, gebogene bis ovale Form mit stark ausgeprägten Wülsten an den Keim­anlagen, während die heutige europäisch-amerikanische Kulturkartoffel eine rund-ovale bis lang-ovale Form mit flacher Augenlage aufweist.

Der Indianername »papa« ist nicht dauerhaft in die europäischen Sprachen eingegan­gen, er wird nur in ­frühen Kräuterbüchern verwendet – sicherlich ist kirchlicherseits nicht gewünscht worden, daß eine so »armselige« unter der Erde wachsende Pflanze mit dem Stellvertreter auf Erden gleich­gesetzt wird. »Papa« kann jedoch nicht herrühren von der spanischen Übersetzung von Papst, »el papa«, wie in verschiedenen Quellen zur Kartoffel nachzulesen ist, da die Knolle weiblich »la papa« ist. Es ist wahrscheinlicher, daß der Name »papa« von den südamerikanischen Indianern aus dem Amazonasgebiet (Francisco de Orelanna hatte behauptet, dort die mythischen Amazonen angetroffen zu haben) mitgebracht wurde; dort wird die Kartoffel als »Carica papaya« be­zeichnet. In den karibischen Sprachen wird die Knolle als »papay« oder »papaw« bzw. »paupau« bezeichnet. In Andalusien und der Estremaduras im Süden bzw. Südwesten Spaniens wurden die ­ersten in Europa angebauten Kartoffeln »papa« genannt.

Noch heute tragen einige Flecken an der West­küste Südamerikas Namen, die aus Wortverbindun­gen mit »papa«,»chaucha«, »chuño«, »tunta«, »poni« usw. bestehen und auf alten Kartoffelanbau ver­weisen.

Bereits Diego Alvarez Chanca und Ramon Paul, die den Columbus auf seinen Reisen be­gleiteten, schreiben in ihren Berichten von den süßen Kartoffeln und wiesen dar­auf­hin, daß diese von den Eingeborenen »age« genannt werden.

Auch Petrus Martyr de Angleria, in Südamerika für den in Sevilla sitzenden »Rat für die Indien« tätig, schreibt 1526, daß auf Hispaniola eine ­Knolle namens »age« wachse. Zum Zeitpunkt ihrer ersten Entdeckung war die Kartoffel, in »Neu-Granada«, wie das heutige Kolumbien genannt ­wurde, bereits eine lang bekannte einheimische Nutz­pflanze, also nicht mehr nur auf die Höhenlagen der Anden, auf Peru und Nord-Chile beschränkt.

Alexander von Humboldt zitiert in seinen »Ansichten der Natur« (1807) einen Obersten Acosta, der darauf verweist, daß es unwahr­schein­lich gewesen sei, die Kartoffeln aus Chile, Peru oder Quito nach»Neu-Granada«einzuführen und dort an­zupflanzen; richtiger sei, daß die Kartoffel in Usmé mit der Bezeichnung »yomi« bereits heimisch gewesen sei.

Auch das Gebirgs­gebiet (spanisch »Sierra« bzw. »altiplano«) von Peru und Bolivien, in dem die Tiahuanacos lebten, war hervorragend geeignet für den Anbau der Kartoffel, wesentlich bes­ser ge­eignet als Mais, für das erst künstliche Bewässerun­gen angelegt werden mußten. Der An­bau von Mais und Kartoffeln zur Ernährung der städtischen Bevölkerung waren notwendig für die südamerikanischen Theokratien und den damit ­verbundenen Gottes­diensten. Eine gesicherte Nah­rungs­grund­lage ermöglichte die Sakral­bauten. Neun Kartoffelsor­ten und vierzig Sor­ten Mais wurden hier an­gebaut.

Die Verbreitung der Kartoffel an der gesamten Westküste Südamerikas kann man auch daran erkennen, daß alle dort lebenden Völker eigene Bezeichnungen für die Kartoffel entwickelt hatten.

 
Im Andengebiet spielten vier Kartoffelsorten (Solanum stenototum, Solanum phureja, Solanum go­nio­calyx oder »papa amarilla«, Solanum ajahuiri) unddieSüßkartoffel,einWindengewächsmit schmackhaften Knollen, schon in frühester Zeit eine bedeutende Rolle in der Ernährung der Bevölkerung. Der Anbau von Mais und Kartoffeln hat die ur­sprünglich noma­di­schen Völker in niederschlagsarmen Gebieten mit künst­licher Bewässerung seß­haft gemacht. In vorgeschichtlicher Zeit haben die Humahuanca in den nord­argentinischen Kordilleren neben Bohnen, mehreren Kürbis­arten (Cucur­bita pepo bzw. C. maxima), Mais, Kartof­feln auch andere Knollenfrüchte wie oca (Oxalis tuberosa), einem Sauerklee­gewächs, und ulloco (paga­lisa, eine Art Basellacea) angebaut.

Seßhafter Ackerbau war wahrscheinlich seit mehr als neuntausend Jahren in Peru bekannt, gleich­zeitig mit der Alten Welt im Nahen Osten. Kürbis war wohl die erste Pflanze, die systematisch an­gebaut wurde. Angebaut wurden ferner verschiedene Garten- und Lima­boh­nen, Moschus- und Flaschenkürbis, Lupinen, Erd­nüsse, Mate, Koka, Baum­wolle, Agavefasern, Lúcuma, Guayave. Ge­erntet wur­den ferner wildlebende Pflanzen. Mais – seit etwa 5000 Jahre v. Chr. als Kultur­pflanze bekannt – spielte in der Ernährung der Südamerikaner erst eine bedeutende Rolle, als die »Nixtama­lisation« (wahrscheinlich von den Olmeken) eingeführt wurde; »Nixtamalisation« bedeutet, daß die Körner zusammen mit weißem Kalk oder Holzasche gekocht und über Nacht abgekühlt werden und dann erst geschält und gemahlen wurden, um so einen glatten Teig zu erhalten.

Quechua-Indios verzehrten und verehrten bereits vor der Inka-Herrschaft die Knollen. Die Feldarbeit war bestimmt durch eine religiös begrün­dete Arbeits­teilung zwischen Mann und Frau: So gehörte die Arbeit mit und für die Kartoffel den Frauen, da die Knolle als Fruchtbarkeits-Symbol durch»Mutter­ Erde« (in quechua: pacha mama) repräsentiert ­wurde.

Die schönsten Plastiken, so behaupten Kunst-Kenner, stammen aus der frühen Chimú-­Perio­de (um 400 n.Chr.). Das Chimú-Reich lag an den nörd­lichen Küsten Perus, mit einer Aus­dehnung von etwa eintausend Kilometern; die Hauptstadt Chan-Chan mit einer Fläche von gut achtzehn Quadrat­kilometer lag im Moche-Tal.

Die Kartoffel galt als lebensspendende Göttin. Die Spanier behaupteten, daß bei (Kartoffel)ernte-Festen sogar Menschen geopfert wurden, um die Göttin huldvoll zu stimmen. Pedro de Cieza de León zitiert einen Priester, der 1547 in Lampa im Colloa beobachtet haben will, daß bei einem Ernte­dankfest ein einjähriges Lamm geschlachtet ­wurde; dies sei der Beweis (so Wilhelm F. K. Fueß), daß
    »17 Jahre nach der Eroberung des Inkareiches durch die Spanier das Menschenopfer durch eine Opferung von Tieren abgelöst war. Das stärkende Blut aber wurde direkt vom Opfer­tier auf die Saatkartoffeln übertragen.«

Krüge und Kultgefäße in Kartoffelform sind als Grab­beigaben gefunden worden. Die den Gräbern beigelegten Tongefäße mit Kartoffelmotiven ­lassen sich in zwei Gruppen unterscheiden:

– zum einen Gefäße in Kartoffelform (zumeist geschichtlich frühere Erzeugnisse)

– und zum anderen menschliche Figuren (meist männlich), deren Gesicht oder Körper mit den charak­teristischen Keimaugen der Kartoffel verziert sind.

Die Grabfunde sind so zahlreich, daß es möglich ist, sie nach verschie­de­nen Stilepochen und Kunstperioden zu unterteilen.

Dem JesuitenpaterArriaga war es ein gottgefälli­ges Werk, alle Kultgeräte und Kultgefäße und die bei der Suche nach Gold (Lope de Vega: Golosina del oro, Goldgier) und Silber gefundenen Grabbeigaben zu zerstören. 1621 berichtet er von dem Glauben der Einwohner, die in den Pflanzen Gottheiten (»dämonische Wesen«) leben sahen, die Wachstum und Ernte beeinflußten; die zara-mama war die Gottheit des Mais’, die axo-mama die der Kartoffel und die coca-mama das Dämonische im Kokastrauch.

Die Verbindung der Kartoffel mit der Frau ist auch zu finden bei der Chitimacta-Nation am Mississippi, die sich vorwiegend vegetarisch ernährten. Insbesondere die Kartoffel mit ihrer vegetativen Vermehrung führte bei den prä-colum­bia­ni­schen Einwohnern Südamerikas zu dem Glauben, daß die Pflanzen ihre Vermehrung selbst veranlaßten und durchführten. Der in der Pflanze lebende Dämon oder Geist »forderte« denn auch einen Anteil an der Ernte. Damit haben die Inka-Priester, ihre tägliche Kartoffel geliefert bekommen, ohne selbst arbeiten zu müssen – eine Art außereuropäischer Zehnter. Solche Gott­heiten wurden in Form auffällig aus Ton geformter Kartoffel-Symbole (bei Mais auch als Doppelkolben) angebetet und als Frucht­bar­keitszauber angesehen.

Die Ureinwohner brauten sich ein alkoholhaltiges Getränk auf der Grundlage von Mais, Quinoa und Kartoffeln. Dieses»Bier«, »Chakta«, wird noch heute in Peru hergestellt und angeblich bei jeder Fiesta genossen; bei den Inkas war es reserviert für besonders anstrengende Arbeiten, notierten die Spanier.

Der aus einer peruanisch-vorspanischen Adelsfamilie (die Mutter war angeblich eine Inka-Prinzessin aus dem Stamm der Quechue, der Vater ein spanischer Soldat) stammende Felipe Huamán (alte Schreibweise Guaman) Poma de Ayala beschreibt 1613, daß diese Art von Fruchtbarkeits-Symbolen auch als sog. »huancas«, als Familiengott­heiten, dienten.Poma de Ayala (nach seiner ­Mutter ­müßte er richtigerweise Huaman Poma Curi Occlo heißen) zeichnete in seiner »Nuevo cronica y buen gobior­no« u. a. das Kartoffellegen bei den prä-columbia­ni­schen Einwohnern und die dazu verwendeten Gerätschaften, deren Form sich bis ­heute nicht verändert hat. Sein handgeschriebenes Werk (in spanisch mit vielen indianischen Bezeichnungen) enthält neben historischen und ethnographischen Informationen einen voll­ständigen Kalender des bäuer­lichen Jahres und Zeichnungen aus der Land­wirt­schaftsarbeit.

Die Hoffnung Poma de Ayalas, mit seinem anklagenden und kritischen Werk die Aufmerksamkeit des spanischen Hofes zu erwecken und Hilfe für sein Volk zu erhoffen, erfüllte sich natürlich nicht; »Nuevo cro­nica« ging verloren und wurde erst 1936 durch das französische »Institut für Ethnologie« wiederentdeckt und als wissenschaftliche Edition im Faksimiledruck veröffentlicht.

 
Auch der von Inka-­Herrs­chern abstammende Garcilaso de la Vega beschrieb Ende des 16. Jahrhunderts die Lebensweise, die Riten und die politisch-soziale Organisation der Inka und die Lebensmittel. Die Bewohner der Ortschaft Kol’ao ­feierten jeweils nach der Kartoffelernte ein Dorffest, zu dem alle Mütter ihre seit der letzten ­Kartoffelernte geborenen Kinder auf einen öffentlichen Platz im Ort bringen mußten; dort wurde ihnen quer über das Gesicht ein Zeichen aus dem Blut eines zuvor geschlachteten Vicuña an­gebracht.

Ein anderes Fest, am St. Antonius-Tag (13. Juni), soll immer mit einer blutigen Schlägerei verbunden gewesen sein und die Frauen (!) hätten die blutgetränkte Erde auf die Kartoffelfelder gebracht; bei einem weiteren Fest sollen chuños in die Wunden getaucht worden sein und diese blutige Speise­ sei »mit ekelerregender Gier« gegessen worden. Ja, solche Leute mußte man doch verbrennen!

Die Kartoffel in Südamerika und der Mais in Mittelamerika ermöglichten es, daß die theokratischen Herrscher auf dem amerikanischen ­Kontinent die heute so bewundernswerten Monu­men­tal­­­bauten errichten lassen konnten, da beide Pflanzen wenig Zeit für Pflanzung und Ernte beanspruchen und die Bauern somit die Zeit hatten, die sie für Tempel- und Pyramidenbau aufbringen mußten.

Die Kartoffel als Volksnahrung – wie im heutigen Peru und Bolivien als Planta Nacional – war Voraussetzung für die hochstehende Kultur: Mathe­matik (mit Verwendung der Null), Astronomie (am höchsten entwickelt), Chronologie (mit einem Zyklus von fünfundsechzig synodischen Venus­umläufen) und für die Herstellung von Kunst- und Kultgegen­ständen. Alexander von Humboldt beim Besuch des Inkapalastes von Cañar: »Wir haben kein Recht, dieses hoch­kultivierte Volk barbarisch zu nennen.«

Die Ärzte waren in verschiedenen Fach­richtun­gen spezialisiert, die sich in Vereinigungen zusammenfanden; es gab Zahnärzte, Chirurgen, ­Augen­ärzte, Ader­lasser und Darmspezialisten. Es gab Berufe wie Hebammen und»Apo­the­ker«, die aus dem reich­haltigen Angebot von tierischen, pflanzlichen und mineralogischen Rohstoffen Arzneien herstellten oder bestimmte Nahrungs­weisen vorschrieben, zum Beispiel die Kartoffel bei Fettleibigkeit. Bei Kopfweh wurde trepaniert, wenn die um den Hals getragene Kartoffel nicht mehr half. Die Kinder des»Sohnes der Sonne« und des Adels wurden in be­sonderen »Wissenshäusern« unterrichtet; medizinische Unterweisungen gehörten zum Lehr­­stoff der religiösen Elite.

Unweit des Titicacasees liegen die Ruinen von Tiwanaku. Zwischen dem zweiten und dem zehnten Jahrhundert lag hier die Hauptstadt einer vor-inkaischen Hochkultur mit mehr als vierhunderttausend Bewohnern (heute weniger als fünfzigtausend). Diese Menschen lebten überwiegend von Kar­toffeln. Sie hatten mehrere zehn bis hundert Meter lange parallel ver­laufende Kanäle angelegt, und den Aushub häufelten sie zu bis zu zehn Meter­ breiten Hügeln zwischen diesen Kanälen, auf deren ebene Fläche sie dann die Kartoffeln (aber auch Quinoa) anpflanzten.

Bei den archäologischen Unter­suchungen, begonnen 1981 durch Forscher der Universität Chi­cago und dem bolivianischen Archäologie-Institut, stieß man auf ein System von Kanälen, Dämmen und Wasserreservoiren, das sich über insgesamt dreiundvierzig Quadrat­­kilometer erstreckte; das Kernstück dieser Anlage war ein etwa fünfundzwanzig langer Kanal von zwölf Metern Breite und drei Metern Tiefe.

Eine Trockenphase zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert und der Einfall der Konquistadoren im 16. Jahrhundert zerbrach die soziale­ Struktur der dortigen Gesellschaft, und das Kanal- und Anbausystem geriet in Vergessenheit. Hier am Titi­cacasee ent­wickelten die Aymara über zweihundert Kartoffel-Varietäten.

In einigen Regionen der Anden richten sich die Bauern bei der Pflanzung ihrer Kartoffeln noch heute (oder schon wieder?) erfolgreich nach den Sternen. Wenn die Plejaden im Juni nur schwach am Nachthimmel sichtbar sind, ver­schieben die Indigenes den Anbau um vier bis sechs Wochen; dadurch verhindern sie, daß die Knollen unter Trocken­heit leiden. Wie sich bei Unter­suchungen von Meteorologen der Universität in Davis (Kalifor­nien)­ zeigte, gibt es tatsächlich einen engen Zusammenhang zwischen der Sichtbarkeit dieser ­Sterne und der Witterung in den peruanischen bzw. bo­li­vianischen Anden: Ver­dunkeln im Monat Juni keine Cirruswolken den Nachthimmel, ist kein El Niño zu er­warten, und die Regenperiode beginnt wie üblich.

Die private Entwicklungsorganisation»Centro ideas« prüfte am Anfang der 1990er Jahre, inwieweit dieses Landwirt­schafts­system erfolgreich sein kann; nur durch Wieder­belebung alter Anbau- Metho­den könnte – so die Forscher – festzustellen sein, wie erfolgreich sie war. Nach anfäng­lichen Schwierigkeiten seitens der Aymara-Indianer gelang es, Frauen aus dem Dorf Chukara zu über­zeugen, daß die Pacha-mama, Mutter Erde, nichts gegen diese Form des Anbaus haben könnte,­ da doch bereits die Vorfahren ihre Kartoffeln so anpflanzten. Der Versuch verlief so erfolgreich, daß inzwischen fünfzehn­tausend Hektar Land mit der alten indianischen Anbaumethode bepflanzt werden; während im Hochland im Durchschnitt nur 2,5 Tonnen Kartoffeln je Hektar geerntet werden können, liegt auf den wiederbelebten Felder die Ausbeute zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Tonnen und – was fast noch wichtiger war – die Kartoffelfelder werden weniger durch Frostschäden beeinträchtigt, da durch das Hügelsystem schützende Nebel­glocken entstehen.

Das Anlegen von Terrassen für den Anbau von Mais und Kar­toffeln zur Verpflegung der Bevölkerung führte jedoch auch dazu, daß die Wälder auf den Höhenzügen der Anden (bereits vor den Spaniern) vernichtet wurden, so daß die Böden erodier­ten und unbewohnbar wurden; die anwachsende Bevölkerung zwang zur steten Ausweitung der Anbauflächen und damit zur Vernichtung der Wälder. Im Kriegsfall oder bei der Unterdrückung von Aufständen wurden die Lagerhäuser der Inka rechtzeitig gefüllt mit Waffen, Bekleidung und ge­trockneter Nahrung: Kartoffeln, Mais und Quinoa – so steht’s 1628 in einem Bericht vonVazquez de Espinosa.

 
Kartoffeln, denen das Wasserentzogen wird, halten sich lange Zeit. Die in unseren gemäßigten Klimazonen üblichen vier Jahreszeiten fehlen in Äquator­­nähe; auf die Regenzeit folgt eine gleich lange Trockenperiode mit starken Temperaturschwankungen. Die Völker in den Anden haben unter diesen extremen klimatischen Bedingungen des andini­schen Hochlandes des­halb Kartoffeln nachts im Freien auf Gras- oder Strohunterlagen gelagert und damit gefriergetrocknet und am Tage, in der Sonne, wieder auftauen lassen; dabei verdunstete das in der Kartoffel reichlich vorhandene Wasser. Ein Wechsel von Nachtfrost und Sonnen­­einstrah­lung zerstört die Zellstruktur der Kartoffel. Für die Herstellung von chuños oder tuntas (auch chochoca genannt) werden noch heute frostharte Kartoffelsorten verwendet, die noch in ­Höhen von 5000 Meter wachsen, aber unbehandelt ­wegen ihrer Bitterstoffe nicht genießbar sind.

Neben ­chuños und tuntas wurde noch eine weitere Art dehydrierter Kartoffel­konserven, die moraya, hergestellt. Auch hierfür werden die Kartoffeln erst gewässert und dann getrocknet. Die moraya sind – wie die chuños dunkelbraun. Diese Trockenkartoffeln wurden vor dem Einfrieren gekocht, dann gepellt und den Nachtfrösten aus­gesetzt. Die mehrmalige Durchführung dieser Gefrier-Auftau-Methode (slow-frozen food?) entzog der Kartoffel das Wasser vollständig, man erhielt getrocknete, bis zu vier Jahren haltbare»Kartoffeln«, die durch Einweichen wieder eßbar wurden; freund­liche Frauen treten barfuß auf die Knollen und pressen dadurch das Wasser heraus (wie früher im Weinbau).

Diechuño-Knolle, wohl das erste Kartof­fel­verarbei­tungs­­produkt, wurde auch als ein für die feuchtwarme Küstenregion bestimmtes Tausch- und Handelsobjekt ver­wendet. Im Inkareich dienten chuños zur Ver­sorgung der Truppen; in seiner »Crónica del Perú« berichtetPedro de Cieza de León von Tributleistungen, die statt Mais auch in Form von getrockneten Kartoffeln geleistet wurden. Die Her­stellung von Trocken­kar­tof­feln der be­schriebe­nen Art war notwendig für eine ganzjährige Versorgung mit Nahrungs­mitteln, da die wasserreiche Kar­toffel­knolle nur begrenzt haltbar ist.

1785 heißt es in einem der Bücher der deutschen Hausväter-Literatur:
    »... man kann auch die Kartoffeln trocknen und sie in getrocknetem Zustande aufbewahren. Es werden nämlich die Kartoffeln gar ge­kocht, und wenn sie erkaltet sind, ab­geschält und in dicke Scheiben zerschnitten. Wenn das Brod aus dem Backofen gezogen und der­selbe etwas verschlagen ist, werden die Kartoffeln in dem Herd aus­­gebreitet, daß sie völlig trocknen. Diese gedörrten Kartoffeln hebt man in Beuteln oder Tonnen auf, und hat daran eine der bereitsamsten Dauerspeisen.«

Anfang des 20. Jahrhunderts wird in Deutschland die Trockenkartoffel noch einmal erfunden. Ältere Berliner können sich sicherlich daran er­innern, daß in der Blockadezeit nach dem zweiten Weltkrieg geschnitzelte Trocken­kartoffeln mit die Hauptnahrung bildeten.

Chuños sind neben den kartoffelförmigen Tongefäßen den Toten bei­gegeben worden. Erhalten geblieben sind schwarze bzw. schwarz-braune und weiße chuños aus der Inka-Zeit, wobei diese der Theokratie vorbehalten blieben; hier sind die Spanier von ihrer Abneigung gegen indianische Kost abgewichen: Nur die weißen Trockenkartoffeln wur­den in der spanischen Küche geschätzt und zur Mehlherstellung genutzt. Montaigne »Über die Menschen­fresser«:

    «Anstelle von Brot essen sie eine bestimmte weiße Masse, ungefähr dem eingemachten Koriander gleich. Ich habe davon probiert: der Geschmack ist süß, aber ein wenig fad.«

Chuños bestehen aus nur noch rund fünfzehn Prozent Wasser, sechs Prozent Rohprotein, ein halbes Prozent Rohfett, eineinhalb Prozent Rohfaser und fast fünfundsiebzig Prozent stickstofffreie Extraktstoffe.              nach oben

Auf der Hochebene von Nazca, etwa seit 200 v. Chr. besiedelt, entdeckten Mitarbeiter der »International Explorers Society« in den 1930er Jahren Feuer-Gruben (neben der fast fünfzig Meter großen»Spinne von Nazca«), in denen neben Geweberesten auch Kartoffelschalen zu finden waren. Die Hersteller der riesigen Zeichnungen haben sich demnach auch mit Kartoffeln verpflegt. Auf einem bereits etwa aus dem vierten vorchristlichem Jahrhundert stammenden Lederstück haben Künstler der Nazca-Kultur eine Kartoffel abgebildet. Der Kartoffel-Gott hält in jeder Hand eine Kartoffelpflanze.

In Nord-Peru, in der etwa von 850 bis zu den Plünderungen durch die Spanier (Mitte des 16. Jahrhunderts) bestehenden Mochica-Kultur (die Spanier nannten sie auch Yunga), wurde auf Grundlage von Vogel-Guano (von quanay Kormoran) bzw. Lamamist und Wasser hauptsächlich Mais, der zwei-, dreimal im Jahr geerntet werden konnte, angebaut. Nachgewiesen wurde aber auch der Anbau von Kartoffeln und Süßkartoffeln, von Yuka, Kürbissen, Chilipfeffer, Ananas, Zimt und Bohnen. ­Städte wie Gallinazo im Viru-Tal und andere Orte mit bis zu zehntausend Einwohnern mußten versorgt werden.

Aus der knolligen Wildpflanze haben die Südamerikaner vorColumbus, Pizarro und Cortés zwei- bis dreitausend Kartoffelsorten entwickelt. Die heute vorkommende Art trägt den Namen »Solanum Tuberosum subspecies Andi­gena«, die bereits vor vielen tausend Jahren entwickelt wurde. Interessant ist, daß die andinische Knolle der Inkas nicht ins Aztekenreich vordringen konnte; der Isthmus von Panama stellte für die im Hochland der Anden lebenden Kartoffelbauern eine nahezu unüberwindbare Barriere von undurchdringbaren Urwäldern dar.

Apropos Wildpflanze: »Die Republikaner« (»der zum Gespött am Montag herunterredigierte SPIEGEL schreibt in einem anderen Zusammenhang: »haar- und hirnlose Gesellen vom rechten Ufer«) »warnt« in ihrem­ Parteiprogramm von 1993 »vor einer zu­nehmenden Ge­fähr­dung der mitteleuropäischen Flora« durch »außereuropäische Wild­pflanzen« – dabei war Bayern, Heimat der Republikaner, die erste Provinz, die in Deutsch­land Kartoffeln feldmäßig anbaute, und das wird 1997 mit einer Sonder-Briefmarke der Deutschen Bundespost gewürdigt. Und: Alle Menschen sind fast überall Ausländer – auch die Kartoffel ist ein Aus­länder.

Und, bitte, nicht ver­gessen: Nicht nur ­die Dunkel­­­häutigen stammen von den afrikanischen Khoi­­­­sa­­­niden ab.

 
Heute erwirtschaften die indigenen ­Kleinbauern mit ihren Familien den Hauptteil der Nahrungsmittel in Peru, obwohl sie zumeist über die schlechteren Böden verfügen und »nur« mit ­traditioneller Technologie arbeiten, Pestizide und Kunst­dünger können schon aus Geldmangel nicht ein­gesetzt werden. Da Lebensmittelimporte zugunsten der städtischen Bevölke­rung subventioniert werden, liegt im Ursprungsland der Kartoffel der Markt­preis unter den Gestehungskosten; Kartoffeln über den eigenen Bedarf hinaus zu produzieren, lohnt nicht. Es lohnt jedoch, die Ackerflächen in den Bergen – wie in Kolumbien – mit Coca-Sträuchern zu bepflanzen und damit einen Beitrag zu leisten für die Selbstvernichtung der Yankees. Der »Leuchtende Pfad«, die ursprüngliche Selbstverteidigungs und Befreiungsorganisation der Bauern, ist zu einer kriminellen Bande geworden, der Staat in der Zeit des japanisch stämmigen Alberto Fujimori gleichfalls.
 

Die indianische Ur-Bevölkerung lebt – fünfhundert ­Jahre nach Columbus und dem Einfall der Europäer – am ­Existenzminimum und muß sich als Saison-Wanderarbeiter verdingen, um Geld zu verdienen. Oder muß – was für alle Betroffenen auch nicht besser ist – in den Fuß­gänger­zonen der immer unwirt­licher werdenden Städte Nordeuropas mit Poncho, Pauke und Bambus­­flöte den Kondor beschallen.

 


Anmerkungen

 

1 Mehr bei Jared Diamond: »Arm und Reich – Die Schick­sale menschlicher Gesell­schaften«                   zurück

 

2 Damit ist systematische Landwirtschaft in Südamerika vergleichbar mit den frühen Agrargesellschaften im »Fruchtbaren Halbmond« (im Norden von Iran und Irak, Teile Syriens ­und der Türkei), der als Wiege der europäischen Landwirtschaft gilt; im Neolithikum entwickeln die »Bandkeramiker« aus wilden Gräsern die Vorläufer unserer heutigen Getreidesorten; nach einer Theorie zur Entstehung der Landwirtschaft entwickelten sich die ersten domestizierten Pflanzen wahrscheinlich auf dem Abfallhaufen, aus weggeworfenen oder wieder ausgeschiedenen Samen wilder Pflanzen, die aus irgendeinem Grund gesammelt und gegessen wurden. Später erst entwickelte sich der gezielte Anbau, der – nicht nur bei der Kartoffel – zu einer dauerhaften Ko-Evolution von Mensch und Flora wurde.

 Ackerbau entwickelte sich in Mittel­amerika (mit Mais, Bohne, Kürbis, Truthahn um etwa 3500 v.Chr.), Südamerika (mit Kartoffel, Ma­niok, Lama und Meer­schweinchen um ebenfalls 3500 v.Chr.), Nordamerika (mit Sonnen­blume und Gänsefuß um 2500 v. Chr.), China (um 7500 v. Chr. mit Reis, Hirse und Schwein), in der Sahelzone (um 5000 v. Chr. mit Sor­ghum, afrikanischem Reis, Hirse und Perlhuhn), in Westafrika (um 3000 v. Chr. mit Yams und Ölpalme) sowie in Vorderasien um 8500 v.Chr. mit Weizen, Gerste, Erbsen, Schafe, Ziege, Rind und Hausschwein). Neue Untersuchungen in Myanmar (Birma) ergaben, daß dort bereits um 9750 v. Chr. Gemüse angebuat wurde.

 Von den 56 Wildgräsern mit dem höchsten Nährwert – so haben DNS-Analysen ergeben – wuchsen 32 im Nahen Osten, elf in Nordamerika, vier in Schwarzafrika und zwei in Australien. ­Diese ursprüngliche Verteilung der Zuchtpflanzen (wie auch der domestizierbaren Tiere) sei Ur­sache – so Jared Diamond – für die unterschiedliche Entwicklung der Gesellschaften.

 Nach neuesten Untersuchungen hätten sich aufgrund der unterschiedlichen landschaftlichen Entwicklungen – verursacht durch Staubregen während der letzten Eiszeit auf weite Teile Europas, nicht jedoch auf Nordrußland, Finnland und Estland, wo sich deshalb kein nennenswerter Lößboden entwickeln konnte – die Menschen in Ackerbaugesellschaften mit mehr oder weniger festen Kontakten untereinander und in Jägergesellschaften getrennt. Aus diesen beiden Hauptgruppen hätte sich einerseits die indo­europäische Sprache der Ackerb­auern und andererseits die finno-ugrische Sprache gebildet.                            zurück

 

3 Der Rewe-Chef Hans Reischl 2003: »Wer sich nur über Discounter versorgt, der verarmt – im Blickwinkel wie im Geschmack.« Damit meint Reischl, daß abwechslungs­reiche Qualität nicht zu Preisen hergestellt werden kann, wie sie Aldi, Penny und Co. für ihre Angebote verlangen. In einer Büchse mit zehn Würstchen für 99 Cent kann kein Fleisch enthalten sein!                          zurück

 

4 Chile verdankt seinen Namen dem spanischen Eroberer Diego de Almagro. Er nannte das Mapocho-Tal »Valle de Chile«. In der Sprache der indigenen Aimarás heißt »Chilli« »das Land, wo die Erde aufhört«. Das verwandte Wort »chiri« aus der Sprache der Quechuas bedeutet »kalt«. 

Peru verdankt seinen Namen dem Spanier Pascual de Andagoya, der 1522 an der kolumbianischen und ekuado­rianischen Küste entlangfuhr und schließlich ein Gebiet erreichte, das nach Auskunft der Bewohner zu ­einem mächtigen Reich gehörte. Nach dem einheimischen Namen ­eines kleinen Wasserlaufs nannte de Andagoya das geheimnisvolle Territorium »Birú«.

Das Inka-Reich hieß eigentlich in quechua »Tauantinsuyu« und bedeutet »Reich der vier Weltgegenden«. Es gliederte sich in vier Regionen, »suyu«: Chinchasuyu, Contisuyu, Collasuyu und Antinsuyu, die jeweils in einer Himmelsrichtung von der Hauptstadt Cuzco als Mittelpunkt lagen. Inka war der Titel der Herrscher und Oberpriester dieses Reiches. Der letzte Inka war Atahualpa. Nach dem Inka-Herrscher Tupac Amarú nennt sich die Befreiungs- und Terror-Organisation »Leuchtender Pfad« in Peru.              zurück

 

5 Chili wird als scharf empfunden, weil das in der Pflanze enthaltene Alkaloid Capsaicin (eine Verteidigungswaffe gegen allzu gefräßige Räuber) Hitze-Rezeptoren dadurch aktiviert, daß besondere Eiweißstruk­­tu­ren auf der Oberfläche von sensorischen Nerven angeregt werden. Folge ist eine Depolari­sie­rung der Zellmembran – der Nerv sendet ein Schmerzsignal an das Rücken­mark. Darum rufen scharf gewürzte Speisen ein Brennen im Mund hervor. Chili – reich an Vitamine A und C – wurde erstmals vor etwa 3000 Jahren in Bolivien domestiziert und war für die Azteken neben Mais und Bohnen das wichtigste Grundnahrungsmittel.  

Bemerkenswert ist, daß sich bei Hühnerküken, deren Futter 20 ppm Capsiacin beigemischt werden, die Widerstandskraft gegen Salmonellen deutlich erhöhte; im Darm der Tiere kommt es zu einer leichten Entzündung, die die Salmonellen hindert, sich an der Darmwand festzusetzen. Durch schlichten Pfeffer könnten demnach Antibiotika gespart werden. Aber einfache Lösungen sind natürlich nichts für die Tiermedizin-Fabrikanten. 

Chili bzw. chilli wird auch bezeichnet als scharfer oder ­süßer oder grüner Pfeffer oder als Paprika oder Cayenne-Pfeffer; es ist immer solanum capsicum             zurück

 

6 »Latein-Amerika« heißt Südamerika erst, seit Kaiser Napoleon III. in den 1860er Jahren versuchte, mit Kaiser Maximilian II. eine »latei­nische Liga« als Gegenpol zum nordamerikanisch-protestantischen Yankee schaffen wollte.                    zurück

 

7 Die Inkas pflanzten auch eine bestimmte Arten von Bäumen, zum Beispiel Ulmen und Erlen (Alnus acuminata). Die Symbiose von Baumwurzeln mit stickstoffoxidierenden Bakterien fördert wird die Nährstoffversorgung. Als in ­Europa die Brandrodung noch weithin üblich war, wurde bei den Inkas das unerlaubte Fällen von Bäumen und das Verbrennen von Holz durch hohe Strafen unterbunden. In der Mythologie der Irokesen-Nation gab es drei unzertrennliche Schwestern: Kürbis, Mais und Bohnen, die stets zusammen angepflanzt wurden. Wenn Mais austreibt, entwickelt er einen starken Stengel, an dem die Bohnen sich emporranken können, während die Kürbisse sich am ­Boden breit und alles platt machten, was Wildkraut war.                         zurück

 

8 In dem von Vavilov 1920 gegründetem Pflanzenforschungs­institut in St. Petersburg wurden während der 900tägigen Be­lagerung der Stadt durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg zwar die Ratten, nicht aber die aus Südamerika von Vavilov und seinen Kollegen mitgebrachten Kartoffeln gegessen, die in einem ­Krankenhaus ausgelagert waren; angeblich hätten die ­Patienten ihre Stühle verheizt, damit die Knollen nicht erfrieren. Stalin ließ Vavilov ermorden, da seine Botanik im Widerspruch zur herrschenden Auf­fassung stand.  

Jetzt steht das Institut vor der Schließung, weil die russische Regierung des aus St. Petersburg stammenden Putin die umgerechnet etwa zwanzig Euro je Woche (für Personalkosten) für die Erhaltung der Kartoffeln nicht mehr ausgeben will. In dem Archiv lagern heute etwa 190 russische Knollen­züchtungen und rund 2500 Wildkartoffeln; sie bilden ­einen einzigartigen Genpool, der für die Er­forschung der Kartoffel-Krankheiten oder die Züchtung neuer Sorten einen unschätzbaren Wert darstellt.  

Das Institut verrottet; es mangelt an einer ausreichenden Wasserversorgung und gutem Gewächshausboden. Wissenschaftler der US-amerikanischen Cornell-Universität wollen die wertvolle Sammlung mit über zehntausend Pflanzen retten – natürlich nicht ganz selbstlos.                        zurück

 

9 Aus dem Aymarábegriff »titi«, Puma, und der Quechua­vokabel »caca«, Felsen, also der Puma-Felsen-See. Die ­große Fläche des Sees (mit 8600 Quadratkilometer der größte See ­Südamerikas) mildert das Klima an seinem Ufer und läßt deshalb noch in der Höhe von rund 4000 Meter Kartoffeln, Mais, ­Bohnen und Quinoa gedeihen. Im Umkreis des Sees lebten bis zum rätselhaften Untergang der dortigen Hochkultur von Tiahuanaco im 13. Jahr­hundert vermutlich mehr als zwanzig­tausend Menschen, die ihre Äcker mit einem aus­geklügelten Kanalsystem ­bewässerten.                           zurück

 

10 Die Genzentren der wichtigsten Kulturpflanzen sind:

 – Gebirgiger Teil von China, Nepal und angrenzenden

Gebieten: Gerste, Soja, Phaseolus, zahlreiche Cruci­feren (u.a. Brassica chinensis; Rettich), Teestrauch­, Gurken, Prunus-, Pyrus-, Malus-Arten.

 – Vorder- und Hinterindien, Südostchina, Siam:

verschiedene Tropen­pflanzen, Reis, Zuckerrohr, Hibiskus, Jute, Baumwolle, verschiedene Legu­minosen, Sesam. 

Mittelasien (Tienschan bis Hindukusch, Nordwest­himalaya, Punjab): Triticum-Arten, kleinsamige Formen der Erbse, Erbse (Pisum sativum), Linsen, Vicia faba, Lathyrus sativus, Cicer (Kichererbse), Linum (Lein), Raphanus sativus (Radieschen), Spinat, Küchen­­zwiebel, Knoblauch, Rüben. 

Vorderasien, Transkaukasien bis Zentralanatolien und Palästina: Ein­korn, Hartweizen, Saatweizen, zweizeilige Gerste, hexaploider Kultur­hafer, Luzerne,­ zahlreiche Obst­sorten 

Randgebiete des Mittelmeeres: Emmer, Hartweizen, Spelzweizen, Avena-Arten, großkörnige Typen von Hordeum vulgare (Gerste) gemeinsam mit Linsen angebaut (was, beides zusammen geerntet, gedroschen und zusammen vermahlen, ein nahrhaftes Brot ergab), Erbse, Bohnen, Kichererbse, Lupine (Lupinus luteus), Trifolium-Arten (Klee), Spargel, Rote Rübe, Linum ustilagum (großsamige Sorten), Raps, Kohl­rübe, gelber Senf, Ölbaum, eine Anzahl von Gemüsearten (Peter­silie, Rhabarber, Porree, Endivie, Zichorie, Schwarz­wurzel, Pastinak, Sellerie). 

Abessinien (Äthiopien), Eritrea: tetraploider Weizen,­ bespelzte Gerste, Hafer, ver­schiedene Hirsearten, Flaschenkürbis, Kaffee, Dattelpalme.  

Südmexiko, Mittelamerika: Mais, verschiedene Bohnenarten (Phaseo­lus vulgaris, Phaseolus multi­florus), ­Batate, Baumwolle, verschiedene Kürbis­arten, Sisal, Tomate, Paprika, Bauerntabak (Nicotiana rustica), Kakao­­baum. 

 – Südamerika (Anden, Peru, Ekuador, Bolivien): Mais, Kartoffel, Tomate, Kürbis, Tabak, Baumwolle, Erdnuß, Ananas. 

Die zehn größten Pflanzen-Genbanken der Welt (nach »Life Count«) nach Anzahl der Samen und anderer Erbgut-­Proben, die sie aufbewahren:

1. Peking,

2. Fort Collins (USA),

3. Braunschweig/Gatersleben,

4. St. Petersburg,

5. Tsukuba (Japan),

6. Suwón (Südkorea),

7. Saskatoon (Kanada),

8. Brasilia,

9. Bari (Italien) und

10. Addis Abeba. 

Das Kartoffel-Forschungszentrum in Lima hat rund 4500 Kar­toffelsorten in vitro und Samen von elfhundert Kartoffel-­Wildarten-Sorten; die im » Centro Internacionale de la papa« (CIP) liegenden Süßkartoffelsorten umfassen fünftausend Nummern in vitro und etliche Samen.  

Inwieweit das Kartoffelforschungszentrum tatsächlich seine ursprüngliche Ziel­setzung noch erfüllt, mag füglich angezweifelt werden. Gegründet wurde es ursprünglich, weil man der Züchtung des Wunderreises und des Wunderweizen (beide mit deutlich höherem Ertrag gegenüber bisherigen Züchtungen) nun auch die Wunderkartoffel züchten wollte. Also gingen zwei Wissenschaftler zur Rockfeller-Stiftung und schlugen die Gründung eines entsprechenden Forschungszentrums vor, vernünftigerweise in dem Land, aus dem die Kartoffel kommt. Der Leser kann sich vor­stellen, welche Freude bei der Stiftung aufkam, nun endlich wieder einmal Geld in großem Stil ausgeben zu können und so wurden rasch die erforderlichen Millionen für die gute Sache zur Verfügung gestellt. Die vorgebliche Zielgruppe, Kartoffel-Bauern, wurde nach und nach vergessen und heute wissen die im CIP arbeitenden Wissenschaftler immerhin, warum sie da sind: Um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Aber ungeachtet dieser Kritik: Die Bundesrepublik Deutschland, eines der ärmeren Länder dieser Welt, strich im Zuge der allgemeinen Sparmaßnahmen Ende der 1990er Jahre den Zuschuß für das Kartoffelforschungs­institut in Lima in Höhe von damals rund 100.000 Mark. Das war gut gespartes Geld, denn in Deutschland gibt es nur wenige Kartoffelbauern und -züchter – und die sollen doch selbst sehen, wo Bartels die Beere holt. 

Der »Royal Botanic Garden« in London beherbergt 34.000 Pflanzenarten, der »Bota­nische Garten« Berlin 22.000 Arten,­ der »Royal Botanic Garden« in Edinburg 17.000 Arten, der »Botanical Garden« in New York 15.000 Arten, der »Botanische Garten« in München 14.000 Arten und der Frankfurter »Palmengarten« weist auch noch immerhin 13.000 verschiedenen Pflanzenarten auf.                        zurück

 

11 Der Reinheitskodex Manus, des göttlichen Stammvaters aller Menschen, ist für jeden Brahmanen die Grundlage für die Teilung der Gesellschaft in oben und unten. Manus Vorschriften schreiben für jede Kaste vor, welche Speisen erlaubt sind. Brahmanen essen kein Fleisch und trinken keinen Alkohol, na gut. Und sie verzichten auf Gemüse, die unter der Erde wachsen, wie Zwiebeln, Rüben und – leider auch – Kartoffeln. Der Geist soll rein bleiben!                 zurück

 

12 Alexander von Humboldt begründete zahlreiche neue Wissensgebiete wie die Pflanzengeographie und den Erdmagnetismus. Neben seinen naturwissenschaftlichen Unter­suchungen erforschte er auch Herkunft, Sprache, Kunst und Kultur der von ihm besuchten Völker.                    zurück

 

13 Die Quechua nannten dieses Gebiet »Puna«, was das Gebiet besser kennzeichnet, denn mit »Puna« werden auch assoziiert Salzwüste und extreme Temperaturen, Sauer­stoff­­mangel und Wassernot, Dornsträucher so weit man sieht, schweigende Welt. Alti­plano ist nur »Hochebene«.                  zurück

 

14 Auf dem Friedhof von Kaufbeuren (Allgäu) pflanzte eine Rentnerin, die dort seit Jahren die Sozialgräber kostenlos pflegt, außer Zucchini, Kopfsalat, Kohlrabi und Ra­dieschen auch Kartoffeln anstelle der an sich gewünschten Blumenzwiebeln. Gemüse­­pflanzen sind nach der Friedhofssatzung nicht ausdrücklich verboten, aber entsprächen nicht der Tradition und den örtlichen Gepflogenheiten, meinte der Friedhofsaufseher.  

Friedhöfe scheinen einen guten Acker für die Knollen abzugeben, denn in Aurich bestellte ein Ostfriese aus Norden ein Grab mit Kleinkartoffeln, da »ihm das Unkraut über den Kopf gewachsen sei« und er insofern in »Notwehr« hätte handeln müssen. Auch in Aurich mußten die Kan­tüffeln entfernt werden.  

Nicht ganz vergleichbar: Vor der Stuttgarter Staatsgalerie wurden Ende 1998 zwei kreisrunde Kartoffelfelder an­gelegt – Kartoffeln sind allerorten »in«.          zurück

 

15 Die Bevölkerung Südamerikas zu Zeiten der spanischen Eroberung war erstaunt und überwältigt von den Bildern der Europäer. Die Sehgewohnheiten der europäischen Maler des 16. Jahrhunderts unterschieden sich von denen der indigenen Zeichner. Die Spanier waren an der naturalistischen Kunst der italienischen Renaissance geschult, die ihre Gegenstände mit Linearperspektive und modellierendem Hell-Dunkel im Feld festhielt. Die »indianischen « Figuren und Dinge waren ohne diese Perspektive, schattenlos und in knallig-bunten Farben mehr symbolisch abgebildet. Dominikaner-, Franziskaner- und Augustinermönche ­waren ob dieser Malerei schockiert, so daß es »gerade in der Anfangszeit in Mexiko – zu massenhaften Verbrennungen der Faltcodices der einheimischen Künstler kam; die »grelle« Farbgebung galt als unzüchtig und die gefiederte Schlage Quetzalcoátl als heidnisch. Dieses Wüten erschwert die heutige Forschung. 

Diego Valades, ein »Mestize«, der in der von Mönchen eingerichteten Malerschule des Pedro da Gante lernte, empfahl in seiner 1579 gedruckten Schrift »Rhetorica Christiana« den Einsatz der christlich-europäischen Malerei bei der Missionierung der Indios. Die Lebensnähe der europäischen Malerei beeinflußte übrigens auch im 17. Jahrhundert die Chinesen, als ihnen von Jesuiten die damals üblichen Madonnen- und Christus-Bilder gezeigt wurden.                    zurück

 

16 Garcilaso de la Vega war ein Nachkomme der herrschenden Dynastie der Inka; seine Mutter, die indianische Prinzessin (»Ñusta«) Chimbu Occlo, war eine Enkelin des Inka Tupac Yupanqui und eine Nichte des vorletzten Herrschers des Inkareiches, Huayna Capac. Sein Vater war der Kapitän Don Sebastian Garcia de la Vega, der 1534 nach Peru gekommen war, ein Vermögen erraubte und sich in Cuzco niederließ, wo er Chimbu Occlo zwar nicht heiratete, aber sie war seine Hauptfrau. 1539 wurde Garcilaso geboren.

 Don Sebastian beteiligte sich an eine Verschwörung gegen die spanische Krone und wurde mit dem mehrjährigen Entzug aller Einkünfte bestraft. Es rettete ihn eine reiche Spanierin, die aber die indianischen Verwandten vertrieb. Garcilaso ging als 20jähriger nach Kastilien, ging in die Armee und kämpfte gegen die Mauren.                zurück

 

17 In einer Nacherzählung dieses Festes von Friedrich Wollner wird ergänzt, daß an­schließend das Fleisch von den Müttern gegessen wurde, »wie man es ursprünglich mit dem der erschlagenen Feinde tat, um deren Kraft in sich aufzunehmen und die Frucht­barkeit zu vermehren.« Geschrieben und gedruckt 1970.             zurück

 

18 Die Klistiere bestanden aus einem mit Flüssigkeit gefüllten Schlauch, in den der Arzt hineinblies. Zur Anwendung im »frühen« Amerika des 20. Jahrhunderts: T. C. Boyle »Willkommen in Wellville«.                 zurück

 

19 Mit finanzieller Unterstützung des deutschen Berufs­­kundlers und Schriftstellers Matthias Weber aus Nürnberg sind in den 1990er Jahren Kurse eingerichtet worden, in denen Männer und Frauen aus abgelegenen Inka-Dörfern in der traditio­nellen Arzneikunde auf Pflanzen­basis unterrichtet werden.              zurück

 

20 Auf Sri Lanka revitalisierte man ebenfalls alte Landwirt­schafts­methoden für den An­bau von Tee und stellte dabei fest, daß die früheren (und jetzt wieder verwendeten) terrassen­förmigen Anbauflächen ertragreicher sind.                 zurück

 

21 Die Deutsch-Peruanerin Maria Reiche, die die Figuren 1946 bis in die 1960er Jahre vermaß, meint, daß die Bilder Bezug nehmen auf bestimmte Sternbilder. Die Pampa mit ihren unzähligen Geoglyphen diente demnach als riesiger Kalender, durch den sich u.a. der Beginn der Bepflanzung bestimmen ließ. Alles Quatsch, was Däniken sagt.        zurück

 

22 Der Gott Pachacamac erschlug seinen Halbbruder, zerstückelte die Leiche, säte die Zähne des Getöteten aus, und es wurde Mais daraus, aus den Rippen und den Knochen ließ er Maniok und Kartoffeln werden, und aus dem Fleisch wuchsen alle anderen Früchte des Landes.                  zurück

 

23 Die »Grünen« in Schleswig-Holstein entschlossen sich 1998, ebenfalls gegen fremde Pflanzen vorzugehen, da ­diese das heimische Nadelgehölz verdrängen.  

Damit ist – man verzeihe dem Verfasser, daß er in dieser Fußnote und diesem Zusammenhang dieses Thema anspricht – diese Politik eine konsequente Fortsetzung nationalsozialistischer Ideologie, wonach grundsätzlich die deutsche Eiche nur neben deutschen Eichen (unter der sich die deutsche Sau die Borste reibt) wachsen darf:

»Wer immer mit Hilfe öffentlicher Mittel neue Ödflächen schafft in Form von Böschungen an Straßen, Bahnen, Kanälen, ­Bächen, Flüssen, ist gehalten, sie mit der jeweils boden­ständigen und standortgemäßen Laubholzgesellschaft aufzuforsten, damit von den so entstehenden Feldhecken eine Wiedergesundung der nebenan liegenden ausgeräumten Kultursteppen ausgehen kann.«  

So schrieb während der Nazi-Zeit der Reichslandschaftsanwalt Alwin Seifert.  

Artenrein – rasserein. Die »natür­lichen Gesetz­mäßigkeiten« dieser Ideologie wirkten nach der Nazi-Zeit fort und bilden heute vielfach die Grundlage der Baum­satzungen. Auch heute glaubt man, daß man die »potentielle natürliche Vegetation« eines bestimmten Standortes feststellen kann, ohne zu bedenken, daß sich im Laufe der Jahrhunderte/Jahrtausende genau diese natür­liche Vegetation verändert hat. Eine unveränderte stabile Natur hat es nie gegeben. 

Heinz-Dieter Krausch weist in »Kaiserkron und Päonien rot ...« nach, daß der Großteil der in heimischen Gärten oder wild wachsenden Gartenblumen erst aus aller Herren Länder importiert werden mußte, damit sich das Auge des Betrachters und der Gärtnerin erfreue. Die Hauptmasse der in Südeuropa heimischen Zierpflanzen kam vor dem 16. Jahrhundert nach Deutschland. Bekannt ist die Geschichte von der Tulpe, die aus dem osmanischem Reich zu uns kam. Carolus Clusius benutzte in seiner Wiener Zeit (1573–1588) seine guten Beziehungen zu den kaiserlichen Gesandten, um orientalischen Blumen nach Europa zu bringen. Zu erwähnen sei auch Freiherr Friedrich August Marschall von Bieberstein (1768–1826), der als Offizier in den Kaukasus kam und als Naturforscher eine Beschreibung der Länder am Kaspischen Meer (»Flora taurico-caucasica«, 1800, ein Nachtrag erfolgte 1819) veröffentlichte und der zahlreiche botanische Gärten in Europa (insbesondere russische) belieferte.            zurück

 

24 Nach den neuesten Funden in Afrika stammen alle Menschen von »Afrikanern« ab. Als die frühen Menschen ihr Fell abwarfen bekamen sie zum Schutz vor der Sonne eine dunkle Haut, um sich vor der Sonne zu schützen. Dunkle Haut schützt vor dem Abbau von Folsäure durch UV-Strahlung. Umgekehrt muß die Haut in nördlicheren Gegendengerade so hell sein, daß genügend UV-Strahlen für die Vitamin-D-Synthese eindringen.

 Die Hautfarbe, die also mit der Aufnahmemöglichkeit von Vitamin D zusammenhängt, ist das am wenigsten taugliche Mittel zur Unterscheidung von Menschenrassen.       zurück

 

25 In Ekuador ist Fleisch ein Nahrungsmittel, daß die Indios sich nur etwa alle drei Monate leisten können; ansonsten verpflegen sich die Ureinwohner in den Andengebieten mit Kartoffeln, Nudeln und heißer Milch mit dicker Haut. Zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Abend.           zurück


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