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Verehrter Kartoffelwissenschaftler, lieber Herr H.,
Ihre Frage hat mich vor eine große Aufgabe gestellt; fast möchte ich sagen, vor eine unlösbare. Ich will's dennoch versuchen. Aber das erfordert einen etwas längeren Brief. Also wappnen Sie sich mit Geduld und Wissensdurst.
Es gibt sehr wohl so etwas wie eine fränkische Sprache, wobei ich dazu sagen muss, dass ich keine originäre Fränkin bin, sondern eine Egerländerin. Das Fränkisch besteht nicht nur aus Sprache, sondern ist eingebettet in ein Verhalten, ähnlich wie ja das Norddeutsche wohl auch.
Ihre Hoffnung, dass ich die Operation gut überstanden habe, könnte ich sehr wohl begleiten oder besser abrunden mit »scho, des is halt su a woor mit denen Obbaraziona«, oder könnte auch sagen »allles baleddi«. So man aus Fürth kommt, deren Bewohner ein besonders widerliches Mittelfränkisch sprechen und über einen ungeheuren Fundus an Versatzstücken verfügen, mit denen sich stundenlange Gespräche ohne jeden Inhalt führen lassen, sofern man also Fürther ist, könnte man auch antworten »alllles in Budder, Frau Ludder«. Sollten Sie sich aber erdreisten und die Äußerung wagen, dass jemand mit dem gleichen Leiden bereits wieder in die »Fränkische« wandern geht, so würde man Ihnen an den Kopf werfen »jeder Bauch hot sain aigner Brauch«. Was ja, so besehen, auch stimmt, selbst wenn es sich um ein Knie handelt. Das alles kann man sagen, ob es passt oder nicht.
Nie jedoch habe ich einen Franken den denkwürdigen Satz sprechen hören »Wenn Ihre Kartoffeln gut sind, werde ich sie kaufen«. Am nächsten käme dem noch als rein wörtliche Übersetzung: »Uunnd? Sin sa goud? Na nehm is hald«. Diese Frage wird aber begleitet mit einem kurzen Aufwärtsrucken des Kopfes und einem vermeintlich scharfen Blick bei dem Wort »uunnd«, wobei der Blick aber haarscharf am linken Ohr vorbeigehen muss. Das »sin sa goud« fragt eigentlich keiner, weil ein Franke nicht nach der Güte der Kartoffeln fragt, sondern nur daran interessiert ist, ob sie schön mehlig sind zum Klösskochen. Aber nicht einmal das würde er fragen. Da er ja Stammkunde ist, also nicht so wankelmütig wie ein Preuß', daher immer beim gleichen Bauern einkaufen wird, würde er wahrscheinlich nur sagen »waßt scho, die Fraa macht morgn Klöß«, oder nur einfach »waßt scho« und auf einen fragenden Deuter des Verkaufenden auf einen Haufen Kartoffeln noch ein »paßt scho«. Ich bin zwar kein absoluter Insider, aber »na nehm is hald« würde ein Franke nur sagen, wenn sein Gegenüber ihm bedeuten würde, dass er heute nicht die ganz passende Sorte habe. Bestenfalls würde er sich zu »gib ma hald a boor« versteigen.
Man sollte auch die Ungenauigkeit Ihrer Frage nach »guten« Kartoffeln nicht aus dem Blick verlieren. »Gut« kann den Geschmack betreffen, der, wie gesagt, den Franken nicht interessiert, »gut« kann aber auch das Gegenteil von schlecht bzw. faul sein und faule Kartoffeln würde ein Franke nur einem Preußen verkaufen, nie seinem Stammkunden, denn der könnt sich ja rächen. Nachzufragen beim Einkauf ist sowieso ein sinnloses Unterfangen, zumindest am Marktstand, denn: Ein Franke gibt eigentlich nie eine direkte Antwort auf eine direkte Frage, er schlittert so gerade eben daran vorbei. Ein Beispiel, belauscht auf dem Erlanger Markt: Fragt so ein typischer Norddeutscher, indem er auf einen Spitzkohl deutet: »Was macht man denn damit«? Antwort: »Den kosta nei dein Oosch steggn.« Wobei ich mich dagegen verwahren möchte, dass der Franke ordinär ist; er ist lediglich praktisch veranlagt und kann dumme Fragen nicht leiden.
Nun muss ich Ihnen aber eine große Enttäuschung bereiten. All das, was ich bisher geschrieben habe, bezieht sich nicht auf »Das Fränkische« – es ist ganz einfach nur der mittelfränkische Dialekt, der auch zwischen dem berühmten Städtedreieck Nürnberg-Fürth-Erlangen wieder großen Variationen unterworfen ist, wobei der Fürther Dialekt tatsächlich etwas ordinär wirkt. Des Oberfränkischen war ich während meiner Schulzeit mächtig, da ich dort aufgewachsen bin. Heute kann ich es nur sofort erkennen, aber nicht mehr sprechen. Es ist dem Mittelfränkischen entfernt ähnlich, wirkt aber etwas primitiver, plumper und nicht von der vermeintlichen Bauernschläue der Mittelfranken beseelt. Des Unterfränkischen bin ich – Gott sei Dank – nicht mächtig, obgleich man es sofort als solches erkennt. Es ist ein geradezu abscheulicher Dialekt.
Sollten Sie drauf bestehen, Ihren Satz »Wenn Ihre Kartoffeln gut sind, werde ich sie kaufen« auch ins Unterfränkische übersetzt zu bekommen, so kann ich ja meine Verwandtschaft einschalten. Einer unserer Söhne ist Pastor in W. und einer meiner Brüder emeritierter Gymnasiallehrer in S. Aber, ich sage Ihnen gleich, das Unterfränkische klingt entsetzlich und ob die überhaupt wissen, was Kartoffeln sind, bezweifle ich. Stellen Sie sich einmal vor, zu Eiern sagen die »Gaggelich«; überall hängen sie dieses unsinnige »lich« an. Vielleicht heißen Kartoffeln da auch »Kartofflich« – was weiß man denn! Wollen sie Ihren Satz wirklich in diese unterste Form des Fränkischen übersetzt haben?
Aufgrund eines großen Glücksfalles ist gerade mein pastoraler Sohn aus W. aufgetaucht und ich konnte ihn mit dem Problem der unterfränkischen Sprache konfrontieren. »Wennst su freechst, kosst di glei derschieß«! Anders gefragt, wie er Kartoffeln kaufe – »nie gekefft. Wess nett«. Hochunterfränkisch würde es heißen: »Nie eigekefft«. Als ich ihn mit Ihrem ganzen Wunschsatz konfrontierte, meinte er: »Kosta vageß«.
Da wir uns nicht einig wurden, wie ein Unterfranke die Kartoffeln bezeichnet, riefen wir eine Eingeborene aus W. an. Ihren Satz konnte auch sie nicht übersetzen, da sie noch nie Kartoffeln eingekauft habe, weil sie keine mag. Aber sie konnte uns immerhin sagen, dass Kartoffeln in Würzburg Grumbern sind, in Giebelstadt jedoch, nur wenige Kilometer entfernt, Grumbiera. Nach ausgiebigen innerfamiliären Diskussionen sind wir auch zu dem Ergebnis gekommen, dass in Mittelfranken die Kartoffeln nur Bodaggn sind, wenn es sich um eine Gesamtbezeichnung dieser Frucht handelt, nicht jedoch immer bei der Zubereitung. Wenn es zu mittag Kartoffeln gibt, sagt man sehr wohl »hait essma bluß Bodaggn«, gibt es jedoch Kartoffelsalat, gibt es »Ärflsolod« (merke: Ärflsolod is imme aas Bodaggn!) und Bratkartoffeln gar gibt es nur als solche (merke: Bratkartoffeln ist ein Preußenfraß!). Kartoffel-Klöße gibt es nicht, bloß »rua Glöß« oder »Halb und Halb«; wobei man wieder beachten muss, dass in dem einen Ort man »Glöß« isst, im nächsten aber »Gließ« oder »Glüß«. Dabei hat der Kloß im Fränkischen ein anderes Geschlecht als im Hochdeutschen. Der Kloß wird versächlicht als »des Glöß« bezeichnet, im Plural als »die Glöß«. Anfügen möchte ich noch, dass man in meiner Heimat Erdäpfl sagte, in Oberfranken aber Ärfl. Ich rekapituliere:
Oberfranken essen Ärfl
Mittelfranken essen Bodaggn
Unterfranken essen Grumbern oder Grumbiera
Einschränken muss ich wieder, dass der ordinärste unterfränkische Dialekt in Schweinfurt gesprochen wird. Da mein Schweinfurter Bruder heut in Oberfranken weilt und dort »Thüringer Klöß« isst, kann ich ihn im Augenblick nicht interviewen. Ich werde es aber schon aus eigenem Interesse und Spaß an der Sache noch nachholen und es Sie dann wissen lassen.
Da ich beginne, mich in der Materie zu verlieren, will ich die ausufernden Erläuterungen zum Fränkischen hiermit beenden und Sie herzlich grüßen.
B. L.
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“Wenn Ihre Kartoffeln gut sind, werde ich sie kaufen”
Afrikaans I: Waneer die Aardapels smaaklik en goed is, sal ek dit koop
Afrikaans II: Wenn julle aartapel goed, dann gaan ek hulle koop
Arabisch (Saudi Arabien): Al Bathathas coise, Ana Saufa Ashtareeha
Bayerisch (München): Wann deine Kartoffen gout san, kaf i sie
Bengali: Jodi tomaar aaloo bhalo achen, ta holey aamee keenbow.
Berlin: Wenn de Katoffellln juut sin, dann koof ik se.
Bremisch: Wenn die Tuffels göd sünd, koop ik die.
Rheinland: Wenn eur´ Erpel jood sin, dann werd´ ich se verkoofe
Letzebuergesch: Wann d'Gromperen gudd sin, da kafen ech se
Norfolk Island: If yous taties es gud un, I gwen buy et
Chinesisch Pinyin: Ru Guo Tu Dou Hao, Wo Jiu Mai
Chinesisch: Nee ruh-guo yo-oh how dah marenshu whoa-joh-mai-luh.
Cuxhavenerisch: Wenn Ehrn Kantüffeln good sün, werr ‘k se köpen.
Dänisch: Hvis jeres kartofler er i orden, saa skål jeg nok k½be dem
Duden-Deutsch: Wenn Ihre Kartoffeln gut sind, werde ich sie kaufen
Englisch: If your potatoes are good, I will buy them.
Estländisch: Kui su kartulid on head, siis ma ostan neid.
Ewe (Togo): Ne timatio nyoa, ma pleo
Finnisch: Jos perunasi ovat hyviae, ostan ne.
Flämisch: Indien de aardappelen goed van smaak zijn, zal ik ze kopen
Fränkisch I: Uunnd? Sin sa goud? Na nehm is hald.
Fränkisch II: Sen euer erdöbfl gued, dääd i se keff [oder duu i se keff].
Fränkisch III: Waßt scho, die Fraa macht morgn Klöß.
Fränkisch IV (Ansbach): Wenn dei ehbiern wos daugn, na kaaf mers
Fränkisch V (Nürnberg): Wenn däi bodaggn goud sin, dann kaaf mers
Franko-canadisch: Si tes patates sont bonnes, je vais en acheter.
Französisch (Okzitan-Patoit): Si vot' pumma de terra sang bun, j' les aschtrai
Französisch: Si votre pommes de terre sont bonnes, je vais les acheter
Freiburg: Wenn selle Kartoffle guet sin, kauf’ äch se.
Gottmadingen: Wenn'r gueti Herdöpfel hont, nimm i devo.
Griechisch: Ean oi patates ine kales, tha tis agoraso.
Gujarati: Jo tamara batata sara hashe, to hun te kharidish.
Hamburgisch: Wenn ehre Kantüffeln gud sünd, wer ich se keupen.
Hebräisch: Im tapuchei adama shelcha tovim, ani ekne otam.
Hessisch: Wann aouwe Kadoffen goat sai, da wearnn aisch se ke(ä)fe.
Hilzingen I: Wenn die Herdöpfel öbbis sinn, kascht mer welle gä
Hilzingen II: Sind die Herdöpfel öbbes, no nimm i vo denne
Hindi: Agar aapke batate achhe honge, to main woh kharidunga.
Holländisch: Als jou aardappelen goed zijn, koop ik ze.
Italienisch: Se le tue patate sono buone, me le compro.
Köln: Wenn ühr Ädappel jot sin,wöd ish se kofe
Bergheim bei Köln: Wenn die Äpele jod sin, wäd ich se kofe
Kolumbien: Si las papas estan bien, las compraré
»Ruhrgebiet«: Wenn de Katoffel spitze sind, kauf´ ich se
Latein: Sic solanum tuberosum bonis sunt, emebo los
Lippisch Platt: Wenn Jüwe Kartuffeln geat sind, wer ek se kaupen
Litauisch: Jeigu jusu bulves geros, as jas nupirksiu.
Lohr im Spessart: Wann Ihrne Grummbern schmecke, däät ichs käff
Mannheim: Wonn Ihr Kardoffle gut sinn, dann kaaf isch se a
Mecklenburger Platt (Parchim): Wenn dien Getüffeln gaut sünd, köp ick se
Mecklenburger Platt (Schwerin): Wenn dien Ketüffeln gaut sünd, köp ick se
Napoletanisch: Se e patane tuoie so bon, me le accatto.
Obersorbisch: Jeli su Wa¨e birny dobre, kupju je sej
Osnabrücker Platt: Wenn jaue Kartuffeln gaut bünt, dann kauf ik dei ook
Österreichisch: Woann Ihre Erdaepfeln guat san, doann kauf i sie.
Polnisch: Kupie pana kartofle, jezeli sa dobre.
Portugiesisch: Se as suas batatas são boas, comprá-las-ei
Russisch: Ya kupliu vashu kartoshku jesli ona khoroshaya.
Sachsen I (Seuslitz): Wenn de Aborn gutt sinn,wer'chse koofe
Sachsen II: Wenn Iehrä gardoffeln guhd sin, wärd´isch se gaufähn
Saterländisch: Wan dien Tüffelke goud sunt, koopje iek doo.
Schwäbisch I: Wenn Ihre Kardoffl guat send, no kauf i se.
Schwäbisch II: Wenn Ihre Grommbiera guad sen, daad e's kaufa
Schwäbisch III: Wenn dia Grumbiera guad sin, no kauf ' i se
Schwedisch Jag skall köpa dina potatiser om de är bra.
Niederländisch: Als uw aardappelen goed zijn, zal ik ze koopen.
Niederrhein (Kleve I): Wenn ouwen pipers gut sin, dann dükk se koope
Niederrhein (Kleve II): As ouw ärpele gut sin, dan sakk se koope
Schwiizertüütsch: Wänn iri härdöpfel guät sind, chauffi si.
Sepedi (Südafrika): Fa matapole a lena e le a a lokilego, gona ketla goa reka
Setswana (Südafrika): Fa ditapole tsa lona di siame, ke tlaa di reka
Sinhala (Sri Lanka): Ala Hondanam, Mama Ara-gannawa
Spanisch I: Si tus patatas son buenas las comprare.
Spanisch II (ländlich andalusisch): Zi zuh papah zom buenas ze lah compro
Spanisch III (Gran Canaria): Cuando las papas estan buenas, las compramos
Suaheli: Viaza vyako vikifaa nitavinunua.
Swazi (Südafrika): Nongabe ematabane eno alungile ngeta nguwa thenga
Thüringisch (Steinach): Wän' Euerä Ärdöpfel gut sän, döt' ich sä keffen
Ukrainisch: Jakshcho Vasha kartopla je dobra, ja ii kuplu
Vietnamesisch: Neu khoai tay ngon, toi se mua.
Wienerisch (aus’m Hieb): Woan de Erdäpfl guat saan, wüü i se koafn.
Zemaitiskai (ein litauischer Dialekt): Kap tovo bulves gieros yr ta onas nupirksiu.
Zulu: Uma amzambane eno amahle, ngezo athengao
Verehrter Leser: Sie kennen auch eine Übersetzung dieses Textes in einer weiteren Sprache? Dann schreiben Sie mir, bitte (im Betreff: “Neuer Kartoffelsatz”): knollenhistorie@aol.com
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