Berlin und Greifswald 27.4.2019: Forschung mit Bakterium I. sakaiensis - damit das "Auffressen" von PET-Plastik vielleicht bald schneller geht:
Plastikfressende Bakterien: Die Zukunft des Recyclings?
https://de.sputniknews.com/wissen/20190427324798376-plastikfressende-bakterien-zukunft-recyclings/
<Das Bakterium I. sakaiensis kann den Kunststoff PET zerlegen. Allerdings arbeitet es dabei bislang sehr langsam. Forscher am Helmholtz-Zentrum Berlin und der Universität Greifswald haben die am Abbau beteiligten Enzyme isoliert und arbeiten an ihrer Verbesserung. In Zukunft könnte so ein nachhaltiges Recycling für Kunststoffe entstehen.
Plastikabfälle sind ein Problem, von welcher Seite aus man sie auch betrachtet: Ein Teil von ihnen landet in der Umwelt, zerfällt zu Mikro- und Nanoplastik, bildet eine Gefahr für einige Tierarten und ist in seinen Langzeitauswirkungen – auch auf den Menschen – noch nahezu unerforscht. Der größere Teil des Plastiks landet zwar im Mülleimer und wandert in die Recyclinganlage. Aber auch hier wird ein Teil unter Freisetzung von CO2 verbrannt und neue Produkte selten gänzlich aus recyceltem Material hergestellt.
Ein Bakterium, das Plastik frisst
Einen Weg aus dieser Situation hat das Bakterium Ideonella sakaiensis gefunden, das japanische Forscher im Jahr 2016 in einer Recycling-Anlage gefunden hatten. Es verfügt über die Fähigkeit, den Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET) in seine Bestandteile aufzuspalten. Der Trick: Es erstellt zwei Enzyme, die PET spalten können. Die Namen der Enzyme lauten „PETase“ und „MHETase“ und sie werden gegenwärtig am Helmholtz-Zentrum in Berlin und an der Universität Greifswald untersucht und weiterentwickelt.
Kreislauf für PET in Sicht?
„Die PETase zerlegt das PET in größere Bausteine und die MHETase erledigt den Rest und spaltet die Bausteine in die Grundbausteine von PET, Ethylen, Glykol und Therephthalsäure auf. Die könnten dann theoretisch in Zukunft für eine Neusynthese von PET verwendet werden“, erklärt Dr. Gert Weber, Biochemiker und Strukturbiologe, gegenüber Sputnik die Funktionsweise der Enzyme. Energiesparend und bei Raumtemperatur kann PET wieder in seine Ausgangsstoffe aufgespalten werden, um diese für eine Neusynthese zu verwenden – das ist das Kreislaufszenario, das den Forschern vorschwebt.
So arbeitet die MHETase:
Eine Schwäche der bakterieneigenen Enzyme ist aber ihre Langsamkeit: „Wenn wir das in einer technischen Anlage einsetzen wollen, müssten wir sehr lange warten, bis unsere PET-Flasche zersetzt werden würde.“ Hinzu kämen schwerer verdaubare Formen des PET, bei denen der Prozess noch langsamer ablaufen würde. Und schließlich macht PET nur zehn Prozent von allem synthetisierten Plastik aus. „Wir hätten mit den Bakterien nur einen Teil der Lösung“. so Weber.
Verbesserte Enzyme arbeiten schneller und umfassender
Deswegen haben die Forscher im Labor mit Hilfe der DNA von I. sakaiensis die beiden Enzyme in größerer Menge hergestellt und die 3D-Struktur der MHETase ermittelt. Außerdem haben sie die entscheidende Stelle entdeckt, die das PET bindet und an der die Spaltung abläuft. Für diese Entdeckung wurde ein leicht abgewandeltes PET-Fragment eingesetzt, das zwar gebunden, aber wegen einer chemischen Abwandlung nicht mehr gespalten werden kann. So blieben Enzym und PET in einer aneinander gebundenen Form ‚eingefroren‘ und die Gesamtstruktur konnte analysiert werden. Nachdem auf diese Weise die aktive Stelle bekannt war, konnte die Optimierungsarbeit beginnen. Dazu wurden die Bausteine (Aminosäuren) an der Bindestelle durch verschiedene andere Bausteine ausgetauscht und das Verhalten des abgewandelten Enzyms immer wieder getestet.
Das Ergebnis: „Wir haben eine effizientere MHETase-Variante gefunden, die PET zweimal schneller spalten kann. Was noch interessanter ist: Wir haben die MHETase auch dazu gekriegt, ein Substrat, was sie sonst nicht akzeptiert, zu spalten“, so Weber. MHETase verrichtet die Arbeit also schneller und beschränkt sich nicht nur auf ihr ursprüngliches Substrat. Die Vision wäre natürlich ein Enzym, das möglichst schnell arbeitet und so viele Polyester-Kunststoffe wie möglich abdeckt. Das Team stehe aber noch am Anfang der Arbeit, betont Weber.
Warum nicht einfach die Bakterien verbessern?
Theoretisch könnte die DNA eines verbesserten Enzyms auch in Bakterien eingeschleust werden, die dann das Plastik in freier Wildbahn effektiver angehen. Aber dieser Weg zur Bekämpfung von Mikroplastik kann unerwünschte Nebeneffekte haben und ist gesetzlich verboten: „Wir dürfen keine genetisch veränderten Organismen in die Umwelt entlassen. Das wäre auch fahrlässig, man weiß nicht, was dann passiert“, hebt der Strukturbiologe hervor.
Das Enzym in Flüsse zu schütten sei auch Unsinn, da es neben einer kurzen Lebensdauer viel zu teuer sei. Denkbar sei dagegen ein Einsatz in Kläranlagen: „Das System muss geschlossen sein“, so Weber.
Entscheidend sei aber beim Thema Mikroplastik
doch das Verbraucherverhalten und der
politische Wille, die Quellen von Mikroplastik
einzudämmen. Die bestehenden Verfahren, etwa
Plastik durch Schmelzen zu recyceln, kosten
viel Energie und sind zudem abhängig von
‚frischen‘ Rohöl-basierten Bausteinen, um die
Produktqualität zu erhalten. Die
thermo-chemische Spaltung (Pyrolyse) von
Plastik verursacht noch höhere Energiekosten
und liefert relativ niedrige Ausbeuten an Öl –
was dann nur der Ausgangspunt für eine
kostenintensive Neusynthese von Plastik ist.
Gleichermaßen scheitern Vorhaben, gesammeltes
Plastik durch Enzyme nachhaltig
wiederzuverwerten, oft an der fehlenden
Wirtschaftlichkeit. „Daran wird sich nur etwas
ändern, wenn der Rohölpreis vielleicht auf das
50-Fache steigt oder mehr Wert auf nachhaltige
Ressourcennutzung als auf Wirtschaftlichkeit
gelegt wird“, bemerkt Weber dazu.>
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