aus: Valentin Falin: Zweite
Front. Die Interessenkonflikte in der Anti-Hitler-Koalition.
Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachfolger, München
1995
ergänzende Strukturdaten:
aus dtv-Atlas der Geschichte 1986, Bd. 2
Mai 1943
Mai 1943 ca. ?
Afrika D-GB: Schlacht bei El Alamein
NS-Seite: 4 Divisionen,
ca. 60-70.000 Mann (S.531).
In den Augen Falins ist es eine britische Feigheit, dass
britische Truppen sich gegen solch ein kleines deutsches
Kontingent stellen und auf dem Hauptkriegsschauplatz
Ostfront nicht mithelfen oder keine zweite Front eröffnen
(S.531).
Mai 1943
"USA"-GB:
Auf GB sind noch 59.000 "US"-Mann Bodentruppen
stationiert - 2.Front wird unmöglich
Im November waren es noch 177.000
"US"-Mann Bodentruppen (S.349).
Auf GB sind 66.000 "US"-Fliegerkräfte
stationiert, im November waren es 58.000
(S.349)
Mai-September 1943
"USA": Keine SU-Hilfe mehr über die Nordroute
--
dabei ist die Route über Murmansk und Archangelsk die
effektivste Route
-- die Lieferungen gehen genau zu dem Zeitpunkt stark
zurück, als die neue Wehrmacht-Offensive im Gange ist
-- die deutschen Schiffe in der Barentsee werden nicht
bekämpft
-- Churchill und Roosevelt definieren gemäss Falin
Lend-Lease-Lieferungen an die SU und China als "freiwillig"
(S.355).
5.5.1943
"USA"-SU: Botschaft von Roosevelt an Maxim Litwinow für
Stalin:
Roosevelt plädiert für eine "Begegnung der
Köpfe" ohne Churchill oder GB-Vertreter
-- Roosevelt schlägt als Treffpunkt die Tschuktschen-Halbinsel [an der Beringstrasse]
vor
-- Roosevelt schickt Joseph Davies nach
Moskau, um Einzelheiten abzusprechen (S.356).
in: Sowjetsko-merikanskie otnoschenia, Bd.1, S.314-316
8. 5.1943
"USA": Beratungen zur bevorstehenden
Washingtoner Konferenz vom 12.5.1943 mit GB
-- Beratungen von Roosevelt und den
Stabschefs des Stabschefskomitees
-- Hauptziel: GB soll zu "Bolero" verpflichtet werden und so
schnell wie möglich mit "Bolero" im Frühjahr 1944 begonnen
werden (S.357).
12.-25.5.1943
Washingtoner Konferenz GB-"USA" ohne SU: keine 2.Front
(S.356);
=
Konferenz von Trident? (S.379)
-- die "USA" haben Pläne für die Dardanellen [welche?]
-- die "USA" weisen zum Schein alle Projekte von GB im
östlichen Mittelmeer zurück, um vor Stalin gut dazustehen
(S.356).
Roosevelt will die 2.Front
-- Roosevelt: 2.Front in Frankreich fällt
für 1943 aus, ist unmöglich geworden, für 1944 erfordert sie
sofortige Vorbereitungen
Churchill will Italien besetzen und die Türkei
in den Krieg hineinziehen - Churchill will gar keine
2.Front mehr
-- Churchill: will am Italienfeldzug
festhalten mit Ausscheiden Italiens aus dem Krieg und mit
Aussicht auf "reiche Beute"
-- nach dem Ausscheiden Italiens aus dem Krieg werden
italienische Truppen auf dem Balkan durch deutsche Truppen
von der Ostfront ersetzt werden müssen, oder Deutschland
gibt den Balkan auf
-- Churchill hofft auf Kriegseintritt der Türkei
-- die Alliierten können die Einrichtungen in Italien nutzen
für Operationen auf dem Balkan und in Südeuropa
-- Churchill lehnt die 2.Front in Frankreich auch für 1944
ab, denn Deutschland werde auch ohne die 2.Front in
Frankreich zusammenbrechen (S.357).
Die "amerikanischen" Militärs wollen keinen
Italienfeldzug
-- die "amerikanischen" Militärs meinen,
Luftangriffe auf Italien würden zum Ausscheiden aus dem
Krieg ausreichen
-- Marshall: Der Optimismus der GB-Seite über Italien, dass
ein Durchmarsch so einfach wäre, und der Pessimismus
hinsichtlich der 2.Front in Frankreich seien nicht
gerechtfertigt
[nicht erwähnt: da gibt es noch die Alpen als natürliches
Hindernis].
Churchill gibt nach und erlaubt die 2.Front in
Frankreich - und Balkanfeldzug
-- der Todesstoss solle von Frankreich her
erfolgen
-- neuer Name für die 2.Front: "Roundhammer",
später "Overlord" (S.357)
-- Churchill plant einen Angriff über Bulgarien, Rumänien
und die Türkei
->> Roosevelt muss die Prüfung zusagen, wenn Churchill
die 2.Front akzeptiert (S.357-358)
19.-21.5.1943
DWid: Treffen von
Goerdeler mit Brüdern Wallenberg in Stockholm über
Nachkriegsordnung ohne Krieg
(S.361)
-- Brüder Wallenberg sind schwedische Bankiers (S.363)
-- Goerdeler-Vorschläge eines freiwilligen NS-Abzugs aus
Westeuropa (S.361).
Der Friedensplan von Goerdeler
-- GB und die "USA" sind die Antipoden zur
SU
-- Deutschland soll "lebensfähig" und "stark" bleiben: der
"deutsche Soldat" soll das Schutzschild gegen "den Vormarsch
Russlands" sein (S.363)
in: Ritter, Gerhard: Carl Goerdeler und die deutsche
Widerstandsbewegung. München 1964, S.354, 551-552
in: Eichholz, Dietrich / Schumann, Wolfgang: Anatomie des
Krieges. Berlin 1969, Dok. 236
1. Goerdeler behauptet, eine Befreiungsaktion in Deutschland
stünde kurz bevor. Voraussetzung sei die Einstellung der
Luftangriffe, was als "stärkste moralische Unterstützung der
Aufständischen" gewertet würde; das Zeichen der Befreiung
soll das Aufheben der Verdunkelung sein.
2. Goerdeler kündigt für den Fall der Befreiung die Gründung
einer demokratischen Regierung mit Vertretung "aller
sozialen Schichten, aller Konfessionen, aller deutschen
Länder" an, sowie die Gründung eines provisorischen
Reichsrats zur Kontrolle der Regierung
3. Wiederherstellung der Selbständigkeit der europäischen
Nationen, Grenzverhandlungen mit Polen, am besten die
Grenzen von 1914 als "Staatsunion Polen-Litauen"; die
westlichen Grenzen sollen strategisch bestimmt werden;
Wiederherstellung der CSSR, Finnland soll bestehen bleiben;
Nachkriegsordnung mit dem Ziel, dass es in Europa nie mehr
Krieg geben soll (S.361).
4. Abrüstung für Deutschland, je nachdem das Verhältnis
zwischen Europa und Russland und dem Fernen Osten ausfällt;
Deutschland soll keine Seerüstung mehr haben, die deutsche
Luftwaffe soll "internationalisiert" werden (S.362).
Risiko des Plans:
-- die "anderen Völker" wollen von Deutschland Beute haben,
z.B. streben polnische Nationalisten nach Ostpreussen und in
Teile von Schlesien
-- das Ausland will das deutsche Erziehungswesen
mitbestimmen
-- das Ausland kann aber nicht für die deutsche Bevölkerung
den Sinneswandel herbeiführen, sondern die deutsche
Bevölkerung muss das selbst tun (S.362).
Wenn für diese Faktoren nicht positive Lösungen für
Deutschland gefunden werden, so Goerdeler: "dann muss man
schwarz in die Zukunft Europas und der weissen Völker
sehen." (S.362)
Die Werte Goerdelers:
-- Goerdeler betont "Selbständigkeit und Achtung", keine
"neue Entwürdigung"
-- Goerdeler betont "Selbständigkeit" von Deutschland
-- Goerdeler ist gegen das Prinzip der bedingungslosen
Kapitulation (S.362).
in: Ritter, Gerhard: Carl Goerdeler und die deutsche
Widerstandsbewegung. München 1964, S.349-351
Verhandlungen Wallenbergs mit Churchills
Sekretär in London
Der Bericht geht über Kanäle des
schwedischen Aussenministeriums nach London an Churchill
(S.361). Wallenberg verhandelt
mit Churchills Sekretär in London. Goerdelers Daten sind in
GB als "Informationsmaterial" taxiert, und man will in GB
die Verbindung zu Goerdeler ausnutzen, um weitere
Informationen des Widerstands zu erhalten (S.362).
Zusätzliche Informationen von Goerdeler: Umsturz
steht bevor, SU ist eine Gefahr
-- Goerdeler behauptet, es stehe eine
entscheidende Aktion gegen Hitler "ganz unmittelbar bevor"
-- Goerdeler bittet, die Luftangriffe bis
ca. Mitte Oktober auf Berlin, Leipzig und Stuttgart
einzustellen, wo die Hauptzentren der Verschwörung sich
befinden, denn die Kommunikationseinrichtungen müssten
funktionieren
-- Goerdeler warnt vor einem totalen Sieg der SU, denn alle
freien Staaten seien dann mitbedroht, u.a. Schweden, auch
das Empire in Asien, entweder durch die aggressive Rote
Armee, oder durch "bolschewistische Zersetzung der
europäischen Demokratien" (S.362).
in: Ritter, Gerhard: Carl Goerdeler und die deutsche
Widerstandsbewegung. München 1964, S.351ff.
25.5.1943
Beschlüsse der Washingtoner Konferenz: Italien "neutralisieren", 2.Front 1944
--
Italien "neutralisieren"
-- die Landung auf Sizilien heisst neu "Eskimo" (S.358)
-- 2.Front in Frankreich frühestens ab 1944 (S.357).
in: Sekretnaja perepinska, Bd.1, S.375-378
25.5.1943
Atombombe "USA": "USA" erwägen neben der
Entwicklung von Atomwaffen die Entwicklung von
Strahlenwaffen auf der Grundlage von Mengen von Strontium
zur Vernichtung von 500.000 Menschen mit
einer einzigen Bombe (S.450)
in: Brief von Robert Oppenheimer an Enrico Fermi, 25.5.1943
aber die Atombombe hat gemäss Falin scheinbar Vorrang
(S.450).
gleicher Tag:
Atombombe "USA": Marshall bittet Conant um einen
Bericht "über den militärischen Einsatz radioaktiver
Stoffe"
Conant als Vorsitzender der nationalen
wissenschaftlichen Forschungskommission für Verteidigung
(S.450)
ab 25.5.1943
SU-"USA": Stalin will kein Treffen mehr mit
Roosevelt - Tiefpunkt der Beziehungen
--
wegen des massiven Treuebruchs auf der Konferenz in
Washington
-- Rückberufung von Botschaftern aus GB und "USA"
-- es ist der absolute Tiefpunkt der Beziehungen zwischen
der SU und GB-"USA" (S.356).
Churchill-Bemühungen für Italien
Churchill intrigiert, um für Italien so
viele Truppen und Material wie möglich zu mobilisieren.
Roosevelt will aber keine Aufstockung (S.377).
in: Sekretnaja perepiska, Bd.1, S.415
in: Matloff, Maurice: Ot Kasablanki do "Overlorda". Moskau
1964, S.286-288, 290-291
Churchill will die "USA" mit allen Mitteln dazu zwingen und
hält an seinen Plänen fest, mit der Spekulation, dass wo
sich dann von allein die Notwendigkeit zur Aufstockung
ergeben würde (S.377).
Juni 1943
GB-"USA": Die Churchill-Intrigen werden auch in
England selbst unerträglich
so beklagt sich Beaverbrookes
bei Hopkins (S.540).
Juni/Juli 1943
DWid-"USA": Helmuth von Moltke mit Canaris in
der Türkei für OSS-Gespräche
-- Gespräche mit den OSS-Agenten Hans Wilbrandt und Alexander
Rüstow
-- Moltke schlägt ein deutsch-englisches
Stabstreffen vor mit deutschen Generalstabsoffizieren mit
Ziel eines Westfriedens
-- Rüstow besteht aber auf einer "bedingungslosen
Kapitulation" (S.360)
in: Hoffmann, Peter: Widerstand. Staatsstreich. Attentat.
Der Kampf gegen Hitler. München 1970, S.277
in: Heideking, Jürgen / Mauch, Christof (Hrsg.): "USA" und
deutscher Widerstand. Tübingen, 1993, S.52-69
Juni-August 1943
Schlacht am Kursker Bogen: Sieg der RA
-- über 4 Millionen
Mann beteiligt
-- über 70.000 Geschütze und Minenwerfer beteiligt
-- bis zu 13.000 Panzer und 12.000 Flugzeuge beteiligt
(S.376).
Juni-Oktober 1943
Ostfront: NS-Verluste: 1,4
Mio. Mann, 118
Divisionen zerschlagen, 50%
der Ostfront-Kräfte verloren
(S.376)
4.6.1943
"USA"-SU: Roosevelt vertröstet Stalin mit der
2.Front für 1944
--
GB und "USA" gewähren der SU Luftunterstützung von Italien
aus auf Süd- und Ostdeutschland
-- die 2.Front wird auf Frühjahr 1944 oder
später verschoben, an einem Ort, wo sich eine Schwäche zeigt
(S.358)
in: Sowjetsko-amerikanskie otnoschenia, Bd.1, S.328-329.
11.6.1943
SU bekommt grosse Schwierigkeiten wegen der
Washingtoner Beschlüsse
-- so der Vorsitzende des Rates der
Volkskommissare
-- die SU kann sich den Beschlüssen nicht anschliessen, denn
sie sind ohne SU-Vertretung verfasst worden, die SU wurde
nicht einmal konsultiert
-- Stalin wirft GB und "USA" Unseriosität vor (S.358)
-- das Vertrauen ist total gebrochen (S.359).
in: Sowjetsko-amerikanskie otnoschenia, S.330-331, 386-387
Als "Trost" für Stalin will Churchill Italien zerschlagen
(S.358).
in: Sekretnaja perepiska, Bd.1, S.386-387
21./22.6.1944, in der Nacht
"US"-Botschafter Harriman an
Stalin:
"Die Russen sind einfache Menschen, aber
man sollte sie nicht für Dummköpfe halten."
aus: Valentin Falin: Zweite Front; Knaur 1995, S.188
|
[nicht erwähnt: Das gilt wohl auch für andere "einfache
Menschen", egal welcher Hautfarbe. Der Rassismus in der
"US"-Administration ist mit Harrimans Äusserung
unübersehbar].
25.6.1943
Churchill-Telegramm an Roosevelt mit Warnung vor
einem 4-Augen-Treffen mit Stalin
denn die Nazipropaganda werde dies als
Stoff für Spekulationen gegen die "USA" benutzen (S.381).
in: Sekretnaja perepiska, Bd.1, S.394
Dabei war Churchill selbst allein in Moskau, das gilt für
Churchill aber scheinbar nicht (S.381).
Falin über Stalins Fehler, die Kommunikation mit
Roosevelt abzulehnen
-- Stalin erkennt die Stärke der "USA"
nicht, lebt in einer Empire-Illusion
-- Stalin überbewertet die britischen Informationen
-- Stalin kontrolliert die GB-Informationen nicht und lässt
sich gegen die "USA" aufwiegeln
-- Stalin folgert aus den Erfahrungen der Vergangenheit, GB
sei pragmatisch, die "USA" aber die doktrinär, was in diesem
Fall der Zeit von 1943-1945 nicht stimmt (S.381).
Juli 1943
Mitte 1943
DWid: Gisevius-Daten
über ein Hitler-Komplott in Deutschland
Gisevius spielt dem OSS in Bern ein
Dossier über ein Komplott gegen Hitler zu, 4000
"dichtbeschriebene Seiten", von Dulles
"Breakers" (Einbrecher) benannt (S.360).
in: Smith, H.R.: OSS. The Secret History of America's First
Central Intelligence Agency, N.Y. 1972, S.215
in: Brown, A.C.: The Last Hero. N.Y., 1984, S.276
in: Heideking, Jürgen / Mauch, Christof (Hrsg.): "USA" und
deutscher Widerstand. Tübingen, 1993, S.52-69
ab Mitte 1943
GB-"USA" haben die unangefochtene Überlegenheit
zur See
mit qualitativ verbesserter U-Boot-Abwehr.
Gleichzeitig verweigert GB aber die Transportschiffe für
"Bolero". Damit haben GB und die "USA" eigentlich keine
Ausrede mehr, wegen ein paar deutschen Schiffen der SU
Militärhilfe zu verweigern (S.348).
Sommer 1943
OSS-Bewertung der SU-Kriegsziele und die
2.Front:
SU-Ziele: Sicherheit -
D zerschlagen - Nachbarstaaten indoktrinieren
1.
Ziel der SU: Sicherheit der SU
2. Ziel der SU: Niederlage Deutschlands, wobei Deutschland
nicht stark bleiben darf: "ei starkes und aggressives
Deutschland stellt zweifellos eine grössere Gefahr für die
Russen als für die Vereinigten Staaten dar."
3. Ziel der SU: Die SU-Erwartungen:
a) SU-Grenzen mehr oder weniger von 1941
b) in allen Nachbarstaaten SU-freundliche Regierungen
einsetzen
c) die Gesamtherrschaft über Europa darf nicht von
nichtsowjetischen Mächten ausgeübt werden
4. Ziel der SU: eventuell Ausdehnung des Sowjetsystems nach
Westen mit neuen Satelliten zur SU-Herrschaft über ganz
Europa (S.369).
Das OSS stellt fest:
->> die SU-Ziele sind gegen die "US"-Ziele gerichtet
(S.369).
Das Vorgehen gemäss OSS
Das OSS schlägt "drei Alternativen für die
Ausrichtung der Strategie und Politik gegenüber Deutschland
und Russland vor":
1. die Differenzen mit der SU beilegen, sich auf "gemeinsame
Interessen konzentrieren"
oder
2. GB-"USA"-Politik unabhängig von der SU weiterführen und
auf starke Positionen hoffen, so dass der SU-Einfluss
kleiner wird (S.369)
oder
3. Deutschland nicht besiegen, sondern mit Deutschland die
SU einschränken, aber ohne Hitler:
"zu versuchen, die ganze Macht eines unbesiegten
Deutschland, das immer noch von den Nazis oder den Generalen
regiert wird, gegen Russland zu wenden." (S.369-370)
Optimale Lösung gemäss OSS:
Deutschland und die SU gleichzeitig schwächen
plus:
"maximale Konzentration (anglo-"amerikanischer") Kräfte in
der entscheidenden Region Westeuropas" (S.370). Dies sei die
"einzige gute Hoffnung" neben allen unvorhersehbaren
Gefahren und Unwägbarkeiten (S.370).
OSS über die SU und Deutschland: Zusammenbruch
wird ab Mitte 1944 erwartet
-- die SU kann die Ostfront gemäss OSS bis
zum "Frühjahrstauwetter 1944, möglicherweise auch etwas
länger aufrechterhalten."
-- ab Sommer 1944 wird die SU unter Lebensmittelmangel und
Mangel an Soldaten leiden, mit "einem bedeutenden Rückgang
der militärischen Möglichkeiten Russlands" als Folge
-- gleichzeitig wird auch Deutschland die Reserven erschöpft
haben und ein "bedeutendes Absinken der militärischen
Möglichkeiten Deutschlands" wird die Folge sein
-- die SU will keinen Frieden mit Deutschland, denn dies
wäre ein Separatfrieden, der von GB und "USA" als Präjudiz
gelten könnte für neue Geschäfte mit dem Reich (S.370).
[nicht erwähnt:
-- das OSS fährt voll auf Konfrontation mit der SU - das OSS
sucht keinen Mittelweg zwischen Kapitalismus und
Kommunismus, um den herrannahenden weiteren Konfliktverlauf
zu bändigen
-- die SU wird nicht schwächer, sondern immer stärker!]
OSS: Szenario A: Westfrieden und Sieg gegen die
SU
mit Deutschland kooperieren - alle Kräfte
gegen die SU werfen - die SU besiegen - dann aber muss das
grosse Deutschland auch noch besiegt werden (S.370-371) -
die Hauptschwierigkeit wird sein, die Öffentlichkeit zu
überzeugen, dass dann der Krieg noch weitergehen muss
(S.371)
OSS: Szenario B: totale Kapitulation von D,
Kampf über den Balkan mit der SU
gemeinsamer Sieg mit SU gegen Deutschland
- sich so gute Ausgangspositionen wie möglich schaffen -
ohne sofortige gemeinsame Anstrengungen wird in 6-8 Monaten
in Europa die Rivalität zwischen "USA"-GB gegen die SU
ausbrechen - falls ein Balkanfeldzug stattfindet, werden die
Reibungen noch grösser, ausserdem braucht ein Balkanfeldzug
Truppen aus Westeuropa - die OSS empfiehlt, Bulgarien,
Rumänien und Ungarn mit politischen Mitteln und
Luftangriffen zum Ausscheiden aus dem Krieg zu bewegen
(S.371)
[nicht erwähnt: die SU wird sich auf die Sowjetisierung
dieser Länder als Beute freuen]
weiter sollen dem deutschen Widerstand versöhnliche
Bedingungen angeboten werden - die SU wird Deutschland von
allein besiegen können und bei der Neugestaltung Europas die
Hauptrolle spielen (S.371) - das NS-Regime wird immer mehr
Truppen von West nach Ost verlagern (S.371-372) - innerhalb
Deutschlands ist im Frühjahr/Sommer 1944 eine
Krisenentwicklung möglich (S.372)
weitere Entwicklung:
a) in diesem Stadium wird eine 2.Front in Westeuropa möglich
b) bei relativ schwachem Widerstand der Wehrmacht, weil die
Ostfront verteidigt werden muss
c) diese Situation ist zum Machtwechsel in Deutschland
geeignet, Machtübernahme durch deutsche Generäle
d) die Generäle können bei den Westalliierten um
Waffenstillstand nachsuchen - wenn das Gesuch abgelehnt
wird, könnte in Deutschland eine
"zentristisch-sozialistische Regierung" entstehen, die von
GB und "USA" anerkannt wird - Abkommen über
Nachkriegsregelung - die SU muss dieses Vorgehen akzeptieren
(S.372)
andere Entwicklungsmöglichkeit:
-- eine kommunistische Rebellion einer "energischen
Minderheit" im Frühjahr und Sommer 1944
-- eventuell ungehinderter Vormarsch der RA bis nach
Westeuropa, mit viel stärkeren Kräften als die Truppen von
GB und "USA"
-- eventuell ergeben sich dadurch ungünstigere
Verhandlungspositionen der Westmächte
-- eventuell entwickelt sich daraus bereits ein direkter
sowjetisch-"amerikanisch"-britischer Konflikt (S.372).
OSS: Szenario C: totale Kapitulation von D,
2.Front mit SU
-- Konzentration maximaler Kräfte in
Westeuropa
-- unverzügliche Vereinbarung mit der SU
-- die Minimalziele von "USA" und SU sind vereinbar, und die
SU will weiter die Zusammenarbeit (S.372).
Schlussfolgerung
des OSS:
Die 2.Front muss her, sonst herrscht die SU allein in Europa
--
Falin:
"Eine teure Landung auf dem Kontinent, betonten die
Verfasser des Dokumentes, 'wäre die einzige Aktion, die
geeignet sein könnte, den Westmächten von vornherein eine
aussichtsreiche Position zur Durchsetzung einer
Kompromissregelung mit Russland und die Grundlage dafür zu
garantieren, dass die Vereinigten Staaten, Grossbritannien
und Russland Deutschland gemeinsam besetzen und gemeinsam
die Einhaltung der Vereinbarungen garantieren." (S.372-373)
-- mit der SU ist eine "vorherige Vereinbarung" essentiell
wichtig
-- die 2.Front muss bald erfolgen, sonst verspürt die SU
kein Bedürfnis mehr nach Verständigung
-- wenn die 2.Front verspätet erfolgt, könnte die SU in
Deutschland eine "extremistische Regierung" einsetzen
(S.373)
Vorschlag für Gebiete-Anerkennungen:
-- GB-"USA" sollen strategische Basen "übernehmen"
-- die SU soll einen "bedeutenden Teil" der 1939/1940
annektierten Territorien erhalten (S.373)
[nicht erwähnt: Die dortigen Bevölkerungen werden nicht
gefragt...]
Das Risiko: Scheitert die Verständigung mit der SU, so ist
die Position nicht schlechter als ohne Verständigung. Eine
2.Front ist aber auf alle Fälle notwendig (S.373).
in: Natonal Archives of "USA". File YCS, USSR 9-13-43; In:
Neue Zeit, Moskau, Nr.2, 1986, S.18-22
Sommer 1943
Atombombe GB: Churchill strebt an, dass GB
nie mehr erpressbar sei und strebt den Besitz von
Atombomben gegen die
SU an
(S.451)
in: Groves, Leslie: Now It Can Be Told, N.Y. 1962, S.132
"USA" und GB vermeiden jegliche Verpflichtung
zur SU
(S.360-361)
Der deutsche Widerstand sagt den Zusammenbruch
des Nazi-Regimes voraus
(S.361)
OSS untersucht Westfrieden und den gemeinsamen
Kampf gegen die SU
(S.367)
[5.7.1943]
Ostfront: Schlacht am Kursker Bogen
-- mit dem grössten
Materialeinsatz der Kriegsparteien im ganzen Krieg (S.265)
[-- von der deutschen Seite als Operation "Zitadelle"
bezeichnet].
[10.7.1943]
GB-"USA": Landung in Sizilien
ist für Churchill
seine "Zweite Front" (S.265).
10.7.-September 1943
Italienfeldzug, Landungen auf Sizilien und auf
dem Festland
-- der Italienfeldzug ist gemäss dem
britischen Historiker Fuller strategisch sinnlos und
taktisch mittelmässig (S.379)
in: Fuller, G.: Wtoraja mirowaja woina 1939-1945.
Strategitscheski itaktitscheski absor. Moskau 1956, S.343
-- viele "amerikanische" Historiker beschreiben den
Italienfeldzug als "Hilfsaktion" und behaupten, er habe
insgesamt den Zweck erfüllt
-- auch "amerikanische" Historiker bemängeln aber eine
"mässige Truppenführung", u.a. wegen Konkurrenzgehabe
zwischen "US"- und britischen Truppen (S.379).
in: Rsheschewski, Oleg, S.162-166
Sardinien wird von italienischen Truppen
praktisch kampflos überlassen
(S.379)
Sommer-Herbst 1943
"USA": Die Stäbe wägen ab, ob ein
Frontwechsel mit Deutschland gegen die
SU lohnenswert ist
weil
die SU zu stark werden könnte. Berichte vom OSS und dem
Komitee der Stabschefs an das State Department (S.407).
Korsika wird von NS-Truppen auf eigenen
Entschluss verlassen
(S.379)
->> Entwicklung einer GB-Illusion, dass die NS-Truppen
auch Inseln im östlichen Mittelmeer und den Balkan kampflos
räumen würden
->> Churchill will unbedingt die Dodekanes-Inseln
besetzen lassen
->> Churchill will Italien und den Balkan zu einem
einzigen Kriegsschauplatz erklären lassen (S.379)
->> Roosevelt und seine Stäbe sind von der
Churchill-Strategie gar nicht beeindruckt
->> die "US"-Seite will keine "Overlord"-Mittel mehr
für das Mittelmeer hergeben, auch nicht für eine Insel, die
Rhodos heisst (S.379).
in: Sekretnaja perepiska, Bd.1, S.420-422
Juli-September 1943 ca.
GB-Feldzug auf die griechischen Inseln endet im Fiasko
Die "US"-Truppen
helfen den britischen Truppen nicht. Damit versinkt das
Vorhaben des Balkanvorstosses im Meer und Churchill hat kein
Argument mehr gegen "Overlord".
in: Churchill, S.237-261
GB unterschätzt gemäss Falin auch den Balkan,
denn
-- die NS-Macht bezieht vom Balkan Öl,
Bauxit, Kupfer, Chrom und andere Rohstoffe und
Nahrungsmittel
-- die NS-Macht baut eine Verteidigungslinie auf dem Balkan
auf (S.380).
[nicht erwähnt: mit Zwangsarbeitern, mit jüdischen
Häftlingen?]
19.7.1943
Gespräch Hopkins-Gromyko: Roosevelts Angebot an
Stalin in Territorialfragen
-- Gromyko ist zu der Zeit
SU-Geschäftsträger in den "USA"
-- Hopkins will ein Gespräch zwischen Roosevelt und Stalin
arrangieren
-- Hopkins verspricht, Roosevelt würde Stalin in grossem
Massen anerkennen und v.a. in Territorialfragen und anderen
Fragen Stalin entgegenkommen (S.380).
in: Sowjetsko-amerikanskie otnoschenia, Bd.1, S.351-2
Stalin lehnt Gespräche mit Roosevelt weiterhin
ab
-- Stalin begründet mit "der gespannten
Lage an der Front"
-- allenfalls können "verantwortliche Vertreter" beider
Staaten zusammenkommen, in Astrachan oder Archangelsk
(S.380)
-- Stalin schlägt aber ein Dreiertreffen vor, wie er es
schon Joseph Davies vorgeschlagen hat (S.381).
in: Sowjetsko-amerikanskie otnoschenia, Bd.1, S.359
->> Roosevelt sieht, dass er kaum SU-Rechte bei GB
durchsetzen kann, wen Stalin die Kommunikation mit ihm unter
vier Augen verweigert, und wird GB-Positionen akzeptieren
müssen
->> gleichzeitig warnt Churchill Roosevelt, weiter den
persönlichen Kontakt mit Stalin zu suchen (S.381).
[19.7.1943
GB-Bombardierung von Rom]
[24.7.1943
Italien: Mussolini wird zum
Rücktritt gezwungen
dann
verhaftet und entführt].
[26.7.1943
Italien: Auflösung der faschistischen Partei
ohne
Widerstand].
gleicher Tag
Churchill-Memo in 12 Punkten an Roosevelt
Churchills Mahnung zu
Italien nach dem
Krieg
Churchill
fordert
Roosevelt auf, jede nicht-faschistische Regierung
wohlwollend zu behandeln, wenn das Land dadurch effektiv
geführt wird (S.365), auch wenn es sich nicht um eine
Idealbesetzung handle:
"Jetzt, da Mussolini gestürzt ist, bin ich bereit, mich mit
jeder nicht-faschistischen Regierung einzulassen, die in der
Lage ist, die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen."
(S.541)
in: Sekretnaja perepiska, Bd.1, S.405
[nicht erwähnt:
Es wird automatisch vorausgesetzt, dass linke Regierungen
die "Verpflichtungen" nicht erfüllen können].
Projekt Churchills für eine "ehrenvolle"
Kapitulation Italiens - italienischer Armeerückzug -
Koordination mit der SU und Hoffen auf Kriegseintritt der
Türkei
-- Churchill will die Kapitulation von
einer "bedingungslosen" in eine "ehrenvolle" umwandeln
-- nach dem Sieg in Italien sollen alle italienischen
Truppen rückgeführt werden
-- alle britischen Kriegsgefangenen sollen freigelassen
werden (S.365)
-- die Punkte 11 und 12 sind die einzigen, wo die SU erwähnt
wird:
Punkt 11:
-- Churchill hofft auf Koordination mit der SU
-- Churchill hofft, dass die SU auf die Türkei Druck macht,
um diese zu einem Kriegseintritt für einen Balkanfeldzug zu
bewegen (S.365)
Punkt 12:
-- ein Entscheid über Mussolini und dessen Clique soll mit
Konsultation der SU geschehen (S.365).
Roosevelt: ändert das Papier, in dem alle Kriegsgefangenen
der "Vereinten Nationen" freigelassen werden sollen (S.365).
in: Churchill, Bd.V, 1, S.71-74
26.-30.7.1943
GB-"USA"-It: London und Washington stimmen die
Kapitulationsbedingungen für Italien ab
ohne der SU-Seite auch nur ein einziges
Wort zu sagen (S.365).
30.7.1943
GB-"USA"-SU: Mitteilung der italienischen
Kapitulationsbedingungen an die SU
von Eden an den sowjetischen
Geschäftsträger in GB, Arkadi Sobolew
(S.365).
31.7.1943
SU akzeptiert die Kapitulationsbedingungen für
Italien
Molotow reklamiert aber, dass die Methode
der nachträglichen Information für die SU inakzeptabel sei
(S.365).
Ende Juli 1943 ca.
GB-"USA"-SU: Aufkommen der Idee einer
Aussenministerkonferenz der "3 Mächte" in Moskau
(S.381)
in: Briefwechsel, S.564-567
Dann entsteht die Idee der Beratungskonferenz der
Regierungschefs in Teheran (S.381).