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17. Judenverfolgung in Russland 1963-1965
Tagebuch von Mascha Rolnikaite - Dokumente über Nazi-Verbrechen - russisch-hebräisches Wörterbuch - Friedhofszerstörung in Moskau - Pressekonferenz über Pogrome in Washington 23.1.1963 - die "SU" bestreitet jegliches Pogrom 7.2.1963 - Babi-Yar-Gedicht in "Le Monde" - Chruschtschow über "gute" und "schlechte" Juden 8.3.1963 - Kogan-Affäre: Chruschtschow bezeichnet Dolmetscher Kogan als "Verräter", weil er für Paulus nach der Stalingrad-Schlacht übersetzte - Pogrome in der Ukraine - Streit um die Anzahl Juden in der RA und um Anzahl Synagogen in der "SU" - erste Publikationen über deutsch-polnische "Vernichtungslager" - sowjetisch-jüdische Nationalkonferenz - Rehabilitation von Rabbi Medalia - Sturz von Chruschtschow 15.10.1964 - Lockerung der anti-jüdischen Innenpolitik - Holocaust-Gedenken mit 6 Kerzen und Babi-Yar-Gedenken, aber weitere Zerstörung von Friedhöfen und Verbote, um zionistischen Nationalismus zu verhindern - Verlustschätzungen 1965 für die RA 1941-1945: 2,5-3 Mio. Juden - Kosygins Lüge, es gäbe im Kommunismus keinen Antisemitismus Juli 1965 - Prawda mit Lenin-Worten gegen Antisemitismus Sep. 1965 - Reduktion des Antisemitismus und Publikationen zur NS-Judenvernichtung - Gründung eines jiddischen Theaters in Birobidschan
Ein Ghetto-Tagebuch von mascha Rolnikaite [1] - und Breschnew, der Nachfolger von Chruschtschow, Portrait [3]
von Michael Palomino (2000 / 2005 / 2010)ggg
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aus:
Pinkus, Benjamin: The Soviet Government and the Jews 1948-1967. A documented study.
Ben-Gurion University of the Negev (Beer-Sheva); Cambridge University Press 1984, ISBN 0 521 24713 6
1963
1963
Litauen: Publikation des Tagebuchs von Mascha Rolnikaite (Masha Rolnikaite)
ein jüdisches Mädchen aus Litauen im Ghetto von Vilna (Vilnius) (S.424).
Mascha Rolnikaite, Tagebuch "Ich muss erzählen, Buchdeckel [1]
Mascha Rolnikaite, 2010 ca. [2]
Die Jüdin Mascha Rolnikaite (eigentlich Marija Rolnikaite) (geboren 1927 in Klaipeda in Litauen) erlebte das Ghetto in Vilnius (Vilna), als sie 14 war, und schrieb über die Ereignisse der NS-Besatzungszeit ein Tagebuch. Sie lernte es auswendig [web01] und vernichtete es, damit die Besatzer es nicht finden konnten [web02].
Ihr Vater war Anwalt und hatte zuvor Kommunisten verteidigt, also ein doppeltes Risiko. Der Vater war vor Barbarossa geflohen. Mascha und ihre älter Schwester überlebten dann die Konzentrationslager Strasdenhof (Aussenstelle des KZs Riga-Kaiserwald) und das KZ Stutthof. Andere Familienangehörige überlebten die KZs nicht.
Das Tagebuch von Mascha Rolnikaite trägt den Originaltitel "Ja dolzna rasskazat' ", kam 1967 erstmals in einer gekürzten deutschen Ausgabe "Ich muss erzählen. Mein Tagebuch 1941-1945" heraus (271 Seiten), dann 2002 und 2004 als Rowohlt-Taschenbuch mit 287 Seiten [web01].
UdSSR: Publikation von 153 Dokumenten über Nazi-Verbrechen
in den besetzten Gebieten, nur vier davon erwähnen Juden (S.425).
UdSSR: Ausgabe des russisch-hebräischen Wörterbuchs von P. Shapiro
und Beginn der Publikation hebräischer Literatur in der UdSSR (S.268).
Moskau: Zerstörung des jüdischen Friedhofs
(S.318)
23.1.1963
Pressekonferenz von Label Katz in Washington: Pogromvorwürfe gegen Usbekistan
Label Katz, Präsident der amerikanisch-jüdischen Organisation "B'nai B'rith" macht Angaben über Pogrome in Russland (S.494, Anm. Nr.123):
-- die Pogrome seien in Russland alle verheimlicht worden
-- die Täter blieben ungestraft (S.142)
-- das Pogrom in Margelan (auch: Margilan, in Ost-Usbekistan [web03]) habe fast eine Woche lang gedauert (S.143)
-- in Taschkent sei den Juden vorgeworfen worden, sie würden muslimisches Blut zu rituellen Zwecken benutzen, dabei habe ein muslimisches Mädchen vor einem jüdischen Laden nur einen Sturz erlitten, was für einen Vorwurf gereicht habe
-- die Polizei habe die Verfolgung der Juden geduldet und zum Teil mitgetragen
-- Täter würden nicht bestraft
-- die jüdische Presse in Russland habe die Vorfälle nicht veröffentlicht
-- der russische Staat sei zu einer Erziehungs- oder Gesetzeskampagne nicht bereit (S.144).
7.2.1963
Usbekistan: Russische Antwort auf die Pogromvorwürfe: "Reine Weste"
Das Chruschtschow-Regime antwortet Katz mit dem Artikel "Pogrome in Usbekistan 1961-2. Eine sowjetische Antwort" in "Soviet Weekly" (S.144-145): 2% der Bevölkerung Usbekistans seien Juden, aber 20% der Abschliessenden von Universitäten seien Juden, so dass es zum Antisemitismus komme (S.145).
Juden besetzen auch wichtige Posten:
-- Benjamin Pinsky sei Mitglied des staatlichen Planungskomitees
-- Alexander Rosenfeld (Aleksandr Rozenfeld) sei Vorsitzender der Landesstatistikabteilung
-- Bentsion Gartsman sei Vorsitzender der Vieh- und Viehfutterversorgung
-- Wolf Dudler (Volf Dudler) sei Minister des Exekutionskomitees des Kirow-Distrikt
-- und dies seien nur ein paar Beispiele (S.145).Die jüdischen Gottesdienste fänden regelmässig statt. Angst sei keine da. Die Rabbiner hätten sich bei der Frage nach Angst überrascht gezeigt (S.145).
Imam Akmedzhan Mustafir von der Moskauer Moschee gibt an, er wäre informiert worden, wenn es in Usbekistan Zusammenstösse mit Juden gegeben hätte. Es gäbe keinen Grund für irgendeine Feindschaft.
Wladimir Schwarzer (Vladimir Shvartser) berichtet als Direktor eines jüdischen Theaters von einer Theatertournee durch Usbekistan mit Station in Taschkent. Das jiddische Theater habe mit dem Stück "Tewe, der Milchmann" ("Tevye the Milkman") immer grossen Erfolg und voll besuchte Vorstellungen gehabt, die ohne wahrnehmbare Angst über die Bühne gegangen seien (S.146).
12./14.2.1963
UdSSR: Artikel von Ewtuschenko (Evtushenko) in "Le Monde" über das Gedicht Babi Jar (Babi Yar)
Ewtuschenko gibt in Le Monde an, dass er nicht zu seiner Änderung des Gedichts gezwungen worden sei, sondern die Änderungen hätten sich aus Zuschriften so ergeben (S.488, Anm. Nr. 62).
Gemäss einer anderen Version soll Schostakowitsch (Shostakovich) Ewtuschenko die Änderungen zugetragen haben (S.488, Anm. Nr.62). Ausserdem steht die These Pinkers vom offiziellen Druck unbestätigt im Raum (S.98).
Mit dem geänderten Gedicht erfährt die Schostakowitsch-Symphonie nun viele Aufführungen und erreicht die Intelligenz und studentische Kreise. Die Kraft reicht aber noch nicht aus, die offizielle Politik zu ändern oder den populären Antisemitismus aufzulösen (S.99).
21.2.1963
Chruschtschow verneint an einer Konferenz vor Intellektuellen jeglichen Antisemitismus in Russland
(S.53, 74-76)
8.3.1963
UdSSR: Chruschtschow lamentiert über "gute" und "schlechte" Juden: Kogan soll ein Landesverräter sein
Chruschtschow hält vor führenden sowjetischen Schriftstellern und Künstlern und vor den meisten Führern der KP eine Rede mit dem "berühmten" Vergleich vom "guten" und vom "schlechten" Juden (S.93): derjenige Jude, der dem Vaterland dient, und derjenige, der das Vaterland aufgrund seiner kosmopolitischen Einstellung verrät, z.B. Kogan, der als Dolmetscher für General Paulus tätig gewesen sei.
Chruschtschow lobt seine Leninistische Partei, sie sei internationalistisch und für den Frieden zwischen den Völkern, dulde keine Diskriminierung und keinen Nationalismus (S.75-76).
Der Ukrainische General Zinovy Timofeevich Serdyuk (geb. 1903) war im Alter immer noch "aktiv", war bei der Ukrainischen Kommunistischen Partei, stand Chruschtschow nahe, hatte in Stalingrad gekämpft und hegte einen extremen Antijudaismus. Das Gerücht, Kogan sei 1942 in Stalingrad zum Dolmetscher von General Paulus bestimmt worden, kam wahrscheinlich von ihm (S. 482, Anm. 71).
Moisei Grigoryevich Kogan (geb. 1919) wurde bei Kiew 1941 gefangengenommen. Im Dezember 1942 gelang ihm die Flucht und die Rückkehr zur Russischen Front bei Stalingrad. Sicherheitsorgane nahmen ihn am 25. Februar 1943 fest und verurteilten ihn zu 10 Jahren Zwangsarbeit, weil er bei der deutschen Armee als Dolmetscher gearbeitet habe. Die Anklage erwähnte nicht, dass durch die Übersetzungsarbeit "sowjetische" Bürger der NS-Seite ausgeliefert worden wären. Kogan war Ingenieur und wanderte 1972 nach Israel aus, mit vielen Dokumenten gegen die Anschuldigungen Chruschtschows von 1963 und gegen Gavrutto. In Tat und Wahrheit gab Kogan vor, ein Armenier zu sein und arbeitete für die deutsche Seite als Fahrer. (S.493, Anm.112)
[Ohne antijudaistische Manöver war das Leben einigen Ukrainern in der KP scheinbar zu langweilig, und so erfanden sie eine neue Affäre]:
ab 8.3.1963
UdSSR: Entstehen der Kogan-Affäre - P. Gavrutto macht Kogan zum Judas-Verräter
Die Rede Chruschtschows erregt Aufsehen und entfacht eine grosse Diskussion um Antisemitismus im Land. Schriftsteller nehmen den Vergleich auf, obwohl Chruschtschow gewusst haben muss, dass Kogan von der NS-Seite angeblich zum Dolmetscher bestimmt wurde und er keine Chance hatte, sich dieser Arbeit zu entziehen. Somit hat Kogan mit seinem "Feindkontakt" keinen Verrat begangen. Die Schriftsteller aber machen Kogan nun zum russischen Judas-Verräter, z.B. P.Gavrutto im Artikel "Tuchi nod gorodom" ("Sturmwolken über der Stadt") (S.94) in der Zeitung "Molodaya gvardiya" in Moskau, wiederholte Auflagen 1965 und 1968. Kogan soll "der" russische Verräter bleiben (S.492-493, Anm. Nr.111).
Chruschtschow und Gavrutto behaupten - v.a. gegen die Zionisten und den "Bund" gerichtet - die Juden hätten aus eigenem Willen mit den Nazis gegen Russland kollaboriert (S.100). Nachforschungen ergeben jedoch, dass Kogan gar nicht Dolmetscher von Paulus gewesen war (S.94). Mehr als ein Fahrer war er nie gewesen (S.493, Anm. 112).
10.3.1963 über Ereignisse von 1910 ca.
Pogrome in der Ukraine: Die entscheidenden Kollaborateure waren die Hausmeister
Rede von Chruschtschow in der Prawda:
-- er [Chruschtschow] sei vor 1917 in der Ukraine aufgewachsen, unter Bergleuten, die gegen jeden Antisemitismus waren und die Teilnehmer an Judenpogromen stigmatisiert hätten. Die autokratische Regierung gab die Inspiration zu den Pogromen, die Kapitalisten, die Landherren und die Bourgeoisie als Mitbeteiligte brauchten die Pogrome als Mittel, die Arbeiter von revolutionärem Tun abzuhalten
-- die Organisateure der Pogrome waren die Polizei, die Gendarmerie, die "Schwarzen 100", die Gangster aus dem "gesellschaftlichen Abschaum" organisierten. In den Städten waren viele Hausmeister die Agenten der Pogromorganisatoren (S.75).
18.4.1963
UdSSR: Angeblich waren es nur 500.000 Juden in der Roten Armee
Der sowjetisch-jüdische Demograph Y. Kantor schätzt in der jiddischen Zeitung "Volksstimme" (jidd. "Folks-Shtime"), dass nur 500.000 Juden in der Roten Armee waren (S.543, Anm. Nr.6).
8.9.1963
Rehabilitation von Slanski
der 1952 in der CSSR wegen Kontakten zu Field eine "Verschwörung" organisiert haben soll und deswegen mit anderen Betroffenen exekutiert wurde [web04]
1963-1965
UdSSR: noch 96 oder 97 Synagogen
(S.316)
in: "American Jewish Yearbook 1964", S.269 (S.537, Anm. Nr.37)
bzw. 97 Synagogen (S.316)
in: Conquest (ed.): "Religion in the UdSSR", S.116 (S.537, Anm. Nr.38).
ab 1963/1964
UdSSR: Erste Publikationen über die deutsch-polnischen "Vernichtungslager"
im Zusammenhang mit dem Eichmann-Prozess (S.560, Anm. Nr.27).
[Die neuesten Forschungen zeigen auf, dass ein erheblicher Teil der Judenvernichtung im Bunkerbau, in der Ljubianka, im Gulag und in der Roten Armee stattgefunden hat, und dass die polnischen Lager Durchgangslager in den Gulag waren für den zwischen Hitler und Stalin heimlich arrangierten "Judentransfer" von den polnischen Durchgangslagern in den Gulag 1941-1943].
1964
UdSSR: noch 100-150 Synagogen in der UdSSR
P. Dogorazhny gibt an, es gäbe noch 100 Synagogen in der UdSSR,
Radio Moskau gibt an, es gäbe noch 150 Synagogen in der UdSSR (S.316).
[Der Unterschied von 100 zu 150 Synagogen in der UdSSR beruht wahrscheinlich auf der Frage, ob ein Gebetsraum in einer Wohnung auch als "Synagoge" gilt oder nicht, und Radio Moskau wollte sicher eher eine hohe Zahl präsentieren, auch im im Westen besser dazustehen].
UdSSR: Gründung der sowjetisch-jüdischen Nationalkonferenz
(S.523, Anm. Nr.97)
April 1964
UdSSR: Rehabilitation von Rabbi Medalia
mit Angabe, dass Medalia in der Zeit des "Personenkults" hingerichtet worden sei (S.536, Anm. Nr.2).
15.10.1964
UdSSR: Sturz von Chruschtschow - Abschwächung der anti-Israel-Politik
(S.242)
Details:
[Vorauszuschicken ist, dass vielleicht auch zu viel Alkoholkonsum zu den folgenden Fehlhandlungen Chruschtschows führte]:
Chruschtschows "Abstieg" begann mit grossen Versprechungen von Rekordernten, die er nicht halten konnte. 1960 verlor er seinen Posten im Politbüro, und seine Freunde Beljajew und Kritschenko im Mai 1960 ihre Mandate. Ob Chruschtschow seine eigenen Leute feuerte, weil er mit ihnen nicht zufrieden war, ist nicht bekannt. Frol Koslow wurde nun "zweiter Mann im Staat" nach Chruschtschow. 1961 liess dieser das Parteistatut durch Koslow so verändern, dass ein Viertel im Jahre 1962 der führenden Funktionsträger nicht wiedergewählt werden konnten. Die Partei goutierte diese Verjüngungsmassnahme gar nicht, sondern Chruschtschow verlor weitere Anhänger im Politbüro durch Aberkennung der Vollmitgliedschaft. Die Entstalinisierung Chruschtschows wurde dennoch durchgeführt und Stalins Leiche vom Lenin-Mausoleum an die Kreml-Mauer verlegt. Aber allgemein kam Unmut auf, Chruschtschows Aktionen seien "verwirrend" und u.a. seien die Beziehungen zu China und Albanien gestört. Mit der Parteireform von 1962 verprellte Chruschtschow die Masse der Funktionäre und weiter Anhänger, nun auch im Zentralkomitee, nahm ihre Privilegien und richtete ein Chaos der Zuständigkeiten an. Koslow erkrankte 1964 schwer und ein weiterer Zögling Chruschtschows, Breschnew, rückte als "Nummer Zwei im Staate" nach. Letzter. Anlass zum Sturz Chruschtschows war die eigenmächtige Annäherung an die BRD am Politbüro vorbei und die eigenmächtige Planung, erneut die Landwirtschaft umzuorganisieren und zu stärken. Am 14.10.1964 war mit Chruschtschow Schluss und eine Gruppe um Breschnew mit Suslow, Kossygin, Mikojan und Poljanski übernahmen die Macht. Breschnew wurde Erster Sekretär des Zentralkomitees, Kossygin Ministerpräsident, Mikojan Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (faktisch Staatspräsident). Chruschtschow sah es als einen grossen Wandel an, dass er nicht verhaftet oder liquidiert wurde, so wie es Stalin gemacht hätte [web05].
Breschnew, der Nachfolger von Chruschtschow, Portrait [3]
ab Okt 1964
Die UdSSR ab dem Sturz von Chruschtschow
Nun, Breschnew (Brezhnev) führt eine Lockerung in verschiedenen jüdischen Lebensbereichen ein:
-- die Zahl antizionistischer Artikel in der sowjetischen Presse geht massiv zurück
-- die anti-israelischen Passagen in Reden arabischer Staatsmänner werden in den sowjetischen Medien wegzensiert
-- das Leben in US-Israel wird weniger feindlich dargestellt
-- Attacken gegen israelische Diplomaten bleiben bestehen, weil die Diplomaten die russischen Juden direkt beeinflussen könnten (S.243), zum Teil werden die israelischen Diplomaten auch durch den KGB und antizionistische und anti-israelische Agentenkreise zu antisowjetischen Handlungen provoziert (S.521, Anm. Nr.64)
-- die kulturellen Beziehungen zwischen der UdSSR und US-Israel werden ausgeweitet, ein Austausch wissenschaftlicher Delegationen ist möglich
-- Ausweitung des israelischen Tourismus in die UdSSR.
Zusammengenommen ändert sich aber an der antijüdischen Haltung des sowjetischen Regierungsapparates nichts (S.243),
Kollektivregierung bis 1967, Kossygin verneint programmgemäss Antisemitismus
Kosygin, Portrait [4]
Äusserungen zu Juden in der UdSSR erfolgen nur noch von Premierminister Kosygin. KP-Führer Breschnew gibt keine Stellungnahme ab.
Kosygin bezeichnet Antisemitismus als ausländisches Phänomen, das nicht in die kommunistische Welt passe. Die Aussage ist ein Zeichen, dass sich etwas in der antijüdischen russischen Politik ändert (S.53).
Lockerung der drakonischen Massnahmen gegen Juden, aber weiter Friedhofszerstörungen
-- Halbierung der Presseartikel gegen Juden 1965, nochmalige Halbierung 1966 (S.319)
-- es erfolgen keine persönlichen Angriffe mehr, auch keine vulgären Attacken mehr, es erfolgt eine Verwissenschaftlichung der Diskussion
-- die Matzenverbote werden aufgehoben
-- neue 20 Rabbinerschüler werden zugelassen
-- aber Friedhofvernichtungen und Beschneidungsverbote bleiben (S.320).
Matzen-Erlaubnis, Holocaust-Gedenktage mit 6 Kerzen für "six million Holocaust victims" und Babi Jar (Babi Yar)
-- Lockerung der Vorschriften und Billigung jüdischer religiöser Versammlungen in Moskau, Leningrad und Tiflis mit Erlaubnis zum Matzen-Backen (S.317)
-- Erlaubnis für Holocaust-Erinnerungsveranstaltungen mit 6 Kerzen für eine 6-Millionen-Opferzahl mit Todesgedichten "Yizkor" und "Kadish" und Gedichten von Bialik und Y. Katznelson.
Zitat Pinkus:
"Trauergebete im Gedenken an die Holocaust-Opfer wurden in Synagogen verschiedener sowjetischer Städte eingeführt, aber kein spezielles Datum für die Erinnerung festgelegt. Die Zeremonie folgte auch keiner einheitlichen Form. Es wurde zu einem weit verbreiteten Brauch, in Erinnerung an 6 Millionen Holocaust-Opfer sechs Kerzen anzuzünden und Yizkor und Kadish zu rezitieren, Totengebete. Manchmal wurden auch Psalmtexte gelesen, und auch Gedichte von Schriftstellern wie Bialik und Yitzskhak Katznelson." (S.318)
(orig.:
"Prayers of mourning in memory of the Holocaust victims were introduced in synagogues in various Soviet cities, but no special date was yet fixed for such remembrance, nor did the ceremonies follow a strictly uniform pattern. It did, however, become a widespread custom to light six candles in memory of the six million Holocaust victims and to recite Yizkor and Kadish, prayers for the dead. Sometimes verses from Psalms were read, and also poetry by such writers as Bialik and Yitskhak Katznelson.")
in: Rothenberg: "The Jewish Religion in the Soviet Union", S.96 (S.538, Anm. Nr.50)
[Weltliche Juden zünden am Holocaustgedenktag eine Kerze an, als Symbol für Kriegsopfer generell, ohne Diskussion um die Opferzahl, denn nicht nur Juden wurden Opfer im Zweiten Weltkrieg].
Riga: dreimalige jährliche Gedenkfeiern an den Holocaust
In der Synagoge von Riga wird dem Holocaust am "Fast-Day of Gedaliyahu" gedacht, mit Besuch von Friedhöfen, mit einem Andenkgottesdienst, ebenso am 10. und 18. Kislev, als die Deportationen aus Riga begannen:
Zitat Pinkus:
"In Riga zum Beispiel wurde die Zeremonie im Angedenken an die Holocaust-Opfer am Fast-Tag von Gedaliyahu gehalten. Tausende Juden besuchten an diesem Tag gewohnheitsgemäss den Friedhof, und es wurde vom gabaim ein Gedenkgottesdienst über die Holocaust-Geschehnisse in der Synagoge gehalten, und der Kantor, von einem Chor begleitet, sang das Requiemgebet El male rahamim (Gott, voller Leidenschaft). Ähnliche Gedenkdienste waren auch am 10. und 18. des Monats Kislev abgehalten, die Daten (nach dem jüdischen Kalender), an denen die Vernichtungsoperationen im Rigaer Ghetto 1941 begonnen hatten." (S.318)
(orig.:
"In Riga, for example, the ceremony in memory of Holocaust victims was held on the Fast-Day of Gedaliyahu. Thousands of Jews customarily visited the cemetery on that day, and a memorial service was held in the synagogue in which the gabaim spoke on issues pertaining to the Holocaust, and the cantor, accompanied by a choir, chanted the requiem prayer El male rahamim (God, full of Compassion). Similar memorial services were also held on 10 and 18 Kislev, the dates (according to the Jewish calendar) on which extermination operations commenced in the Riga ghetto in 1941.")
in: Dokumentations- und Forschungszentrum des osteuropäischen Judentums der Hebräischen Universität in Jerusalem, Mappe Nr.393 (S.538, Anm. Nr.51)
Ebenso finden Babi-Jar-Erinnerungsfeiern statt
(S.318)
Bleibende Beschränkungen zur Einschränkung des jüdischen Nationalismus: weitere Zerstörung von jüdischen Friedhöfen und Verbote
Gleichzeitig werden aber Behinderungen nicht aufgehoben, um den jüdischen Nationalismus und die Kontakte zwischen den Gläubigen und dem zionistisch-rassistischen, israelischen Botschaftspersonal in den Synagogen einzuschränken. Der aufkommende Nationalismus stellt in den Augen der Chruschtschow-Regierung eine Staatsgefahr dar (S.319).
Die rituellen Bäder von Moskau, Kiew, Leningrad und Riga sowie in den georgischen und kaukasischen Gemeinden und in Buchara laufen zwar weiter, aber:
-- es folgen weitere Presseattacken gegen rituelle Schlachtungen
-- es bleibt die Behinderung ritueller Heiraten
-- weiter werden systematisch Zerstörungen jüdischer Friedhöfe durchgeführt, um neue, öffentliche Projekte zu realisieren
-- Grabsteinschändungen werden kaum bekämpft
-- das Beschneidungsverbot bleibt bestehen (S.318) und Juden, die es umgehen, riskieren Arreststrafen (S.319).
1965
UdSSR: offizielle Schätzung der jüdischen Bevölkerung: 2,4 Mio.
(S.23)
UdSSR: Erste Schätzung der russischen Verluste im Zweiten Weltkrieg: 20 Millionen, davon 2,5-3 Mio. Juden
Zitat Pinkus:
"Die UdSSR publizierte die Zahl ihrer Verluste nach dem Krieg nicht. Im Jahr 1965 schrieb der sowjetische Demograph D.Valentei, dass sie sich auf 20 Millionen belaufe. Siehe: D.Valentei, 'Naselenie i viona', Nedelya, 1965, Nr.19, S.17" (S.32, 472 Anm. Nr.40)"
(orig.:
"The Soviet Union did not publish the number of its losses after the war. In 1965, the Soviet demographer, D.Valentei, wrote that they numbered twenty million. See D.Valentei, 'Naselenie i voina', Nedelya, 1965, no. 19, p.17").
Pinkus schätzt 2,5-3 Millionen jüdische Kriegsopfer
Pinkus schätzt, dass 12,5 % bis 15 % der sowjetischen Kriegstoten Juden waren, also von 20 Millionen 2.5-3 Millionen.
Zitat Pinkus:
"Ich würde schätzen, dass die Verluste, die die jüdische Bevölkerung erlitten hat, zwischen 12,5 und 15 % aller sowjetischen Opfer beträgt (2,5-3 Millionen der 20 Millionen Verluste)." (S.23)
(orig.:
"I would estimate that the losses suffered by the Jewish population totaled between 12.5% and 15% of all Soviet war deaths (2.5-3 million out of the twenty million lost)."
UdSSR: Die jiddische Zeitung "Sovetish Heymland" wird reduziert und erscheint nur noch einmal pro Monat
(S.266)
Juli 1965
UdSSR: Premier Kosygin beteuert die Nicht-Existenz des Antisemitismus im Kommunismus
Kosygin behauptet, Antisemitismus wie Nationalismus und Radikalismus seien der kommunistischen Weltsicht fremd, so könne das Phänomen des Antisemitismus in der UdSSR gar nicht existieren (S.99).
Sep 1965
UdSSR: Prawda-Artikel über Antisemitismus
der Lenins zentrale Worte gegen den Antisemitismus betont (S.99).
1965/1966
UdSSR: Reduktion des Antisemitismus - erste Publikationen zur NS-Judenvernichtung
Die antisemitischen Artikel in den Unterhaltungsteilen / "Feuilletons" gehen drastisch zurück. Zugleich erscheinen nun erste Publikationen über Hitlers Judenvernichtung in Russland:
-- Masha Rolnikaite: Tagebuch 1965 (100): "Yadolzhna rasskazat" / "Ich muss erzählen" (S.489, Anm. Nr.66)
-- Kuznetsov: Baby Yar 1966 (S.100) in Russland aber nur zensiert veröffentlicht (S.489, Anm. Nr.67)
Gleichzeitig:
-- Rückgang der ökonomischen Prozesse gegen Juden
-- Verbesserung der Beziehungen zu Israel (S.100).
Dagegen stehen aber auch Kräfte, die gegen jüdische Gemeinden weiterarbeiten. Solange nämlich Nationalismus verboten ist, kann die jüdische Minderheit nicht anerkannt werden. Somit fahren die Nachfolger von Chruschtschow dieselbe grosse politische Linie weiter:
-- es kommt zu keinem wirklichen Wechsel in der jüdischen Kultur- und Erziehungspolitik
-- Diskriminierung von Juden bei Aufnahme in Regierungsposten und Posten in hohen Erziehungsministerien, z.T. Weiterführen des politischen Antisemitismus zum Erreichen politischer Ziele (S.100).
1965-1967
Birobidschan: Gründung einer lokalen Theatergesellschaft für jiddisches Theater
mit jiddischen Schreibern und Sängern sowie der Zeitung "Birobidschaner Shtern" (S.375).
[Erneute Kriege auf der Welt
Gleichzeitig wird der Vietnamkrieg der "USA" mit einem erfundenen Vorwand immer brutaler, und im zionistisch-rassistisch regierten Israel wird mit Duldung der "USA" ein neuer Versuch vorbereitet, bei Gelegenheit das Jüdische Reich zu etablieren, wenn Ägypten einen "Fehler" macht. Ob Israel zu diesem Zeitpunkt schon Atomwaffen besitzt, kann nur vermutet werden. Zionist Mosche Dajan will nun endlich seine "Sternstunde", und die Bereinigung dieser "Sternstunde" wird zum 10 Jahre langen Hickhack mit Breschnew gegen die Sinai-Besetzung...].
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