Kontakt / contact     Hauptseite
                    / page principale / pagina principal / home     zurück / retour / indietro / atrás / back
<<     >>

Das Rheinwiesenlager Remagen

"Amerikanische" Berichte Nr. 2: Bericht von "US"-Wachmann La Verne Keats

präsentiert von Michael Palomino (2013)
Teilen / share:

Facebook







aus: Wolfgang Gückelhorn / Kurt Kleemann: Die Rheinwiesenlager Remagen und Sinzig. Helios-Verlag 2013, Aachen, helios-verlag@t-online.de;
www.helios-verlag.de; ISBN 978-3-86933-094-5, S.28-36


Wortschatz

PWTE = zeitlich begrenztes / vorläufiges Kriegsgefangenenlager [Prisoner of War Temporary Enclosures]


<Erlebnisse eines Amerikaners als Wachsoldat im Lager Remagen

Wärter La Verne Keats,
              wahrscheinlich im Lager von Remagen 1945 ca., sitzend
Wärter La Verne Keats, wahrscheinlich im Lager von Remagen 1945 ca., sitzend [2]

  Wärter La Verne Keats 1995 ca.,
                Portrait
Wärter La Verne Keats 1995 ca., Portrait [3]

La Verne Keats im Interview im Film

<Wir wussten nicht, wer das organisierte, wir wussten nicht, wer unsere Vorgesetzten waren, und wir wussten nicht, in welchem Auftrag diese Lager ausgeführt wurden. Wir hatten weder Ausrüstung noch Baracken für das Personal. Und das Wetter war kalt, wirklich schlimm> [web01 Video "Death Camps", 15min.10-40sek.]


Der Bericht von La Verne Keats

Der ehemalige US-Soldat La Verne Keats schrieb am 16. Dezember 1992 an Bürgermeister Hans-Peter Kürten. Er hatte im Fernsehen etwas über den kanadischen Schriftsteller James Bacque gesehen, der sich mit der Problematik der Kriegsgefangenenlager befasst hatte. Bacques Thesen veranlassten Keats, sich als Zeitzeuge in Remagen zu melden und seine eigenen Erlebnisse zu schildern:

"Mein Interesse wurde aus verschiedenen Gründen geweckt. Erstens war ich einer der amerikanischen Soldaten, die im Lager selbst gearbeitet haben. Zweitens erschien es so zu sein, dass das Gebiet, das auf der Karte (von Bacque) als Lagergelände gezeigt wurde, bei weitem das Gelände überschritt, in dem die Gefangenen tatsächlich festgehalten wurden.

Als Konsequenz daraus folgt meiner Auffassung nach, dass die Gedenkstätte - obwohl sie für ihren touristischen Wert und ihren Wert als Gedenkstätte ideal gelegen ist - nicht innerhalb des Geländes liegt, in dem die gefangenen sich befanden. Drittens glaube ich, dass es für Ihr Museum von Wert ist, eine Darstellung aus erster Hand aus Sicht der Mannschaftsdienstgrade auf amerikanischer Seite zu erhalten.

Lassen Sie mich zunächst meine Glaubwürdigkeit nachweisen. Das Lager wurde offiziell als das 6951 PWTE (zeitlich begrenztes / vorläufiges Kriegsgefangenenlager [Prisoner of War Temporary Enclosures]) geführt. Es war eine zeitlich begrenzte Organisationseinheit, die dem 159. US-Infanterieregiment der 106. Division der 15. Armee unterstellt war.

Das Infanterieregiment 159 war eines der Regimenter, die zur Auffüllung der 106. Division nach Europa gebracht worden waren, nachdem sie im Dezember 1944 in den Ardennen dezimiert worden war.

Die 15. Armee war der Verband, der die amerikanische Etappe westlich des Rheins mit Hauptquartier in Bad Neuenahr verwaltete.

["Amerikanische" Verwaltung: 17.4.-20.6.1945 - zwischen Remagen und Kripp]

Das Lager wurde vom 1066. Pionierbataillon errichtet. Es bestand ungefähr vom 17. April 1945 an, als die Amerikaner ankamen, die es betrieben und bewachten, bis zum 20. Juni 1945, an dem diese es verliessen.

Das Lager befand sich nicht in Remagen, sondern südlich des Bahndammes, der von der Nord-Süd-Hauptstrecke zur Ludendorffbrücke führte. Es befand sich links und rechts des Feldweges von Remagen zum Dorf Kripp.

[Die "amerikanischen" Truppenteile und die Umschulung zur Lagerbewachung]

Das 6951. PWTE war eine zeitlich befristete Einrichtung, die nur zum Zweck aufgestellt worden war, die Gefangenen solange aufzunehmen, bis dauerhafte Lösungen getroffen werden konnten. Es wurde am 20. Juni 1945 aufgelöst, als seine Aufgabe erfüllt war. Die amerikanischen Truppen, die die Einheit bildeten, stammten zur Hälfte aus einer Infanterie-Ersatztruppe, die aus überzähligen Air-Force- und anderen rückwärtigen Einheiten in England zusammengestellt worden war.

Die meisten der Männer wurden in Ogbourne St. George, [Provinz] Wiltshire [in Süd-England], zu Infanteristen ausgebildet und um den 9. April herum nach Frankreich gebracht. Nach der Landung in Le Havre wurde die Truppe zuerst nach Stenay in den Ardennen, dann nach Namur gebracht.

In Namur wurde sie in zwei Gruppen geteilt. Eine davon wurde die Bewachungstruppe vom Lager Rheinberg, das ebenfalls in dem Film der BBC erwähnt wurde. Die andere, der ich angehörte, wurde nach Remagen in Marsch gesetzt, wo ich meiner Erinnerung nach in den frühen Morgenstunden des 17. April 1945 auf dem Bahnhof ankam.

Gegen Mittag unseres Ankunftstages formierten wir uns und marschierten durch Remagen zur Unterführung, die unter dem Bahndamm hindurch zu dem Feldweg nach Kripp führte. Dieser Weg hatte sich nicht verändert, als ich zuletzt 1958 dort war, obwohl das Land wieder seiner Vorkriegsnutzung als Acker zugeführt worden war.

Wir marschierten auf dem Weg weiter nach Kripp und passierten dabei das Gelände, das das Lager werden sollte. Rechts von uns gab es zu dieser Zeit eine Stacheldrahteinzäunung mit nur wenigen Gefangenen, allerdings mit intensiver Tätigkeit der Pioniere. Auf dem Weg nach Kripp passierten wir weiterhin rechts ein Gebäude, das sich später als kleine Fabrik herausstellte. An der Hauptstrasse von [S.28] der Reichsstrasse 9 nach Kripp bogen wir an dem weissen Eckhaus nach rechts in R9 ab, bis wir zu einem freien Feld auf der linken Seite kamen, wo wir auf Befehl ein Feldlager aufschlugen. Auf diesem Feld kampierten wir mindestens vier Tage. Unser Wetterschutz war die Zeltplane - "Pup"-Zelt genannt - die wir auf dem Rücken getragen haben.

[Das "Durchgangspersonal" - Stabseinheit - Fahrdienst - Betriebseinheit, Wachkompanien - Unterbringung für die "Amis"]

Bei unserer Ankunft war uns keine Organisationsstruktur bekannt. Wir waren das, was man damals "Durchgangspersonal" (casuals) nannte. In den ersten Tagen wurden wir zu allen Gelegenheitsaufgaben herangezogen. Offen gesagt war die amerikanische Armee nicht auf die riesige Zahl von Gefangenen vorbereitet, die noch vor der formellen Kapitulation gemacht wurden. Nach etwa vier Tagen wurde die Abteilung aufgeteilt in eine Stabseinheit, einen Fahrdienst, eine Betriebseinheit, die im Lager selbst arbeitete, und mehrere Wachkompanien, die die Umzäunung bewachen sollten.

Ich kam zu denen, die im Lager arbeiteten. Einmal eingeteilt, wurde ich zunächst in der kleinen Fabrik in Kripp untergebracht, dann in einem mehrstöckigen Haus in Linz, jenseits des Rheins. Damals gab es eine lange Pontonbrücke von Kripp nach Linz. Nach einigen Tagen wurden wir zurück nach Kripp verlegt und in Räumen, die in Kripper Wohnungen requiriert worden waren, untergebracht. Unsere Poststelle war ein kleines Steingebäude mitten in Kripp, das Kompaniebüro und die Messe waren im Erdgeschoss eines Gebäudes untergebracht, das ich für die Kripper Schule halte.

[Das Lager ist ein eingezäuntes Feld 400x400 Meter]

Das Lager wurde links und rechts des Feldweges von Kripp nach Remagen errichtet. Der Teil, der Gefangene enthielt, war ein Rechteck von ca. 400 Metern nach jeder Seite. Die Westseite war 100 Meter oder weniger vom Bahndamm entfernt. Die Ostseite war nicht näher am Rhein als die ihm nächstgelegene Strasse, die von Kripp kommend auf die Obstwiesen führte, die es dort gab. Es hatte drei Tore in der äusseren Umzäunung, eines an jedem Ende des Feldweges und eins für das Offizierslager an der Südostseite. Man brauchte nicht mehr als fünf Minuten, um von einem Tor zum anderen zu gehen. Es war in vier grosse Einzäunungen eingeteilt für die Gefangenen und zwei kleinere für weibliche Wehrmachtsangehörige und für Offiziere.

Als dieses Lager fertig war, wurden zusätzliche Einzäunungen ausgehend von schon bestehenden Lagergelände in Richtung Rhein errichtet. Ich war verantwortlich für mehrere Gruppen, die offene Feuerstellen aus Ziegeln in diesen Einzäunungen bauten, während man ihren Gebrauch vorbereitete. Jede dieser Einzäunungen sollte 3000 Mann aufnehmen. Doch die Pläne änderten sich. Diese Lagerteile wurden nie benutzt, doch glaube ich, dass sie auf der Karte im Film zu sehen waren.

[Auflösung des Lagers Remagen Anfang Juni - Verteilung der Gefangenen auf Koblenz und Rheinberg]

Anfang Juni 1945 erhielten wir den Befehl, das Lager Remagen aufzulösen und die Gefangenen nach Koblenz und Rheinberg zu transportieren. Dies war am 18. Juni ausgeführt und wir verliessen Remagen am 20. Juni. Das Lager in Sinzig war zu dieser Zeit noch in Betrieb.

[Die falsche Karte - ein Denkmal steht am falschen Ort]

Die Karte im Film der BBC zeigte - glaube ich - das gesamte Gelände, das eingezäunt war, zu dem Zeitpunkt, als noch geplant war, dass das Lager Remagen einen längeren Bestand haben würde, als es ihn letztendlich hatte. Es ist Tatsache, dass das Gelände, in dem die Gefangenen festgehalten wurden, nicht so gross war, wie das auf der Karte eingezeichnete Gebiet. Das führt mich zu der Überzeugung, dass das Mahnmal nicht da ist, wo die Gefangenen waren. So wie ich das Terrain in Erinnerung habe, war das Lager auf dem falschen Gelände, das ungefähr 100 Meer entfernt vom Rheinufer steil abfällt.

Das Lager konnte vom Rhein aus nicht gesehen werden und nur mit Mühe von den Brückentürmen auf beiden Ufern. Ich weiss das, weil ich dort war. Aber ich denke, darauf kommt [S.29] es nicht so sehr an, da es das Ziel des Mahnmals ist, die Erinnerung wachzurufen, nicht jedoch historisch exakt zu sein.

[Die ankommenden, deutschen Soldaten - Wachen mit ungeladenen Waffen - Türme mit Maschinengewehren]

So wie ich es verstanden habe, war Remagen das grösste Kriegsgefangenenlager des Krieges. Wie ich weiter oben schon erwähnt habe, waren schon Gefangene im Lager, als wir ankamen. Vier Tage lang wurden weitere eingeliefert. Stündlich kamen Lastwagenkonvois mit 50 bis 75 Lkws an, jeweils mit 50 bis 150 Mann darauf. Dies ging Tag und Nacht so weiter. Wir luden jeden Lastwagen ab, indem wir die Männer in das wachsende Lager hineintrieben.

Ich erinnere mich daran, dass ich in einer jener ersten Nächte innerhalb des Lagers auf dem Feldweg Wachdienst hatte. Es war unheimlich. Ich hatte ein ungeladenes Gewehr. Wir hatten keine Munition. Ich habe während der Zeit im Lager keinen einzigen Munitionsstreifen erhalten. Was ich hatte und viele andere auch, war in einem aufgelassenen Munitionsdepot in Linz gefunden worden. Sie können vielleicht mein Unbehagen verstehen, als ich jenen Feldweg 12 Stunden lang auf und ab gehen musste, allein, etwa 15.000 deutsche Soldaten neben mir, die mich leicht hätten erreichen können. Da gab es keine Zaun zwischen ihnen und mir. Zu jener Zeit stellten die Pioniere die einzige Sicherheit dar. Sie hatten alte Panzer mit Bogenlichtern ausgerüstet und beleuchteten die Umzäunung damit. Sie installierten ein Maschinengewehr an jeder Lagerecke. Das war das Mass unserer Sicherheit, bis die Lagerbewachung in oben beschriebener Weise organisiert war. Das erscheint unglaublich: Die Gefangenen in ihrer Gesamtheit hätten unter nur sehr geringen Verlusten einfach weggehen können. Aber sie wussten, dass der Krieg [S.30] vorbei war. es war sinnlos wegzulaufen, also blieben sie.

[Hungrige Soldaten - vor allem der Heeresgruppe B]

Ein interessantes Schlaglicht bilden die Worte, die fast jeder Gefangene bei seiner Ankunft sagte: "Ich habe nichts gegessen seit drei Tagen." Es gab keine Abweichungen davon, nie hiess es "zwei" oder "vier", immer "drei", als habe dies eine magische Bedeutung.

Die Gefangenen in Rheinberg und Remagen stammten meist von Models Heeresgruppe B, die im Ruhrgebiet eingekesselt worden war. Wir erhielten ungefähr 217.000 Mann in 4 Tagen, sie waren alle an der Südflanke des Kessels von der 1. US-Armee gefangengenommen worden. In Rheinberg waren die Gefangenen, die von der 9. US-Armee nördlich der Ruhr gefangen worden sind.

[Ein Teil wird nach Sinzig verlegt]

Ungefähr 2. Wochen, nachdem das Remagener Lager errichtet worden war, wurden ungefähr 50.000 Mann in das Sinziger Lager überführt, so dass 167.000 in Remagen verblieben.

[Die Gefangenen: Alles, was eine Uniform trägt, wird festgenommen - "sollen die da hinten sortieren"]

Die Gefangenen waren ein bunt gemischter Haufen. Wir hatten Männer von Kampfdivisionen, sowohl von Panzer- als auch Infanteriedivisionen. Wir hatten Truppen aus der Garnison. Wir hatten Luftwaffenpersonal, Männer, Frauen und Junge. Es gab etwa 250 Frauen, etwa genauso viele, wie unser weibliches Personal in Remagen ausmachte.

Wir hatten etwa 14.000 Jungen von 14 bis 18 Jahren, die bei der Flak und an Flugplätzen gedient hatten. Sie waren ein ganz spezieller Fall, weil viele nicht auf die Bedingungen im Lager vorbereitet waren. Wir hatten russische Kriegsgefangene, wir hatten Kriegsversehrte. Wir hatten Zwangsarbeiter jeder Nationalität. Es schien, als hätten unsere Fronttruppen jeden gefangengenommen, der irgendeine Art von Uniform anhatte. Ich kann die Denkweise unserer Leute verstehen: Sollen die da hinten sortieren, wenn die Gefangenen erst hinten sind, können sie uns nicht töten.

[Keine Zelte, keine Decken - "es gab keine" - die "Amis" bleiben auch 2 Wochen lang ohne Zelte oder Decken]

Bacque spricht in seinem Buch von fehlenden Decken, niedrigen Rationen, schlechter, medizinischer Versorgung etc. für diese Männer, Frauen und Kinder. Es gab aber keine Zelte/Decken  in Remagen, ausser denen, die sie vielleicht mitgebracht hatten. Auf der anderen Seite hatten wir es zwei Wochen lang nicht viel besser.

[Die Erdlöcher der gefangenen Deutschen]

Die Gefangenen haben Löcher in den Boden gegraben, um sich vor dem Wind zu schützen. Fast jeder hatte sein eigenes Loch, aber es gab wenig Schutz in den ersten Wochen des Lagers, weil es die meiste Zeit regnete. LIFE hat in einer der Mai-Ausgaben 1945 ein Foto mit der Grössten Abteilung des Lagers veröffentlicht. LIFE hat dasselbe Bild mehrmals in verschiedenen Geschichten über den Krieg gebraucht. Es wurde Mitte Mai 1945 aufgenommen. Wenn Sie das Bild haben, oder es besorgen können, können Sie verschiedene Details des Lagers sehen:

Rheinwiesenlager Remagen,
                Luftaufnahme aus dem LIFE-Magazin von Mitte Mai 1945
Rheinwiesenlager Remagen, Luftaufnahme aus dem LIFE-Magazin von Mitte Mai 1945 [1]

Oben ist der Zentralbereich des Lagers mit dem Feldweg. Dort sind Stapel mit Material zwischen dem Weg und dem Stacheldraht zu erkennen. Dies sind Nahrungsrationen für jeweils 1000 Mann. Die Schlange stehenden Männer warten an Wasserstellen entlang der inneren Abteilungen des Lagers. Die Latrinen befinden sich, wie Bacque es beschreibt, entlang der Aussenseiten des Lagers. Es sind Gräben, die von Baggern ausgehoben wurden. Gelinde gesagt, die Bedingungen waren primitiv. Aber ich denke nicht, dass es - wie Bacque behauptet - geplant war. [Leider war es das].

Die "amerikanische" Armee war nicht darauf vorbereitet, so schnell mit mindestens 500.000 bis 1 Million, die von einem Tag auf den anderen kapitulierten, fertigzuwerden.

[Dies war der Eindruck für die "amerikanischen" Hilfstruppen. Aber das "amerikanische" Oberkommando hat alle Hilfslieferungen abgelehnt - hat ganze Züge zurückschicken lassen, und deswegen war der Massenmord an deutschen Soldaten absolute Absicht - von Eisenhower so befohlen].

[Improvisation bei den "US"-Truppen]

Ausdruck dessen ist auch der Einsatz einer so zusammengewürfelten Truppe wie sie das 6951. PWTE darstellte. Keiner von uns hatte irgendeine Ausbildung dafür, keiner von uns - ausser mir - sprach Deutsch, und auch ich konnte nur einige Worte, war ich doch der schlechteste Schüler meiner College-Klasse gewesen.

[Ernährung der Gefangenen - ohne die Menge der Gefangenen und den Hunger zu erwähnen]

Was die Nahrung betrifft, so wurde den Gefangenen anfangs [S.31] eine K-Ration am Tag gegeben. Das war das gleiche, was wir auch assen, obwohl wir zwei - mit Glück drei - davon hatte. Als wir nach etwa 3 Wochen "10 in 1 Rationen" erhielten (Nahrung für 10 Mann pro Tag in 2 Kartons), erhielten auch die Gefangenen sie. Sie wurden an die Gefangenen auf der Basis 30 zu 1 verteilt, bei den Wachen 10 zu 1. Nach dem ersten Monat, als Transport und Nachschub besser organisiert waren, erhielten die Gefangenen gemischte Rationen aus Wehrmachts- und "US"-Beständen. [Das ist wohl nur Fantasie].

Mit meinem Schul-Deutsch kam mir die Aufgabe zu, das Auspacken der grossen Nahrungspakete und ihre Aufteilung zu überwachen. Es sind die grossen Pakete, die Sie auf den Fotos unten sehen könne. Ich erinnere mich, dass sie Sauerkraut, Dauerbrot, Dosenkäse, Dosenfleisch und Apfelsaft enthielten. Wie erwähnt wurden die Rationen in Einheiten für jeweils 1000 Mann aufgeteilt. Sie wurden von Abteilungen von jeweils 100 Mann für jeweils 1000 Mann entgegengenommen. Die Abteilungen standen unter dem Kommando eines deutschen, älteren Unteroffiziers. Innerhalb der Lagerabteilung selbst war es Aufgabe dieses Unteroffiziers, darüber zu wachen, dass diese Rationen zuerst gleichmässig in 100-Mann und dann in 10-Mann-Rationen zur Verteilung unter die Gefangenen aufgeteilt wurden. Waren sie erst hinter dem inneren Lagerabteilungstor, so endete meine Verantwortung für sie. Nach meinem damaligen Verständnis erhielten die Gefangenen die Rationen, die die Genfer Konvention erforderte.

[Krankheit und Tod im Rheinwiesenlager Remagen: Typhus, Fussbrand, angeschwollene Füsse, Durchfall, Lungenentzündung]

Es herrschten Krankheit und Tod im Lager. Unter diesen Bedingungen ist es bemerkenswert, dass die Todesrate nicht höher war, da viele der Gefangenen Garnisons- oder Nachschubeinheiten angehörten, also nicht an die Bedingungen im Feld gewöhnt waren [S.32].

Ich erinnere mich an mindestens einen Fall von Typhus. Es gab viele Fälle von Schützengrabenfuss (Fussbrand), anschwellen der Füsse verursacht durch fehlende Möglichkeit, die Füsse zu trocknen. Ich erinnere mich, an einem Tag die Überführung von 125 Fällen ins Hospital überwacht zu haben. Ein Fall ist mir bis heute im Kopf geblieben: Es war ein junger Mann, dessen Fuss so angeschwollen war, dass er leichenblass war und er bei jeder Berührung des Fusses schrie.

Unser grösstes Problem waren Durchfall und Lungenentzündung.

[Ein Krankenhaus in einer kleinen Fabrik: Ausrüstung auf einem Abstellgleis "vergessen" - Stationszelte - Strohlager - mind. 30.000 Fälle mit Lungenentzündungen und Durchfall]

Unser erstes Krankenhaus wurde in der kleinen Fabrik am Weg nach Kripp eingerichtet. Unser Umzug nach Linz hatte seinen Grund darin, dass das Gebäude für das Hospital geräumt werden musste. Zwei Feldkrankenhäuser waren dem Lager zugeordnet. Aber die Situation brachte es mit sich, dass ihre Ausrüstung erst nach 2 Wochen gefunden wurde. Sie war auf einem Abstellgleis in Bonn vergessen worden.

Nachdem die Ausrüstung entdeckt worden war, wurden die Stationszelte in einem der Lagerabteile aufgestellt. Feldbetten wurden nicht benutzt, weil es so viele Patienten gab. Die Gefangenen wurden Seite an Seite auf Stroh gelegt, so dass die Zeltkapazität vervierfacht werden konnte. Ich habe gehört, dass wir mindestens 30.000 Fälle von Lungenentzündung und Durchfall hatten, ganz abgesehen von leichteren Krankheiten.

[DDT gegen Läuse]

Typhus wurde durch den Gebrauch von DDT unter Kontrolle gebracht. Die Sanitäter sprühten jedem Gefangenen DDT in die Hose, Ärmel, Kragen und in die Haare. Ich erinnere mich an einen Gefangenen, der fragte, was wir tun und über die Idee spottete. Später jedoch musste er zugeben, dass wir seine Läuse tatsächlich erfolgreich bekämpft hatten.

[Typhus kommt nicht von Läusen, sondern von Fäkalien an der Latrine, die unter den Fingernägeln bleiben. Der Irrglaube, Typhus komme von Läusen her, wurde von Filmfälscher Hitchcock verbreitet].

[Die Leichensammler sammeln pro Tag bis zu 15 Leichen ein]

Bacque kommentierte den Tod von vielen Gefangenen in den Lagern. Im BBC-Film wurde die Zahl von 1200 Toten im Lager Remagen angegeben, obwohl Bacque mehr annimmt. Die Zahl 1200 erscheint mir annehmbar angesichts der Tatsache, dass die Beerdigungsabteilung jeden Morgen dabei war, Leichen einzusammeln, wenn ich mich zum Dienst meldete. Die höchste Zahl, die ich an einem Tag sah, war 15 Leichen. Die meisten von ihnen sind wohl an Krankheit und Erschöpfung [S.33] gestorben, obwohl auch einige bei Fluchtversuchen erschossen wurden.

[Erschiessung auf der Flucht]

Viele waren nur wenige Meilen von zu Hause entfernt. Einige versuchten, nach Hause zu kommen und verloren dabei ihr Leben. Ich erinnere mich an einen jungen Rothaarigen von etwa 18 Jahren, der sechs- oder siebenmal vom Südtor zurückgewiesen wurde. Nach der letzten Zurückweisung hörte ich Rufe, blickte zum Tor und sah ihn wie eine Antilope den Weg nach Kripp hinunterrennen. Er entkam den Versuchen von verschiedenen Wachen, die ihn anhalten wollten. Schliesslich musste ihn einer der Wachen erschiessen, um ihn aufzuhalten. Es war eine Tragödie, die nur wenige von uns ansehen mochten. Aber die Wachen waren im Direkten Blickfeld des Chefs der Militärpolizei und mussten schiessen, oder sie wurden bestraft. Das MP-Büro war direkt vor dem Tor. Ich danke Gott, dass ich nicht diesen Posten hatte.

[Friedhof des Rheinwiesenlagers Remagen]

Ich habe erfahren, dass es einen Friedhof gibt, auf dem die Männer, die im Lager starben, beerdigt sind. Ich habe nicht viel von der Umgebung kennengelernt, ich weiss also nicht, wo dieser Friedhof sich befindet.

[Besuch in der Ortschaft Remagen - Cabana Club - Schwimmbad im Club]

Wenn man im Lager Dienst tat, war man von morgens bis abends im Lager. Ich hatte einmal Zeit, um nach Remagen selbst zu kommen und gerade einmal auf beide Seiten der Brücke.

Eine Sache, an die ich mich noch erinnere, ist der Cabana Club, der gegenüber der Einmündung der Strasse von Kripp in die Reichsstrasse 9 in einem kleinen Hotel aufgezogen wurde. Einige der Männer hatten herausgefunden, dass es ein leeres Schwimmbecken hatte. Sie holten eine Gruppe Gefangene, um es säubern zu lassen, denn es hatte während der Kämpfe als Schützenstellung gedient. Dann besorgte einer eine Chlorausrüstung, Schläuche und eine Pumpe, um Wasser von einem nahegelegenen Fluss hineinzuleiten. Es funktionierte ca. 2 Wochen, bevor das Lager aufgelöst [S.34] wurde. Aber für kurze Zeit hatten wir zum ersten Mal seit fast zwei Monaten die Möglichkeit zu einem Bad.

[Wieso gingen die nicht im Rhein schwimmen?]

[20.6.1945: Schliessung des Lagers Remagen - Verlegung der "amerikanischen" Einheit nach Japan]

Nachdem das Lager geschlossen worden war, wurde die Abteilung zu einem Depot nach Marburg verlegt. Um den 7. Juli [1945] herum wurde eine Anzahl von Soldaten einer Infanterieeinheit zugeteilt, nach Marseille gebracht und auf einem Schiff nach Okinawa verfrachtet. Dort sollten wir einer Division zugeteilt werden, die in Japan landen sollte.

Glücklicherweise endete der Krieg, als wir in Hawaii ankamen. Aber wir wurden noch nach Okinawa geschickt, wo wir so lange blieben, bis ich nach Hause zurückkehren konnte. Andere aus meiner Gruppe wurden noch nach Japan und Korea verlegt.

Ich hoffe, dass Sie und die Betreiber des Museums diesen Brief interessant und nützlich finden. Ich habe versucht, so viele Informationen wie möglich wiederzugeben, die nun auf 50 Jahre alten Erinnerungen basieren. (....)

Ihr La Verne Keats">

<<     >>

Teilen / share:

Facebook






Quellen
[web01] Video: Eisenhower's Rhine-Meadows Death Camps - Documentary:  http://www.youtube.com/watch?v=hbp61fOVFaE, 15min.10-40sek.

Fotoquellen
[1] Rheinwiesenlager Remagen, Luftaufnahme aus dem LIFE-Magazin von Mitte Mai 1945: http://www.talmudterror.com/otherlosses.htm
[2] Wärter La Verne Keats 1945, sitzend: Video: Eisenhower's Rhine-Meadows Death Camps - Documentary:  http://www.youtube.com/watch?v=hbp61fOVFaE, 14min.20sek.
[3] Wärter La Verne Keats 1995 ca., Portrait: Video:
Eisenhower's Rhine-Meadows Death Camps - Documentary: http://www.youtube.com/watch?v=hbp61fOVFaE, 14min.25sek.


^