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Das Rheinwiesenlager
Remagen
"Amerikanische"
Berichte Nr. 3: Über das 62. Feldhospital
präsentiert von Michael Palomino (2013)
aus:
Wolfgang Gückelhorn / Kurt Kleemann: Die
Rheinwiesenlager Remagen und Sinzig. Helios-Verlag 2013,
Aachen, helios-verlag@t-online.de;
www.helios-verlag.de; ISBN 978-3-86933-094-5, S.38-41
Wortschatz
PWTE = zeitlich begrenztes / vorläufiges
Kriegsgefangenenlager [Prisoner of War Temporary
Enclosures]
1944-1945: <Das 62. Feldhospital
[Die Zusammensetzung des 62. Feldhospitals]
Diese
Sanitätseinheit wurde am 20. März 1944 im Camp Ellis,
Illinois aufgestellt. Sie setzte sich wie folgt zusammen:
-- 13 Offiziere des Medical Corps (Ärzte)
-- 3 Offiziere des Dental Corps (Zahnärzte)
-- 5 Offiziere der Sanitätsverwaltung
-- 1 Militärgeistlicher
-- 18 Krankenschwestern
-- 182 Unteroffiziere und Mannschaften des
Sanitätsdienstes.
[Ausbildung in den "USA" - Stationierung in Frankreich
- Verlegung nach Eschweiler]
Nach einer Ausbildungsphase im Camp Ellis und im Fort
Knox, Kentucky, wurde das 62. Field Hospital am 10.
November 1944 in Boston zum europäischen Kriegsschauplatz
eingeschifft.
Zunächst löste es am 16.01. 1945 das 21. Kanadische
Hospital in Bataille, Frankreich, ab, um dort 2 1/2 Monate
zu bleiben. Vom 5. bis 7. April kam die Verlegung nach
Eschweiler bei Aachen.
[Verlegung eines Teils nach Lintfort bei
Rheinberg und nach Kripp bei Remagen]
Als "Unit 2" wurden am 17. April 6 Sanitätsoffiziere, 6
Krankenschwestern und 51 Soldaten per Lastwagen nach
Lintfort am Niederrhein verlegt, um dort das Lager A1 /
Rheinberg mit zirka 80.000 Gefangenen medizinisch zu
betreuen.
Einen Tag später begann für den Rest die Verlegung nach
Kripp, wo bis zum 20. April ein Zelthospital mit 500
Betten eingerichtet wurde. Ab dem 22. April wurde in der
ehemaligen Lederfabrik ein 850-Bettenhospital und das
Hauptquartier eingerichtet.
[Remagen: Deutsche Ärzte und Sanitäter - Krankenhaus in
Remagen für 250 Patienten - Krankenhaus in Linz mit
zweimal 500 = 1000 Betten]
Um die Arbeit bewältigen zu können, mussten 120 deutsche
Militärärzte und 750 Sanitätssoldaten aus dem Heer der
Kriegsgefangenen herausgefunden werden. Gleichzeitig wurde
das zivile Krankenhaus in Remagen übernommen und zusammen
mit den katholischen Krankenschwestern auf 250 Patienten
erweitert.
Am 29. April kehrte die "Unit 2" zum 62. FH [Field
Hospital] zurück und eröffnete im Linzer Krankenhaus
[gegenüber von Remagen auf der anderen Seite des Rheins]
ein Hospital mit 500 Betten. Nach einer
Personalverstärkung kamen nochmals 500 Betten hinzu.
[Ein Feldspital in Sinzig mit 500
Patientenplätzen]
Ab dem 2. Mai übernahm das 62. FH auch das neu errichtete
Lager PWTE [Prisoner of War Temporary Enclosure] A5 in
Sinzig und betrieb mit "Unit 1" dort ein Zelthospital mit
500 Betten. Bis zum 2. Mai 1945 oblag die
sanitätsdienstliche Versorgung des südlichen Lagers
A5/Sinzig-Niederbreisig dem 83. Field Hospital der
US-Armee. Diese Aufgabe übernahm ab dem 3. Mai auch das
62. FH, während das 83. FH dann nur noch A4 / Büderich
betreute.
Die gesamte Bettenkapazität des 62. FH betrug schliesslich
3100 Krankenbetten.
[Die Patienten - angeblich nur 532 Tote in den
Spitälern]
Während seines Einsatzes im Rheinland wurden 133 alliierte
und 13.499 deutsche Patienten behandelt. Unter den
Kriegsgefangenen verstarben 532 in Einrichtungen des 62.
FH. [Der ganze Rest der 1000en von Toten stirbt im Schlamm
und in den zusammengebrochenen Höhlen ausserhalb der
Spitäler].
Am 10. Juli 1945 wurden die Kriegsgefangenen-Hospitäler an
das französische Militär übergeben. Bereits am 13. Juli
fuhr die Einheit per Bahn nach Dijon in Frankreich, um
später in die USA zurückzukehren.
Quelle: Headquarters 62nd Field Hospital, APO 66 US Army,
6 February 1946> [S.38]
========
27.4.1945: <Bericht des 62. Feldhospitals
[katastrophale Zustände im Rheinwiesenlager Remagen]
Am 27. April meldet das 63. FH an die vorgesetzte 106.
Infanterie-Division:
[Beklagenswerter Gesundheitszustand]
1. Allgemein ist der Gesundheitszustand im gesamten Lager
beklagenswert. Falls diese Bedingungen weiter andauern,
werden Krankheiten und Seuchen im Lager überhand nehmen
und die derzeitigen Sanitätseinrichtungen total
überfordern.
[Latrinen ohne Erde - keine Waschgelegenheit]
2. Die Latrinen bestehen zur Zeit aus bis zu zehn Meter
langen Gräben und die deutschen Gefangenen sind eine
richtige Benutzung nicht gewöhnt. Beim Verrichten der
Notdurft verhält er sich nicht richtig und der Kot wird
erst mit Erde abgedeckt, wenn die Gräben voll sind. so
sind sie für Fliegen zugänglich, die schnell Seuchen
verbreiten werden. Es gibt auch keine Waschgelegenheiten,
wo die Männer sich nach Benutzung die Hände waschen
können. Stattdessen werden entweder die Hände oder nichts
nach der Notdurft benutzt.
[Wasserversorgung nur mit Fässern ohne Wasserhahn]
3. Wasser wird durch Tanklastwagen in Fässer verteilt, die
in jeder Lagerabteilung aufgestellt wurden. Die Männer
tauchen ihre Gefässe in diese Fässer. Auf diese Weise
können Krankheitserreger verbreitet werden. Zudem bilden
sich um die Fässer Schlammpfützen, weil dabei Wasser
überschwappt.
[Verpflegung in Blechdosen, die nicht gespült werden
können und mit Fingern, die nicht gewaschen sind]
4. Beim Essenfassen erhalten die Männer ihre Rationen in
kleinen Blechdosen, die jeder mit sich führt. Man kann
weder diese spülen, noch gibt es irgendwelches Besteck.
Folglich essen die Männer mit den Fingern, die
möglicherweise kurz zuvor beim Latrinenbenutzen
verschmutzt worden sind. Die Seuchengefahr dabei ist
offensichtlich [Typhus durch Fäkalien].
[Vorschläge von Massnahmen zur Verbesserung im
Rheinwiesenlager Remagen]
Es wird vorgeschlagen:
Bei jeder Latrine soll ein Mann postiert werden, der
darauf achtet, dass der Kot jedes Mal ganz mit Erde
bedeckt wird. Dann soll diese Person für die Nutzer Papier
vorhalten, das nicht zweckentfremdet wird. Es müssen bei
den Latrinen Waschgelegenheiten errichtet werden.
Für die Nahrungsaufnahme sollen Löffel bereitgestellt
werden und die Möglichkeit zum Geschirrspülen gegeben
werden.
Bei den Wasserfässern soll auch je ein Mann postiert
werden, der das Wasser austeilt, und unter jedem Fass muss
ein Sickerloch ausgehoben werden, um die Pfützen zu
vermeiden.
Thomas F. McDaniel, Major, MC, Commanding
Quelle: Headquarters dispensary P.O.W.E. Remagen,
Germany> [S.39]
3.5.1945: <Bericht des 62. Feldlazaretts an
den Generalarzt in Washington
<Das 62nd Field Hospital der US-Armee war
verantwortlich für die Lager A2 und A5. In einem Bericht
vom 3. Mai 1945 an die 106. Infanterie-Division beschreibt
der Lagerarzt von A2, Thomas F. McDaniel, die vorhandenen
Probleme seines Verantwortungsbereichs:
"A. Die hygienischen Bedingungen dieses Lagers sind aus
folgenden Gründen in einem beklagenswerten Zustand:
1. Ein Lager, das für 20.000 Mann errichtet wurde, musste
plötzlich zur Unterbringung von 168.000 Mann gebraucht
werden.
2. Die Zeit für Planung und Organisation des Lagers war
unzureichend, ebenso seine sanitären Einrichtungen, seine
medizinische Einrichtungen, seine Verpflegung, sein
Brennstoff und anderer Nachschub.
3. Die mangelnde Felderfahrung: So ist die Art der
Latrinengräben bald unzureichend für die Aufnahme von
Fäkalien und Urin geworden. Weil der zur Verfügung
stehende Platz schnell aufgebraucht war, liefen die
Latrinengräben manchmal über. Zahlreiche Fälle traten auf,
in denen die Männer die bestehenden Latrinen nicht richtig
benutzt hatten.
4. Wegen fehlender Liefermöglichkeiten und des Fehlens
einer ausreichenden Anzahl von Fässern kam es zwangsläufig
zu Wassermangel.
5. Die Art und Weise der Wasserverteilung war höchst
unbefriedigend. Bis vor wenigen Tagen war dies dem Fehlen
von Gefässen zuzuschreiben. Die Gefangenen haben - jeder
einzelne für sich - Gefässe in das gemeinsame Fass
getaucht und so Schmutz und Seuchen verbreitet.
B. Die folgenden Verbesserungen wurden oder werden
eingeführt:
1. Eine eigene Hygieneabteilung wurde eingerichtet, die
sich mit dem Problem effizienter Hygienemassnahmen
befasst.
2. Die Wasserverteilung wurde verbessert und die verteilte
Wassermenge konnte erhöht werden. Doch ist sie immer noch
nicht ausreichend.
3. Für die Kranken wurden Kochgelegenheiten errichtet und
zusätzliche Einrichtungen werden im Rahmen der bestehenden
Material- und Transportmöglichkeiten aufgebaut.
C. Dazu werden folgende Vorschläge gemacht:
1. Mindestens 500 Fässer mit Zapfvorrichtung sind auf
Plattformen über Sickergruben von 4x4x4 Fuss zu errichten,
um die Wasserversorgung so lange zu gewährleisten, bis
Rohrleitungen installiert sind.
2. Mit einem Löffelbagger ist ein 2 Fuss breiter und 5
Fuss tiefer Graben jeweils in 15 Fuss Abstand parallel zum
Zaun rund um jeden Aussenzaun auszuheben, wobei nur die
Eingänge und Kreuzungen frei [S.40] zu halten sind. Bis
dies vollendet sein wird, sind die Befehle betreffs
Latrinen zu befolgen, die dieses Kommando herausgegeben
hat.
3. Zusätzlich zu den oben beschriebenen Latrinen sind
genügend Urinsickergruben wie folgt anzulegen: Für jeweils
200 Mann sind 8x8x8 Fuss grosse Löcher mit Kies zu füllen.
Diese entsprechen den Vorschriften. Wegen des Platzmangels
hier sollten sie jedoch die doppelten Abmessungen haben.
4. Krankenreviere sollen in den Ecken der Umzäunungen
eingerichtet werden, wo es eine Wasserversorgung gibt, und
wo sie besser abgeteilt werden können.
5. Schilder sollen in jeder Abteilung ("Cage") aufgestellt
werden, die die Männer in Deutsch (oder in der
Muttersprache der Insassen) auffordern, sich bei der
Entlausungsstelle ihres Krankenreviers zur Entlausung zu
melden, sobald sie Läuse entdecken.
6. Folgende Tatsache erfordert höchste Aufmerksamkeit:
Toilettenpapier, Seife, Verbandsmittel,
Desinfektionsmittel sind in diesem Lager Mangelware. Es
sollte jeder Versuch unternommen werden, diese Artikel so
schnell wie möglich zu erhalten.
7. Der Chlorgehalt des Trinkwassers sollte täglich geprüft
werden. Es wird versucht, die hierfür nötigen Apparaturen
zu besorgen.
8. Priorität für die Errichtung von Küchen ist die
folgende: Zuerst für die Krankeneinrichtungen, dann für
das Frauenlager, dann für das Kinderlager, dann für die
fremden Nationalitäten und schliesslich für das restliche
Lagerareal [die deutschen Soldaten sind zuletzt].
9. Öl oder Kreosot (fäulnisverhindernder Stoff) sollte als
Desinfektionsmittel in allen Latrinen benutzt werden und
deshalb in ausreichender Menge geliefert werden.
10. So schnell wie möglich sollten die Essensrationen
schon am Vortag ausgeteilt werden, um genügend Zeit für
die Zubereitung zu geben. So schnell wie möglich sollten
die Rationen auf ein zufriedenstellendes Mass
heraufgesetzt werden.
11. So schnell wie möglich sollten Bretter geliefert
werden, um Unterstände als Unterkunft für die Gefangenen
zu bauen oder eine andere Art von Wetterschutz.
gez.
Thomas F. McDaniel
Camp Surgeon
POWE Remagen
Quelle: Surgeon's Office, P.O.W.E., Remagen, Germany, 3
May 1945."
Dieser eindeutige Mängelbericht bezog sich auf die
Feststellungen im Lager A2 am 2. Mai 1945, als die
Aufnahmekapazität 100.000 Gefangene betrug, aber laut
einer Meldung 170.000 Insassen darin festgehalten wurden.
Das Lagerhospital in der Lederfabrik hatte an diesem Tag
alle 1000 Betten belegt, das Zelthospital alle 400 Betten
und im Linzer Krankenhaus waren von 1000 Betten 600
belegt.
Quelle: Headquarters Advance Section, Com Z, Office of the
Surgeon, APO 113, Atatus of Med Service PWTE Report,
022400 May 1945.> [S.41]
Quellen
Fotoquellen
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