Kontakt / contact     Hauptseite
                    / page principale / pagina principal / home     zurück / retour / indietro / atrás / back
<<     >>

Das Rheinwiesenlager Remagen

Deutscher Bericht Nr. 2 von Dr. Klaus Courage über die Behandlung von Kranken

präsentiert von Michael Palomino (2013)
Teilen / share:

Facebook







aus: Wolfgang Gückelhorn / Kurt Kleemann: Die Rheinwiesenlager Remagen und Sinzig. Helios-Verlag 2013, Aachen, helios-verlag@t-online.de;
www.helios-verlag.de; ISBN 978-3-86933-094-5, S.64-68

Wortschatz

PWTE = zeitlich begrenztes / vorläufiges Kriegsgefangenenlager [Prisoner of War Temporary Enclosures]


<Zeitzeuge Dr. Klaus Courage


[Als Arzt an der Ostfront in Staraja Rossia]

<Klaus Courage wurde am 30.03.1915 in Köln-Lindenthal geboren. Er studierte Medizin und machte 1940 sein Staatsexamen. Von 1940 bis zum Frühjahr 1942 war er als Assistent in der Pathologie in Köln notdienstverpflichtet. Dann wurde er zur Wehrmacht eingezogen und wurde nach kurzer Ausbildung als Unterarzt nach Staraja Rossia in Russland an die vorderste Front versetzt.

[Durchgangslager Brilon - Rheinwiesenlager Remagen]

Das Kriegsende erlebt er bei der Flak in Dortmund. Bei Iserlohn gefangengenommen, kam er über das Durchgangslager Brilon Anfang Mai  ins Lager südlich [von] Remagen. Dort hauste er wie alle anderen bei Einschränkungen und Entbehrungen in grossem Elend. Durch Lautsprecher wurde eines Tages ausgerufen, dass sich alle Ärzte zum Abtransport nach Frankreich melden sollten, ausser denen, die hier im Lager eine ärztliche Funktion hatten. Dr. Courage erzählt:

[Die "amerikanische" Verwaltung]

[Von den "Amis" ausgewählt - Krankenhaus "Maria Stern" in Remagen - ein demoliertes Haus und die Zusagen des "Medical Captains"]

"Ich gesellte mich zu einem kleinen Kreis von Ärzten, die zusammengekommen waren, um eine Einsatzbesprechung zu halten für die Kranken im Gefangenenlager. Als ich mit drei bekannten Kollegen dort stand, kam ein Medical Captain auf mich zu und frug, ob ich Internist sei. Ich bejahte das, obwohl ich noch nicht ganz fertig war, mir fehlten noch die Impfbescheinigungen. So sagte er, ich solle mitkommen.

Drei Ärzte, ein Chirurg, ein praktischer Arzt und ich, stiegen in einen Jeep ein und wurden ins Krankenhaus Maria Stern nach Remagen gefahren. Hier fanden wir ein leeres Haus vor, das scheinbar vorher noch von Hilfswilligen demoliert worden war: Scheiben waren eingeschlagen, elektrische Leitungen waren unterbrochen und wir standen da fast vor einem kleinen Trümmerhaufen. Der amerikanische Medical Captain erklärte uns, dass wir jetzt dem 62. US Feld Hospital angeschlossen seien. Die Leitung des Hauses läge jetzt in unserer Hand. Wir könnten von ihm alles fordern, was wir zur Herstellung des Krankenhauses, zur Behandlung der Patienten brauchten. Wir bekämen die volle, amerikanische Lazarettverpflegung für unsere Kameraden, die, sobald das Haus fertiggestellt sein würde, aufgenommen werden könnten.

Wir benötigten zunächst Fensterscheiben und aus dem Lager einen Trupp von Glasern. Die wurden uns zur Verfügung gestellt. Ein amerikanischer Wagen brachte uns aus Westhofen eine riesige Kiste Fensterglas, innerhalb von einem Tag waren sämtliche Fensterscheiben wieder eingesetzt.

Weiter benötigten wir für die Behandlung unserer Kranken natürlich das, was der Amerikaner uns zur Verfügung stellte. Das waren enorme Mengen Dauertropfinfusionen, Dextroselösungen, Blutersatz, dann einiges von Medikamenten (Morphium, Strophantin und Antineuralgika aus US-Beständen), aber es fehlte uns z.B. Aspirin. Ich bat ihn, er möchte uns doch Aspirin besorgen und für eine Laboreinrichtung das nötige Gerät u.a. ein Mikroskop und dergleichen.

Innerhalb eines Tages kam ein Lkw mit einer grossen Kiste von [S.64] Bayer Leverkusen, direkt aus der Fabrik: Aspirin! Es waren insgesamt 20.000 Aspirintabletten. Die Kiste war ihrer Aufschrift entsprechend für Südafrika bestimmt. Ausserdem kam ein Lastwagen mit Laborgeräten. Wir haben uns köstlich amüsiert: Was brachte er? Ich glaube aus der Remagener Gas-Anstalt, Trockentürme und alles Mögliche. Wir wollten lediglich ein paar Petri-Schalen und dergleichen haben.

Ausserdem kamen sie tatsächlich mit einem Mikroskop an. Auf Befragen sagte mir der amerikanische Feldwebel, das hätten sie von einer Insel geholt. Da wäre eine Insel im Rhein. Wir wussten, dass auf Nonnenwerth die Kölner Kinderklinik ausgelagert war. So hatte man von dort das Mikroskop weggeholt.

[Gleichwertige Verpflegung - übrige Lebensmittel müssen verbrannt werden, damit die Zivilbevölkerung nichts abbekommt]

Zur Organisation im Krankenhaus: Der Medical Captain machte uns klar, die amerikanische Verpflegung wird täglich ausgeliefert. Es ist Trockenmilch, Fleisch, alles Mögliche, und was man sich kaum denken kann, es gab Kaffee, auch einige Alkoholika und vor allen Dingen war auch Penicillin dabei.

Wir konnten alles anfordern, was wir noch brauchten. Nur war zur Bedingung gemacht, dass nach 48 Stunden alle nicht verbrauchten Lebensmittel auf dem Vorplatz des Krankenhauses verbrannt werden mussten, damit es nicht in die Hände der Zivilbevölkerung fallen konnte.

Es durften keine Zivilisten oder sonstige Personen in das Krankenhaus. Wir handelten aber mit dem Medical Captain aus, weil die Küche von den Schwestern, die in Remagen im Kloster wohnten, betreut wurde, dass die beiden Schwestern auch weiterhin die Küche pflegen und einrichten durften. Das wurde uns bewilligt. Ausserdem wurde uns gesagt, dass lediglich der Geistliche das Krankenhaus betreten dürfe.

[Krankenstation - Schwerstkranke aus dem Lager Kripp - der Geistliche ist der Schmuggler für Rasierzeug, Seife, Papier, Briefe]

So war nach einigen Tagen das Krankenhaus aufnahmebereit. Ich hatte eine Station von etwa 40 bis 50 Betten. Als Fälle kamen die Schwerstkranken aus dem Lager in Kripp zur Aufnahme. Dies waren Fälle von Typhus, Fleckfieber und meistens Ruhrkranke und Ausgezehrte. Sie wurden in ordentlichen Betten untergebracht und von unseren 6 bis 7 Sanitätsdienstgraden, die ebenfalls aus dem Lager kamen, versorgt. Es gab eine grosse Hilfsbereitschaft. Wir hatten den damaligen Dechant [Dekan] von Remagen, Dr. Peters, verständigen lassen, dass er in das Krankenhaus kommen durfte. Er kam täglich mit seiner grossen Soutane und frug, was er den Kranken mitbringen könnte. Wir sagten, Rasierzeug, Seife und vor allem Schreibmöglichkeiten. So war es möglich, dass, wenn er kam, diejenigen, die schreiben konnten und das Bedürfnis dazu hatten, eine Mitteilung an ihre Angehörigen machen konnten.

Die Briefe versteckte er unter seiner Soutane und brachte sie an den Bahnhof, wo dann Remagener ausriefen, wer in die und die Richtung führe, dass er die Briefe mitnehmen konnte. So wurden Angehörige informiert. Auch ich konnte so meinen Vater, der in Siegburg wohnte, unterrichten, dass ich heil aus dem ganzen Desaster herausgekommen war.

[Auch ein Bauunternehmer für die Nahebrücke ist ein Schmuggler]

Eines Tages kamen mein Vater und mein Onkel aus Siegburg in das Krankenhaus. Ein Freund von ihnen der Bauunternehmer in Köln war, hatte von den Amerikanern den Auftrag, eine Nahebrücke wiederherzustellen. Er hatte auch eine Wagenzulassung und war dann auf dem Weg nach Bingen und lud meinen Vater und Onkel in Remagen ab. Es war eine grosse Freude des Wiedersehens. Mein Vater brachte eine Cervelatwurst und eine Flasche Sekt mit, das war das, was sie noch vor dem Krieg gerettet hatten. Das wurde wieder eingepackt, und er bekam einiges von unseren Lebensmitteln, die wir ja praktisch nicht verbrauchen konnten.

[Gottesdienste im Spital]

Wir hatten auch mehrmals einen Gottesdienst in der Kapelle des Krankenhauses. Er wurde von den Patres des St. Apollinaris zelebriert.

[Behandlung so schnell wie möglich - der Medical Captain lernt von deutschen Ärzten - Urlaub und Schwimmen durch den Rhein]

Der Medical Captain liess uns vollständig freie Hand bei der Behandlung und in unserem Auftreten. Er sagte nur: "Sie wissen, wie es im Lager war, wie viele Schwerkranke dort sind. Jeder, der hier einigermassen gesund ist, von dem Sie verantworten können, ihn zu entlassen, muss wieder ins [S.65] Lager zurück. Wenn jemand länger hier liegt, blockiert er für Schwerstkranke das Bett." Wo waren wir gezwungen, doch auf einen relativ raschen Wechsel zu drängen.

Morgens, nicht an jedem Morgen, bat er, bei der Visite dabeibleiben zu können. Er wollte doch lernen, wie deutsche Ärzte behandeln und was sie tun. Wir antworteten: "Selbstverständlich!" Wir hatten ein gutes Verhältnis zu ihm. Sogar, dass ich Urlaub auf Ehrenwort von ihm bekam. Ich durfte also das Krankenhaus verlassen mit einer besonderen Bescheinigung von ihm. Mein erster Weg war zum Rhein hinunter, um die Freiheit zu geniessen. Ich werde nie vergessen, dass ich über den Rhein geschwommen bin und wieder zurück, als Ausdruck der wiedergewonnenen Freiheit.

An den Namen des Captains kann ich mich nicht erinnern, lediglich daran, dass er unter meinen Kollegen wegen des Bürstenhaarschnittes als "Kentuckyboy" bezeichnet wurde. Er sprach gebrochen Deutsch und ich griff auf mein Schulenglisch zurück.

[Massenweise schwerste Ruhrerkrankungen - Dauertropfbestecke als Fertigpackung - Tod auf dem Transport ins Spital]

Die ärztliche Behandlung war praktisch in unseren Händen, vor allem in der Inneren Abteilung. Jeden Morgen hatte ich fast 30 Dauertropfinfusionen von Traubenzucker und Blutersatz bei den Schwerstkranken. Vor allem waren es ausgemergelte Kameraden, die schwerste Ruhrerkrankungen hatten. Sehr hilfreich war, dass amerikanische Dauertropfbestecke als Fertigpackung zur Verfügung gestellt wurden, die zu der Zeit auf deutscher Seite noch nicht bekannt waren.

Wenn Betten frei wurden, meldeten wir das den Amerikanern und sie brachten wieder schwerste Fälle aus dem Kripper Lager. Oft war es so, dass auf dem Transport aus dem Lager der ein oder andere verstorben war und nicht mehr das Krankenhaus erreichte.

[Typhus]

Es gab einzelne Typhusfälle, die im Labor positiv festgestellt wurden. Zwei oder drei Fälle von Fleckfieber wurden ebenfalls diagnostiziert. Letztere wurden isoliert. Eine Isolierstation für Typhusfälle konnte nicht eingerichtet werden.

[Tote im Krankenhaus - den Ärzten werden keine Grabstätten bekannt]

Es gab Tote im Krankenhaus. Sterbefälle wurden auf die Korridore hinausgefahren. Die Leichen wurden von US-Soldaten abgeholt. Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, Totenscheine ausgestellt zu haben. Auch über den Verbleib der Leichen wusste ich nichts.

[Die deutschen Leichen kamen in Massengräber neben den Lagern, in Massengräber weiter weg, in Massengräber in Belgien neben der Landstrasse nach Antwerpen, oder die deutschen Leichen wurden zu den deutschen Konzentrationslager gefahren, dort als jüdische Leichen bezeichnet und dort in Massengräbern beerdigt, um Deutschland einen Millionenmord an Juden in die Schuhe zu schieben, den es nicht gegeben hat].

[Tod durch grünes Getreide bei einem deutschen Arzt]

An einen Fall kann ich mich erinnern: Ein deutscher Arzt hatte bei einem Arbeitseinsatz ausserhalb des Lagers noch grünes Getreide gegessen und starb an Darmverschluss!

[Spitalküche mit Spitaldiäten]

Im Krankenhaus war eine grosse Gemeinschaft unter dem Pflegepersonal, den Ärzten und vor allem den beiden Ordensschwestern, die in vorbildlicher Weise die Küche versorgten und den Diätmöglichkeiten weitestmöglich entgegenkamen. Viele Patienten verliessen weitgehend geheilt das Krankenhaus wieder und wurden ins Lager zurückgebracht. Dadurch machten sie verständlicherweise Platz für ihre schwerstkranken Kumpel.

["Vorzeigekrankenhaus" - Kontrolle durch das Rote Kreuz]

Unser Krankenhaus war auch "Vorzeigekrankenhaus" der Amerikaner. Ich erinnere mich, dass eine Abordnung des Roten Kreuzes aus der Schweiz ins Krankenhaus kam, und es wurde da gezeigt, was sie alles für deutsche Kriegsgefangene taten.

[Beispiel eines Schwerkranken mit Typhus und Dekubitus mit Röhrenabszess - erste Erfahrung mit Penizillin]

Ein persönliches Erlebnis von der Behandlung eines Schwerstkranken ist mir heute noch in lebhafter Erinnerung und ich bin immer noch erstaunt, auf welche Einfälle man damals kam:

Am 18. Mai - ich besitze die Fieberkurven noch - wurde ein 18-Jähriger in einem schwerstkranken Zustand eingewiesen. Er hatte einen Typhus, einen Dekubitus, so dass man hinten an der Wirbelsäule fast die Bänder sehen konnte, so weit war er durchgelegen, eine Bronchopneunomie und einen [S.66] Röhrenabszess am rechten Arm. Er war hochfiebrig. Es war so, dass der Chirurg den Röhrenabszess öffnete, und wir vor der Frage standen, was zu tun sei. Wir hatten Penicillin, und so haben wir praktisch angefangen, am 28. Mai ihm täglich alle 3 Stunden 15.000 Einheiten Penicillin zu verabreichen. Ich hatte keine Ahnung, wie Penicillin wirken würde. Der amerikanische Medical Captain schenkte mir im April 1945 ein in Amerika erschienenes Heft von der University of Minnesota über die Behandlung von schwersten Verletzungen mit Penicillin. Es waren da ca. 25 Fälle aufgeführt, also gerade die Anfänge. Ich versuchte, alles auf eine Karte zu setzen und liess also alle drei Stunden - auch die Nacht hindurch - 15.000 Einheiten Penicillin spritzen. Insgesamt bekam der Junge 1.215.000 E.P. [Einheiten Penizillin]. Die Behandlung erschien erfolgversprechend, da die Temperatur nach einigen Tagen deutlich absank.

Aber der schwere Dekubitus, wie war der zu behandeln? Ich erbat dann vom Dechant ein Stückchen Silberdraht. Mit einem keinen Bohrer aus dem Werkzeugkasten durchbohrte ich ihm rechts und links unter Betäubung die Beckenschaufeln und fügte da diesen Silberdraht ein. So konnte man ein zweites Bettgestell über das Bett schieben und den Jungen daran aufhängen, so dass er nicht mehr mit seinem Rücken auf der Unterlage lag. Mit dieser Behandlung wurde allmählich der Dekubitus besser und heilte schliesslich fast ab.

Der Zustand des Jungen war anfänglich so erschreckend, dass der amerikanische Medical Captain, wenn er mit durchging und wir an seinem Bett vorbeikamen, er draussen vor der Tür sagte: "Oh, he is going to the happy holy ground." [Deutsch: "Oh weh, er ist schon bald in der heiligen Erde"]. Aber das sollte - Gott sei Dank - nicht so eintreten. Nach mehreren Infusionen und drei Blutübertragungen besserte sich sein Zustand so weit, dass er über dem Berg war.

Wir konnten dann seinen Vater in Wermelskirchen benachrichtigen, der einen Krankenwagen organisierte, mit dem er dann abgeholt wurde. Das war aber erst Mitte August 1945 möglich.

[Bettwäsche waschen im Kloster - Schmuggel im Leiterwagen - Verteilung von Lebensmitteln an die Zivilbevölkerung]

Es gab im Krankenhaus keine Wäscherei, sondern die Patientenwäsche musste von deutschen Sanitätsdienstgraden mit einem Leiterwagen zum Kloster  hinuntergebracht werden, wo gewaschen wurde. Da wir aber immer sehr viel Lebensmittel übrighatten und es uns leid tat, diese zu verbrennen angesichts der hungernden Bevölkerung draussen, haben wir nachts veranlasst, dass die Lebensmittel auf den Wagen geladen wurden, das war ein grosser, breiter Handwagen, und darüber dann die Bettwäsche. Am Morgen wurde dann dieser Wagen von den Sanitätsdienstgraden vom Krankenhaus hinuntergefahren. Einer ging mit dem Schild voraus: DANGER INFECTION [Deutsch: ANSTECKUNGSGEFAHR] mit einem Totenkopf. Rechts und links gingen jeweils zwei Amerikaner mit Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten und brachten den Transport hinunter zum Kloster. Dort wurden dann die Lebensmittel aufgeteilt, auch an die Zivilbevölkerung und an Bedürftige.


[Französische Verwaltung von Remagen ab 10. Juli 1945]

Die Franzosen übernahmen am 10. Juli die Besatzungszone von den Amerikanern. Es war fürchterlich. Die Franzosen hatten schon die Bewachung des Lagers übernommen, während aber das Maria Stern Krankenhaus noch vollständig in amerikanischer Verantwortung und Versorgung war und blieb.

[Französische Morde an Deutschen aus Spass]

Die Franzosen böllerten manchmal mit dem Maschinengewehr in das Lager hinein, so dass wir auch zahlreiche Verwundete eingeliefert bekamen. Das Krankenhaus wurde nicht an die Franzosen übergeben.

[Genesende direkt aus dem Lager entlassen]

Mittlerweile war es möglich, dass im Krankenhaus Genesende direkt von den Amerikanern entlassen werden konnten. Das Krankenhaus [S.67] sollte aufgelöst werden und die noch in Behandlung befindlichen Schwerstkranken in anderen Krankenhäusern untergebracht werden. Es war so, dass sich jetzt die Frage erhob, was machen die aus dem Krankenhaus entlassenen Kriegsgefangenen? Wohin gehen sie? Die, die in Westdeutschland, also der amerikanischen, englischen oder französischen Zone wohnten, gingen natürlich nach Hause. Aber man hatte gehört, dass es in der russisch besetzten Zone zu Gräueltaten kam. Viele, die ihre Eltern oder Verwandten noch dort wohnen hatten, wollten nicht in die russische Zone zurück.

[Die Vermittlung von Genesenen an Bauern und Handwerker]

Mit Hilfe des Dechanten [Dekans] organisierten wir dann eine Art "Berufsberatung". Wir machten bekannt, dass jetzt Soldaten entlassen würden, die eine Stellung oder Unterkunft suchten. Darauf kamen Bauern oder Handwerker in das Krankenhaus und konnten dort Verbindung zu den Entlassenen aufnehmen. So wurden mehrere aufgenommen.

[Entlassung von Dr. Klaus Courage wegen Gelbsucht]

Ich wurde wohl Ende August [1945] entlassen, weil ich eine Gelbsucht bekam. Der Amerikaner war froh, mich deswegen entlassen zu können, weil die Entlassungszeit für Jüngere noch nicht gekommen war. Meine Gelbsucht war jedoch harmlos.


[Dr. Courage: Wiedersehen mit Patienten in Köln 1946]

Die Tage in dem Krankenhaus, die für mich ausserordentlich erlebnisreich waren, werde ich nicht vergessen. Vor allen Dingen die Aufgeschlossenheit der Patienten und die Zuneigung, die man selbst zu den Patienten hatte und die die Patienten zu einem hatten. Es war mir ein Erlebnis, das mir selbst mit meinen 81 Jahren noch eine grosse Freude bedeutet.

Diese Freude wurde auch später noch einmal deutlich: 1946 war ich in einem Kölner Krankenhaus angestellt, da kam eines Tages eine Schwester und sagte, dass draussen ein Herr und ein Junge seien, die mich sprechen wollten. Da kam zunächst der Herr herein und hatte einen Trauerflor um den Arm:

"Ich weiss nicht, ob sie sich noch an mich erinnern? Ich habe damals meinen Sohn Hans abgeholt, den sie ja im Krankenhaus Maria Stern so gut versorgt hatten."

Ich war entsetzt, da ich den Trauerflor sah. Er sagte aber:

"Ich möchte Ihnen herzlich danken, vor vier Wochen ist ein Sohn von mir an Hirnhautentzündung gestorben. Hätten sie Hans nicht gerettet, hätte ich jetzt keinen mehr. Hans, komm mal herein!"

Da kam also Hans Sch. herein und es war eine stürmische, herzliche Begrüssung. Er war vollständig gesund.

Das waren jetzt persönliche Erlebnisse. Sollte ich mich da zu sehr in den Vordergrund gestellt haben, bitte, nehmen Sie es mir nicht übel. Es ist eine Erinnerung. Es ist so, dass es mir heute ein Bedürfnis ist, sie aufzuzeichnen."

Ich denke, mit diesem Bericht schliesst sich ein weiteres, wichtiges Kapitel der traurigen Nachkriegszeit. Aber es zeigt auch, dass es bei aller Tristesse auch immer wieder ein Fünkchen Menschlichkeit gab."

Quelle: Gespräch von Kurt Kleemann mit Herrn Dr. Klaus Courage am 9. Mai 1996> [S.68]


<<     >>

Teilen / share:

Facebook






Quellen


Fotoquellen
[1]



^