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Josef Nowak: Das Rheinwiesenlager Rheinberg

Kapitel 5: Verspätetes Vorwort

Vergleich der Kameraden mit Hitchcock-Filmen über Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen -- Philosophie über Himmel, Erde und Hölle -- eine erfundene "Kollektivschuld" und die Schuld der kriminellen Alliierten, so kriminell wie die SS

aus: Josef Nowak: Mensch auf den Acker gesät. Kriegsgefangen in der Heimat

präsentiert von Michael Palomino (2013)
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[Ein Acker wird zertrampelt - Vergleich der deutschen Kriegsgefangenen mit den Hitchcock-Filmen über Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen]

Vielleicht soll ich dieses kleine Buch doch nicht ohne Vorwort in diese Welt der Missverständnisse schicken.

Das Vorwort kommt eben noch zurecht. Das Lager Rheinberg wird ja mit unserer Ankunft erst existent. Bis zur Stunde ist es noch ein Kleeacker, eine Viehweide, ein Rübenfeld, was weiss ich. In der Geschichte aber wird es denselben Ruf geniessen wie Dachau, wie Buchenwald, wie Sachsenhausen.

[Ergänzung: Die Leichen in den Hitchcock-Filmen sind wahrscheinlich deutsche Leichen aus den Rheinwiesenlagern, die in Deutschland herumgefahren wurden. Das gilt für die Hitchcock-Filme über Bergen-Belsen, Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen etc. Deutsche Konzentrationslager und deren jüdische Häftlinge wurden vom Roten Kreus UND von den Zionisten kontrolliert und waren für das SS-Regime kriegswichtig und sie hatten immer genügend Nahrung, oft sogar mehr Nahrung als die Zivilbevölkerung].

[Philosophische Gedanken über Himmel, Erde und Hölle]

Im Mittelalter war das physische Wissen noch ziemlich beschränkt, wenn auch der britische Franziskaner Roger Bacon schon empfohlen hatte, die Augen aufzumachen, nicht die Bücher des Aristoteles zu lesen, sondern die Natur zu studieren und dabei den Kraftwagen und das Flugzeug zu entdecken. Bacon hatte diese technischen Errungenschaften immerhin schon im 13. Jahrhundert vorausgesehen. Bis zur Wasserstoffbombe allerdings hatte sein Horizont nicht gereicht, sonst wäre er vielleicht doch mit dem Aristoteles glimpflicher umgegangen. Trotz der geringen Kenntnisse war der Kosmos damals gut und übersichtlich gegliedert. Oben war der Himmel, die Herrberge der Engel und der seligen Geister, unten war die Hölle, die Herberge der Teufel und der Verdammten. In der [S.59] Mitte aber lag die Erde, Durchgangsstation, Kampfplatz, Leidensstätte der Menschheit. Himmel und Hölle mühten sich mit demselben Eifer um die unglücklichen Kinder Evas. Jeder Sterbliche hatte Gott und den Satan in seiner Brust, die Kraft, das Gute, die Macht, das Böse zu tun. Da gab es keine Landesgrenzen, keine Rassenschranken, nur die Erbsünde und die Erbgnade. Und beide waren in das Herz des Menschen gesenkt.

Die Neuzeit hatte gelernt, über den Himmel wie über die Hölle zu lachen. Aber das Stück dazwischen, die Erde, hatte sie neu und - man muss es zugeben - nicht weniger übersichtlich gegliedert. Da gab es gute und böse Nationen, edle und unedle Rassen, Übermenschen und Untermenschen, gesegnete und verfluchte Völker. Es war die übelste und zugleich dümmste Form einer Prädestinationslehre, von der die Köpfe jemals verwirrt worden sind. Andererseits war alles, wie schon Jakob Burckardt gelehrt hatte, furchtbar einfach geworden. Man brauchte nur noch den Pass eines Menschen einzusehen, allenfalls noch den Ahnenpass, man brauchte nur seine Muttersprache zu hören und schon wusste man, wohin dieser Aristokrat oder Schuft gehörte.

[Die erfundene "Kollektivschuld" und die kriminellen Alliierten]


Wir waren als Söhne Satans nach Rheinberg gereist. Noch nie hatte es in der Geschichte eine solche Riesenversammlung von Sündenböcken gegeben. Wir hatten als einziges Gepäck die Kollektiv-Schuld eines ganzen Volkes auf dem Rücken [S.60].

[Die meisten Toten der deutschen Konzentrationslager sind Leichen aus den Rheinwiesenlagern unter dem Massenmörder Eisenhower. Die Kollektivschuld dreht sich somit gegen die kriminellen "Amerikaner"].

Während man im Mittelalter sich ab und zu einen Ketzer aus Gottes merkwürdigen Teichen gefischt und geröstet hatte, kannte man jetzt ganze Völker von Ketzern. Wenn alles Masse war, wie sollten da nicht auch die Ketzer in Massen auftreten? Es war uns aufgegeben, eine schlimme Einkehr zu halten. Während das Mittelalter die Ketzer aber nur hart bestrafte, wenn sie unbussfertig waren, nützte uns die Bussfertigkeit nichts. Wer so dumm war, seine Schuld zu bekennen und zu bereuen, vor den irdischen Richtern nämlich, der war dadurch der Rache verfallen. Innere Bereitschaft zur Sühne, das mochte noch hingehen, äussere Bereitschaft wäre Torheit gewesen. Ihr war das moderne Klima zu rau. Sie siechte deshalb an der Schwindsucht dahin. Sie kam uns mit unseren Toten abhanden. Wir waren ja nicht aus der Haft des Teufels entlassen worden, um einer Horde von Erzengeln in die Hände zu fallen. Wir waren in die Drahtnetze von KZ-Kerkermeistern geraten.

[Die kriminellen "Amerikaner" benehmen sich wie die deutschen SS]

Wir waren besessen gewesen von der Einsicht, die menschliche Schande, die hinter uns lag, sei so gross gewesen, dass man sich schämen müsse, sie überlebt zu haben. Bald aber merkten wir, dass es neue Schande gab, die überlebt sein wollte. Die Waage der Gerechtigkeit, die so lange mit falschem Gewicht gearbeitet hatte, wippte stürmisch auf und nieder, suchte ihr Gleichgewicht. Die verlogenen Zerrbilder begannen, wieder wahrhaftig zu werden. Ein furchtbarer Verdacht keimte aus dem [S.61] Schutt unserer Seelen. Die Sieger, die unseren Stacheldrahtkäfig bewachten, glichen uns aufs Haar. Der Unterschied war nur, dass sie Maschinenpistolen trugen und wir nicht, dass sie sich täglich vollfrassen, während wir vor Hunger einschrumpften.

Ich hasse die Amerikaner nicht. Wofür sollte man sie hassen? Weil sie genauso dumm, so grausam, so hochmütig waren wie wir? Weil sie genauso leichtgläubig, so mörderisch naiv waren? Wie hätte man sie sonst zur Rheinberger Kollektiv-Rache aufpeitschen können?


[Hekatomben und Priester]

Später, viele Jahre nach meiner Kriegsgefangenschaft, brachte ich einen schweren Abend mit einem katholischen Priester zu. Er hatte im Zuchthaus zu Wolfenbüttel [bei Braunschweig, Region Hannover] einige Hekatomben [mehrere 100] schlachtreifer Opfer zum Fallbeil geleitet. Das war vor dem April 1945. Eine Woche später verbrachte ich einen schweren Abend mit einem anderen katholischen Priester. Er hatte im Zuchthaus zu Hameln Scharen von Todeskandidaten zum Galgen geleitet. Das war nach dem April 1945. Galgen und Schafott waren beide von Sondergerichten beliefert worden. Darum unterschieden sich die Berichte der beiden Pfarrer nur wenig voneinander. Verschieden dagegen waren die Pässe der Hingerichteten voneinander. Man richtete in anderen Kategorien hin.

Unser Wille, eine Gewissenserforschung stellvertretend für unser Volk zu treiben, erlahmte in Rheinberg schnell. Alte und neue Greuel verschmolzen vor unseren Augen zu einem blutigen [S.62] Sumpf, der der Menschheit gemeinsam bis an die Knie, bis an die Hüften reichte. Wir begriffen, dass es nicht der Weisheit der Staatsmänner, nicht der Gesetzeskunde der Richter, sondern ganz einfach der Allwissenheit Gottes bedurfte, um zu entscheiden, wie viele Rekruten Hitlers sich in den Reihen der Sieger, wie viele Träger der Menschenwürde sich in unseren Reihen befanden.

Und da unternahm es irgendein Colonel [Oberst] oder Captain [Hauptmann] im Auftrag irgendeines Ministers, in der Pose Jesu Christi am Tag des Jüngsten Gerichts die Schafe von den Böcken zu scheiden. Wir sind Gottes gerechte und geliebte Söhne. Ihr seid Luzifers schwarze Schar. Und jetzt wollten wir ein bisschen Höllensturz veranstalten.

Nein, wir hassten die Amerikaner nicht. Wir hegen auch heute keinen Hass gegen sie, wenn auch zwischen Berlin und Washington Rheinberg liegt. Wir ahnten damals schon, obwohl es keiner schon auszudrücken vermocht hätte, dass sich aller Unsinn auf Erden von selbst revidiert [S.63].

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Quellen


Fotoquellen


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