3. Vom
Volk für das Volk: Hadithe: Sprüche und Taten des
Propheten
"Niemand, der
seriös Islam-Studien betreibt, würde es
wagen, die Mohammed und seinen Gefährten
zugeschriebenen Aussprüche als Quelle zu
benutzen, um ein Bild vom frühen Zustand und
den ursprünglichen Lehren des Islam zu
entwerfen."
Ignaz Goldziher, Altmeister der
Koranforschung auf dem 1. Internationalen
Kongress der Religionsgeschichte, Paris 1900
|
3.1. Dichtersprüche und die Dichter
[Die angeblichen Aussprüche von "Mohammed"]
Zusammen mit dem Koran sind die "hadith" (Betonung auf
der zweiten Silbe, -th wie s gesprochen) [[die
Aussprüche des Propheten]] die wichtigsten religiösen
Schriften im Islam. Hadithe sind Aussprüche und
Handlungen des Propheten: was er zu dieser oder jener
Angelegenheit sagte, welches Urteil er zu diesem oder
jenem Fall sprach, wer seine Lieblingsfrau war, was
sein Lieblingsessen war, und wen er bei seinem Besuch
im Himmel und in der Hölle alles antraf. Es gibt kaum
ein denkbares oder undenkbares Ereignis aus Mohammeds
Leben, das nicht detailreich beschrieben wäre. Die
Aussprüche werden grösstenteils in wörtlicher Rede
wiedergegeben. Die Lebensbeschreibung des Propheten
("Sira") in ihren Tausenden Varianten und allen
Details gründet sich auf die Hadithe.
[Sunnitische und schiitische Dichtersprüche über
"Mohammed" und die Dichter - 5 bis 6 Generationen
alte Sprüche - Beispiel vom Kürbis]
Die Zahl der Hadithe überschreitet die
Millionengrenze. Sechs Sammlungen sind kanonisiert,
also vom sunnitischen Klerus offiziell als authentisch
und wahr anerkannt. (Nicht aber von den Schiiten, die
ihrerseits fünf eigene Sammlungen präsentieren). Die
Autoren dieser sechs offiziellen Sammlungen sind
-- al-Buhari (gest. 870),
-- Muslim (gest. 875),
-- Ibn Madscha (gest. 886),
-- Abu Dawud (gest. 888),
-- Tirmidhi (gest. 892), und
-- Nasa'i (gest. 915).
Die früheste, gelegentlich zitierte Sammlung
biografischer Daten von Ibn Ishak (gest. um 770) ist
nicht belegt, die Sammlung von Ibn Hisham (gest. 834)
ist seltsamerweise nicht kanonisiert.
Zur Erinnerung: Der Prophet war [[offiziell]] 632
gestorben. Das bedeutet, die Hadithe sind 150 bis 250
Jahre nach seinem Tod niedergeschrieben worden, manche
noch viel später. Bis dahin wurden sie mündlich [S.53]
weitergegeben, vornehmlich von "quassas",
professionellen Geschichtenerzählern. Die Geschichten
über die Aussprüche und Taten des Propheten Mohammed
wanderten in wörtlicher Rede von Teefeuer zu Teefeuer,
von Markt zu Markt, von einer Generation zur anderen,
bis sie bei einem der Schreiber landeten.
Sehen wir uns einige Hadithe an. Sie stammen aus der
offiziellen Sammlung des Buhari und sind entsprechend
der Reclam-Ausgabe nummeriert. Es wird jeweils nur der
ursprüngliche Informant genannt. In Wirklichkeit muss
man sich die gesamte "Tradentenkette" über fünf oder
sechs Generationen hinzudenken. Dies würde so
aussehen:
"So hat es mir A erzählt und sagte dazu, dass B
erwähnt habe, dass C ihm gesagt habe, D habe erwähnt,
er habe von E gehört, dass F sagte, G habe Aischa
(eine der Frauen Mohammeds) gefragt: 'Was hat der
Prophet des Herrn denn gerne gegessen?' Worauf Aischa
gesagt habe: 'Wahrlich, ich sage dir, er mochte
kandierte Früchte und Honig, und ganz besonders hat er
Kürbis gemocht."
3.2. Muslimische Dichtersprüche: Gebet,
Himmel, Hölle, Datteln, Frauendiskriminierung,
Juden töten, Sexualität, "böser Blick",
Tätowierung, Knoblauch
[Erdichtete Aussprüche eines "Mohammed": Gebet,
Himmel und Hölle]
II, 11
[Mohammed schildert vor allem undankbare
Frauen in der Hölle]
Ibn Abbas berichtet:
<Der Prophet erzählte: "Die Hölle wurde mir
gezeigt. Und die Mehrzahl ihrer Bewohner waren
Frauen." Jemand fragte ihn: "Haben sie denn nicht an
Gott geglaubt?" "Sie waren undankbar gegenüber ihren
Lebensgefährten, undankbar für die Wohltaten, die
ihnen erwiesen wurden. Wenn du einer solchen Frau nur
Gutes tust, sie aber an dir etwas entdeckt, das ihr
Missfallen erregt, so sagt sie: Nie habe ich etwas
Gutes an dir gesehen.">
II, 17
[Wer sich zum Islam bekennt, bekommt die
gute Taten verzigfacht]
<Abu Huraira berichtet, der Gesandte Gottes habe zu
ihm gesagt: "Wer sich aufrichtig zum Islam bekennt,
dessen gute Tat wird ihm zehn- bis siebenhundertfach
gutgeschrieben, während eine schlechte Tat nur einmal
notiert wird."> [S.54]
III, 19
[Das Gedächtnis im Mantel]
Abu Huraira berichtet:
<Ich sagte: "Oh Gesandter Gottes, ich höre von dir
so viele Hadithe, aber oft vergesse ich sie wieder."
Der Prophet antwortete: "Breite deinen Mantel aus."
Ich kam dieser Aufforderung nach. Danach bewegte der
Prophet seine Hände, also schöpfte er etwas in meinen
Mantel hinein. Dann sagte er: "Jetzt zieh ihn wieder
an." Ich tat, was er gesagt hatte, und seitdem habe
ich nichts mehr vergessen!>
IV, 2
[Vor dem Beten die kleine Waschung
verrichten]
Hammam ibn Munabbih berichtet:
<Abu Huraira erzählte: Der Gesandte Gottes sagte:
"Das Gebet eines Menschen, der unrein ist, wird nicht
angenommen, bevor er nicht die Kleine Waschung
verrichtet." Ein Mann aus Hadramaut fragte ihn: "Oh
Abu Huraira, durch was wird man unrein?" "Zum Beispiel
durch Blähungen.">
IV, 5
[Toilettengang]
Anas berichtet:
<Wenn der Prophet sich entfernte, um seine Notdurft
zu verrichten, sagte er: "Oh Gott, ich nehme meine
Zuflucht bei dir vor den bösen und unreinen
Mächten.">
IV, 6
[Beim Toilettengang darf man nicht nach
Mekka schauen]
Abu Aiyub al-Ansari berichtet, der Gesandte Gottes
habe gesagt: "Wenn ihr die Notdurft verrichtet, so
darf euer Gesicht oder euer Rücken nicht zur Kaaba hin
gewendet sein. Wendet euch vielmehr nach Westen oder
nach Osten.">
IV, 24
[Teiche und Seen nicht als Pissoir
benutzen]
Abu Huraira berichtet:
<Der Gesandte Gottes sagte: "Uriniert ja nicht in
stehende Gewässer. Denn später braucht ihr dieses
Wasser vielleicht, um euch zu waschen."> [S.55]
V, 3
["Mohammed" mit der Potenz von 30 Männern]
Qatada berichtet:
<Anas ibn Malik erzählte: "Im Laufe einer Nacht und
eines Tages ging der Prophet bei allen seinen Frauen
ein. Und er hatte elf!" Ich fragte ihn: "Hatte er denn
so viel Kraft?" "Ja, er hatte die Kraft von 30
Männern.">
V, 10
[Waschungen für den Mann nach Sex ohne
Samenerguss]
Ubai ibn Kab berichtet:
<Ich fragte den Propheten: "Oh Gesandter Gottes,
wie soll ein Mann sich waschen, der seiner Frau
beigewohnt hat, aber keinen Samenerguss hatte?" Er
erwiderte: "Er soll jene Körperpartien, mit denen er
die Frau berührt hat, waschen. Anschliessend soll er
die Kleine Waschung durchführen. Dann kann er das
Gebet verrichten.">
VII, 1
["Mohammed" soll bei Enoch, Jesus und
Abraham Willkommen sein]
Anas berichtet:
<Der Prophet erzählte, er habe in den Himmeln
Enoch, Moses, Jesus und Abraham - Gottes Segenswünsche
mögen ihnen gelten - getroffen, ohne aber nähere
Auskunft darüber zu geben, wie ihre Aufenthaltsorte
bestellt waren. Allerdings wies er darauf hin, dass er
Adam im ersten, Abraham im sechsten Himmel gesehen
habe. Als Gabriel und der Prophet an Enoch
vorüberkamen, sagte er: "Willkommen, oh aufrichtiger
Prophet und frommer Glaubensbruder!" Anschliessend
begegnete ich Jesus. Auch er sagte: "Willkommen, oh
aufrichtiger Prophet und frommer Glaubensbruder!"
Schliesslich traf ich Abraham. Er sagte: "Willkommen,
oh aufrichtiger Prophet und frommer
Glaubensbruder!">
X, 14
["Mohammed" soll gesagt haben, gemeinsames
Beten sei 27mal so viel Wert wie das alleinige
Beten]
Abdullah ibn Umar berichtet, der Gesandte Gottes habe
gesagt:
"Das gemeinsame Gebet hat den siebenundzwanzigfachen
Wert des alleine verrichteten Gebets." [S.56]
XI, 4
["Mohammed" soll gesagt haben, beim
Freitagsgebet werden alle Verfehlungen vergeben]
Salman al-Farsi berichtet, der Prophet habe gesagt:
"Wer am Freitag ein Bad nimmt und sich gründlich
wäscht, sich das Haar ölt oder parfümiert, dann zum
Gebet geht und sich nicht zwischen die Betenden, die
bereits vor ihm ihre Plätze eingenommen haben, drängt,
anschliessend das Gebet vorschriftsmässig verrichtet
und der Predigt aufmerksam zuhört, dem werden die
Verfehlungen verziehen, die er sich zwischen diesem
Tag und dem vorangegangenen Freitag hat zuschulden
kommen lassen."
XV, 1
["Mohammed" soll gesagt haben, alle, die an
Mohammed glauben, kommen ins Paradies, auch Diebe
und Ehebrecher]
Abu Darr berichtet:
<Der Prophet sagte: "Von meinem Herrn kam die
erfreuliche Nachricht, dass alle Mitglieder meiner
Gemeinde, die allein Gott dienen und ihm keinen
Teilhaber an seiner Göttlichkeit zuschreiben, nach
ihrem Tod ins Paradies eingehen werden." Ich fragte
ihn: "Gilt dies auch für die, die Ehebruch begangen
oder gestohlen haben?" - "Ja!">
XV, 13
["Mohammed" soll gesagt haben, alle
Menschen kommen automatisch zum Islam, wenn sie
nicht falsch erzogen sind]
Abu Huraira berichtet:
<Der Gesandte Gottes sagte: "Jedes Neugeborene hat
von Natur aus die Anlage zum rechten Glauben. Es sind
die Eltern, die es zum Juden, Christen oder Magier
erziehen.">
[Erdichtete Aussprüche eines "Mohammed": Thema
Datteln]
XX, 15
[Nafi soll gesagt haben, befruchtete
Dattelpalmen gehören dem Befruchter]
Nafi, der Maular von Ibn Umar, berichtet:
"Wenn Dattelpalmen verkauft werden, die bereits
befruchtet sind, und keine weiteren Abmachungen
getroffen wurden, steht die ernte dem zu, der die
Palmen befruchtet hat."
XXIV, 3
[Datteln langsam essen]
Ibn Umar berichtet:
"Der Prophet verbot es, bei einem gemeinsamen Mahl
zwei Datteln gleichzeitig zu essen, bevor man die
anderen um Erlaubnis gefragt hat." [S.57]
[Erdichtete Aussprüche eines "Mohammed":
Frauendiskriminierung, Juden töten, Sexualität,
"böser Blick", Tätowierungen, Knoblauch]
XXVI, 7
[Die Zeugenaussage einer Frau gilt
nur die Hälfte]
Abu Sail al-Khudri berichtet:
<Der Prophet sagte zu den Frauen: "Ist es nicht so,
dass der Zeugenaussage einer Frau nur das halbe
Gewicht der Zeugenaussage eines Mannes zukommt?" Sie
erwiderten: "Ja, oh Gesandter Gottes!" - "Der Grund
dafür ist euer mangelhafter Verstand!">
XXVIII, 18
["Mohammed" soll die Tötung aller Juden
in Auftrag gegeben haben]
Abdullah ibn Umar berichtet, der Gesandte Gottes habe
gesagt:
<Ich werde die Juden bekämpfen, bis einer von ihnen
Zuflucht hinter einem Stein sucht. Und dieser Stein
wird rufen: "Komm herbei, dieser Jude hat sich hinter
mir versteckt! Töte ihn!">
XXIX, 5
["Mohammed" soll eine Ehe auf Zeit für die
sexuelle Befriedigung bewilligt haben]
Abdullah berichtet:
<Wir waren auf einem Kriegszug und hatten keine
Frauen dabei. Daher sagten wir zum Propheten: "Ist es
nicht besser, uns kastrieren zu lassen?" Er verbot uns
das, erlaubte aber, Frauen für eine begrenzte Zeit zu
ehelichen.>
XXIX, 7
["Mohammed" soll Sex nur bei Dunkelheit
erlaubt haben, aber Frauen gerne gekämmt und
rasiert]
Gabir ibn Abdullah berichtet:
<Als wir uns unserem Ziel näherten, sagte der
Prophet: ´"Lasst euch Zeit und reitet langsam, damit
ihr erst zum Einbruch der Nacht in Medina ankommt.
Denn die Frauen sollen noch Zeit finden, sich zu
kämmen und ihr Schamhaar zu rasieren!">
XXXIV, 15
["Mohammed" soll den "bösen Blick"
bewilligt, aber Tätowierungen verboten haben]
Abu Huraira berichtet:
<Der Prophet sagte: "Der böse Blick ist Realität!"
Und er verbot das Tätowieren.>
XXXI, 14
["Mohammed" soll Knoblauch vor dem Gang
in die Moschee verboten haben]
Abdul Aziz berichtet:
<Jemand fragte Anas: "Hat der Prophet etwas über
den Knoblauch gesagt?" Ja, er sagte: "Wer Knoblauch
gegessen hat, soll sich ja nicht unserer Moschee
nähern!"> [S.58]
3.3. Die Datierung und Klassifizierung der
Dichtersprüche: "authentisch erscheinen"
Diese Hadithe sind also rund 200 Jahre und später nach
den behaupteten Ereignissen hunderttausendfach
niedergeschrieben worden. Es ist natürlich für
jedermann ersichtlich, dass der Authentizität von
Zitaten, die über Jahrhunderte mündlich tradiert
wurden, und das in riesigem Umfang, mit grösster
Skepsis zu begegnen ist.
[Die Hadith-Industrie im 9. und 10. Jahrhundert -
Dichter al-Audscha]
Im 9. und 10. Jahrhundert gab es eine wahre
Hadith-Industrie. Hadithe wurden gegen Bestellung und
Bezahlung ausgestellt, Machthaber liessen sie sich zu
ihrer Legitimation anfertigen. Ein gewisser al-Audscha
gab zu, 4000 Hadithe frei erfunden zu haben [25].
[25] Mc Donald: Development of Muslim
Theology; Jurisprudence and Constitutional Theory;
New York 1903
Er wurde zwar dafür hingerichtet, aber das eigentliche
Problem war damit nicht beseitigt.
[Die Autoren Abu Dawud und Al-Buhari klassifizieren
authentisch erscheinende Aussprüche]
Abu Dawud, Autor einer der offiziellen Sammlungen, gab
an, von 500.000 Hadithen nur die 4800 übernommen zu
haben, "die authentisch erscheinen, oder fast".
Al-Buhari, der prominenteste Hadith-Editor, erkannte
von 600.000 Erzählungen "nur 7400" als authentisch an.
Bei vorsichtig geschätzten 1,5 Millionen Hadithen als
Rohmaterial nur der offiziellen Herausgeber wären
Hunderttausende individuelle Überprüfungen der
Übermittler notwendig, im günstigsten Falle "nur" 150
Jahre zurückreichend...
Die Anerkennung eines Hadith als "echt" ist an
Bedingungen geknüpft. Der Gewährsmann muss
-- vertrauenswürdig sein und einen einwandfreien
Leumund haben;
-- in Glauben und religiösem Verhalten tadellos sein;
-- die Gewähr bieten, die Angaben auch richtig
verstanden zu haben;
-- mehr als nur einen Hadith überliefert haben.
Die Überlieferung muss
-- ausdrücklich feststellen, dass das Berichtete von
Mohammed persönlich stammt;
-- eine lückenlose Kette von Gewährsmännern aufweisen;
-- vom Inhalt her in die Zeit Mohammeds passen. [S.59]
[Die Überlieferungskette ("Isnad") als Kriterium
für einen echten Mohammed-Spruch (Hadith)]
Über die Qualität eines Hadith entscheidet immer das
Isnad, das ist die Kette der Überlieferer. Ist das
Isnad in Ordnung, ist es auch das Hadith selber, mag
es inhaltlich oder logisch noch so fragwürdig sein.
Eine als solide nachgewiesene Überlieferungskette hat
ein solides ("gesundes") Hadith zur Folge. Kritik an
einem Hadith ist deshalb niemals Kritik am Inhalt,
denn der stammt ja der Grundannahme nach immer vom
Propheten selber, sondern es ist nur Kritik am Isnad
und seinen Tradenten (Überlieferern).
Hadithlieferanten waren neben dem Propheten seine
"Genossen" und deren "Nachfolger", insgesamt einige
tausend Personen. Ihre Aussagen über den Propheten
gelten quasi als Echtheitszertifikat mit
Ursprungsgarantie.
Lange Zeit gab es keine Überprüfung der Hadithe, jedes
war "echt", erst als das Hadithunwesen überhand nahm,
erstellte man Kriterien, aber da waren die Dämme
bereits gebrochen.
[[Es konnte also jeder dem Fantasiepropheten Mohammed
einen Spruch andichten]].
Hadithe haben für Muslime fast dieselbe Bedeutung wie
Koranverse, weil Gott durch den Propheten in ihnen
spreche. Sie sind, weil durch den Volksmund
überliefert, für jeden verständlich abgefasst, und es
fehlt die grosse, ehrfürchtige Distanz, weil sie zum
Koran besteht. Der Herausgeber der
Buhari-Hadithsammlung (Reclam) schreibt in seiner
Einleitung:
"Nichtmuslimische Leser werden bei der Lektüre vieles
erfahren, was ihnen fremd und merkwürdig erscheinen
mag. Sie nähern sich der Intimsphäre einer fremden
Kultur."
Wohl wahr, sie nähern sich der Intimsphäre, aber
keinen Schritt den Tatsachen.
3.4. Dichtersprüche in den muslimischen
Medien
[Muslimische Medien diskutieren Lebenssituationen
und verbreiten die Dichtersprüche (Hadith)]
Hadithe geben über weite Strecken Belanglosigkeiten
des Alltags wieder. Sie sind aber umso wichtiger für
den Gläubigen, weil er daraus Handlungsanweisungen für
die Situation findet, auf die er eine Antwort sucht.
IN jedem islamischen Land gibt es Zeitungsrubriken,
Radio- und Fernsehsendungen, in denen das Publikum zu
konkreten Lebenssituationen Fragen stellen kann und
der Autor oder Moderator das passende Hadith dazu
liefert.
Allerdings gibt es auf Fragen von heute Antworten von
gestern - das Grundproblem islamischen Denkens [S.60].
3.5. Dichtersprüche als Grundlage der
brutalen Scharia
[Die Hadith-Dichtersprüche sind die Grundlage der
brutalen Scharia]
Hadithe sind die hauptsächliche Grundlage der Scharia,
der islamischen Rechtsprechung, da im Koran selber
höchstens 500 Stellen juristisch relevant sind und die
zahlreichen, sich widersprechenden Koranverse in der
Praxis grosse Problem aufwerfen. Da der Koran selber
als Rechtsgrundlage nicht ausreicht, werden für die
Rechtsprechung nicht nur die Taten und Sprüche des
Propheten, sondern auch die seiner Gefährten und sogar
deren Nachfolger herangezogen und auf die Goldwaage
gelegt. Zahllose Köpfe sind gerollt und zahllose Hände
in den Sand gefallen, abgeschlagen auf der Basis von
Hadithen.
Auf den Abfall vom Islam steht die Todesstrafe. Dies
aufgrund eines einzigen Hadith: "Töte den, der seine
Religion wechselt." IM Koran selber gibt es keine
korrespondierende Stelle. Ein einziger "Spruch",
aufgetaucht von irgendwoher, kann über Leben und Tod
entscheiden.
[Korangelehrte in der "islamischen Wissenschaft"
sortieren die Hadithe ohne wissenschaftliche
Kriterien"]
Auch Korangelehrte sind sich der Problematik der
Hadithe bewusst. Zu allen Zeiten wurde an ihrer
Bereinigung gearbeitet. Die auch gegenwärtig
betriebene "islamische Wissenschaft"
ilm
al-ridschal beschäftigt sich mit den Vermittlern
von Hadithen. Sie hat die Aufgabe, "die Lebensumstände
und die wissenschaftliche Qualifikation" der
Überlieferer von damals zu überprüfen. Das heisst, die
falschen Hadithe aussortieren und die richtigen
behalten. Nur, nach welchen wissenschaftlichen
Kriterien denn? Man muss sich auch an dieser Stelle
wiederum fragen, was im islamischen Kontext
"Wissenschaft" überhaupt bedeuten soll. Mit einer
allgemein akzeptierten Definition von
Wissenschaftlichkeit scheint sie jedenfalls nicht viel
zu tun zu haben.
Man möge sich in Erinnerung rufen: Wir sprechen von
der Notwendigkeit einer hunderttausendfachen
Überprüfung einer Kette von Personen hinsichtlich
Lebensdaten und Charaktereigenschaften, etwa 1400
Jahre zurückliegend, die über fünf bis sechs
Generationen eine Vielzahl von Informationen
vorwiegend als Zitate in wörtlicher Rede und ohne
schriftlichen Beleg unverfälscht weitergegeben haben
sollen. Wer mag, nenne das ein Wunder, den Begriff
Wissenschaft lasse man aus dem Spiel.
[Der Vergleich mit Gerüchten um Napoleon - Hadithe
werden nach dem Gefühlsprinzip klassifiziert]
Die historische Korrektheit von Hadithen ist genau so,
als würden wir heute das Leben und die Taten Napoleons
samt seiner wörtlichen Reden ausschliesslich auf der
Basis von Erzählungen beschreiben, die über die [S.61]
Generationen hinweg an uns weitergegeben wurden ("Mein
Grossonkel erzählte mir, sein Vater habe ihm erzählt,
der Grossvater eines Bekannten, dessen Grossvater
jemand kannte, dessen Onkel bei Napoleon diente, habe
erfahren, dass dieser Folgendes sagte: ...").
Welche historische Verlässlichkeit hätte das?
Aber so funktionieren Hadithe. Und solch eine "Kette"
soll, damals wie heute, ernsthaft überprüfbar sein?
Über die Wahrheit der Mitteilung selber wissen wir
damit überhaupt noch nichts, denn der Inhalt eines
Hadith wird bekanntlich nicht in Frage gestellt.
Im Prinzip wurde alles, was nach dem Gefühl des naiven
Gläubigen richtig war, als Spruch des Propheten zum
Hadith.
3.6. Die Lebensbeschreibung (Sira) des
"Mohammed" mit erfundenen Dichtersprüchen
(Hadithen)
[Die Lebensbeschreibung ("Sira") sind alles nach
Gefühl und Hörensagen erfundene Hadithe]
Es geht dabei nicht nur um einzelne Passagen, sondern
um das gesamte Konstrukt des Lebens und Wirkens des
Propheten, denn die "Sira", die Lebensbeschreibung des
Propheten, ist nichts anderes als biografisch
aneinandergereihtes Hadithmaterial.
Hier zeigt sich in aller Schärfe das islamimmanente
Grundproblem der Quellen: Geschichten vom Hörensagen
werden als Tatsachen ausgegeben. Quellenforschung ist
nicht existent.
[CIA-Wikipedia behauptet, die nach Gefühl
"überlieferten" Hadithe seien wegen der
Erzählerkette autentisch]
Wikipedia meint: "Allerdings unterscheidet sich die
Sira-Literatur dadurch von der Hadith-Literatur, dass
sie im Allgemeinen nicht durch die Kette der
Überlieferung gesichert ist." [[Wikipedia: Sira:
https://de.wikipedia.org/wiki/As-S%C4%ABra_an-Nabaw%C4%ABya
- Stand 30.8.2015]].
Soll die "Kette der Überlieferungen" etwa ein
Gütesiegel sein?
Wenn man die "Kette der Überlieferung" als "gesichert"
ansieht, was ist dann überhaupt noch "nicht
gesichert"? Durch den Eingang kommt ein Märchen herein
und verlässt den Ausgang als gesichertes Faktum?
[CIA-Wikipedia behauptet, die nach Gefühl
erfundenen Sira-Hadithe seien im Kern "weitgehend
authentisch"]
Und: "Nach dem heutigen Forschungsstand gilt die Sira
in ihrem Kern als eine weitgehend authentische,
historische Quelle; ausgenommen nur einige Passagen."
[[Wikipedia: Sira:
https://de.wikipedia.org/wiki/As-S%C4%ABra_an-Nabaw%C4%ABya
- Stand 30.8.2015]].
Gerade das Gegenteil ist der Fall. Der Wissenschaftler
möge sich melden, der in der Sira, das heisst in den
Hadithen und ihren Derivaten, eine "authentische und
historische Quelle" sieht.
Weil die Quellen vollkommen obskur und nicht
verifizierbar sind, kann man die Hadithe getrost als
eine Märchensammlung bezeichnen [S.62].
3.7. Der Kampf mit den erfundenen Hadithen
von Region zu Region
[Verschiedene Regionen erfinden verschiedene
Hadithe, um andere islamische Regionen zu bekämpfen]
Kriterien für eine historisch verwertbare Quelle
erfüllen sie nicht - mit einer Ausnahme: Hadithe
bilden vorzüglich die Entstehungsgeschichte des Islams
ab. Die verschiedenen Richtungen, die die sich
entwickelnde Religion nahm, die Positionskämpfe, die
dynastischen Auseinandersetzungen, die theologischen
Ausformungen, sie schlugen sich alle in den Hadithen
nieder. Desgleichen treten die Einflüsse der
verschiedenen Regionen und Schulen - Damaskus, Basra,
Kufa, Medina, persische Theologen gegen arabische -
deutlich zu Tage, denn für jeden Anlass war das
passende Hadith zur Hand, um die eigene Position zu
stärken und die Gegenposition zu schwächen.
[Elemente anderer Religionen werden in Hadithen
aufgenommen: Beispiel das Gebet "Vater Unser"]
Auch die Einflüsse der Umgebungsreligionen
manifestieren sich wie auch schon im Koran in den
Hadithen. In Entlehnung vom Evangelium des Matthias
5:3 ("selig die Armen im Geiste") lässt man den
Propheten völlig unislamisch berichten, den grössten
Teil der Bewohner des Paradieses würden die
einfältigen bilden (wogegen nervende Ehefrauen die
Mehrheit in der Hölle bildeten). In der kanonischen
Sammlung des Abu Dawud bezeugt der Tradent
Abu-l-Darda, er habe Mohammed folgendes Gebet sprechen
gehört: "Unser Gott im Himmel, geheiligt werde Dein
Name, Dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden, so
wie Deine Barmherzigkeit im Himmel ist, sei sie auch
auf Erden. Vergib uns unsere Schuld und unsere
Sünden..."
3.8. Erfundene Hadithe in der islamischen
Justiz
[Die islamische Justiz sucht Hadithe - und wenn
keins vorhanden ist, fragt man sich: Was hätte der
Prophet gesagt?]
Tief einschneidende Konsequenzen hatten die Hadithe
für die Rechtsprechung. Verzichteten die frühen
Schulen des Abu Hanifa und Malik bin Anas auf Hadithe
- das heisst Mohammed kam gar nicht vor - stützten
sich spätere Schulen im Wesentlichen nur auf Hadithe.
Es ging also nicht mehr um Erstellung von
Rechtsprinzipien, sondern nur noch um den Abgleich.
Was hat der Prophet dazu gesagt? Was hat er getan? War
keine ausreichende Antwort zu finden, suchte man bei
den "Genossen" und deren "Nachfolgern" weiter. Und
führte auch das nicht zum Erfolg, erhob sich die
Frage: Was würde der Prophet sagen?
[Hadith-Fälscher Hanafiten]
Weil es ohne passendes Hadith nichts mehr zu bestellen
gab, wandelten sich etwa die ursprünglich recht
rationalen Hanafiten zu den eifrigsten
Hadithproduzenten und -fälschern. Das war der
Zeitpunkt, wo Hadithe das Leben der Gläubigen und ihre
Gesellschaft bis ins Detail regelten [S.63].
3.9. Die "Tradition" (Sunna) regelt das
muslimische Leben mit Dichtersprüchen (Hadithen)
und dem Prophetenleben (Sira)
Oberbegriff der Hadithe und der Sira ist die Sunna,
die "Tradition". Die Gesamtheit aller Überlieferungen
rund um den Propheten ist Sunna, wobei den Hadithen
darin die grösste Bedeutung zukommt. Sunna ist, was
der Prophet sagte, was er tat, und was man über ihn
berichtete. Die Sunna regelte entsprechend
Prophetentradition die Art der Begrüssung und was
einem Niesenden zu wünschen sei, genauso wie die
Anzahl der Frauen, die Barttracht, die Kleiderlänge
oder Speiseverbote.
[Die Sunna kontrolliert den Koran]
Sunna ist Regierungsform und Justiz und schliesslich
das wichtigste normative Prinzip des gesamten privaten
wie öffentlichen Lebens. Bereits im dritten
islamischen Jahrhundert waren Koran und Sunna
gleichwertig nebeneinander, es galt der Spruch "Die
Sunna ist der Richter über den Koran und nicht
umgekehrt". Die führenden Rechtsgelehrten al-Scheibani
und al-Schafi bekräftigen diesen Standpunkt, Ibn
Kuteiba begründete zur gleichen Zeit die These von der
Göttlichkeit der Sunna.
[Die Salafisten wollen streng nach der Sunna und
nach den Hadithen leben]
Salafi, der "Nachahmer der Tradition" - der Tradition
Mohammeds - war der grösste Ruhmestitel für einen
Gläubigen im 9. Jahrhundert. Diese "Nachahmer der
Tradition" bilden als "Salafisten" noch im 21.
Jahrhundert eine bedeutende Strömung im Islam.
[Die "Tradition" (Sunna") entwickelt sich von
schlichtem Wesen in die Kompliziertheit]
Unter Umständen, wo die höchste Tugend in Nachahmung
und Abgleich bestand, konnte sich natürlich keine
Theologie herausbilden. Und mehr noch: Die
urislamischen Motive verkehrten sich ins Gegenteil.
Wurzelte der früheste Islam im Streben nach Klarheit
und Schlichtheit, und daher in der Ablehnung des
aufgedonnerten griechischen Christentums mit seinen
Wundern und Heiligen, so war präzise dieser
ausschweifende Personenkult bereits im dritten
islamischen Jahrhundert Kennzeichen der neuen
Religion. Im Widerspruch zum Koran und zur arabischen
Sunna wurde eine Überfigur ohne Fehl und Tadel
kreiert, ein perfekter Mensch, der Wunder vollbrachte
und um den sich bald Tausende von Legenden rankten:
Mohammed [S.64].